Für jede Aufgabe ist der Wert in Punkten angegeben. Wenn 60% der erreichbaren Punkte erreicht sind, ist die Aufgabe gelöst.
2. Relativsätze
Jemand, der Englisch als Muttersprache hat und Deutsch lernt, hat eine andersartige Grammatik der Relativsatzbildung zu lernen. Die folgenden kontrastiven Beispielserien zeigen die wesentlichen Unterschiede auf. Beantworten Sie die Fragen jeweils unter Bezugnahme auf die Beispiele.
B1. a. I bought the chair that I had seen.
b. I bought the vase that I had seen.
c. I bought the book that I had seen.
B2. a. Ich kaufte den Stuhl, den ich gesehen hatte.
b. Ich kaufte die Vase, die ich gesehen hatte.
c. Ich kaufte das Buch, das ich gesehen hatte.
B3. a. I bought the chair that I had seen.
b. I bought the chairs that I had seen.
B4. a. Ich kaufte den Stuhl, den ich gesehen hatte.
b. Ich kaufte die Stühle, die ich gesehen hatte.
B5. a. I bought the chair that was in the showcase.
b. I bought the chair that I had seen.
c. I bought the chair that I had dreamt of.
B6. a. Ich kaufte den Stuhl, der im Schaufenster stand.
b. Ich kaufte den Stuhl, den ich gesehen hatte.
c. Ich kaufte den Stuhl, von dem ich geträumt hatte.
1. (2 P.) Wodurch werden Relativsätze im Deutschen und Englischen eingeleitet? (1)
2. a. (3 P.) Welche morphologischen Informationen gibt der deutsche Relativsatzeinleiter, die der englische nicht gibt?
b. (4 P.) Wie sind diese Informationen syntaktisch bedingt?
B7. a. I bought the vase that I had dreamt of.
b. *I bought the vase of that I had dreamt.
B8. a. *Ich kaufte die Vase, der ich von geträumt hatte.
b. Ich kaufte die Vase, von der ich geträumt hatte.
c. Ich kaufte die Vase, wo ich von geträumt hatte.
3. (5 P.) Welche Regel der deutschen Relativsatzbildung illustrieren B8.a und b im Vergleich mit B7?
4. a. (2 P.) Auf welcher soziolinguistischen Ebene liegen Sätze wie B8.c?
b. (4 P.) Vergleichen Sie B8.c mit B8.a einerseits und mit B7.a andererseits.
Lösung:
1. Im Deutschen werden Relativsätze durch das Relativpronomen eingeleitet. In den Aufgaben liegt das Pronomen der/die/das vor; daneben existiert das Relativpronomen welcher/welche/welches. Im Englischen werden sie (wenn man der Fußnote folgt) durch den Subordinator/die Konjunktion that eingeleitet. 2.a. B2 zeigt, daß das Relativpronomen durch die drei Genera flektiert, während engl. that das gemäß B1 nicht tut (da es im Englischen kein Genus gibt). B4 zeigt, daß das Relativpronomen durch die beiden Numeri flektiert, während engl. that das, wie an B3 zu sehen, nicht tut. B6 zeigt, daß das Relativpronomen nach Kasus flektiert, während engl. that das, wie an B5 zu sehen, nicht tut. (Pronomina des Englischen tun das jedoch!) b. Genus und Numerus des Relativpronomens sind bedingt durch, d.h. identisch mit, Genus und Numerus des Bezugsnomens des Relativsatzes. Der Kasus des Relativpronomens dagegen wird nicht durch den Kasus des Bezugsnomens bedingt, sondern durch die syntaktische Funktion, die es im Relativsatz haben würde, wenn es dort eingesetzt würde. Sie wird im folgenden 'syntaktische Funktion des Kernbegriffs' genannt. 3. Ist die syntaktische Funktion des Kernbegriffs die des Komplements einer Präposition, wie in B8, dann wird im Deutschen das ganze Präpositionalsyntagma, also die Präposition mit folgendem regierten Relativpronomen, an den Anfang des Relativsatzes gestellt, wie in B8.b. Im Englischen geschieht nichts derartiges. Dort wird der Relativsatz in jedem Falle durch that eingeleitet, und der Kernbegriff ist im Relativsatz nicht vertreten, so daß an seiner Stelle eine Lücke bleibt, wie in B7.a. Dieses englische Verfahren auf den deutschen Relativsatz anzuwenden, wie in B8.a, führt zu Ungrammatikalität, ebenso wie die Anwendung des deutschen Verfahrens auf den englischen Relativsatz, wie in B7.b, zu Ungrammatikalität führt. 4.a. B8.c ist nach der schriftsprachlichen Norm ungrammatisch. Solche Konstruktionen kommen jedoch in der Umgangssprache der meisten deutschen Dialekte vor. b. In B8.c unterscheidet sich von B8.a bloß dadurch, daß zur Relativsatzeinleitung nicht das Relativpronomen, sondern die Partikel wo verwendet wird. B8.c hat insofern die gleiche Struktur wie B7.a: Der Relativsatz wird nicht durch ein Pronomen, sondern durch einen invariablen Subordinator eingeleitet. Der Kernbegriff ist innerhalb des Relativsatzes in B8.c ebenso wenig vertreten wie in B7.a. Das bedeutet, daß das durch B7.a illustrierte englische Verfahren zwar in der deutschen Schriftsprache, die das Relativpronomen verlangt, nicht existiert, wohl aber in der deutschen Umgangssprache. |
1. Die Aufgabe blendet englische Relativsätze, die durch who/which/whose eingeleitet werden, aus; lassen Sie sie unberücksichtigt