Hochdeutsche Lautverschiebung

Die Hochdeutsche Lautverschiebung heißt auch, im Verhältnis zur Germanischen Lautverschiebung, die zweite Lautverschiebung.

Die Lautverschiebung betrifft nur die Okklusive und sollte deshalb höchstens “Konsonantenverschiebung” heißen. Sie setzt das germanische System der Okklusive voraus, welches zwei Artikulationsarten unterscheidet: [± stimmhaft]. Es gibt also zwei Klassen von Okklusiven:

Die Hochdeutsche Lautverschiebung ist ein Lautwandel, der im 6. Jh. n.Ch. im Hochdeutschen stattfindet. Sie sondert folglich das (Alt-)Hochdeutsche von den anderen westgermanischen Sprachen ab. Sie überführt das obige Okklusivsystem in das hochdeutsche Okklusivsystem, und zwar in zwei Einzelverschiebungen:

1. Stimmlose Okklusive werden Affrikaten.
Die (durch die germanische Lautverschiebung entstandenen) westgermanischen stimmlosen Okklusive werden zunächst aspiriert und im Ergebnis Affrikaten. Dies geschieht unter einer Reihe von Bedingungen, insbesondere nicht nach /s/. In der folgenden Tabelle werden in der letzten Spalte der Einfachheit halber nicht die althochdeutschen Produkte der Verschiebung, sondern ihre modernen Fortsetzer angegeben. In der vorletzten Spalte sind zum Vergleich etymologisch identische Formen von Sprachen angegeben, die an der zweiten Lautverschiebung nicht teilgenommen haben.

InputOutputBeispiel
[- stimmhaft][+ strident]nicht-hochdeutschhochdeutsch
ppfengl. poolPfuhl
engl. apple, niederdt. AppelApfel
lat. pondus, engl. poundPfund
lat. persicaPfirsich
engl. panPfanne
tʦengl. tenzehn
lat. tegulaZiegel
engl. tinZinn
niederländ. tand, engl. toothZahn
kengl. cornahd. chorn

2. Stimmhafte Okklusive werden stimmlos.
Stimmhafte Okklusive werden im Althochdeutschen nur in bestimmten Kontexten stimmlos. Im Anlaut bleiben sie meist stimmhaft.

InputOutputBeispiel
[+ stimmhaft][- stimmhaft]engl.nhd.
bpsibSippe
dtdealTeil
dayTag
goodgut
gkas. hruggiRücken

Die beiden Teilverschiebungen hängen dadurch zusammen, daß die verstimmlosten Okklusive die von den vormals stimmlosen freigemachte Systemposition füllen (oder sie daraus “verdrängen”).

Der Herd der Hochdeutschen Lautverschiebung liegt im Alemannischen. Dort wird sie systematisch und umfassend durchgeführt; insbesondere ist k → kˣ im Schweizerdeutschen durchgeführt. Nach Norden ebbt sie ab. Im Mitteldeutschen wird /k/ nicht mehr affriziert. Im Niederdeutschen findet die Lautverschiebung nicht statt.