Die indogermanische Sprachfamilie ist eine von mehreren Hundert Sprachfamilien auf der Welt. Sie ist nach der Zahl ihrer Sprachen eine der größeren Familien und von allen am weitesten über den Globus, nämlich alle fünf Erdteile verbreitet. Sie hat nach dem Ägyptischen (über ca. 4.000 Jahre) die Sprachen mit der längsten dokumentierten Geschichte (Griechisch über 3.200 Jahre). Da die Aufspaltung der Familie nicht mehr als 1.000 Jahre vor dem Beginn der schriftlichen Überlieferung begann, sind die Verwandtschaftsverhältnisse ziemlich klar und die Ursprache umfassend rekonstruierbar.
Die geographische Verbreitung der indogermanischen Sprachen ist hier zu sehen.
Die Verwandtschaftsverhältnisse der indogermanischen Sprachen lassen sich wie folgt darstellen (die Information stammt überwiegend aus Meier & Meier 1979 und Comrie (ed.) 1989):
Besonders in der rechten Spalte sind nur die wichtigsten Sprachen aufgeführt; das Bestehen weiterer ist durch drei Punkte bezeichnet. Es sind auch nicht alle feststellbaren Gruppierungen in der Hierarchie dargestellt.
Die zweidimensionale Darstellung kann von links nach rechts als Stammbaum und von oben nach unten als Dialektkontinuum gelesen werden. In beiden Dimensionen stecken freilich Unsicherheiten, und sie reichen auch nicht aus, um die Komplexität der Verhältnisse angemessen darzustellen. Die Namen in den ersten beiden Spalten bezeichnen in erster Linie Zweige der Familie, in zweiter Linie (i.a. mit dem Präfix Ur-) die Ursprache, aus der der jeweilige Zweig stammt. Ein Gedankenstrich in der letzten Spalte besagt, daß die links davon stehende Sprache ausgestorben ist. Allerdings besteht in der Senkrechten keine genaue Synchronizität.
Der anatolische Zweig nimmt nicht an dem Dialektkontinuum teil, weil er sich als erster von den anderen Sprachen abgespalten hat. Der geographische Zusammenhang des Dialektkontinuums ist zudem dort gestört, wo Sprachgemeinschaften nachträglich abgewandert oder zugewandert sind.
Die Indogermanen breiteten sich seit Mitte des 3. Jt. von ihrer Urheimat in alle Richtungen außer Nordosten aus. Die verschiedenen Stämme trennten sich nicht alle gleichzeitig, sondern über Jahrhunderte wanderten immer wieder einzelne Stämme ab, z.T. in eine neue Richtung, z.T. in dieselbe Richtung, in welche vorher schon ein Stamm gewandert war. Bis zum Jahre 0 gelangten sie im Südosten bis Indien, im Süden bis Kreta, im Südwesten bis Iberien, im Nordwesten bis Britannien, im Norden bis Skandinavien. Überall unterwarfen sie die bereits ansässige Bevölkerung, also vorindogermanische (“alteuropäische”) oder zuvor zugewanderte indogermanische Völker. Z.B. waren in fast ganz Westeuropa die Kelten die ersten Indogermanen. Aber heute ist von den Kelten und ihren Sprachen nur noch sehr wenig übrig, weil andere, später in denselben Raum vordringende indogermanische Stämme sie verdrängt oder überlagert haben.
Die zuvor, also seit der letzten Eiszeit bis zur indogermanischen Immigration, im indogermanischen Europa gesprochenen Sprachen wurden fast alle ausgelöscht. Diejenigen, die nicht geschrieben wurden, sind spurlos verloren; von einigen (z.B. Piktisch) ist der Name aus antiken Quellen bekannt. Von denjenigen, die geschrieben wurden (z.B. Iberisch), sind gelegentlich einzelne Dokumente erhalten, die oft für eine Entzifferung und ein Verständnis der Texte nicht hinreichen. Sie heißen deshalb auch Trümmersprachen.
Neben der indogermanischen bestehen in Europa noch folgende Sprachfamilien: