Was ist eine Definition?

Definieren kommt vom lateinischen Wort für “abgrenzen”. Wie alle menschlichen Handlungen ist das Definieren in erster Linie zweckbestimmt: Man definiert einen Begriff oder einen Ausdruck, um deren Verwendung zu klären. Aus der Definition sollen sich Kriterien ergeben, anhand deren man entscheiden kann, ob etwas unter den Begriff fällt. Definieren ist also eine metasprachliche Operation, deren Zweck es ist, die Verständigung zu verbessern. Sie ist oft ausgelöst durch die Wahrnehmung einer Mehrdeutigkeit oder Vagheit, die für die weitere Verständigung schädlich wäre und folglich vorab beseitigt werden muß.

Eine schwierige Frage am Anfang ist bereits, was eigentlich definiert wird, Wörter, Begriffe oder Gegenstände. Wenn ich z.B. definiere:

Ein Herd ist ein Gerät oder eine Feuerstelle, wo Speisen gekocht werden,
habe ich dann den Herd (Gegenstand) oder Herd (Wort) oder ‘Herd’ (Begriff) definiert?

Die erste Alternative wäre zu explizieren als Definition eines Individuums oder einer Menge von Gegenständen. Ein Individuum kann man nicht definieren (man kann es z.B. identifizieren oder beschreiben). Eine heterogene Menge von Gegenständen kann man ebenfalls nicht definieren; man kann nur ihre Elemente aufzählen. Eine homogene Menge von Gegenständen, also eine Klasse, scheint Gegenstand einer Definition wie der folgenden zu sein

Sandaletten sind offene Damenschuhe mit höherem Absatz.
Dies ist zwar so formuliert, als wäre eine Klasse von Gegenständen das Subjekt der Definition; gemeint ist aber
Eine Sandalette ist ein offener Damenschuh mit höherem Absatz.
Das heißt, das Subjekts-Nominalsyntagma ist generisch determiniert, wie es eben nötig ist, wenn man von Begriffen spricht. Fazit: Es werden nicht Gegenstände definiert.

Dann bleibt die Frage, ob man Begriffe oder Wörter definiert (s. dazu den Abschnitt über Begriff und Ausdruck). Tatsächlich ist beides möglich. Man unterscheidet seit der Scholastik zwei Arten von Definitionen, die Nominaldefinition und die Realdefinition.

Damit ist folgendes gemeint: Angenommen, in einer Vorlesung kommt der Ausdruck Hypothese vor. Das Wort ist dem Studenten Erwin geläufig, aber der Dozent verwendet es in einer Weise, die Erwin nicht versteht. Erwin ersucht folglich den Dozenten, ‘Hypothese’ zu definieren. Daraufhin definiert der Dozent:

Hier hat der Dozent eine Realdefinition gegeben, d.h. er hat einen Begriff erklärt.

Angenommen andererseits, Wissenschaftler W systematisiert die lexikalischen Relationen zwischen Begriffen. Er stößt auf Paare von Verben wie öffnen - schließen, bedecken - aufdecken, bewaffnen - entwaffnen. Er bringt das Phänomen auf den Begriff, indem er formuliert: Es handelt sich um eine lexikalische Relation zwischen zwei Verben, von denen das eine die Überführung eines Gegenstands von Zustand Z1 in Z2 und das andere die Überführung des Gegenstands von Zustand Z2 in Z1 bedeutet. Nun fehlt ihm nur noch ein geeigneter Terminus für den so gefaßten Begriff. W definiert daher:

W hat jetzt dem Begriff einen Terminus zugewiesen, d.h. er hat von ‘reversiv’ eine Nominaldefinition gegeben.

Zusammengefaßt:

Nominaldefinitionen kommen fast nur in der Wissenschaft vor, Realdefinitionen dagegen auch in der täglichen Praxis. Die letzteren sind daher ungleich lebenswichtiger als die ersteren.

Nunmehr können wir eine Realdefinition von ‘Definition’ geben (vgl. Wikipedia s.v. definition):

Eine Definition macht die Intension eines Begriffs explizit. D.h., sie gibt die Menge der Merkmale an, welche allen und nur den Entitäten gemeinsam sind, die die Extension des Begriffs bilden. Diese Definition von ‘Definition’ versucht, das Gemeinsame von ‘Realdefinition’ und ‘Nominaldefinition’ zu erfassen, bei leichter Herunterspielung der letzteren zugunsten der ersteren.

Eine Definition expliziert also die Intension, nicht die Extension eines Begriffs. Zum einen ist die Extension der meisten Begriffe nicht aufzählbar. Zum anderen wäre damit auch nicht der Zweck der Definition erreicht, ein Kriterium zur Verfügung zu stellen, nach welchem man die Zugehörigkeit einer Entität zur Extension eines Begriffs entscheiden kann. Definitionen, welche aufzählen, was unter einen Begriff fällt, sind folglich unangemessen.

Die Definition von ‘Definition’ schließt eine Reihe von Sprechakten bzw. Satzformen aus, die auch ‘Definition’ genannt werden, und ist insofern enger als die Summe des diesbezüglichen Sprachgebrauchs. Die Bedingung, daß eine Definition die Intension eines Begriffs explizit macht, wird z.B. nicht erfüllt von der ostensiven Definition oder Definition per ostensionem (durch demonstratio ad oculos). Sie wird hier per ostensionem definiert durch Ernas Äußerung in dem folgenden Dialog:

wo Ernas Äußerung pragmatisch zu interpretieren ist als “alles, was die wesentlichen Eigenschaften vom dem hat”. Definitionen per ostensionem sind aus dem natürlichen Sprachgebrauch und insbesondere dem Spracherwerb nicht wegzudenken. Sie funktionieren besonders gut für prototypische Begriffe, wenn auf eine fokale Instanz hingewiesen wird. Sie erfüllen aber die o.a. definitorische Bedingung nicht und bleiben deshalb im folgenden außer Betracht.

Ein anderer Typ von Äußerung, der aussieht wie eine Definition, liegt vor in

Ein Zahlwort ist ein Numerale.
Wasser ist H2O.

Dieser Typ von Äquivalenz heißt reduktive Definition. Die Bezeichnung gibt korrekt die Tatsache wieder, daß diese Definition die Intension des Begriffs nicht expliziert, sondern einem Alltagsbegriff einen (anderswo) in einer Wissenschaft explizierten Begriff zuordnet. In gewissem Sinne ist dies eine Nominaldefinition, insofern sie ein wissenschaftliches Verständnis des rechten Äquivalents der Gleichsetzung voraussetzt und diesem den alltagssprachlichen Ausdruck zuordnet.

Formal betrachtet, ist eine Definition die Zuordnung von zwei Ausdrücken zueinander. Derjenige Ausdruck, welcher definiert wird, heißt das Definiendum, in den obigen Beispielen also Hypothese und reversiv. Derjenige Ausdruck, welcher den vorgenannten definiert, heißt das Definiens.1 Der Ausdruck Definition ist zweideutig, denn er bezeichnet sowohl die Operation des Definierens als auch das Definiens. (Die obige Definition bezieht sich auf den ersteren Sinn.) Man benötigt den Ausdruck Definiens nur in Kontexten, wo diese Ambiguität vermieden werden soll.

In der Zuordnung wird das Definiendum dem Definiens gleichgesetzt. Genauer, sie werden für synonym erklärt. Freilich kann man an Definitionen nicht den engen distributionellen Synonymiebegriff anlegen, denn aus rein stilistischen Gründen kann das Definiens nicht überall für das Definiendum eingesetzt werden. Abgesehen von solchen Gesichtspunkten ist jedoch zu fordern, daß das Definiendum an allen Stellen, wo es in Texten vorkommt, das Definiens besagt.

Wie definiert man richtig?

Wir beschränken uns im folgenden auf Realdefinitionen und fragen als nächstes: wie definiert man nun zweckmäßig und korrekt? Die Frage hat mindestens zwei Aspekte:

Die erste Frage betrifft die semantische Analyse, die zweite Konventionen über eine Textsorte.

Methodik der Abgrenzung

Die Methoden der semantischen Analyse sind Gegenstand ganzer Lehrbücher und Seminare. Kurz gesagt, besteht die Methodik aus zwei Schritten:

  1. Stelle fest, in welchen paradigmatischen und syntagmatischen Relationen das Definiendum in der Sprache steht.
  2. Teste deinen Definitionsversuch, indem du das Definiens in Texten für das Definiendum einsetzt.

Feststellung der paradigmatischen und syntagmatischen Relationen

Der erste Schritt der Methodik besteht in folgendem: Beim Feststellen der paradigmatischen Relationen vergleicht man das Definiendum mit bedeutungsverwandten Ausdrücken und grenzt es gegen diese ab. Will man z.B. ‘Hypothese’ definieren, so muß man es gegen ‘Theorie’, ‘Theorem’, ‘These’, ‘Argument’, ‘Beobachtung’, ‘Beweis’ usw. abgrenzen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Subsumption unter den richtigen Oberbegriff. Z.B. ist der Oberbegriff für ‘Satz’ ‘sprachliche Einheit’, der Oberbegriff für ‘Ordnung’ ist ‘Relation’, usw. Beim Feststellen der syntagmatischen Relationen untersucht man, in welchen Kontexten das Definiendum verwendet wird. Wenn es z.B. um den Begriff ‘Methodik’ geht, so stellt man fest, daß er in Sätzen vorkommt wie Erna beherrscht die linguistische Methodik noch nicht, und man schließt daraus, daß es pro Disziplin eine Methodik geben kann.

Die Anwendung dieser Methode stellt auch sicher, daß man einen Begriff durch seine wesentlichen und nicht durch irgendwelche akzidentiellen (zufälligen) Eigenschaften definiert. Das auf die Platonisten zurückgehende Beispiel

‘der Mensch ist ein federloser Zweibeiner’
zeigt das Gemeinte auf eklatante Weise, aber
‘ein Brunnen ist ein säulenförmiger Hohlraum, der von der Erdoberfläche senkrecht bis mindestens zum Grundwasserspiegel hinunterreicht’
ist um nichts akzeptabler. Wenn man die paradigmatischen Relationen von ‘Mensch’ untersucht, stellt man fest, daß der Begriff nicht in unmittelbarem Gegensatz zu ‘Vogel’ steht; und wenn man die syntagmatischen Relationen von ‘Brunnen’ untersucht, stellt man fest, daß es ein Ort ist, zu dem Menschen um Wasser gehen.

Eine Weiterung der Forderung, die paradigmatischen und syntagmatischen Relationen des Definiendum zu beachten, die hier nicht gebührend verfolgt werden kann, ist die folgende: Ein wissenschaftlicher Begriff kann nur im Rahmen einer Theorie definiert werden. Laien erwarten gelegentlich von einem Wissenschaftler, daß er ihnen einen Begriff erklärt, und sind dann frustriert, wenn der Wissenschaftler erst weit ausholt. Am Beispiel des Begriffs der Bedeutung ist aber zu sehen, daß es zu seiner Konzeption in der Philosophie und in der Linguistik verschiedene Ansätze gibt, die alle umfangreiche theoretische Voraussetzungen machen. So ist es im Prinzip mit jedem theoretischen Begriff: er kann nicht voraussetzungsfrei definiert werden, sondern gehört in den Rahmen eines theoretischen Gebäudes, in welchem einige Begriffe elementar, andere abgeleitet sind und wo folglich in den Definientia einiger Definitionen Begriffe vorkommen, die wiederum zuvor definiert wurden.

Test der Definition

Der zweite Schritt der Methodik dient im wesentlichen der Vergewisserung, daß die Definition nicht zu eng oder zu weit ist. Auch findet man dabei Verwendungen des das Definiendum bezeichnenden Wortes, an die man nicht gedacht hat und von denen man sich überlegen muß, ob man sie ein- oder ausschließen will. Bei Homonymen bietet das i.a. keine Schwierigkeit. Angenommen, ich habe ‘Satz’ definiert als ‘kleinste sprachliche Einheit mit einer illokutiven Kraft’, und ich stoße in einem Text auf die Behauptung “die Symphonie hat vier Sätze”, so werde ich mich allenfalls veranlaßt fühlen, meiner Definition eine Bemerkung voranzustellen, daß es sich in unserem Zusammenhang um den Satz als sprachliches Gebilde handelt, nicht jedoch die Definition ändern. Bei Polysemen jedoch kann es Anlaß geben, die Definition zu überdenken. Angenommen, ich habe ‘Flügel’ als ‘seitliche Extremität eines Vogels oder Flugobjekts’ definiert und stoße nun auf den Ausdruck Flügel eines Gebäudes. Dann werde ich vielleicht finden, daß meine Definition zu eng ist, und sie etwa in ‘seitliche Extremität eines Gegenstandes’ ändern.

Das letzte Beispiel zeigt zweierlei: Erstens, wenn ich in der beschriebenen Weise die Definition ändere, also etwa einenge oder - wie hier - ausweite, dann definiere ich eigentlich einen anderen Begriff. Jedes Definiens, das elementaren logischen Forderungen genügt, definiert einen Begriff, unabhängig von der Frage, ob es dafür einen eigenen Namen gibt. Das ist jedoch die Perspektive einer Nominaldefinition. Wenn ich eine Realdefinition beabsichtige, muß ich mir zunächst Klarheit über das Definiendum verschaffen und dafür dann das beste Definiens finden. Dies kann jedoch ein spiralförmiges Durchlaufen der beiden Schritte der Methodik erfordern.

Zweitens zeigt das Beispiel des Flügels - und erst recht das Beispiel des Satzes - noch einmal von anderer Warte, daß Realdefinitionen tatsächlich Begriffe, nicht Wörter definieren. Ein Wort kann viele verschiedene Sinne haben. Wann immer diese nicht auf einen Nenner zu bringen sind, muß man für die Definition einen davon als Definiendum auswählen. Man mag sich also von der tatsächlichen Verwendung einer Benennung in der geschilderten Weise methodisch leiten lassen, aber aus theoretischer Sicht definiert man einen Begriff unabhängig von der Frage, wie er benannt ist.

In diesem Punkte unterscheidet sich die wissenschaftliche Definition von der lexikographischen Definition. Letztere ist jedenfalls eine Nominaldefinition, denn sie beschreibt das Significatum eines Ausdrucks einer bestimmten Sprache. Der Zweck eines Wörterbuchs ist es, für jedes Wort der Sprache seinen Sinn, d.h. alle seine Verwendungen anzugeben. Für das Schlagwort Satz z.B. kann man in einem deutschen Wörterbuch zehn Homonyme finden, deren jedes noch mehrfach polysem sein kann. So kann eine umfassende Bedeutungserklärung eines Wortes zustandekommen. Mit der wissenschaftlichen Definition eines Begriffs ist am ehesten die lexikographische Bedeutungsangabe für eine einzige disambiguierte (d.h. weder homonyme noch polyseme) Lesung eines solchen Wortes vergleichbar.

Die klassische Definition

Wie formuliert man nun eine Definition? Diese Frage beantworteten die Scholastiker (im Anschluß an Platon und Aristoteles) mit dem einprägsamen Satz:

Definitio fit per genus proximum et differentiam specificam. (Scholastik)

"Die Definition [eines Artbegriffs] wird gemacht durch die nächst übergeordnete Gattung und den artbildenden Unterschied."

(Genus = Gattung
Spezies = Art)

Aristoteles' Beispiel war:

Der Mensch ist das rationale Lebewesen.

Wir können hinzufügen:

Ein Schimmel ist ein weißes Pferd.
Ein Junggeselle ist ein unverheirateter Mann.

wo ‘Lebewesen’ die nächsthöhere Gattung, also das unmittelbare Hyperonym, und ‘rational’ der spezifische Unterschied ist; und entsprechend in den anderen Beispielen. Die Ausdrücke ‘Genus’ und ‘Spezies’ sind hier - anders als in der Biologie - nicht als Bezeichnungen bestimmter Ebenen einer Taxonomie zu verstehen, sondern als relativ zueinander: Wenn x zu y hyponym ist, so ist x eine Spezies von y, und y ein Genus von x.

Dieses Verfahren setzt also eine Taxonomie voraus, so daß man für jeglichen Begriff ohne weiteres den Oberbegriff angeben kann. Das ist für die meisten substantivischen Begriffe möglich, freilich nicht bei allen trivial: Was ist z.B. der Oberbegriff für ‘Struktur’, ‘Handlung’, ‘Absicht’, um nur einige Kopfnüsse zu nennen? Nicht-substantivische Begriffe haben oft keinen Oberbegriff. Das gilt etwa für ‘naß’, ‘alt’, ‘lieben’, ‘schlafen’ und viele andere. Auf solche ist also das klassische Verfahren nicht anwendbar. Wo es jedoch anwendbar ist, ist es jedenfalls das beste.

Es folgen einige Prinzipien für angemessene Definitionen:

1. Theoretisch könnte man einen Begriff durch Bezug auf die untergeordneten Begriffe, also seine Hyponyme oder die Teile des bezeichneten Gegenstands, definieren. So könnte man ‘Hund’ durch Aufzählung von (repräsentativen) Hunderassen definieren und ‘Lampe’ als Gegenstand, welcher zusammengesetzt ist aus einem Leuchtkörper (“Leuchtmittel” in der Kommerzsprache) und einem opaken oder transparenten Schirm, derart daß der Schirm den Leuchtkörper ganz oder partiell verdeckt und sein Licht in eine bestimmte Richtung lenkt (bündelt oder streut).

Dieses Verfahren dürfte man allerdings nicht bloß auf einen Begriff eines Systems anwenden. Denn dann definiert man ‘Dackel’ mit Bezug auf das Genus proximum als eine bestimmte Sorte von Hund, ‘Hund’ jedoch durch Aufzählung seiner Unterbegriffe einschließlich Dackel. Auf diese Weise gerät man notwendigerweise in einen Zirkel. Man müßte also alle Begriffe des Systems durch ihre Unterbegriffe definieren. Das führt aber bei denjenigen, die unendlich viele Unterbegriffe haben – z.B. den Farben – in einen infiniten Regreß.

Obwohl also das Verfahren einer Definition durch Aufzählung von Unterbegriffen oder Teilen nicht funktionieren kann, werden solche Definitionen doch immer wieder angeboten. Schulgrammatiken definieren z.B. den Relativsatz als einen Nebensatz, der durch ein Relativpronomen eingeleitet wird, oder das direkte Objekt als dasjenige Element des Satzes, welches im Akkusativ steht. Solche Definitionen entsprechen nicht der Weise, in welcher Menschen Begriffe konstruieren und auf neue Gegenstände anwenden. Der Begriff ‘Relativsatz’ z.B. wird seit Jahrhunderten auf Konstruktionen wie in the girl we saw yesterday angewandt, wo kein Relativpronomen zu sehen ist; und dito der Begriff des direkten Objekts auf Konstruktionen wie we saw a girl, wo kein Akkusativ zu sehen ist. Solche Beispiele zeigen, daß das Konstitutive, Definitorische an solchen Begriffen für uns nicht ihre Bestandteile sind, sondern der syntagmatische und paradigmatische Kontext, in welchem sie stehen, und die Funktionen, welche die bezeichneten Dinge erfüllen.

2. Daß man einen Begriff nicht durch Aufzählung von Hyponymen definiert, impliziert, daß man ihn nicht durch Angabe von Alternativen definiert. Angenommen folgende Definition:

‘etwas zu widerlegen heißt entweder einen Widerspruch darin aufzuweisen oder ein Gegenbeispiel dazu anzuführen’.
Eine solche Definition bringt den gemeinsamen Nenner der beiden Alternativen nicht zum Ausdruck. Die Definition
‘etwas zu widerlegen heißt zu beweisen, daß es nicht zutrifft’
vermeidet dieses Problem. Der scholastische und aristotelische Ansatz unterscheidet sich von den angeführten falschen Verfahren dadurch, daß er das Definiendum zunächst in seiner Umgebung, sozusagen holistisch, erfaßt und erst dann seine Interna, sozusagen analytisch, betrachtet.

An dieser Stelle müssen wir von der Definition die Begriffsbildung unterscheiden. Während die klassische Definition in dem beschriebenen Sinne ein Top-down-Verfahren ist, gibt es in der Begriffsbildung beide Richtungen. D.h. man kann einen neuen Begriff bilden dadurch, daß man die Intension eines allgemeineren Begriffs mit Spezifika anreichert (top-down), oder man kann ihn dadurch bilden, daß man an spezifischen Begriffen Gemeinsamkeiten entdeckt, aus denen man einen Oberbegriff abstrahiert (bottom-up). In natürlichen Sprachen kommen beide Verfahren der Begriffsbildung vor und schlagen sich z.B. in der Komplexität der zugehörigen Bezeichnungen nieder. ‘Hundeartige’ z.B. ist offensichtlich ein sekundär gebildeter Oberbegriff, ‘Schäferhund’ dagegen offensichtlich ein sekundär gebildeter Unterbegriff.

3. Im Definiens darf das Definiendum nicht wieder vorkommen, sonst ist die Definition zirkulär. Das gilt etwa für

‘jemanden anzuklagen bedeutet, ihn einer Übeltat, deren man ihn für schuldig hält, anzuklagen’.
Während dieser Fall eklatant ist, bleibt die mittelbare Zirkularität eher unbemerkt. Sie liegt in folgenden zwei Definitionen vor:

Diese Art von Zirkularität ist in Wörterbüchern gang und gäbe, wo z.B. ‘klingeln’ durch ‘schellen’ und ‘schellen’ durch ‘klingeln’ definiert wird. Ein Beispiel aus der Linguistik ist:

Zur Vermeidung von Zirkularität ist es folglich notwendig, sich bezüglich der im Definiens vorkommenden Begriffe zu vergewissern, daß sie ihrerseits ohne Bezug auf das Definiendum definiert werden (können).

4. Die Freiheit von Zirkularität hängt eng zusammen mit der Forderung, daß die im Definiens auftretenden Begriffe elementarer als das Definiendum sein müssen. Man betrachte dazu die auf dieser Website indossierte Definition von ‘direktes Objekt’:

Zunächst versteht sich gemäß dem zuvor über Zirkularität Gesagten, daß wir jetzt nicht ‘Passivierung’ definieren können als eine Operation, die das direkte Objekt zum Subjekt macht. Stattdessen definieren wir sie wie folgt:

Das sieht aber nun ganz so aus, als hätten wir einen einfachen Begriff durch einen komplexen definiert. Denn in der Definition von ‘Passivierung’ kommt zwar ‘Subjekt’ vor, was in der Tat ein einfacherer Begriff ist. Aber ‘direktes Objekt’, was eigentlich bzgl. begrifflicher Komplexität auf einer Stufe mit ‘Subjekt’ stehen sollte, wird seinerseits durch ‘Passivierung’ definiert. Ob eine solche Definition wirklich unangemessen ist, kann man freilich erst entscheiden, wenn man das ganze Definitionengebäude sieht.

In komplexen Begriffsgebäuden kann es lange Ketten von Definitionen geben, in denen eine mittelbare Zirkularität leicht unentdeckt bleiben kann. Wenn man erstens das Ziel erreichen will, daß Begriffe durch Definition klar werden, und zweitens Zirkularität vermeiden will, kommt man zu folgendem Schluß: die Beziehung, daß die im Definiens auftretenden Begriffe elementarer sind als das Definiendum, ist transitiv in dem Sinne, daß diejenigen Begriffe, die (den Definitionen von) allen anderen zugrundeliegen, die elementarsten sind. Diese Begriffe heißen auch primitive oder axiomatische Begriffe (s. zu den semantischen Primitiva). In zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen befaßt sich die Grundlagenforschung mit der Frage, welches ihre primitiven Begriffe sind. Beim Aufbau eines Wörterbuchs stellt sich die Frage ebenfalls, denn ein Definitionengebäude, welches von Zirkularität frei ist, ist offensichtlich nur dann möglich, wenn einige Begriffe undefiniert bleiben. Dies ist in einem Wörterbuch nicht leicht akzeptabel, ist aber hier wie auch sonst der Preis, den man für Freiheit von Zirkularität zahlt.

Von den elementaren Begriffen wird ein intuitives Verständnis vorausgesetzt; und wenn sie geschickt gewählt sind, so geschieht dies zu Recht. Wer diese Intuition dennoch nicht hat, dem wird der Begriff dann durch seine Verwendung klar, also durch sein Auftreten in den Sätzen einer Theorie bzw. in den Definitionen eines Wörterbuchs. Er kann hierdurch als implizit definiert gelten.

Daß die im Definiens verwendeten Begriffe elementarer seien als das Definiendum, ist eine notwendige Voraussetzung für die unten zu besprechende Operationalisierung des Definiendum.

Definition von relationalen Begriffen

Nicht nur substantivische, auch adjektivische und verbale Begriffe lassen sich definieren, wie die gegebenen Beispiele bereits gezeigt haben. Bei diesen wird freilich offensichtlich, was bei substantivischen Begriffen oft unbemerkt bleibt: Wenn man einen relationalen Begriff definiert, hat man ihn in explizitem Bezug auf seine Relata zu definieren. Diese Forderung wird verletzt in folgenden Definitionen:

Eine Paraphrase ist notwendigerweise eine Paraphrase von etwas, und ebenso eine Präsupposition. Ein Zeuge ist ein Zeuge für etwas, und eine Mutter ist eine Mutter von jemandem. Diese Relata sind Bestandteil des Begriffs, der definiert werden soll. Sie sind folglich im Definiendum explizit zu machen und im Definiens wieder aufzugreifen, z.B. wie folgt:

Das letzte Beispiel zeigt deutlich, daß eine Definition, die die Relationalität nicht berücksichtigt, u.a. deshalb nicht funktioniert, weil sie die Verwendung des Definiendum nicht erklärt. Meine Mutter bedeutet nämlich nicht “meine Frau, die ein Kind geboren hat”. Vielmehr muß die syntaktische Beschreibung klarstellen, daß in meine Mutter die mit meine referenzierte Person die in der Definition mit ‘x’ bezeichnete Stelle einnimmt; und dann ist die Bedeutung “Frau, die mich geboren hat” kompositionell herleitbar.

Wie man sieht, nehmen die Argumente eines relationalen Begriffs im Prinzip die Form von Variablen an. Allerdings gelten für solche Argumente häufig bestimmte Voraussetzungen oder Beschränkungen, insbesondere Bedingungen über die Kategorie der Argumente (Proposition, Ereignis, Person usw.), die in einer Definition ebenfalls explizit zu machen sind.

Relationale Substantive sind meistens Abstrakta von Verben oder Adjektiven. Die letzteren sind semantisch und syntaktisch elementarer als die abgeleiteten Substantive. Die Definitionen solcher Abstrakta werden folglich eleganter und leichter verständlich, wenn man zunächst die zugrundeliegenden Verben bzw. Adjektive definiert. Auf deren Basis ist die Definition des abstrakten Substantivs dann ebenfalls ganz einfach. Das Schema illustrieren folgende Beispiele:

Wie man sieht, ist der zweite Teil solcher Definitionen so trivial, daß man ihn auch weglassen kann. Das zweite Beispiel zeigt überdies, daß dasselbe Definitionsschema sich für alle Abstrakta, also nicht nur für die relationalen, eignet.

Für die Formulierung von Definitionen ergibt sich schließlich, daß das syntaktische Schema ‘A: B’ oder ‘Ein A ist ein B’ (wo A das Definiendum und B das Definiens ist) zwar Vorzüge wegen seiner Einfachheit und Klarheit genießt, aber nicht das einzig mögliche und auch nicht immer das beste ist. Zum einen hat, wie gesagt, das Definiendum - und somit auch das Definiens - in schematischer Form von seinen Argumenten begleitet zu sein. Zum andern sind die Voraussetzungen, die im Definiendum stecken, explizit zu machen. Sie müßten notwendig im Definiens wiederkehren und sind folglich Voraussetzungen der gesamten Definition. Deswegen kann eine Definition ohne weiteres beginnen mit einer Einleitung der Form

‘gegeben ein x so daß P(x) und ein y so daß Q(y); dann ist x A von y gdw B’,
so wie soeben an der Definition von ‘Zeuge’ vorgeführt.

Der Fall, daß ein Definiendum Argumente oder Voraussetzungen involviert, die explizit gemacht werden müssen, ist nur eine Erscheinungsform der am Ende von §2.1.1 erwähnten allgemeineren Situation, daß Menschen Begriffe nicht in Isolation verwenden und folglich auch eine Definition nicht gelingen kann, die so tut, als wäre das so.

Operationalisierung von Begriffen

Wir hatten eingangs gesehen, daß eine Definition es ermöglichen soll, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob etwas unter einen Begriff fällt oder nicht. Definitionen sind jedoch erstens oft ziemlich abstrakt und haben zweitens einen Platz im Rahmen von Theoriegebäuden, die zahlreiche Voraussetzungen machen, die der Anwender nicht ohne weiteres kontrollieren kann. Der Anwender benötigt handfeste Kriterien, anhand deren er entscheiden kann, ob ein Phänomen unter einen gegebenen Begriff fällt und ob also eine Aussage, die diesen Begriff verwendet, zutrifft.

Einen Begriff zu operationalisieren heißt, eine Menge methodischer Verfahren anzugeben, die die Bedingungen spezifizieren, unter denen der Begriff auf ein Phänomen angewandt wird und unter denen ein Theorem, das den Begriff enthält, als von einem Datum falsifiziert gilt.2 Den Merkmalen, die die Intension des Begriffs ausmachen, sind also elementare Phänomene zuzuordnen, die beobachtbar oder anderswie eindeutig intersubjektiv feststellbar sind. Die Operationalisierung gehört zur vollständigen Definition von Begriffen in einer empirischen Wissenschaft. Sie spielt eine erhebliche methodische Rolle in den empirischen Abteilungen solcher Wissenschaften wie Soziologie und Psychologie, denn deren Methoden und die damit erzielten Ergebnisse können nur dann valide sein, wenn sie ihre Begriffe korrekt operationalisiert haben.

Als erstes Beispiel betrachte man den oben definierten Begriff der Präsupposition, der eine gewisse Rolle in Theorien der linguistischen Semantik spielt. Die Operationalisierung dieses Begriffs ergibt sich unmittelbar aus seiner Definition:

Um festzustellen, ob ein gegebener Satz S1 einen Satz S2 präsupponiert, gehe wie folgt vor:
  1. Stelle fest, ob S1 S2 impliziert.
  2. Bilde von S1 die negative Fassung ¬S1.
  3. Stelle fest, ob ¬S1 S2 impliziert.
  4. Falls beide Implikationen wahr sind, präsupponiert S1 S2, andernfalls nicht.

Dies illustrieren folgende Satzbeispiele:

B1.Erna bereut, daß sie sich von Erwin hat scheiden lassen.
B2.Erna hat sich von Erwin scheiden lassen.
B3.Erna ist reumütig.
B4.Es ist nicht der Fall, daß Erna bereut, daß sie sich von Erwin hat scheiden lassen.
B4'.Erna bereut nicht, daß sie sich von Erwin hat scheiden lassen.

Die Frage ist, ob B2 eine Präsupposition von B1 ist. Tatsächlich impliziert B1 B2. Als nächstes verneint man B1. Das kann man, um in der Aussagenlogik sicher zu gehen, auf explizite Weise tun, so wie in B4; man kann es aber auch, um die Bedeutung sicherer kontrollieren zu können, auf natürlich-sprachliche Weise tun, so wie in B4'. Tatsächlich implizieren auch B4 und B4' B2. Folglich ist B2 eine Präsupposition von B1. Eine weitere Frage ist, ob auch B3 eine Präsupposition von B1 ist. In der Tat impliziert B1 B3. B4 bzw. B4' dagegen implizieren B3 nicht. Folglich ist B3 keine Präsupposition von B1 (sondern eine andersartige Bedeutungskomponente davon).

Ein ebenfalls noch einfaches Beispiel der Operationalisierung bietet uns der Begriff der Hyponymie, der wie folgt definiert werden kann:

Wie wir wissen, inkludiert die Intension von B1 diejenige von B2, gdw die Extension von B2 diejenige von B1 inkludiert. Somit ergibt sich folgende Operationalisierung des Begriffs der Hyponomie:

Um festzustellen, ob B1 ein Hyponym zu B2 ist, gehe wie folgt vor:
  1. Wähle ein beliebiges x derart daß B1(x).
  2. Stelle fest, ob auch B2(x).
  3. Negativenfalls ist die Hypothese der Hyponymie falsifiziert. Positivenfalls gehe zu Schritt 1 zurück solange, bis du zufriedengestellt bist.3

Die meisten in empirischen Wissenschaften auftretenden Fälle der Operationalisierung von Begriffen sind weit weniger trivial. Ob z.B. ein Satz die syntaktische Struktur hat, die man ihm zuschreibt, oder ob eine Sprache genetisch mit einer anderen verwandt ist, läßt sich nur feststellen, wenn die Begriffe der syntaktischen Struktur und der genetischen Verwandtschaft operationalisiert werden. Das ist bisher nur in Ansätzen gelungen.4 In der Soziologie und der Psychologie involviert die Operationalisierung von Begriffen meist eine Messung, und diese setzt in der Soziologie oft Befragungen, in der Psychologie Tests und Experimente voraus. In diesem Sinn ist Experimentdesign die Operationalisierung eines Begriffs oder einer These.

Übungsaufgaben

Analyseaufgabe


1 Dies z.B. sind Nominaldefinitionen.

2 In Ableitung hiervon wird dann auch die Operationalisierung einer Hypothese definiert.

3 Verfahren dieser Art werden besonders in der Dialoglogik von Kamlah & Lorenzen 1967 angewandt, wo sich ein Proponent und ein Opponent die Arbeit teilen.

4 Zur Operationalisierung der genetischen Verwandtschaft ist - von nicht-linguistischer Seite - allen Ernstes vorgeschlagen worden: Zwei Sprachen sind dann genetisch verwandt, wenn eine hinreichend große Zahl von Sprachwissenschaftlern auf Befragen angibt, sie seien genetisch verwandt.