Sprachen der Antike

Christian Lehmann

Universität Erfurt

Studienrichtung Sprachwissenschaft
Phase Orientierung
Schwerpunkt Kernbereich
Charakter Pflicht
SWS 2 Semester
Leistungspunkte 4 Zeit
Prüfungsleistungen mündliche Prüfung Raum LG 4, D05

0. Präliminarien

0.1. Veranstaltungskommentar

Die Vorlesung gibt einen Überblick über wichtige Sprachen der Antike, und zwar voraussichtlich Altchinesisch, Sumerisch, Akkadisch, Ägyptisch, Hebräisch, Etruskisch, Iberisch, Sanskrit, Griechisch, Latein, Gotisch. Jede Kollegstunde behandelt für eine Sprache die folgenden Fragen:

- Wie ist die geographische Verbreitung der Sprache, von Menschen welcher ethnischen Zugehörigkeit wurde sie gesprochen?

- Mit welchen anderen Sprachen ist sie genetisch verwandt?

- In welche hauptsächlichen Dialekte gliedert sie sich?

- In welcher gesellschaftlichen Situation und neben welchen anderen wurde die Sprache verwendet, welche Bedeutung hatte sie für die Kommunikation in der Welt?

- Was sind die großen Linien ihrer Geschichte, wie lebt sie ggf. in modernen Sprachen fort?

- Seit wann gab es eine Literatur in der Sprache, was sind ihre wichtigsten Charakteristika?

- Was sind die wesentlichen Strukturmerkmale der Sprache, die ihren Sprachtyp ausmachen?

Ziel der Veranstaltung ist es, einerseits einen Gesamteindruck von der sprachlichen Situation der antiken Welt zu vermitteln, andererseits aber die frappanten Unterschiede, die auch zwischen den großen Kultursprachen bestehen, hervorzuheben.

Empfohlene Literatur

a) zur Anschaffung:

Riese, Berthold (ed.) 1994, Schrift und Sprache. Heidelberg etc.: Spektrum (Verständliche Forschung).

b) zur Vorbereitung:

Campbell, George L. 1991, Compendium of the world's languages. 2 vols. London & New York: Routledge.

Neumann, Günter & Untermann, Jürgen (eds.) 1980, Die Sprachen im römischen Reich der Kaiserzeit. Kolloquium von 8. bis 10. April 1974. Köln: Rheinland-Verlag; Bonn: R. Habelt (Beihefte der Bonner Jahrbücher, 40).

0.2. Semesterapparat
Standort Buchungsnr. Bibl. Angabe
Campbell, George L. 1991, Compendium of the world's languages. 2 vols. London & New York: Routledge.
Neumann, Günter & Untermann, Jürgen (eds.) 1980, Die Sprachen im römischen Reich der Kaiserzeit. Kolloquium von 8. bis 10. April 1974. Köln: Rheinland-Verlag; Bonn: R. Habelt (Beihefte der Bonner Jahrbücher, 40).
Földes-Papp, Károly 1966, Vom Felsbild zum Alphabet. Die Geschichte der Schrift in ihren frühesten Vorstufen bis zur modernen lateinischen Schreibschrift. Stuttgart: Belser.
Herrmann, Joachim (ed.) 1984, Lexikon für frühe Kulturen. Köln: Pahl-Rugenstein.
Riese, Berthold (ed.) 1994, Schrift und Sprache. Heidelberg etc.: Spektrum (Verständliche Forschung).
Untermann, Jürgen 1980, Trümmersprachen zwischen Grammatik und Geschichte. Opladen: Westdeutscher Verlag (Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaft, Vorträge, G 245).
Cancik, Hubert & Helmuth Schneider (eds.) 1996ff, Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. 15 Bde. Stuttgart: J.B. Metzler.
Lyovin, Anatole V. 1996, An introduction to the languages of the world. New York etc.: Oxford University Press.

0.3. Veranstaltungsprogramm

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

Einführung, Teil I: Überblick

Einführung, Teil II: Vergleichende Sprachwissenschaft, Schrift

Altchinesisch

Sumerisch

Akkadisch

Ägyptisch

Hebräisch

Etruskisch

Iberisch

Sanskrit

Griechisch

Latein

Gotisch

15.10.98

22.10.98

12.11.98

26.11.98

03.12.98

10.12.98

17.12.98

07.01.99

14.01.99

21.01.99

28.01.99

04.02.99

11.02.99

0.4. Bibliographie

(Entfällt, wird pro Sprache gegeben.)

0.5. Themen für Hausarbeiten

[Hausarbeiten sind nicht vorgesehen.]

1. Einführung

1.1. Geschichte der Menschheit

Der Australopithecus ramidus ist das (nicht mehr missing) link zwischen den Menschenaffen und den Vormenschen. Die Entwicklung begann mit dem aufrechten Gang. Aus Homo habilis oder rudolfensis (die sich i.w. in der Größe unterscheiden) entwickelt sich Homo erectus, aus diesem sowohl der Neandertaler als auch der archaische Homo sapiens, aus welchem wieder der moderne Homo sapiens. Von Afrika aus verbreitete sich erst Homo erectus und dann noch einmal Homo sapiens über die Welt. Kann aber auch sein, daß sich aus den schon verbreiteten Formen von Erectus an verschiedenen Stellen Homo sapiens entwickelte.

Die Humangenetiker Allan C. Wilson, Mark Stoneking & Rebecca L. Cann (UC Berkeley) verglichen die DNA einer repräsentativen Stichprobe aller lebender Menschen und stellten [Ende der 80er Jahre] die Eva-Hypothese auf: Alle Menschen stammen von einer einzigen Frau ab, die vor etwa 150.000 Jahren in Afrika lebte.

Die Steinzeit (Lithikum) fällt mit dem geologischen Pleistozän (Eiszeitalter) zusammen. Es entstehen eine Reihe von hominiden Arten, darunter der Neandertaler. Nur eine der Entwicklungslinien, eben die zum Homo sapiens sapiens, setzt sich durch. Es ist wahrscheinlich dieselbe Linie, die sich Sprache im heutigen Sinne erfindet. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, daß Homo sapiens sapiens zum Aussterben der anderen Hominidenarten aktiv beigetragen hat und daß ihm die Sprache dazu gedient hat.

Während des Jüngeren Paläolithikums bilden sich die Hauptrassen heraus: Monolide, Negride, Europide, Australide. Andererseits bestehen bereits während dieser Zeit extensive Handelskontakte quer über Europa hinweg.

In Amerika gab es nie andere Hominiden. Es wurde in mehreren Wellen seit etwa -20.000 von Asien aus durch Mongolide erstmals besiedelt.

Nach Ende der letzten Eiszeit beginnt die Jungsteinzeit. Der Übergang zur Seßhaftigkeit gilt in der Vorgeschichte als neolithische Revolution. Die neuen Produktionsmethoden führten zu einer Bevölkerungsexplosion, zu komplexeren Gesellschaften und zur Entstehung von Städten.

1.2. Ursprung und Evolution der Sprache

1.2.1. Langage und langue

Begrifflich ist zu unterscheiden zwischen der Sprache als einer Fähigkeit und Tätigkeit, die allen Menschen gemeinsam ist und die mit dem französischen Wort langage bezeichnet wird, und einer Sprache als einer historischen und gesellschaftlich-kulturell gebundenen Ausprägung davon, wie etwa Latein oder Vietnamesisch, die mit dem französischen Wort langue bezeichnet wird.

Alle heute noch gesprochenen Sprachen sind Manifestationen desselben langage. D.h. sie sind nicht der Art nach, sondern nur historisch verschieden. Ihre Entstehung verdankt sich folglich nicht der Evolution, sondern der Geschichte, einschließlich der Vorgeschichte, der Menschheit. Sie alle setzen Homo sapiens sapiens voraus. Der langage hingegen unterliegt der Evolution. Er ist, zusammen mit dem Menschen selbst, aus tierischen Vorformen entstanden. Sein wesentliches Merkmal, das ihn von nicht-menschlichen und einigen nicht-sprachlichen Zeichensystemen unterscheidet, ist die zweifache Gliederung des sprachlichen Zeichens. Alle sprachlichen Nachrichten sind auf zwei Ebenen gegliedert. Auf der ersten bestehen sie aus Zeichen, d.h. aus Einheiten, deren jede eine eigene Bedeutung trägt und diese zur Gesamtbedeutung der Nachricht beiträgt. Auf der zweiten Ebene besteht jede Nachricht und jedes Zeichen aus Einheiten, die keine Bedeutung haben, sondern bloß der Unterschiedung von Bedeutungen dienen. Erst diese Systemeigenschaft gewährleistet die unbegrenzten Ausdrucksmöglichkeiten menschlicher Sprache.

1.2.2. Monogenese und Polygenese

Die menschliche Sprache kann im Prinzip durch Monogenese oder Polygenese, also bloß ein einziges Mal oder unabhängig voneinander an mehreren Stellen entstanden sein. Die Alternativen sind jedoch nicht sehr stark voneinander verschieden. Denn nach dem soeben Gesagten geht es um die etwaige Polygenese der langues, nicht des langage. Eine Hypothese von der Polygenese des langage wäre entweder durch die Einheit der existierenden Sprachen widerlegt oder sonst ohne wissenschaftliche Konsequenzen.

Der Mensch hat bei seiner Entstehung schon lautliche Kommunikation gehabt. Er hat den langage mit seiner zweifachen Gliederung ausgebildet. Auf dieser Grundlage entstanden die verschiedenen langues. Sie unterscheiden sich voneinander nicht nur in den einzelnen Zeichen, besonders den Wörtern, sondern auch in ihrem grammatischen Bau und ihren Lautsystemen. Für die meisten dieser Unterschiede hat die Linguistik zeigen können, daß sie historisch ineinander übergehen können. Für einige jedoch ist das noch nicht gelungen. Z.B. finden sich Klicklaute nur in einer einzigen Sprachfamilie, den Khoi-San-Sprachen in Südafrika, zu denen auch das Hottentottische gehört. Es ist nicht ausgeschlossen, daß solche Eigenschaften auf die selbständige Entstehung einer Ursprache im Sinne einer langue zurückweisen. Insofern ist die Frage nach Monogenese vs. Polygenese der menschlichen Sprachen noch nicht entschieden.

1.2.3. Verbreitung und Aussterben von Sprachen (1)
1.2.3.1. Verbreitung von Sprachen

Sprachen können sich im wesentlichen auf zwei Weisen geographisch ausbreiten. Im einfachsten Falle wandern sie mit ihren Sprechern. Dabei spielt es für das Schicksal der Sprache keine Rolle, ob die Sprachgemeinschaft in ein unbesiedeltes Gebiet auswandert oder ob sie ein Gebiet erobert und dessen Bevölkerung ausrottet. Beide Varianten sind bis in die jüngste Gegenwart vorgekommen. Im anderen Falle bleiben die Völker ortsfest, und es übernimmt nur ein Volk die Sprache eines benachbarten. Ein derartiger Vorgang hat natürlich politische Voraussetzungen. Die häufigste Variante ist wohl, daß ein Volk unter die Herrschaft eines anderen gelangt und seine durch dessen Sprache ersetzt. Auf diese Weise haben z.B. die Gallier innerhalb relativ kurzer Zeit ihre angestammte Sprache, das Gallische, durch Latein ersetzt. Möglich ist aber auch, daß ein Volk seine Sprache unter dem Eindruck der kulturellen Überlegenheit des anderen Volkes ersetzt. So haben die Römer z.B. im gesamten Osten des Reiches nicht auf der Durchsetzung des Lateinischen bestanden, sondern das Griechische als Verkehrssprache akzeptiert und sogar von ihnen selbst gegründete Städte mit griechischen Namen benannt (z.B. Nikopolis ad Istrum in Thrakien im 1. Jh. n. Ch.).

1.2.3.2. Sprachkontakt

Sprachkontakt kann sich darauf beschränken, daß zwei Sprachgebiete aneinandergrenzen und die Bewohner des Grenzgebiets wechselseitige Verständigungsversuche unternehmen. Intensiver ist der Kontakt, wenn eine soziale Gemeinschaft mehrere Sprachen spricht. Die in Kontakt geratenen Sprachen beeinflussen einander durch Entlehnung. Wörter, Laute und grammatische Einheiten können entlehnt werden. Auf diese Weise können Sprachen, die nicht miteinander genetisch verwandt sind, sich einander sekundär anähneln. Das geschieht z.B. überall, wo die eingeborenen Sprachen der dritten Welt von den Kolonisationssprachen Wörter und Eigenheiten der Grammatik entlehnen. Im Extremfall bilden die Sprachen einen Sprachbund. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die Balkansprachen, insbesondere Griechisch, Bulgarisch und Albanisch. Z.B. hat Bulgarisch durch den Kontakt mit dem Griechischen als einzige slavische Sprache einen definiten Artikel ausgebildet.

Wenn eine Sprache sich in bereits besiedeltes Gebiet ausbreitet, entsteht zunächst eine zwei- oder mehrsprachige Situation in der Sprachgemeinschaft. Diese kann über einige Zeit stabil bleiben. Zum Beispiel sprach man im alten Ägypten über mehrere Jahrhunderte Ägyptisch und Griechisch. Meist aber sind die konkurrierenden Sprachen mit sozialen Gruppen verbunden, die verschieden mächtig sind, so daß die eine Sprache auf die Dauer die andere verdrängt. So haben in Gallien die Römer, obwohl sie zahlenmäßig bei weitem die Minderheit waren, nur wenige Generationen gebraucht, um ihre Sprache gegen das einheimische Gallisch durchzusetzen.

In einer solchen politischen Situation heißt die Sprache des herrschenden Volkes Superstrat und die der Beherrschten Substrat. So ist etwa das Gallische das Substrat für das Lateinische bzw. das entstehende Galloromanische. Meistens überlebt in einer solchen Situation das Superstrat. Es behält dann Spuren des Substrats, das sind die ehemaligen Entlehnungen. Linguisten versuchen dann gelegentlich, Eigenschaften eines untergegangenen Substrats aus solchen Spuren zu erschließen. Allerdings geben sich die entlehnten Züge der Superstratsprache nicht ohne weiteres als solche zu erkennen. Daher ist diese Art der Rekonstruktion vor allem dann methodisch problematisch, wenn man keine unabhängigen Erkenntnisquellen für die Eigenschaften des Substrats hat.

1.2.3.3. Sprachwechsel und Sprachmischung

So wie Sprachen sich mit oder ohne ihre Sprecher ausbreiten können, können sie auch mit oder ohne ihre Sprecher aussterben. Das Aussterben einer Sprache infolge eines Genozids ist in der Neuzeit häufig vorgekommen und auch aus der Antike nicht unbekannt. Das Beispiel des Gallischen zeigt aber, daß der Tod einer Sprache auch bloß auf Sprachwechsel zurückgehen kann. Unter sozialem Druck geht die Sprachgemeinschaft zur herrschenden Sprache über. Die Sprecher lehren ihre Kinder nicht mehr die angestammte, sondern die fremde Sprache. Wenn eine Sprache von keinem Kind mehr als Muttersprache gelernt wird, stirbt sie mit ihrem letzten Sprecher aus. Die Ausbreitung einer Sprache über einen bereits besiedelten Raum verringert also letztlich die Anzahl und somit die Vielfalt der auf der Welt gesprochenen Sprachen.

Sobald die menschliche Sprache (langage) einmal besteht, entsteht eine neue Sprache (langue) immer nur aus (mindestens) einer anderen. Eine Sprachgemeinschaft kann sich, im wesentlichen durch Abwanderung, so weit über einen geographischen Raum verteilen, daß die Sprechergruppen den Kontakt zueinander verlieren. Ihre historische Situation ist dann verschieden, so daß auch der ständige Sprachwandel zu verschiedenen Ergebnissen führt. Die gemeinsame Ursprache spaltet sich in zwei oder mehr Tochtersprachen auf. So sind aus dem Urgermanischen im Zuge der Völkerwanderung die verschiedenen germanischen Sprachen und aus dem Lateinischen die romanischen Sprachen entstanden. Ein wesentlicher Faktor, der die historische Situation einer Sprache bestimmt, sind die Sprachen, mit denen sie in Kontakt ist. Schwestersprachen entwickeln sich vor allem auch deshalb auseinander, weil sie mit verschiedenen anderen Sprachen, z.B. als Substratsprachen, in Kontakt kommen. Bei sehr engem Kontakt entsteht durch Sprachmischung eine neue Sprache. So ist etwa das moderne Englisch aus dem Angelsächsischen und dem normannischen Französisch entstanden.

Die geographisch am weitesten verbreitete Sprachfamilie war im Altertum und Mittelalter die austronesische, zu der z.B. Madagassisch, Indonesisch, die Sprachen der Philippinen, von Hawaii, Neuseeland und der Osterinsel gehören. Das Uraustronesische war vielleicht um -4.000 in Taiwan beheimatet. Bis zum Ende der Antike verbreitete sich die Sprachfamilie über den umrissenen Raum, d.h. praktisch die gesamte indische und pazifische Inselwelt südlich von Japan mit Ausschluß von Papua-Neuguinea und Australien. Der größte Teil dieses Raums war zuvor unbesiedelt. Daher ist die Sprachvergleichung dort eine sichere und wichtige Methode, um die Vorgeschichte der austronesischen Völker zu rekonstruieren.

Die verschiedenen Formen der Spaltung und Mischung, der Ausbreitung und des Aussterbens von Sprachen haben teils die Vermehrung, teils die Verringerung der Anzahl der Sprachen auf der Welt zur Folge. Am Ende des zweiten Jahrtausends gibt es zwischen 6.000 und 8.000 Sprachen. Ihre Anzahl hat in der Menschheitsgeschichte variiert, je nach dem Verhältnis der Kräfte der Vereinheitlichung und der Diversifikation. Im allgemeinen ist die Sprachendichte in primitiven, schwach organisierten Gesellschaften höher als in entwickelten, stark oder gar zentralistisch organisierten. Im Altertum gab es nur wenige hochorganisierte Staaten. Daher hat man auf Gebieten wie Kleinasien, Mesopotamien, Iberien, Sibirien und vielen anderen mit einer großen Sprachenvielfalt zu rechnen. In einigen Fällen, etwa dem von Kleinasien, haben wir durch die Überlieferung einen kleinen Einblick in diese Vielfalt. Meistens aber hat sich der Nachwelt keine Kunde davon erhalten. Die auf diesen Gebieten errichteten hochorganisierten Zivilisationen, z.B. das babylonische und römische Staatswesen, haben zum Verschwinden zahlreicher Sprachen geführt, von denen man niemals etwas wissen wird.

Man kann annehmen, daß seit Beginn der antiken Hochkulturen bis zum Eintritt des modernen Kolonialismus die Kräfte der Vereinheitlichung und der Diversifikation einander die Waage hielten. Seitdem überwiegen die reduktiven Kräfte, und das Aussterben von Sprachen geht rascher vor sich als die Entstehung von neuen.

Die menschlichen Genome, so wie sie jetzt über den Globus verteilt sind, können vielleicht, wie in Kap. 1.1 erwähnt, auf eine einzige Wurzel zurückgehen. Mit der Verbreitung der Genomtypen über die Erde kann man die Verbreitung der Sprachfamilien vergleichen. Der Humangenetiker Luigi L. Cavalli-Sforza (1992) von der Stanford University in Kalifornien findet da Ähnlichkeiten (erstmals 1988) und läßt die Verbreitung der Sprachfamilien mit der Verbreitung der Völker einhergehen. Dies ist nicht ohne Plausibilität, hat jedoch keine Beweiskraft, denn wie oben dargestellt, können Sprachen sich verbreiten, ohne daß ihre Träger sich bewegen.

1.2.4. Entwicklung der modernen Sprachen

Wie in Kap. 1.2.2 dargestellt, sind die heutigen Sprachen von den Sprachen der Antike und sogar von denen des Cro-Magnon-Menschen nicht der Art nach verschieden. Die Entwicklung der menschlichen Sprachen seit ihrer Entstehung betrifft im wesentlichen nur den Ausbau ihrer Komplexität. Natürlich haben die Sprachen der Industriegesellschaft einen ungleich größeren Wortschatz als die der Ureinwohner von Neuguinea und somit auch die der Steinzeitmenschen.

Beim Ausbau der Grammatik sind die Verhältnisse nicht so klar. Alle lebenden Sprachen, die den vollen Status des primären Kommunikationsmittels einer menschlichen Gemeinschaft haben, verfügen über eine komplexe Grammatik. Die Grammatiken der sogenannten primitiven Völker sind in vielen Punkten komplexer als die des Deutschen oder Englischen. Z.B. hat das Englische kein Genus, das Deutsche drei und die Bantusprachen zwölf Genera, die man Nominalklassen nennt. Es gibt allerdings auch Sprachen, die nicht den erwähnten Status haben, die Pidginsprachen. Sie haben nur eine primitive Grammatik. Aus einer Pidginsprache kann durch historischen Wandel eine vollwertige Sprache entstehen. Mithin ist es denkbar, daß die Sprachen der Steinzeitmenschen eine Zeitlang auf einem Komplexitätsniveau verblieben, das dem heutiger Pidginsprachen vergleichbar ist (Bickerton 1981). Bis zur Entstehung der antiken Kulturen, von deren Sprachen dieses Buch handelt, wurde aber jedenfalls die volle grammatische Komplexität moderner natürlicher Sprachen erreicht.

1.3. Sprachfamilien

Das Kriterium der genetischen Abstammung bietet eine wichtige Möglichkeit, Sprachen zu gruppieren. Die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft vergleicht Sprachen in bezug auf ihre einzelnen Zeichen. Da deren Bildung der historischen Variation unterliegt, weist die regelmäßige Ähnlichkeit der Zeichen zweier Sprachen auf einen historischen Zusammenhang zwischen ihnen. Eine solche regelmäßige Ähnlichkeit besteht z.B. zwischen ital. figlio und span. hijo, beides "Sohn", ital. faba und span. haba "Bohne", ital. foglia und span. hoja "Blatt". Immer wo Italienisch (in der Orthographie) <gli> hat, hat Spanisch <j>; immer wo Italienisch <f> hat, hat Spanisch <h>. Aufgrund solcher regelmäßiger Entsprechungen läßt sich schließen, daß die Sprachen historisch verwandt sein müssen. Im einfachsten Falle sind sie genetisch verwandt. Italienisch und Spanisch z.B. stammen beide, als romanische Sprachen, vom Lateinischen ab.

Alle Sprachen, die von einer gemeinsamen Mutter abstammen, bilden eine Sprachfamilie. Die Mütter können ihrerseits wieder genetisch miteinander verwandt sein, so daß man einen Stammbaum wie den in F2 erhält.

Freilich ist ein solches Modell eine Idealisierung, insofern es unter den historischen Beziehungen zwischen Sprachen nur die genetischen Beziehungen wiedergibt. Daneben führt, wie wir in Kap. 1.2.3 sahen, der Sprachkontakt dazu, daß Sprachen sich verändern und aneinander angleichen. Häufig sind auch verwandte Sprachen miteinander in Kontakt, so daß die Lehnverwandtschaft eine genetische Verwandtschaft überlagern kann.

Die Ursprache, von der die Schwestersprachen abstammen, ist meistens nicht selbst durch Dokumente überliefert und muß daher durch historischen Vergleich rekonstruiert werden. Die Rekonstruktion wird durch die Interferenz von Sprachkontakten erschwert. Sie gelingt nie vollständig. Mithin bringen rekonstruierte Sprachen für weiteren Sprachvergleich eine erhebliche methodische Unsicherheit mit sich. Linguisten unterscheiden sich darin, wie weit sie in der Rekonstruktion zurückgehen. Die vorsichtigen rekonstruieren Ursprachen ausschließlich auf der Basis historisch belegter Sprachen. Die wagemutigen errichten Stammbäume über rekonstruierten Sprachen und fassen Sprachfamilien zu Stämmen und Phyla zusammen.

Mit wissenschaftlichen Methoden ist es nicht möglich, die Ursprache der Menschheit zu rekonstruieren. Die ältesten historisch dokumentierten Sprachen gehen ins 4. Jt. v.Ch. zurück. Einige Sprachen, deren Geschichte wir über Jahrtausende verfolgen können, wie z.B. die indoarischen, haben sich seit ihren Anfängen so stark gewandelt, daß ihr grammatisches System ein ganz anderes und fast der ganze Zeichenvorrat ausgetauscht worden ist. Es ist also sicher, daß sich eine Sprache innerhalb einiger Jahrtausende bis zur Unkenntlichkeit wandeln kann. Die frühesten gesicherten Rekonstruktionen reichen kaum hinter die frühesten Schriftdenkmäler zurück. Von 4.000 v.Ch. bis zur Entstehung von Homo sapiens sapiens, also um 400.000 v.Ch., ist ein zeitlicher Abstand, der mit den Methoden wissenschaftlicher Rekonstruktion nicht überbrückt werden kann. Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß die Betrachtung der Sprachen der Antike uns der Ursprache der Menschheit keinen wesentlichen Schritt näherbringt.

Die Konsequenz davon ist, daß wir mit über 200 Sprachfamilien, darunter mehreren genetisch isolierten Sprachen, auf der Welt zu rechnen haben. Falls sie durch Monogenese entstanden sind, sind sie durch einen einzigen Stammbaum miteinander verwandt. Die linguistischen Methoden, die diesen Stammbaum aufzustellen erlauben, müssen allerdings noch gefunden werden.

1.4. Sprachtypologie

Eine weitere Möglichkeit, Ordnung in die Vielfalt der menschlichen Sprachen zu bringen, bietet die Typologie. Sie vergleicht nicht die Form einzelner Zeichen, sondern die Bildung der Sprachsysteme. Von der in Kap. 1.2.4 genannten Ausnahme der Pidginsprachen abgesehen, können alle Sprachen mittelbar oder unmittelbar ineinander übergehen. Daraus folgt, daß sie nicht in klar unterschiedene Klassen eingeteilt werden können. Stattdessen kann man sie verschiedenen Typen zuordnen. Ein Sprachtyp ist also eine Ordnungsinstanz zwischen den Ebenen des langage und der langue.

Einer linguistischen Typologie liegt ein Kriterium zugrunde, das den Bau des Sprachsystems betrifft, z.B. die Wortstellung oder die Komplexität der Wortformen. Bisher hat die Linguistik nicht feststellen können, daß die verschiedenen zur Typologie herangezogenen Kriterien regelhaft miteinander zusammenhängen. Daher gibt es eine Reihe von Typologien, die nebeneinander bestehen und die alle herangezogen werden können, um eine gegebene Sprache in bezug auf ihren Bau zu charakterisieren. Eine davon, die traditionelle morphologische Typologie, ist in F3 als Beispiel verwendet

Die Sprachtypologie erfaßt also lebende wie ausgestorbene Sprachen in gleicher Weise und ohne Rücksicht auf ihre Abstammung. Durch sie können wir die Sprachen der Antike in ihrem Bau mit lebenden Sprachen vergleichen. Es kann sich dann durchaus ergeben, daß eine in der Antike ausgestorbene Sprache, etwa das in Ostanatolien beheimatete Hurrische, dem modernen Dyirbal in Australien ähnlicher ist als irgendeiner sonst bekannten antiken Sprache, oder daß eine moderne Sprache wie das Baskische ihr typologisches Gegenstück im seit Jahrtausenden ausgestorbenen Sumerischen findet.

1.5. Entwicklung der Schrift

Die gesprochene Sprache benutzt das akustische Medium zum Ausdruck sprachlicher Bedeutungen, während die Schrift das optische Medium benutzt. Alle natürlichen Sprachen sind gesprochene Sprachen. Nur ein Bruchteil davon wird außerdem auch geschrieben. Auch in der Entwicklung der menschlichen Sprache wurde die Schrift erst erfunden, als schon seit Jahrzehntausenden gesprochen worden war und als sich schon Tausende verschiedener Sprachen entwickelt hatten.

Der Zweck eines Ausdrucksmediums ist es, die Bedeutungen auf wahrnehmbare Weise wiederzugeben. Da die Schrift gegenüber dem Laut jedenfalls das sekundäre Medium ist, kann sie auf zwei prinzipiell verschiedene Weisen funktionieren. Ein Schriftzeichen kann entweder unmittelbar mit einer Bedeutung gepaart werden, oder es kann eine lautliche Einheit repräsentieren, so daß die Bedeutung über diesen Umweg vermittelt wird. Ein Schrftzeichen, das direkt für einen Begriff steht, ist ein Logogramm (Begriffszeichen), und die Schrift ist logographisch. Ein Schriftzeichen, das für einen Laut steht, ist ein Buchstabe, und die Schrift ist alphabetisch. Daneben gibt es noch andere Arten von Schriftzeichen und Schriften. Das Schaubild verdeutlicht zusätzlich, daß eine logographische Schrift durchaus keine Bilderschrift zu sein braucht.

Wenn das Lautsystem einer lebenden Sprache zu erforschen ist, so macht man Tonaufnahmen und analysiert diese. Von Sprachen, die vor unserem Jahrhundert ausgestorben sind, existieren solche Aufnahmen nicht. Hier ist die sekundäre Wiedergabe durch die Schrift die Brücke zur Rekonstruktion des Lautsystems. Weiteres s. Schriftentzifferung.

Während für die gesprochene Sprache die Alternative von Monogenese vs. Polygenese offen ist, ist die Schrift nachweislich an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten unabhängig entstanden. Immer wo dies ohne Einfluß von einer schon existierenden alphabetischen Schrift geschah, nahm das Schriftsystem die gleiche Entwicklung über die folgenden vier Stufen:

1. Piktographie (Bilderschrift)

Ein Bildzeichen (Piktogramm) repräsentiert einen ganzen Gedanken. Sprachliche Form wird nicht wiedergegeben.

2. Logographie (Begriffsschrift)

Ein Schriftzeichen (Logogramm) repräsentiert einen Begriff. Phonologie und Morphologie werden nicht wiedergegeben, aber das einzelne Schriftzeichen entspricht einer Wortform, und ihre Reihenfolge entspricht der Syntax.

3. Silbenschrift (Syllabographie)

Ein Silbenzeichen repräsentiert eine Silbe der gesprochenen Sprache. Phonologie und Morphologie werden mit einer Genauigkeit wiedergegeben, die von der Silbenstruktur der Sprache und dem Ausbau des Schriftsystems abhängt.

4. Alphabetische Schrift

Ein Buchstabe repräsentiert einen Laut. Die Grammatik wird genau wiedergegeben, die Phonologie in dem Maße, in dem die Zuordnung zwischen Buchstaben und Lauten eindeutig ist.

Dies sind systematische Stufen, denen reale Schriftsysteme sich in unterschiedlichem Grade annähern und die natürlich auch nicht von jedem historischen Schriftsystem bis zu ende durchlaufen worden sind. Wo ein System historisch von einer Stufe zur nächsten übergeht, gibt es Zwischenformen, die teilweise hochgradig unsystematisch sind.

Ein piktographisches entwickelt sich zu einem logographischen System dadurch, daß ein komplexer Gedanke in seine begrifflichen Bestandteile zerlegt wird. Damit geht eine Normierung der Schriftzeichen einher: Während das Piktogramm die individuellen Eigenschaften der dargestellten Situation wiedergeben kann, ist es bei der Logographie ein Inventar fester Begriffe, aus denen alle denkbaren Situationen sich zusammensetzen. Die logographische Schrift ist nicht sehr sprachspezifisch und dient daher, z.B. heute noch in China, zur Verständigung zwischen Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen.

Soll die Logographie synonyme Wörter auseinanderhalten oder verschiedene morphologische Formen eines Worts wiedergeben, müssen Zusatzzeichen, sog. Determinative verwendet werden, die auf die Lautform des Wortes hinweisen. Sollen Begriffe wiedergegeben werden, für die kein bildhaftes Schriftzeichen zur Verfügung steht, so werden Logogramme von homophonen oder ähnlich klingenden Wörtern gebraucht. Es entsteht eine hybride Übergangsform zur Silbenschrift.

Ein Schriftzeichen kann nun uminterpretiert werden vom Zeichen für einen Begriff zum Zeichen für die lautliche Form eines Worts. Hier kippt das Schriftsystem um von der Begriffsschrift zur Lautschrift. Das Schriftzeichen steht dann nicht mehr für die Wortbedeutung, sondern für eine Silbe. Nun ist die Silbenschrift erreicht.

In vielen Sprachen ist das Inventar an Silben größer als das an Silbenzeichen. Oft wird eine Menge von Silben, die sich im Vokal unterscheiden, durch ein einziges Silbenzeichen wiedergegeben. Daneben gibt es Zeichen für Silben, die bloß aus einem Vokal bestehen.

Noch werden Vokale in konsonantisch eingeleiteten Silben nicht eigens repräsentiert. Diese Stufe ist die einer Konsonantenschrift, wie sie etwa in der hebräischen Schrift vorliegt. Jedoch können die Silbenzeichen nun uminterpretiert werden zu Zeichen, die für einzelne Konsonanten bzw. Vokale stehen. Damit ist die Stufe der Buchstabenschrift erreicht. Buchstabenschriften unterscheiden sich schließlich in dem Grade, in dem sie die Einzelheiten der lautlichen Form wiedergeben. Die Entwicklung geht hier im allgemeinen nicht hin zu größerer Genauigkeit, weil Schriftsysteme konservativer als Lautsysteme sind und daher lautlichen Veränderungen, die im Laufe von Jahrhunderten stattfinden, oft nicht angepaßt werden. Das Beispiel der romanischen Sprachen zeigt, daß nur diejenigen wie das Spanische, die in jüngerer Zeit eine Orthographiereform durchgeführt haben, eine einfache Entsprechung von Laut und Schrift aufweisen, während andere, notabene das Französische, im Laufe der Jahrhunderte eine sehr unsystematische Orthographie bekommen haben.

1.6. Etymologie

Etymologie (griech. "das Wahre") ist diejenige Disziplin der historischen Sprachwissenschaft, die für die Zeichen einer Sprache ihre ursprüngliche Gestalt, also ihre Form und Bedeutung im Augenblick ihrer Entstehung, rekonstruiert. Mit der Fragestellung befaßten sich bereits die Griechen (Platon in seinem Dialog Kratylos) und nach ihnen die Römer. Sie hatten allerdings noch keine wissenschaftliche Methode dafür und ersannen daher nachmals berüchtigte Etymologien wie die folgenden:

Derartige Deutungen haben natürlich mit Wissenschaft nichts zu tun. Sie brachten die Disziplin in völligen Verruf, bis sie Anfang des 19. Jh. im Rahmen der Indogermanistik wissenschaftlich begründet wurde. Eine seriöse Etymologie ist z.B. die Rückführung von frz. arriver "ankommen" auf lat. ar-ripa-re (an-ufer-n) "landen".

1.7. Antike

Lat. antiquus `alt, altertümlich'. Antike = Altertum. Die Evolution der Menschheit in Europa und Vorderasien wird in eine vorgeschichtliche und eine geschichtliche Periode eingeteilt. Die Geschichte beginnt mit der schriftlichen Überlieferung. Die ersten Denkmäler datieren, wie wir in Kap. sehen werden, um 3.200 v.Ch. Einige Autoren lassen die Geschichte auch mit der Gründung der ersten Stadt, Jericho, um -7.000 beginnen. Die Einteilung der geschichtlichen Perioden hängt im weiteren von den jeweiligen Kulturkreisen ab. Die abendländische Geschichte wird wie folgt eingeteilt:

1.8. Große Kultursprachen

Ob eine Sprache in der Antike eine große Kultursprache war, und ob sie heute eine Weltsprache ist, hat sehr wenig miteinander zu tun; und umgekehrt gibt es eine Reihe moderner Weltsprachen, die in der Antike noch eine geringe Rolle spielten. Die folgende Übersicht stellt die antiken Kultursprachen ihren modernen Entsprechungen gegenüber.

Die folgende Tabelle zeigt, umgekehrt, die antiken Vorläufer der größten Sprachen der modernen Welt, absteigend geordnet nach Sprecherzahlen:

In all den Fällen, wo die entsprechende antike Sprache den Bestandteil Ur- im Namen trägt, ist sie nicht einmal schriftlich belegt. Die großen Sprachen der Antike, die auch heute noch in Weltsprachen fortleben, sind mithin bloß Altchinesisch, Altindisch und Latein. Jede von diesen hat mehrere Millionensprachen als moderne Töchter. Hier hat also ein Verdrängungsprozeß stattgefunden.

Zeit

Gebiet

-3.500 -3.000 -2.500 -2.000 -1.500 -1.000 -500 0
China
Indien
Persien
Mesopotamien -3.200

Uruk-Stufe

-2.600

Altsumerisch

-2.100

Neusumerisch

-2.000

Spätsumerisch

-100

|

-1.800

Altassyrisch

-1.375

Mittelassyrisch

-883

Neuassyrisch

-625

Neubabylonisch

-539

|

Ägypten -2.850

Altägyptisch

Koptisch
-320

Griechisch

Palästina
Griechenland Mykenisch Homerisch
Italien Römisches Reich 476
Germanien
Iberien

1.9. Aufbau der Sprachdarstellungen

1.9.1. Situation der Sprache
1.9.1.1. Sprachname

Einheimischer Name, alternative Bezeichnungen. Ethnonym.

1.9.1.2. Ethnographische Situation
1.9.1.2.1. Sprachgebiet

Staaten, Region, Landschaftsmerkmale, Lebensbedingungen.

1.9.1.2.2. Sprachgemeinschaft

Ethnische Zugehörigkeit der Sprecher, Anzahl der Sprecher mit Angabe der Jahreszahl. Der letzte Punkt ist bei Sprachen früherer Zeitalter kaum festzustellen.

Organisation der Gesellschaft, Kultur (Religion, Mythologie, Kunst, Musik, Wissenschaft, Literatur.

1.9.1.3. Soziale Situation
1.9.1.3.1. Externe soziale Situation

Konkurrierende Sprachen. Status der Sprache als offizielle Staatsprache oder Minderheitensprache; Rolle als Zweitsprache. Bedeutung als internationale Verkehrssprache.

1.9.1.3.2. Interne soziale Situation

Stratifikation.

1.9.1.4. Genetische Situation
1.9.1.4.1. Extern: Genetische Affiliation

Einordnung der Sprache nach genetischer Verwandtschaft

1.9.1.4.2. Intern: Dialekte

Die wichtigsten Dialekte, ggf. mit Kennzeichnung des Hauptdialektes (auf dem die Hochsprache basiert)

1.9.1.5. Historische Situation
1.9.1.5.1. Extern: Geschichte der Sprachgemeinschaft

Wanderungen, Kontakte, Geschichte von Schrift und Literatur. Früheste Zeugnisse der Sprache, Beginn der literarischen Überlieferung, Hauptphasen der Entwicklung. Kulturhistorische (Literatur) und zivilisatorische Bedeutung.

1.9.1.5.2. Intern: Sprachgeschichte

Unmittelbar vorangehendes Sprachstadium, weitere Entwicklung.

1.9.2. System der Sprache

Typische Struktureigenschaften der Sprache, die sie charakterisieren.

1.9.2.1. Ausdruckssysteme
1.9.2.1.1. Phonologie
1.9.2.1.2. Schrift

Schrift, in der die Sprache von den Sprechern geschrieben wird.

1.9.2.2. Semantisches System
1.9.2.2.1. Lexikon
1.9.2.2.2. Grammatik
1.9.3. Erforschung der Sprache
1.9.4. Textproben
1.9.5. Bibliographie

Angabe von Publikationen, die über die Sprache als ganze unterrichten.

1.10. Literatur

Asher, R. E. (ed.) 1994, The encyclopedia of language and linguistics. Oxford etc.: Pergamon Press.

Bickerton, Derek 1981, Roots of language. Ann Arbor: Karoma. Paperback ed.: 1985.

Binder, Vera E. 1993, "Wörter aus der Steinzeit - Wörter aus dem Nichts." Spektrum der Wissenschaft Mai 1993: . Abgedr.: Riese (ed.) 1994:50-54.

Bright, William (ed.) 1992, International Encyclopedia of Linguistics. New York & Oxford: Oxford University Press.

Campbell, George L. 1991, Compendium of the world's languages. 2 vols. London & New York: Routledge.

Cavalli-Sforza, Luigi L. 1992, "Stammbäume von Völkern und Sprachen." Spektrum der Wissenschaft Januar 1992:90- .

Földes-Papp, Károly 1966, Vom Felsbild zum Alphabet. Die Geschichte der Schrift in ihren frühesten Vorstufen bis zur modernen lateinischen Schreibschrift. Stuttgart: Belser.

Friedrich, Johannes 1966, Geschichte der Schrift unter besonderer Berücksichtigung ihrer geistigen Entwicklung. Heidelberg: Winter.

Herrmann, Joachim (ed.) 1984, Lexikon für frühe Kulturen. Köln: Pahl-Rugenstein.

Lyovin, Anatole V. 1996, An introduction to the languages of the world. New York etc.: Oxford University Press.

Meier, Georg Friedrich & Meier, Barbara 1979, Handbuch der Linguistik und Kommunikationswissenschaft. Bd.1: Sprache, Sprachentstehung, Sprachen. Berlin: Akademie-Verlag.

Neumann, Günter & Untermann, Jürgen (eds.) 1980, Die Sprachen im römischen Reich der Kaiserzeit. Kolloquium von 8. bis 10. April 1974. Köln: Rheinland-Verlag; Bonn: R. Habelt (Beihefte der Bonner Jahrbücher, 40).

Price, Glanville (ed.) 1998, Encyclopedia of the languages of Europe. Oxford: Blackwell.

Riese, Berthold (ed.) 1994, Schrift und Sprache. Heidelberg etc.: Spektrum (Verständliche Forschung).

Tovar, Antonio 1973, Sprachen und Inschriften. Studien zum Mykenischen, Lateinischen und Hispanokeltischen. Amsterdam & Philadelphia: B. R. Grüner.

Troike, Rudolph C. (comp.) 1989, A bibliography of bibliographies of the languages of the world. Vol. I: General - Pre-Indo-European languages -Indo-European languages of Europe. Amsterdam & Philadelphia: J. Benjamins (Library and Information Sources in Linguistics, 19).

Untermann, Jürgen 1980, Trümmersprachen zwischen Grammatik und Geschichte. Opladen: Westdeutscher Verlag (Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaft, Vorträge, G 245).

Voegelin, Charles F. & Voegelin, Florence M. 1977, Classification and index of the world's languages. New York etc.: Elsevier (Foundations of Linguistics Series).

Wendt, Heinz F. 1961, Sprachen. Frankfurt: Fischer Bücherei (Fischer Lexikon, 25).

2. Altchinesisch

2.1. Situation der Sprache

2.1.1. Sprachname

China: Mandarin zhng-guó [tgw] "Mitte-Reich" > ital. cina > span./ engl. China.- Sino- ist anscheinend eine schlechte Latinisierung (Gräzisierung?).

2.1.2. Ethnographische Situation
2.1.2.1. Sprachgebiet

Ostchina. Zentrum in der Ebene zwischen Huangho (Gelbem Fluß) im Norden und Yangtse im Süden.

2.1.2.2. Sprachgemeinschaft

Ethnisch sehr homogen: fast alles Chinesen. Auch die chinesische Kultur ist seit dem 3. Jt. v.Ch. sehr homogen. Die Idee eines einzigen chinesischen Volks und Reichs hat auch Zeiten politischer Spaltung überdauert. Die einheitliche Schrift galt und gilt als Verkörperung dieser Einheit. Obwohl die chinesischen Sprachen in Wahrheit nicht wechselseitig verständlich sind, hat die Schrift die Illusion der sprachlichen Einheit aufrecht zu erhalten erlaubt. Es ist den Chinesen gelungen, diese Idee auch im Westen zu verbreiten.

Zur Shang-Zeit herrschte eine polytheistische Religion, mit Shang-ti, dem "Herrscher des Himmels" an der Spitze, Göttern für Himmelskörper und Wetterumstände und einer Fülle lokaler Fluß- und Berggottheiten. Darüber hinaus war die Religion animistisch. Ahnenverehrung spielte eine große Rolle. Bei Bestattungen hochgestellter Persönlichkeiten wurden der Leiche Menschenopfer und andere Gaben beigegeben.

Die Kalenderrechnung ist weit entwickelt. Das Jahr besteht aus zwölf Mond-Monaten; alle drei Jahre wird ein Schaltmonat hinzugefügt. Für Datumsangaben ist allerdings ein Sechzig-Tage-Zyklus ausschlaggebend. Nach sechzig Jahren kehrt dieselbe Datumsbezeichnung wieder; zur Differenzierung dienen Königsnamen.

2.1.3. Genetische Situation
2.1.3.1. Extern: Genetische Affiliation
Kommentar:

Die Sprachen werden gesprochen in China, den Himalayastaaten, Nordindien, Bangladesh, Burma, Thailand, Laos, Vietnam. Die Familien Miao-Yao, Tai und Vietnamesisch sind früher aufgrund typologischer Ähnlichkeiten in die sino-tibetische Familie eingegliedert worden, aber nicht genetisch verwandt.

Sinitisch:

Wú: Sprache im Osten Chinas, um Shanghai.

Mn: Südostchina und chin. Inseln inkl. Taiwan. Im 20. Jh. Mehrheitendialekt der Chinesen in Taiwan und Singapur.

Yuè: Südchina. Wichtigster Dialekt: Kantonesisch. Sprache von Honkong. Im 20. Jh. weit über die Welt verbreitet. Chop suey < kanton. [tsap sui].

Hakka: Südostchina.

Tibeto-Birmanisch:

Mehrere Hundert Sprachen.

Die tibetobirmanischen Sprachen sind vom linksläufigen syntaktischen Typ, außer Karen.

Die tibetobirmanischen Sprachen werden überwiegend in diversen indischen Schriften geschrieben. Einige Sprachen in China werden in zwei chinesischen Schriften geschrieben. Allerdings sind nur wenige Literatursprachen. Von allen haben Tibetisch und Birmanisch die längste und umfangreichste literar. Tradition, vor allem buddhist. Literatur.

Tibetisch: erste Dokumente: Ms. aus der Höhle von Tun-huang, 9.Jh.

Newari: Alte Staatsprache von Nepal.

Birmanisch: erste Dokumente: Inschriften 12. Jh.

Sinotibetisch:

Die meisten sinotibetischen Sprachen, vor allem die Ursprachen, komponieren extensiv. Alle chinesischen und die meisten tibetobirmanischen Sprachen sind Tonsprachen, ebenso wie Tai, Miao-Yao und Vietnamesisch. Offenbar ein areales, also für genet. Verwandtschaft nicht diagnost. Merkmal [widerspräche sowieso histor.-vgl. Methodik]. Es ist durchaus möglich, daß Proto-Sino-Tibetisch keine Tonsprache war, sondern Tonsysteme unabhängig entstanden sind.

2.1.3.2. Intern: Dialekte

Bereits zur Zeit der Staatenkriege gab es in China Dialekte, die sich auch in Schriftvarianten unterschieden. Hierüber sind jedoch keine Einzelheiten gesichert. Die heutige dialektale Gliederung der chinesischen Sprache ist jedenfalls ein Ergebnis späterer Aufspaltung. Zahlreiche moderne Dialekte gehen auf ein einheitliches Mittelchinesisch zurück.

2.1.4. Historische Situation
2.1.4.1. Extern: Geschichte der Sprachgemeinschaft

In China ist Kultur erst seit der Jungsteinzeit nachweisbar. Aus äußeren Gründen ist es jedoch wahrscheinlich, daß schon im 8. Jt. v.Ch. Kulturen vorhanden waren.

Die Bevölkerung Chinas ging um -6.000 an zwei kulturell zusammenhängenden Zentren zur Landwirtschaft über: am Unterlauf des Gelben Flusses wurde Kolbenhirse, im Delta des Jangtsekiang Reis angebaut. Um -5.000 existierte in der chinesischen Provinz Tschekiang an der Südseite der Bucht von Hangtschou bei Hemudu bereits ein Pfahldorf, in dem alle Arten von Zivilisationsgütern gefunden wurden.

Die Daten der Frühzeit der chinesischen Geschichte sind teilweise noch strittig. Die Perioden ergeben sich aus den Dynastien.

Die chinesische Antike kann man bis zum Ende des Zhànguó rechnen.

Im Jahre +2 wird die erste Volkszählung der Geschichte durchgeführt und ergibt 57.671.400 Einwohner in China, d.i. etwas mehr als die geschätzte Einwohnerzahl des Römischen Reichs zur selben Zeit.

2.1.4.2. Intern: Sprachgeschichte
2.1.4.2.1. Entwicklungsperioden

Sowohl die Abgrenzung als auch die Benennung der Perioden der chinesischen Sprachgeschichte sind völlig chaotisch. Norman 1988 läßt das Altchinesische erst um -500 beginnen, so daß es zeitgleich ist mit der klassischen Literatur. Die Periode zwischen Ende der Han-Dynastie und Beginn der Sui-Dynastie ist eine unklassifizierte Übergangsperiode.

Das Altchinesische ist die Ursprache für alle heutigen chinesischen Sprachen. Die chines. Sprachen werden meist als Dialekte der chines. Sprache angesehen, aus zwei Gründen: 1. gelten genet. verwandte Sprachen einer Nation gewöhnlich als Dialekte. 2. Alle schriftkundigen Sprecher der chinesischen Varietäten können sich schriftsprachlich verständigen.

Aus dem Altchinesischen bilden sich seit der Zeitenwende Dialekte heraus. Im 9. Jh. sind es bereits verschiedene Sprachen. Heute gibt es in China mehrere chinesische Sprachen bzw. Dialekte, die wechselseitig kaum verständlich sind. Jede von ihnen zerfällt in mehrere Dialekte.

Standardsprache ist heute Ptnghuà "gemeinsame Sprache", das sog. Mandarin (Sprache der Pekinger Regierungsbeamten). Allein diese Sprache hat fünf Dialekte.

2.1.4.2.2. Entwicklung von Schrift und Literatur
2.1.4.2.2.1. Entwicklung der Schrift

Die chinesische Schrift ist zwar anscheinend etwas später als die sumerische entstanden, und zwar ebenso wie diese als piktographische Schrift. Sie ist jedoch offenbar eine unabhängige Erfindung und außerdem die älteste noch in Gebrauch befindliche Schrift der Welt.

Die Anfänge der Schrift in China gehen in die Jungsteinzeit zurück. -3.000 wurden am Gelben Meer in Ostchina Tongefäße mit Zeichen beschriftet, die für Zahlen, Stämme oder Totems standen. Es gab nur etwa 40 Zeichen, es konnten also keine Texte formuliert werden. Dies war jedoch wahrscheinlich am Ende der Xià-Dynastie (-17. Jh.) möglich.

Aus der Zeit der Shang-Dynastie (1.500 - 1.050 v.Ch.) in Ostchina sind über 100.000 Orakeltexte erhalten, nämlich beschriftete Knochen und Schildkrötenpanzer. Die ältesten erhaltenen Orakelknochen dürften bis ins 18. Jh. zurückgehen. Sie sind durchschnittlich 10 Zeichen lang und enthalten Alternativfragen von Wahrsagern, wobei die kontradiktorischen Alternativen völlig ausbuchstabiert sind. Daneben sind Angaben von kalendarischen Daten und Tributzahlungen erhalten. Es werden zwischen 2.000 und 3.000 verschiedene Zeichen gebraucht, von denen 1999 etwa 1.000 entziffert sind.

Es gibt alle möglichen Schreibmaterialien. Bereits auf den ältesten Dokumenten gibt es ein Zeichen für "Buch", das zwei durch Fäden zusammengehaltene Bambusstreifen darstellt. So kann man sicher sein, daß von Anfang an auch auf Materialien geschrieben wurde, die nicht erhalten sind. Die wichtigsten Schreibmaterialien sind seit der Zeitenwende Pinsel und Papier. Die variable Breite des Pinselstrichs wird vor allem in der Kalligraphie ausgenutzt. Seit alters ist Kalligraphie eine hochgeschätzte Kunst. Typischerweise wird sie mit Malerei in einem Kunstwerk kombiniert.

Die Schrift ist eine Eigenschöpfung. Die Stufen der Entwicklung aus einer Bilderschrift sind z.T. histor. belegt. Am Anfang der Entwicklung sind mehrere Schriftzeichen piktographischer Natur. Das Zeichen für "Regen" besteht aus mehreren Spalten unterbrochener Linien; das Zeichen für "Pferd" deutet den Umriß eines Pferdes mit den vier Beinen und der Mähne an. Die meisten Zeichen sind freilich abstrakt. Piktogramme werden (besonders seit der Zeitenwende) stilisiert. Runde Linien werden durch gerade ersetzt.

Zum Ende der Shang-Dynastie waren bereits über 4.000 Schriftzeichen in Gebrauch. Heutige chinesische Wörterbücher und Reimwörterbücher enthalten bis zu 10.000 Zeichen. Zur Lektüre einer Zeitung genügen 3.000 Zeichen.

Im Altchinesischen bildeten sich viele regionale Varianten des Schriftsystems heraus. Die Qín-Dynastie (221 - 207 v.Ch.) standardisierte alles in China. Alle späteren Schriftsysteme gehen auf die Qín-Schrift zurück. In der Han-Dynastie (um die Zeitenwende) wurde auf Piktographie radikal verzichtet, und die Zeichen wurden begradigt.

In der VR China wurden die Schriftzeichen 1956 vereinfacht, und eine alphabetische Umschrift, das Pinyin, wurde eingeführt. Die Vereinfachung der Zeichen lief auf eine Verringerung der Anzahl Striche pro Zeichen hinaus. Jedes Zeichen besteht jetzt im Durchschnitt aus fünf bis sechs Strichen, was mit den fünf bis sechs Buchstaben vergleichbar ist, aus denen ein durchschnittliches englisches Wort besteht.

Die Schrift ist bis in die jüngste Zeit ein Kommunikationsmedium gewesen zwischen Menschen, die sich in gesprochener Sprache nicht verstehen. Das gilt nicht nur für die Sprecher der diversen chinesischen Sprachen, sondern auch für Sprachen wie Japanisch, Vietnamesisch und Koreanisch, die zeitweise in chinesischer Schrift geschrieben wurden oder noch werden. Es gilt schließlich auch innerhalb Chinas über die Zeiten hinweg. In Gedicht aus der Zeit der Táng-Dynastie (7.-10. Jh.) kann heute noch verstanden werden, wenn abgelesen. Seine Aussprache ist heute freilich völlig verschieden, und es reimt sich nicht einmal mehr.

Die gesprochene Sprache wandelte sich wie jede andere. Alphabetische Schriften passen sich veränderten phonologischen und grammatischen Verhältnissen schubweise an. Eine logographische Schrift braucht sich, von allfälligen Einzelreparaturen und Nachträgen abgesehen, nicht anzupassen, da ein Schriftzeichen für ein Sprachzeichen als ganzes steht und dieses bis zum völligen Verlust seine histor. Identität behält. Die Schrift ist seit 1.000 v.Ch. bis heute, bei einigen Vereinfachungen der Strichkomposition der Zeichen, erstaunlich konstant geblieben. Die ursprüngliche phonologische Motivation der phonetischen Komponente der zusammengesetzten Zeichen ging dabei verloren und besteht für den heutigen Chinesen kaum noch. Für die historische Sprachwissenschaft bedeutet das methodisch, daß man über die phonologischen Verhältnisse früherer Sprachstufen schwer etwas erfahren kann. Über grammatisch bedingte phonologische Modifikationen (Flexion) im Altchinesisch gibt es nur indirekte Evidenz (Reim, verschiedene Zeichen für dasselbe Lexem etc.).

2.1.4.2.2.2. Entwicklung der Literatur

Die chinesische Literatur ist die älteste der Welt; sie umspannt 35 Jahrhunderte.

Älteste Literatur: Buch der Lieder, Buch der Geschichte, 11. - 6. Jh.

Die wichtigsten Dokumente des frühen Altchinesisch sind:

- Inschriften auf Bronzegefäßen der Zhu-Dynastie. Sie sind teilweise mehrere 100 Zeichen lang.

- Shjng "Poesieklassiker": Kollektion von 305 anonymen Gedichten, die im 6. Jh. v. Ch. erstellt wurde. Die einzelnen Gedichte liegen bis zu 500 Jahre auseinander.

- Shjng "Bücherklassiker".

- Yìjng "Wandlungsklassiker".

Die Literaturwerke sind Sammelwerke frühklassischer Literatur. Shjng ist gereimt und daher für die Linguistik von großem Wert.

Wichtige Prosawerke der späten altchinesischen Periode sind Lúny (Analecta) des Kung Fu Zi (Konfuzius, 551-479) und die Werke des Mèngz (Mencius, 372-289). Vor allem diese sowie einige andere definierten die Klassik, und diese wieder die Phase des (nach Baxter) späten Altchinesisch. Die klassische Sprache galt dann 2000 Jahre als Standard der Schriftsprache, so daß es auch nach Ende des Altchinesischen noch klassische Literatur gibt.

Im späten Altchinesisch (4.-3. Jh.) wurde der Kanon der konfuzischen Schriften zusammengestellt.

Ende 3. Jh. v.Ch. große Normierungsmaßnahmen auf allen Gebieten, inkl. Sprache und Schrift. Fixierung der altchines. Literatursprache. Die Schriftsprache wird hochgradig verknappt und stilisiert und entfernt sich somit von der gesprochenen Sprache. Seitdem wechseln Zersplitterung und Zentralisierung einander ab. Papier und Buchdruck im 9. Jh. Bereits zu dieser Zeit verstand nur noch eine gebildete Minderheit die Literatursprache.

Seit der Tang-Dynastie (618-907) erste Versuche, die nordchinesische Umgangssprache als Literatursprache zu verwenden. Bis zum Ende der Yuan-Dynastie (1368) etablierte sich diese als chinesische Standard-Literatursprache. 1421 wurde die Hauptstadt nach Peking verlegt. Seitdem gelangte das gun-huà "Beamtensprache, offizielle Sprache", der Dialekt von Peking, zu immer größerer Bedeutung. Verdrängt im 19. Jh. langsam die hohe Literatursprache. Nimmt Elemente anderer chines. Sprachen auf und wird Anfang dieses Jahrhunderts zur Staatssprache Chinas und damit zur ptng-huà erhoben. Es gibt also heute eine einheitliche Literatursprache, aber keine gemeinsame Umgangssprache.

2.1.4.2.3. Entwicklung des Sprachsystems
2.1.4.2.3.1. Geschichte der Phonologie

Alle chines. Sprachen haben sehr einfache Silbenstruktur: Keine Konsonantengruppen, weder am Silbenanfang noch am -ende; Beschränkungen über Konsonantenklassen im Auslaut. Präinitial, Postinitial und Postcoda sind also keine Strukturpositionen mehr. Die Formel der Silbenstruktur ist:

(K)(W)V(K/W)

wobei K = Konsonant, V = Vokal, W = Halbvokal. Es gibt also Mono-, Di- und Triphthonge. Auslautende Konsonanten sind /n/ und //.

Proto-Sinotibetisch hatte bereits Beschränkungen über mögliche Konsonanten im Silbenauslaut. Diese sind auf dem Wege über Altchinesisch zum modernen Chinesischen ständig verschärft worden. Einige chinesische Sprachen lassen überhaupt keine Konsonanten zu. Die Reduktion geht meist einher mit einer Differenzierung der Vokale und Töne im Silbennukleus. Während also das Konsonantensystem vereinfacht wird, wird das Vokalsystem komplexer.

Alle chines. Sprachen haben lexikal. Ton. Phonetisch betrachtet, ist der Ton eine Eigenschaft einer Silbe und wird daher zu den Suprasegmentalia gerechnet. Abgesehen von einigen rein grammatischen Morphemen, hat jedes Morphem einen distinktiven Ton. Viele Morpheme unterscheiden sich ausschließlich im Ton.

Phonologischer Ton hat die Funktion eines distinktiven Merkmals wie Stimmhaftigkeit. Er kann Register- oder Konturton sein. Das Mandarin hat eins der einfachsten chines. Tonsysteme:

Für die Töne lassen sich zwar innerhalb der chinesischen Gruppe, jedoch nicht zwischen allen sinotibetischen Sprachen regelmäßige Entsprechungen finden. Daher sind die Tonsysteme wohl nach der Trennung der Ursprache in ihre Zweige entstanden. Neue phonem. Einheiten entstehen in einer Sprache so, daß zunächst eine durch den Kontext konditionierte Allophonie auftritt, die phonet. neu ist. Sekundär verschwinden die konditionierenden Faktoren, und die vormalige Allophonie wird zur phonem. Opposition.

Lexikalischer Ton kann durch Reinterpretation segmentaler Merkmale entstehen (vgl. Norman 1988, ch. 2.7). Typischerweise konditioniert ein stimmloser Konsonant im Ansatz Tiefton auf dem folgenden Vokal, ein stimmhafter Konsonant jedoch Hochton. Ebenso konditioniert ein stimmhafter Konsonant, z.B. //, in der Coda fallenden Ton auf dem vorangehenden Vokal, während ein stimmloser Konsonant, insbesondere //, in der Coda steigenden Ton auf dem vorangehenden Vokal konditioniert. Diese zunächst allophonischen Tonunterschiede werden phonemisch, sobald die konditionierenden Konsonanten oder auch nur deren konditionierendes Merkmal wegfällt. Dies ist in T$ mit hypothetischen Beispielen dargestellt.

Die Töne des Chinesischen sind wahrscheinlich erst nach der altchinesischen Periode auf solche Weise entstanden.

2.1.4.2.3.2. Geschichte der Grammatik

Es haben sich grammatische Morpheme aus den lexikalischen entwickelt, die häufig tonlos sind. Die traditionelle Vorstellung von der Einsilbigkeit trifft das moderne Mandarin nicht.

Z.B. hat das moderne Chinesisch eine (unflektierte) Kopula shì. Sie entstand auf folgende Weise:

A less familiar, but equally frequent origin of the copula is a demonstrative or anaphoric pronoun. Consider the case of the Chinese copula, as analyzed by Li and Thompson (1977). In Archaic Chinese, nominal clauses contained no copula. The subject of a nominal predication, especially a relatively heavy one, could be topicalized by left-dislocation. This necessitates a substitute in the subject position of the nominal clause, a demonstrative or personal pronoun which anaphorically takes up the topicalized NP. The resulting nominal clause is, of course, syntactically completely unmarked. The complex sentence structure is as follows: S[ NP S[ Dem NP ] ]. The Dem in Archaic Chinese is shì. By the 1. cent. AD, this construction was sufficiently grammaticalized to be reanalyzed as S[NP Dem NP]. Here shì already functions as a copula, one criterion being that it is indifferent as to the person of the subject. About the same time, it ceases to be used as a demonstrative, while in its copula function it becomes increasingly obligatory.

2.1.5. Soziale Situation
2.1.5.1. Externe soziale Situation

Die Chinesen sind in prähistorischer Zeit (< -3.000) von Südwesten ins Tal des Gelben Flusses eingewandert und fanden dort wohl schon Bewohner vor. Im Südosten Chinas wohnten Austroasiaten. Anfangs haben sie von den Substraten Einflüsse aufgenommen. Seit ca. -1.500 haben sie in Ostasien die Hegemonie und sind bemerkenswert immun gegen äußere Einflüsse.

In China koexistieren chin. Sprachen mit tibeto-birmanischen, Tai- und Miao-Yao-Sprachen. Im Norden kamen altaische Völker erst im 4. Jh. mit den Chinesen in Berührung. Alle umliegenden Sprachen haben mehrere Schichten von chinesischen Lehnwörtern. Chinesisch hat unter den ostasiatischen Sprachen, insbesondere auch Japanisch, Koreanisch und Vietnamesisch, den Status einer Kultursprache, der mit der Rolle des Lateinischen in Europa vergleichbar ist. Chinesisch seinerseits hat bis in die Neuzeit kaum Entlehnungen aufgenommen.

2.1.5.2. Interne soziale Situation

2.2. System der Sprache

2.2.1. Ausdruckssysteme
2.2.1.1. Phonologie

S. §2.3 zu den methodischen Grundlagen der Erforschung des Phonologie des Altchinesischen. Die folgende Darstellung fußt i.w. auf Baxter 1992.

Das Altchinesische hatte noch keinen Ton. Er entwickelte sich durch die Prozesse, die in §2.1.4.2.3.1 beschrieben sind.

2.2.1.1.1. Phonotaktik

Das Altchinesische ließ einen komplexen Silbenansatz zu. In präinitialer Position gab es Frikative, insbesondere /s/, sowie Pränasalierung. In postinitialer Stellung waren Liquiden und Halbvokale möglich. Die Coda war dagegen ziemlich einfach; nur stimmlose Okklusive, Nasale und Halbvokale waren möglich.

2.2.1.2. Schriftsystem

Das chinesische Schriftzeichen steht i.a. für ein Morphem und damit eine Silbe der Sprache. Es ist höchst unregelmäßig geformt, aber die Zeichen eines Textes besetzen ungefähr gleichgroße quadratische Flächen.

Schriftrichtung:

Seiten: von rechts nach links,

Zeilen: von rechts nach links,

Zeichen: von oben nach unten.

2.2.1.2.1. Logik der Bildung eines Schriftzeichens

Alle Schriftzeichen sind Logogramme, stehen also je für ein Wort. Im Prinzip sind Homonyme dabei verschiedene Wörter und haben daher auch verschiedene Schriftzeichen, etwa shu "Kopf" und shu "Hand" sind, soweit bekannt, immer homophon gewesen, werden jedoch durch verschiedene Schriftzeichen repräsentiert.

Eine Begriffsschrift symbolisiert im Prinzip beliebige Begriffe durch beliebige Zeichen. Allerdings sind die Schriftzeichen nicht arbiträr. Es gibt fünf Verfahren für die Bildung chinesischer Schriftzeichen, die zum Ende der Shang-Dynastie (-1.050) bereits alle in Kraft sind.

1. Darstellung durch Piktogramm:

Das Schriftzeichen ist ein (realistisches oder stilisiertes) Abbild des bezeichneten Gegenstandes, funktioniert also aufgrund einer ikonischen Beziehung zum Significatum.

Schriftzeichen Significans Significatum
Baum

2. Einfaches Ideogramm

Das Significatum wird in seine begrifflichen Bestandteile zerlegt und aus einem Piktogramm mit graphischer Abwandlung gebildet.

Eine ideographische Schrift symbolisiert nicht-visuelle Vorstellungen durch Diagramme.

Schriftzeichen Significans Significatum
shàng "über"
xià "unter"
3 x <"sprech"> "geschwätzig"
Zeichen für "Frau" mit zwei in Brusthöhe angedeuteten Punkten "Mutter"

3. Zusammengesetztes Ideogramm

Das Significatum wird in seine begrifflichen Bestandteile zerlegt und aus Ideogrammen zusammengesetzt.

Zeichen erster Bestandteil zweiter Bestandteil
Wort
Wort
Wort
Significans Significatum Significans Significatum Significans Significatum
xi rasten rén Mensch Baum
Sonnenuntergang (heute: Abend) 4 Bäume Sonne
xìn ehrlich rén Mann yán Wort

4. Homograph:

Ein abstraktes Significatum wird wie folgt bezeichnet: Unter der Voraussetzung, daß sein Significans mehrfach homophon ist, wählt man unter den Significata das unähnlichste aus und ordnet dessen Ideogramm dem abstrakten Significatum zu.

Gegeben - einen sinnlichen Begriff X1 mit Significans Y1 und einem Schriftzeichen Z1

- und einen unsinnlichen Begriff X2 mit Significans Y2 = Y1,

so wird Z1 auch für X2 verwendet.

Prinzip: selber phonologischer Ausdruck -> selber schriftlicher Ausdruck (Rebus; in der Sinologie "Entlehnung" genannt).

Beispiel: <2feln>, <hinter3n>, <hab 8, H&!>

Schriftzeichen
Wort
Herkunft
Significans Significatum Significans Significatum
yi auch yi Achselhöhle
leicht Skorpion
lái kommen lái Weizen

5. Zusammensetzung aus Radikal und Determinativ:

Gegeben - einen Begriff X1 mit Significans Y1 und einem Schriftzeichen Z1,

- einen Begriff X2 mit Schriftzeichen Z2,

- und einen Begriff X3 X2 mit Significans Y3 Y1,

so wird Z3 aus Z1 und Z2 zusammengesetzt.

Prinzip: eine Art von X2, die wie Y1 klingt, bekommt ein Zeichen, das an beides erinnert.

Ein semantisches Merkmal des Significatums wird durch ein Ideogramm repräsentiert, das die Funktion des Radikals (des Klassifikators, der semantischen Komponente) hat. Das Significans wird angedeutet durch ein zweites Ideogramm, das die Funktion eines Determinativs (oder der phonetischen Komponente) hat. Es liefert nur die Segmente; der Ton bleibt unbezeichnet. Die ideographische Eigenbedeutung des Determinativs bleibt ungenutzt.

zusammengesetzes
Zeichen
Komponenten
Radikal
Determinativ
Significatum Significans
Significatum Significans
Significatum Significans
Zucker táng Getreide táng
Damm táng Erde táng
blockieren táng Hand táng
Teich táng Wasser shu táng
Tung-Ölbaum Baum dasselbe tóng
Fluß Wasser shu können k
Wolf láng Hund qun gut liáng

Die phonetische Komponente kann dem Radikal folgen oder ihm sonstwie diakritisch an- oder eingefügt sein. Dieses Verfahren liefert 90% der chines. Zeichen. Zahlreiche Zeichen, die ursprünglich nach einem der ersten vier Prinzipien gebildet worden waren, wurden nachträglich nach diesem Prinzip durch Zugabe entweder eines Radikals oder eines Determinativs disambiguiert.

Die chines. Schrift ist heute überwiegend logographisch, also eine Begriffsschrift, in der jedes Zeichen für ein Lexem steht. Es gibt insgesamt 6.000 Zeichen. Für alltägliche Kommunikation reichen 3.000. Für umfassende schriftliche Kommunikation über beliebige Themen muß man 4000 - 5000 Zeichen kennen.

Im chines. Wörterbuch sind die Lemmata nach Radikalen geordnet. Diese sind nach Anzahl und Form der Striche geordnet. Nur auf der Basis des Signifikans kann man also keinen Eintrag finden.

Die Schrift ist für den Sprachtyp des Altchinesischen maximal adäquat. Da, bei allem Lautwandel, der Sprachtyp sich noch nicht grundlegend geändert hat, kam von daher kein Impetus zu einer Reform. Die verschiedenen chines. Sprachen sind schriftlich, nicht jedoch mündlich wechselseitig verständlich. Die Schrift hat daher eine wichtige Funktion bei der Aufrechterhaltung nationaler Kommunikation.

Die Homonymie, die besonders im Mandarin stattgehabt hat, ist eine rein phonologische, keine orthographische Erscheinung. D.h. Homophone sind i.a. nicht homograph. Wegen des Prinzips der Zusammensetzung von Schriftzeichen aus Klassifikator und phonet. Komponente ist die schriftliche Repräsentation häufig eindeutiger als die gesprochene. Ein klassischer schriftlicher Text ist daher, wenn vorgelesen, kaum zu verstehen. Es entstand also unter den Gebildeten Chinas eine Ideologie, wonach die chines. Sprache in ihrem Funktionieren wesentlich an die Schrift gebunden sei.

Die amtliche alphabetische Umschrift heißt Pnyn. Sie ist rein phonemisch, sieht also erstens von den in europäischen Sprachen den Buchstaben zugeordneten Lautwerten häufig ab und repräsentiert zweitens keine Allophonie, weder segmentale noch Tonsandhi. Sie repräsentiert Töne durch Diakritika.

2.2.1.2.2. Graphik der Bildung von Schriftzeichen

Ein Schriftzeichen (engl. character) besteht aus einem oder mehreren Elementarzeichen. Eines von diesen hat die Funktion des Radikals; die anderen sind Zusätze. Was in einem Schriftzeichen Radikal ist, kann in einem anderen Zusatz sein. Die räumliche Anordnung der Zusätze in einem Quadrat mit dem Radikal ist nicht festgelegt.

Das Elementarzeichen besteht aus Strichen, in moderner Schrift bis zu 25, früher auch mehr. Es ist nicht nur eine graphische, sondern auch eine operational-motorische Gestalt. Für jedes Zeichen liegt fest, welche Striche in welcher Reihenfolge und in welcher Richtung zu machen sind. Es gibt 8 Grundstriche, aus denen sich alle Zeichen zusammensetzen lassen.

2.2.2. Semantisches System
2.2.2.1. Lexikon

Fast alle Morpheme sind, wie gesagt, einsilbig. Freilich gibt es Wortbildungsprozesse, die mehrsilbige Stämme erzeugen. In der Wortbildung überwiegt die Komposition. Nominalkomposition wie in germanischen Sprachen, abgesehen von den Kopulativkomposita aus Synonymen.

Es gibt auch Derivationsprozesse, die nicht Morpheme aneinanderreihen, sondern interne Modifikation bewirken. Z.B. gibt es Nominalisierung, die durch fallenden Ton ausgedrückt wird (Wang 1973:57f):

Basis Bedeutung Derivat Bedeutung
sh zählen shù Zahl
lián verbinden liàn Kette
mahlen Mühlstein

Derivation durch Tonwechsel gibt es heute noch im Kantonesischen. Ferner gibt es Derivation durch Reduplikation (Want 1973:59):

Basis Bedeutung Reduplikat Bedeutung
wi groß wiwi großartig
glücklich yúyú überglücklich
kn eifrig knkn zuversichtlich
pái zweifeln páihuái schwanken
xiáo frei xiáoyáo entfesselt
cn ungleich cnci uneben
chóu schwanken chóuchú unentschlossen sein
2.2.2.2. Grammatik
2.2.2.2.1. Morphologie

Es besteht eine enge Korrespondenz zwischen Morphem und Silbe. (2) Im Klassischen Chines. gibt es wenig Derivations- und keine Flexionsmorphologie (s.u.). Daher hat man viele einmorphemige und somit auch einsilbige Wörter.

Wörter werden nach chinesischer Tradition in xzì "leeres Wort" und shízì "volles Wort" eingeteilt. Die ersteren sind grammatische Wörter wie Pronomina, diverse Partikeln und Präpositionen. Die letzteren fallen in zwei Hauptklassen, Substantive und Prädikative. Konversion ist häufig.

B2. Cài hóu yìn ér bú fù.

Cai Marquis ruchlos KONJ nicht Vater

"Der Marquis von Cai war verworfen und erfüllte seine Vaterpflichten nicht." (Norman 1988)

2.2.2.2.2. Syntax

In der Satzsyntax wenige Hilfswörter und grammat. Partikeln. Keine Kopula. Die Hauptkonstituentenstellung ist SVO. Wortstellung überwiegend linksläufig, aber VO.

Nominalsyntagma: DET ATTR de N:

`haben':

B3. wú yu su jiàn

ich EXIST Ding seh

"Ich habe etwas gesehen."

B4. wú wú su y

ich NEG.EXIST Ding sag PTL

"Ich habe nichts gesagt."

So werden auch die Indefinita eingespart.

Neben Konversion steht die unbezeichnete Valenzveränderung:

B5. jì lái zh zé n zh

PERF komm sie dann zufrieden sie

"Du hast sie kommen lassen, nun stell sie zufrieden."

B6. zhí mù xin fá

gerade Baum erst abhack

"Gerade Bäume werden zuerst abgehackt."

Präpositionen sind deverbal, also Koverben. Z.B. y "nehmen" ergibt sowohl Instrumental als auch Akkusativ:

B7. j zh y g

angreif er nehm Dolchaxt

"griff ihn mit einer Dolchaxt an"

B8. Yáo y tin-xià y Shùn

Yáo nehm Welt geb Shùn

"Yáo gab Shùn die Welt."

Attribution durch Attributor. Fragesatz durch finale Partikel:

B9. shì Kng Qi zh yú

dies Kng Qi AT Schüler INT

"Ist dies ein Schüler von Kng Qi?"

Alle Adjektive bis auf einige, die ohne de attribuiert werden können, sind also stative Verben.

2.2.2.2.2.1. Zahlklassifikatoren:

Im Klassischen Chinesisch konnte ein Zahlwort unmittelbar mit dem gezählten Substantiv verbunden werden. Es stand pränominal, wie in B1.

B10. sn rén

drei Mensch

"drei Menschen"

Die modernen chinesischen Sprachen haben Zahlklassifikatoren zwischen dem Zahlwort und dem gezählten Substantiv. Diese Konstruktion besteht im Klassischen Chinesisch noch nicht. Sie ist jedoch dort schon vorgezeichnet. Zahlklassifikatoren treten auf, wenn das Zahlwort dem gezählten Substantiv folgt, wie in B1.

B11. m sn p

Pferd drei KL.Lebewesen

"drei Pferde"

Wortstellung: Topic Agens/Experiencer Verb Patiens/Rezipient/Benefaktiv.

Topickonstruktion:

B. zhèi-ge dìfang zhòngmàizi ho

dies-KL Ort pflanz Weizen gut

"An diesem Ort ist es gut, Weizen zu pflanzen."

Serielle Verbkonstruktion:

Struktur: (NS1) V1 (NS2) (NS3) V2 (NS4)

Sie entspricht koordinierten und subordinierten Sätzen im Deutschen, mit diversen Aktantenkontrollbeziehungen. Das Subjekt von V2 kann NS1 - NS3 sein. Die spezifischen Relationen ergeben sich aus Bedeutung und Kontext.

Einige Verben, die oft in seriellen Konstruktionen vorkommen, werden zu Koverben und dann Präpositionen grammatikalisiert.

Tafel 7. Koverben

Koverb verbale Bdtg. präp. Bdtg.

yòng gebrauchen mit, INSTRUMENTAL

zài s. befinden in/an, LOKATIV

gn folgen mit, KOMITATIV; und

gi geben für, BENEFAKTIV, DATIV

b nehmen AKKUSATIV

2.3. Erforschung der Sprache

Bereits das Schriftsystem impliziert eigentlich bereits eine morphologische Analyse, die freilich bei diesem Sprachbau nicht schwer war.

Die wissenschaftliche Erforschung des Chinesischen beginnt schon in der Hàn-Dynastie, genauer kurz nach der Zeitenwende. Die frühesten Abhandlungen sind Glossen zu den Klassikern, etymologische Wörterbücher, Reimwörterbücher und Reimtafeln. Daneben gibt es Werke zur Dialektologie und zur semantischen Klassifikation. Die mittelchinesischen Reimtafeln enthalten relativ präzise phonologische Analysen.

Im 17. und 18. Jh., unter der Qng-Dynastie, wurden die Grundlagen der historischen Phonologie des Chinesischen gelegt. Die Rekonstruktion der altchinesischen Phonologie basiert auf folgenden methodischen Grundlagen:

- der poetischen Literatur, insbesondere ihren Reimregeln;

- der Analyse des Schriftsystems, insbesondere derjenigen Zeichen, die aus Radikal und phonetischer Komponente zusammengesetzt sind. Man kann schließen, daß das bezeichnete Wort zur Zeit der Bildung des Schriftzeichens ähnlich wie das durch die phonetische Komponente bezeichnete Wort geklungen haben muß.

- Vergleich der modernen chinesischen Sprachen, Rekonstruktion;

- der Phonologie des Mittelchinesischen, soweit bekannt;

- Wiedergabe von Fremdwörtern im Chinesischen und von chinesischen Wörtern in anderen Sprachen.

Der Konservatismus der chinesischen Schrift erschwert zwar die Bestimmung der Aussprache der Wörter, erleichtert aber z.B. die Etymologie.

Das Klassische Chinesisch lieferte das Vorbild für den "einsilbigen", isolierenden Typ. Es gab wohl Komposition, aber kaum Derivation und keine Flexion.

Pionierarbeit zur Erforschung des Altchinesisches leistete der Schwede Bernhard Karlgren (1889-1978), der es allerdings "Archaisches Chinesisch" nannte.

2.4. Textproben

2.5. Bibliographie

Baxter, William H. 1992, A handbook of Old Chinese phonology. Berlin & New York: Mouton de Gruyter (Trends in Linguistics, 64).

DeLancey, Scott 1987, "Sino-Tibetan languages." Comrie (ed.) 1987: 797-810.

Dobson, W.A.C.H. 1962, Early archaic Chinese. A descriptive grammar. Toronto: University of Toronto.

Forrest, Robert A.D. 1973, The Chinese language. London: Faber & Faber (The Great Languages). 3. ed.; 2.: 1965.

Lindqvist, Cecilia 1990, Eine Welt aus Zeichen. Über die Chinesen und ihre Schrift. München: Droemer Knaur.

Norman, Jerry 1988, Chinese. Cambridge: Cambridge UP (Cambridge Language Surveys).

Shafer, Robert 1966-74, Introduction to Sino-Tibetan. Wiesbaden: O. Harrassowitz.

Wang, William S.-Y. 1973, "The Chinese language." Scientific American 228(2):50-60.

Diakritika:

Hacekvokale:

Balkenvokale

Aspirator:

6. Hebräisch

6.1. Situation der Sprache

6.1.1. Sprachname

In der Thora wird das Hebräische zunächst immer nur die "Sprache Kanaans" genannt. Im Buch Nehemiah 13,24 tritt die Bezeichnung jhudit "Judäisch" auf, was der südliche Dialekt des Hebräischen ist. Erst im Buch Jesus Sirach (um -130) findet sich die Bezeichnung 'Hebräisch'. Die Etymologie ist unklar.

Im alten Testament werden die Hebräer Ivrim/Ibrim, Sg. Ivri, genannt. Dies scheint jedoch ein e Fremdbezeichnung zu sein. Falls es doch ein hebräisches Wort ist, kann es zurückgehen auf ever/eber "andere Seite" und anspielen auf die andere Seite des Euphrat oder Jordan, woher Abraham und seine Leute nach Kanaan gekommen waren.

Es gibt uach einen mythologischen Stammvater Ebrer, desen Name ebensowohl am Ursprung des Ethnonyms Hebräer als ein Rekonstrukt daraus sein kann.

Der heutige Name der Sprache ist Ivrit, d.h. auf aramäisch "das Jenseitige" (ergibt im Griechischen Euphrátes).

6.1.2. Ethnographische Situation
6.1.2.1. Sprachgebiet

Das antike Kanaan, das später Palästina und Israel hieß. Daneben wurde Hebräisch in der Antike zu verschiedenen Zeiten in Ägypten, Syrien, Babylon gesprochen. Als Schriftsprache wurde es überall da gebraucht, wohin jüdische Gemeinschaften auswanderten.

6.1.3. Genetische Situation
6.1.3.1. Extern: Genetische Affiliation

Der nächste Verwandte des Hebräischen ist also das Phönizische.

6.1.3.2. Intern: Dialekte

Entsprechend der Genese des jüdischen Volkes gab es von Anfang an einen nördlichen und einen südlichen Dialekt. Der nördliche war anfangs kaum vom Phönizischen verschieden, der südliche ist der judäische. Dies ist der literarische Dialekt.

Im mittelalterlichen Hebräisch bildeten sich in Europa zwei Aussprachetraditionen des biblischen Hebräisch heraus, die sephardische und die aschkenazische.

6.1.4. Kulturelle Situation

Die Juden um die Wende des 1. Jt. v.Ch. waren Nomaden gewesen, die von Zelten in Lehmhütten umzogen. Neben die Haltung von Viehherden und Jagd trat der Ackerbau mit Bewässerung als Lebensgrundlage. Metallverarbeitung lernte man von den Hurritern. Die Gesellschaft war noch nicht sehr stark gegliedert. Neben dem König gab es eine Oberschicht aus Priestern, Schrift- und Rechtsgelehrten. Im Unterschied zu allen umliegenden Völkern richtete sich der religiöse Glaube auf nur einen Gott, mit Namen Jahwe. Religion und Recht waren in heiligen Büchern (Thora und Talmud) kodifiziert. Im Kult spielte auch Musik eine große Rolle.

Jahr Ereignis
-1234 erste urkundliche Erwähnung des Volkes Israel
-950 größte Ausdehnung des Reiches Israel unter König Salomo
-926 Tod des Salomo; Zerfall des Reiches in Israel und Juda
-722 Zerstörung von Israel durch Sargon II von Assyrien
-587 Zerstörung von Juda durch Nebukadnezar II von Babylon
-586 Zerstörung des 1. Tempels von Jerusalem; babylonische Gefangenschaft
-539 Einverleibung Palästinas in das persische Reich
-538 Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft
-322 Einverleibung Palästinas in das hellenistische Reich
-63 Einverleibung Palästinas ins römische Reich
70 Zerstörung des 2. Tempels von Jerusalem durch die Römer; Vertreibung
1922 Palästina unter britischem Mandat
1948 Gründung des Staates Israel

Die Hebräisch sprechende Sprachgemeinschaft waren und sind die Juden, eine Abteilung der Semiten. Die Semiten waren Nomaden, die ursprünglich aus Nordafrika stammten. Bereits am Ende des 3. Jt. v.Ch. gelangten sie bis nach Mesopotamien und verbreiteten sich über den ganzen vorderen Orient. Zu dieser Zeit sprachen sie bereits mehrere verschiedene Sprachen. Einige wurden früher seßhaft, z.B. die Ostsemiten als Akkader in Mesopotamien, die Phönizier und Kanaaniter in Palästina. Andere blieben Nomaden, darunter die zwölf Stämme Israel. Sie waren wahrscheinlich zunächst kein einheitliches Volk. Vielmehr waren sie z.T. Aramäer, die aus dem Osten kamen, sich vom Erzvater Abraham herleiteten und überwiegend in den Norden Palästinas einwanderten. Z.T. waren es Judäer, die aus Mittelägypten stammten, sich von Jehuda (einem Bruder Jakobs) herleiteten und unter ihrem Führer Moscheh überwiegend in den Süden Palästinas einwanderten. Diese gaben später in ihrem Legitimationsmythos an, ihr Gott Jahwe habe ihnen das Land Kanaan verheißen.

Diese Stämme wanderten vom 15. bis 13. Jh. nach Palästina ein und faßten im 12. Jh. dort festen Fuß. Sie trafen auf die dort bereits seßhaften Phönizier im Norden und Kanaaniter im Süden. In dem Maße, in dem sie im 11. Jh. einen Staat bildeten, verwendeten sie eine adaptierte Variante des Kanaanitischen, das Hebräische, als offizielle Sprache. Das Zentrum des Staates wurde Jerusalem. Die erste Erwähnung des Volkes Israel findet sich auf der -1234 - -1220 entstandenen ägyptischen Israelstele.

Der Staat mußte sich in einem geographischen Brennpunkt der Weltgeschichte etablieren, zwischen den Reichen der Hethiter im Nordwesten, der Hurriter im Norden, der Assyrer im Osten, der "Araber" im Süden und der Ägypter im Südwesten. Mit all diesen Völkern gab es über die Jahrhunderte intensiven friedlichen und kriegerischen Austausch.

Nach dem Tod des Königs Salomo (-926) zerfiel das Reich in das nördliche Israel und das südliche Juda. Israel bestand bis -722, als es von dem neuassyrischen König Sargon II endgültig zerstört und assyrische Provinz wurde. Viele Israeliten zogen darauf nach Mesopotamien. Der Staat Juda wurde -587 von dem neubabylonischen König Nebukadnezar II zerstört. Die Bewohner, vor allem die Kulturträger, gelangten in die babylonische Gefangenschaft (-586 - -538). Das ab jetzt jüdisch genannte Volk wurde also weit über die Grenzen Palästinas verstreut.

Palästina gehörte ab -539 zum persischen Weltreich, ab -332 zum hellenistischen Herrschaftsbereich. -63 wurde es in das römische Reich eingegliedert. Um 70 machten die Juden einen Aufstand gegen die Römer, der blutig niedergeschlagen wurde. Die Unterdrückung wurde derart, daß viele Juden auswanderten. In dem Bewußtsein, das von Gott auserwählte Volk zu sein, nahmen sie jedoch ihre Religion und Kultur mit, wo immer sie hinkamen. Im Mittelalter bildeten sich in Europa zwei Zweige des Judentums.

Sephardim: Westjuden (Mittelmeerraum);

Aškenazim: Ostjuden (Mittel- und Osteuropa)

In Reaktion auf den wachsenden Antisemitismus und im Einklang mit dem sich herausbildenden Nationalismus formierte sich um die Wende des 19. zum 20. Jh. der Zionismus, dessen Ziel die Wiedergründung des Staates Israel war. Bereits gegen Ende des 19. und dann im ganzen 20. Jh. wanderten Millionen von Juden aus aller Welt nach Palästina ein. Seit 1948 existiert dort wieder - zum ersten Mal seit Salomo, allerdings auf bis dahin von Arabern bewohntem Boden - der Staat Israel.

6.1.4.1. Literatur

Das wichtigste Stück Literatur ist die Thora. Sie stammt aus dem Zeitraum von -1200 bis -200 und ist überwiegend auf Hebräisch, und zwar Judäisch, abgefaßt; allerdings sind Teile der Bücher Daniel und Ezra auf Aramäisch. Die Thora ist die Grundlage von Religion und Recht.

Nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft tritt der Talmud daneben, eine Sammlung von juristisch-rituellen Texten.

6.1.4.2. Entwicklungsperioden der Sprache

Perioden der hebräischen Sprachgeschichte

Jahr Periode Literatur
-1950 Kanaanäisch Briefe in Tell-el-Amarna (14. Jh.)
-1200 Biblisches Hebräisch Thora
-200 Mischna-Hebräisch Talmud
450 mittelalterliches Hebräisch
1900 Ivrith

Die Sprache des jüdischen Volkes war und ist heute wieder das Hebräische. Das archaische (vorbiblische) Hebräisch ist identisch mit dem Kanaanäischen. Etwa von -1200 ist es als Hebräisch identifizierbar. Um -1.000 hatte die Sprache etwa 1.300.000 Sprecher. Hebräisch als gesprochene Sprache erlitt einen schweren Einbruch durch die Zerstörung des ersten Tempels (-586) und die nachfolgende Verschleppung der Kulturträger. Ab etwa -300 wurde es, ebenso wie andere Sprachen des vorderen Orients, vom Westaramäischen verdrängt. Aramäisch wurde zur Zeit des persischen Reiches zur lingua franca (Sprache der Diplomaten und Händler) des ganzen vorderen Orients. Jesus Christus sprach also nicht Hebräisch, sondern Aramäisch. Aramäisch wurde später seinerseits von Griechisch und dieses wieder von Arabisch verdrängt.

Das Mischna-Hebräische (auch Mittelhebräisch genannt) war evtl. seit dem 6. Jh. die von den in Palästina verbliebenen Juden gesprochene Sprache, existierte nach anderen jedoch nie als gesprochene Sprache. Es wurde seit etwa -200 anstelle des biblischen Hebräisch als Schriftsprache verwendet und überlebte als solche bis ins 5. Jh. Das Mischnah ist das zentrale Buch des Talmud.

Im Mittelalter sprachen die Juden die Sprachen ihrer Gastländer, also u.a. Arabisch, Spanisch und Jiddisch, benutzten aber noch (mittelalterliches) Hebräisch zur schriftlichen Kommunikation. Die Ostjuden, die überwiegend Jiddisch sprachen, entwickelten die Variante des Aschkenazi-Hebräischen. In der Neuzeit wurde Hebräisch dann nur noch zu religiösen Zwecken verwendet.

Die Rolle des Hebräischen in der jüdischen Kultur war also ganz ähnlich wie die Rolle des Lateinischen in der christlichen Kultur. Erst mit der Aufklärung, also Ende des 18. Jh., begannen Juden, vor allem in Osteuropa, Hebräisch wieder als säkulare Schriftsprache zu verwendet.

Die zionistischen Einwanderer Palästinas, von denen die meisten aus Rußland kamen, führten Hebräisch als gesprochene Sprache wieder ein. Initiator der Bewegung war Eliezer Ben-Yehuda (1858-1922). Sein ältester Sohn Itamar Ben-Avi war der erste Muttersprachler des Hebräischen in der Neuzeit. Die Norm ist so etwas wie lingua sefarda in bocca ascikenasa. 1922 wurde Hebräisch eine der offiziellen Sprachen Palästinas unter britischem Protektorat. Mit Gründung des Staates Israel wurde es Staatssprache.

Das Ivrith hat etwa 4 Mio. Sprecher, davon etwa 2,8 Mio. in Israel. Das moderne Hebräisch ist natürlich nicht mehr dieselbe Sprache wie das Hebräische vor über 2000 Jahren. Im Laufe der Jahrtausende machte es viele Veränderungen durch. Das biblische und das moderne Hebräisch sind nur teilweise wechselseitig verständlich. Jemand, der das eine beherrscht, muß das andere zum Zwecke vollkommenen Verständnisses studieren.

6.1.4.3. Literatur

Das Hebräische des Altertums ist durch zahlreiche Dokumente belegt. Die ältesten erhaltenen Schriftstücke, so z.B. der Geser-Kalender, stammen aus dem 10. Jh. v. Chr. Das archaische Hebräisch ist durch ca. 250 mit Tinte beschriebene kleine Tonscherben dokumentiert, die Ostraka (griech. "Scherben") genannt werden. Sie enthalten alltägliche Botschaften, Quittungen und Listen.

Das älteste Buch der Thora ist das Lied der Deborah (Richter 5), das noch im 2. Jt. gedichtet wurde. Die älteste erhaltene Handschrift der Thora ist der Prophetenkodex aus Kairo von ca. -1000.

6.1.5. Soziale Situation
6.1.5.1. Externe soziale Situation

Hebräisch ist Superstrat für Kanaanitisch. Es ist umgeben von anderen semitischen Sprachen: Ammonitisch (Jordanien), Amoritisch (ostkanaanitisch), Aramäisch (zunächst Syrien) mit diversen Dialekten, Assyrisch, später Babylonisch, Moabitisch (südl. Palästina), Phönizisch. An nichtsemitischen Sprachen ist im Südwesten das ebenfalls afroasiatische Ägyptisch, im Norden Hurrisch, später Urartäisch, benachbart. Die nächsten indogermanischen Sprachen sind im Nordwesten Hethitisch und, viel später, im Osten Persisch.

6.1.5.2. Interne soziale Situation

6.2. System der Sprache

6.2.1. Ausdruckssysteme
6.2.1.1. Phonologie

Die Phonologie des biblischen Hebräisch ist natürlich zu rekonstruieren. Das System ist sowohl im Bestand als auch in den Prozessen außerordentlich komplex.

/h/ wird am Wortende zu Null, der vorangehende Vokal ist lang.

// hat ein Allophon [].

Die emphatischen Konsonanten sind vermutlich pharyngalisiert. In der modernen Aussprache sind sie einfach = /t/, /ts/ und /k/.

/s/ ist ~ [ç]

/k/ ist [q]

// wird heute [o] gesprochen.

Die beiden Aussprachetraditionen unterscheiden sich vor allem in folgenden Punkten:

Phonem sephard. aschken.
: a: o:
t s
x
-

Alle Konsonanten außer den pharyngalen bis laryngalen können geminiert werden. Okklusive werden (in der masoretischen Tradition) in antevokalischer Position frikativiert.

Langvokale hatten bereits im Ursemitischen einen reduzierten Phonemstatus und verlieren ihn im Hebräischen ganz. Das Schwa hat diverse Allophone i.w. durch Vokalharmonie. Gelegentlich steht der Buchstabe auch für keinen Laut (schwa quiescens). In Pausa finden noch andere Vokalwechsel statt.

Angesichts intrikater komplementärer Verteilungen bzgl. okklusiv vs. frikativ, kurzer vs. langer Vokal, schlichter vs. geminierter Konsonant, voller vs. zu Schwa reduzierter Vokal ist nicht klar, welche dieser Oppositionen im biblischen Hebräischen phonemisch waren.

Der Akzent ist auf der letzten oder vorletzten Silbe.

Der glottale Okklusiv wird heute nicht mehr gesprochen, das Aleph wird allerdings noch geschrieben. Zwei von drei emphatischen Konsonanten fusionieren mit den schlichten. Die Gemination verschwindet.

6.2.1.2. Schrift

Als Schreibunterlage dient hauptsächlich aus Ägypten importierter Papyrus.

Schriftrichtung:

Seiten: von hinten nach vorn

Zeilen: von oben nach unten

Zeichen: von rechts nach links

Interpunktion:
Zeichen:

Buchstaben gibt es nur für die Konsonanten, nicht für die Vokale. Allerdings werden die Buchstaben Jod und Waw unter Umständen auch für /i/ und /u/ verwendet. Alle anderen Vokale können durch Diakritika bezeichnet werden, die unter, über und gelegentlich in einen Konsonantbuchstaben gesetzt werden. Dies ist der Buchstabe des phonologisch vorangehenden Konsonanten oder des Jod bzw. Waw in Vokalposition. Ähnliche Diakritika bezeichnen auch phonetische oder phonologische Merkmale des Konsonanten selbst (Gemination, Frikativierung). Die Punktierung wird aber nur zu besonderen Zwecken wie im Sprachunterricht und in Wörterbüchern gemacht.

Die Konsonanten <k, m, n, p, > haben wortfinale Allographen.

Die Buchstaben dienen auch als Ziffern.

Die Juden benutzten im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Schriften, die alle linksläufig sind. Im 10. Jh. übernahmen sie das phönizische Alphabet und entwickelten es zur althebräischen Schrift weiter. Diese Schrift war bis zum -3. Jh. in Gebrauch. Ebenfalls aus dem phönizischen Alphabet entstand die aramäische Schrift. Diese wurde vom Ende des 6. Jh. an in Israel verwendet und verdrängte die althebräische Schrift. Aus ihr entwickelte sich die hebräische Quadratschrift, die bis heute die Druckschrift ist. Außerdem entstanden diverse Kursivschriften.

In der althebräischen und aramäischen Schrift hatten Vokale keine eigenen Zeichen. Z.T. wurden aber die Konsonanten <w>, <j> und <h> als Ersatzzeichen für Vokale verwendet. In dem Maße, wie Hebräisch als alltäglich gesprochene Sprache ausstarb, herrschte Unklarheit über die korrekte Aussprache der Texte. Daher entwickelte eine Gruppe von Schriftgelehrten, genannt Masoreten ("Träger der Tradition"), zwischen 500 und 1000 ein System (das tiberische System), Vokale und Merkmale von Konsonanten durch Diakritika zu bezeichnen. Dies geschah also lange, nachdem das biblische und selbst das darauf folgende Mischna-Hebräisch tot waren.

6.2.2. Semantisches System
6.2.2.1. Lexikon

Es gibt Lehnwörter aus dem Ägyptischen, Akkadischen, Aramäischen, Griechischen und Sumerischen.

6.2.2.2. Grammatik
6.2.2.2.1. Morphologie

Introflexion

Zwei Genera, maskulinum und femininum.

Zwei Numeri; Plural nur durch Suffix, nicht (wie in anderen semit. Sprachen) durch Introflexion.

Drei Kasus: Nominativ, Genitiv, Akkusativ.

Von einer Verbwurzel können im Hebräischen verschiedene Stämme abgeleitet werden, um unterschiedliche Bedeutungsnuancen (Aktionsarten) des Verbs zum Ausdruck zu bringen.

Form Glosse Bedeutung
htndb wollen:Intensiv "intensiv wollen"
y-dwršy-hw prüfen:Intensiv "er soll ihn gründlich prüfen"
y-by'-hw kommen:Kausativ "er soll ihn bringen"

Es gibt keine Tempora, sondern Aspekte. Der perfektive Aspekt (durch Suffix) entspricht der deutschen Vergangenheitsform, der imperfektive Aspekt (durch Präfix) unseren Gegenwarts- und Zukunftsformen. Letzterer wird auch mit modaler Bedeutung ("dürfen", "können" usw.) verwendet, z.B

jôšê

prüf: IMPERF:INTENSIV(3.SINGULAR)-den

"den soll er überprüfen".

6.2.2.2.2. Syntax

Es gibt einen pränominalen definiten Artikel.

Die obliquen Personalpronomina sind suffixal am Verb und an der Präposition.

Die Wortstellung folgt dem Prinzip rechtsläufiger Dependenz: Präposition, einleitende Konjunktion, satzeinleitende Fragepartikel, postnominales Genitivattribut, Satzbau verbinitial.

Für das Verhältnis zwischen zwei Begriffen, das wir im Deutschen durch Genitivattribution ("Rat der Union") oder Komposition ("Unionsrat") bezeichnen, gibt es im Hebräischen eine Konstruktion, wo das erste Substantiv, das Bezugsnomen, im Status constructus, d.h. der reinen Stammform steht. Z.B. (Qumrantext Wort 6-7):

/at hay-yad

Rat(Stat.Constr) die-Union

"Rat der Union"

6.3. Erforschung der Sprache

6.4. Textproben

6.4.1. Gezer-Kalender

Der Gezer-Kalender ist eine Inschrift in althebräischer oder kanaanitischer Schrift auf Kalkstein aus dem Jahre -900. Er ist das älteste Denkmal in hebräischer Schrift. Die Buchstaben weichen schon etwas von den altphönizischen Formen ab.

Der Gezer-Kalender beschreibt die Aufgaben eines Bauern zu den verschiedenen Jahreszeiten.

Quelle: Caroline Masom u. Pat Alexander (Hrsg.) 1987: Großer Bildführer zur Bibel. Giessen/Basel: Brunnen Verlag; 67.

Übersetzung:

"Zwei Monate davon (sind) Obsternte, zwei Monate davon Saat, zwei Monate Spätsaat, ein Monat Flachsschnitt, ein Monat Gerstenernte, ein Monat Getreideernte und Abmessen, zwei Monate Beschneiden, ein Monat Sommerobsternte."

6.4.2. Schiloa-Inschrift

Diese bekannte Inschrift des archaischen Hebräisch entstand etwa 700 v.Chr. Sie ist in kanaanäischer Schrift abgefaßt und stammt aus dem 534 m langen Schiloa-Tunnel in Jerusalem, den König Hiskia von Juda bauen ließ, um die Ostseite der Stadt mit Wasser zu versorgen.

Die Inschrift berichtet, wie zwei Gruppen von Arbeitern, die an den entgegengesetzten Tunnelenden begannen, sich durch den Fels vorarbeiteten und schließlich tief unter der Erde aufeinander trafen.

Quelle: Ernst Würthwein 1988: Der Text des alten Testaments. Eine Einführung in die Biblia Hebraica. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft:141.

Übersetzung:

"[Das] war der Tunneldurchbruch und dies waren die Umstände des Tunneldurchbruchs: Als die Steinhauer noch die Hacke [schwangen], ein jeder zu seinem Kollegen, und als noch drei Ellen zu durchschlagen war[en, da wurde] die Stimme eines jeden, der zu seinem Kollegen rief, gehört, denn es war ein [?] Spalt im Fels von Süden und [von No]rden. Und am Tag des Tunneldurchbruchs schlugen die Steinhauer, ein jeder seinem Kollegen entgegen, Hacke gegen [Ha]cke, und da flossen die Wasser von der Quelle zum Teich auf eine Länge von 1200 Ellen. Und 100 Ellen war die Höhe des Felsens über dem Kopf der Steinhauer."

6.4.3. Genesis 1, 1
6.4.4. Qumran-Rollen

Das Hebräische des Altertums ist natürlich auch durch zahlreiche biblische und religiöse Texte dokumentiert. Hier sind die bekannten Qumran-Texte zu nennen. Es handelt sich dabei um sieben Schriftrollen, die in Tonkrügen in einer Höhle am Toten Meer versteckt waren. Sie wurden 1946/47 von einem Hirtenjungen gefunden.

Diese Schriftrollen enthalten Texte aus dem Alten Testament oder Kommentare zu diesen. Eine der Rollen, das Handbuch der Disziplinen, beschreibt detailliert die Verfassung und Regeln der Essener Sekte. Diese Sekte gilt zugleich als Verfasser der Qumran-Rollen.

Qumran-Rolle

Quelle: M. Y. Ben-gavriel 1958: Die Schriftrollen vom Toten Meer. Jerusalem.

Das Handbuch der Disziplinen ist in der jüdischen Variante der aramäischen Alphabetschrift geschrieben. Diese Schrift unterscheidet sich deutlich von der Schrift der Schiloa-Inschrift, die noch in der althebräischen Schrift verfaßt wurde. Im Handbuch der Disziplinen werden die Vokale gekennzeichnet, z.B. steht in ls!klw das Zeichen <w> für den Vokal /o$/.

Das Handbuch der Disziplinen umfaßt elf Spalten, bestehend aus je 26 Zeilen. Es ist 2 m lang und 25 cm hoch. In neun Spalten werden wichtige Einzelheiten über Lehre, Regeln und Grundsätze des Glaubens der Essener Sekte gegeben. In den zwei letzten Spalten steht ein Psalm zum Preise der Taten Gottes, seiner Gnade und Stärke.

Die Essener waren eine der religiösen Gruppen in Israel seit dem 2. Jh. v. Chr. Sie warteten auf ein messianisches Reich und lebten in strenger klösterlicher Gemeinschaft. Ihre Siedlung, Qumran, lag direkt unter den Höhlen, in denen die Schriftrollen gefunden wurden. Die Essener besaßen einst eine Bibliothek, zu denen auch die sieben Schriftrollen gehörten. Als 68 n. Chr. die römischen Truppen das Tote Meer erreichten und einen jüdischen Aufstand niederschlagen wollten, versteckten die Sektenmitglieder ihre Bibliothek in den Höhlen von Qumran, um sie so vor der Vernichtung zu retten.

Berge der Qumran-Rollen

Quelle: Der Spiegel 22/27.5.96:73.

Die Datierung der Qumran-Rollen ist problematisch. Das Handbuch der Disziplinen ist wahrscheinlich um 100 v. Chr. entstanden.

l[5 #yswhl4 lar`ym3 bdntmh2 lwkw1ï

đ 1wkwl 2hmtndb 3mysÚr!l 4lhwsyp 5@l

we-kol ham-mitnaddeÛv miy-yisÚraÛeÛl le-hiwwaÛsef al

und-all der-wollenPartizipIntensiv aus-Israel um-sich+hinzufügen zu

Ein jeder nun, der willens ist aus Israel beizutreten zum

`awrb11 dyqph10 `yah9 why`rwdy8 dhyh7 tx[6ï

đ 6@s`t 7hyh`d 8ydwrs#yhw 9h!ys# 10hpqyd 11brw!s#

asat hay-yaÛhad yedorsehu haÛ-is hap-paÛqid be-ros

Rat Constructus die-Union prüfImperf.Intens-ihn der-Mann der-Aufseher an-Spitze

Rat der Union, den soll zunächst überprüfen der oberste Musterungsbeauftragte

!aw15 wy`[mlw14 wlk`l13 !ybrh12ï

đ 12hrbym 13lsÚklw 14wlmsÚyw 15wm

haÛ-rabbim le-siklo u-le-maasÚau we-im

die-vielen hinsichtlich-Verständnis+sein und-hinsichtlich-Taten+sein und-wenn

der Gesamtheit hinsichtlich seiner Kenntnisse und hinsichtlich seines Verhaltens. Und wenn

bw`l20 tyrbb19 whayby18 rswm17 gy`y16ï

đ 16 ysÚyg 17 mwsr 18 ybyhw 19 bbryt 20 lswb

yasÚsÚig musaÛr yevieÛ-hu bab-berit laÛ-suv

7. Hebräisch

erweisen Imperf.Kausativ Bildung kommen Imperf.Kausativ -ihn in Bund zu-umkehren

er sich als bildungsfähig erweist, soll er ihn in den Bund bringen, um umzukehren

lw[24 lwkm23 rwslw22 tmal21ï

đ 21lmt 22wlswr 23mkwl 24wl

laÛ-emet we-laÛ-sur mik-kol aÛwel

zu-Wahrheit und-zu-weichen von-all Frevel

zur Wahrheit und um abzulassen von allem Frevel.

Erläuterung:

hebräische Schriftzeichen

Umschrift in lateinischem Alphabet

Aussprache mit grammatischer Struktur

grammatischer Kommentar

deutscheÜbersetzung

6.5. Bibliographie

Barnavi, Eli (ed.) 1993, Universalgeschichte der Juden. Von den Ursprüngen bis zur Gegenwart. Ein historischer Atlas. Wien: Christian Brandstätter.

Hetzron, Robert 1989, "Hebrew." Comrie, Bernard (ed.), The world's major languages. London & Sidney: Croom Helm (2. ed.); 686-704.

7. Ägyptisch

7.1. Situation der Sprache

7.1.1. Sprachname

Die Ägypter nannten ihr Land t3.wj (Land-Du) "die beiden Länder", nämlich Ober- und Unterägypten, und ihre Sprache einfach "Sprache von Ägypten". Das Land Ägypten hatte im Laufe der langen Geschichte viele Namen. Im mittleren Reich hieß es Hwt-ka-Ptah "Haus des Ka von Ptah". Daraus wurde im Griechischen (bereits bei Homer) Aigyptos. Hierauf geht lat. Aegyptus und auf dieses sämtliche modernen Bezeichnungen außer der arabischen (misr) zurück. Die Araber wiederum reduzierten den griechischen Namen der Bevölkerung, Aigyptioi, auf /kopti/, wovon das Wort koptisch kommt.

7.1.2. Ethnographische Situation
7.1.2.1. Sprachgebiet

Ägyptisch wurde in dem Kulturraum gesprochen, der vom unteren Niltal gebildet wird. Er ist ca. 1000 km lang und 10-20 km breit.

7.1.2.2. Sprachgemeinschaft

Über die Besiedlung Ägyptens vor der Jungsteinzeit ist nichts bekannt. In der Jungsteinzeit wanderten Menschen wahrscheinlich aus der östlichen Mittelmeerregion nach Unterägypten ein. Sie stellen die spätere weiße Oberschicht. Die Siedler in Oberägypten dagegen stammten aus dem sudanesischen Gebiet. Sie sind also Neger und stellen den größten Teil der Bevölkerung. Im weiteren Verlauf der ägyptischen Geschichte wanderten vor allem Nubier, Libyer, Griechen und Römer in das Land am Nil ein.

7.1.3. Genetische Situation
7.1.3.1. Extern: Genetische Affiliation

Ägyptisch ist eine afroasiatische Sprache, am nächsten mit den semitischen und den Berbersprachen verwandt. S. Afroasiatisch.

7.1.3.2. Intern: Dialekte

Über die Dialektgliederung ist sehr wenig bekannt, weil erstens die Schrift die Phonologie nur sehr unvollkommen wiedergibt und weil zweitens die Schriftsprache genormt ist.

7.1.4. Kulturelle Situation

T$. Epochen der ägyptischen Geschichte (nach Beckerath 1971)

Beginn Epoche Dynastien Ereignisse
-5000 Jungsteinzeit
-4.000 Kupfersteinzeit
-2.955 Frühzeit 1, 2 Gründung eines ober- und eines unterägyptischen Reichs. Sie werden zum Alten Reich vereinigt; Hauptstadt Memphis
-2.635 Altes Reich 3-8
-2.135 I. Zwischenzeit 9-11
-1.991 Mittleres Reich 12
-1.785 II. Zwischenzeit 13-17
-1.554 Neues Reich 18-20 Ägypten führende Großmacht im Vorderen Orient.

-1.365: Echnaton

-1.190: Ramses III wehrt den Ansturm der Seevölker ab, die den ganzen Vorderen Orient verwüsten

-1.080 III. Zwischenzeit 21-24
-745 Spätzeit 25-31 Ägypten wird äthiopische, assyrische, persische Provinz
-332 Alexander der Große erobert Ägypten. Die Ägypter verlieren auf immer die nationale Souveränität. Beginn der Hellenisierung.
-304 Ptolemäer Hauptstadt Alexandria
-30 Ägypten wird römische Provinz. Herrschend bleibt bis zur arabischen Eroberung griechische Kultur.

Landwirtschaft am Nil erforderte fortgeschrittene Bewässerungstechnik. Wissenschaft und Technik sind daher weit entwickelt. Es gibt Kalenderrechnung und Uhrzeit.

Das ganze Land einschließlich sämtlicher Lebewesen gehört dem Pharao (ägypt. "großes Haus"). Er ist oberster Richter. Der gesamte Handel untersteht ihm. Er hat dafür die Verpflichtung, für die Untertanen zu sorgen. Die Gesellschaft ist stark gegliedert. Am Hof des Pharao gibt es Wesire ( Minister, Gouverneure) und einen umfangreichen Beamtenapparat. Die sozialen Unterschiede in den diversen Schichten vom Pharao über die Wesire, die Beamten und Priester, die Kaufleute bis hinunter zu den Arbeitern und Bauern (Fellachen) sind enorm. Voraussetzung für eine Karriere als Beamter ist Beherrschung der Schrift.

Die Religion spielt eine ungeheure Rolle in der Gesellschaft. Die aufwendige Totenverehrung führt zu Pyramiden, Grabkammern, Mumifizierung usw.

7.1.4.1. Entwicklungsperioden der Sprache

T$. Entwicklungsperioden des Ägyptischen

Beginn Periode Charakteristika
-3.500 - -2.200 Altägyptisch älteste religiöse Texte (Pyramidentexte, Herrscherbiographien)
-2.200 - -1.600 Mittelägyptisch =

Klassisches Ägyptisch

Literatursprache, offizielle Religions- und Staatssprache
-1.650 - -750 Neuägyptisch zunächst nur Umgangs-, ab -1.200 auch Literatursprache. Religiöse und Pharaoneninschriften weiter auf Mittelägyptisch.
-750 - 450 Demotisch zunächst Kanzleisprache, seit der Hellenisierung Ägyptens nur noch Umgangssprache
200 - 1.600 Koptisch bis ins 8. Jh. allgemeine Umgangssprache, danach nur noch Sprache der Christen Ägyptens

Damit ist Ägyptisch (vor Chinesisch) die Sprache mit der längsten dokumentierten Geschichte.

Wichtige Dokumente:

-2 650 - -2 190 Lehre für König Merikare

Klagen des beredten Bauern

Gespräch eines Lebensmüden mit der Seele

-1 878 - -1 841 Lehre des Königs Amenemhet

Geschichte des Sinuhe

-1 377 - -1 358 Amenophis IV. = Echnaton dichtet die Hymne "Sonnengesang"

7.1.4.2. Koptisch

Koptisch ist die letzte Periode des Ägyptischen. Im 3. Jh. setzt sich in Ägypten das - monophysitische orthodoxe - Christentum durch. Ägyptische Christen übersetzten im 3. Jh. n. Chr. das Alte und Neue Testament sowie andere religiöse Texte aus dem Griechischen in die ägyptische Umgangssprache. Das Koptische fungierte bis ins 8. Jh. n. Chr. als allgemeine Umgangssprache in Ägypten. Danach sprachen es nur noch die ägyptischen Christen, die von den Arabern Kopten genannt wurden. Die Literatur ist fast ausschließlich religiösen Inhalts; daneben gibt es Zehntausende von Ostraka. Bedeutendster Schriftsteller ist der Abt Schenute. Koptisch wurde in Oberägypten mindestens bis ins 16. Jh. gesprochen, in den Klöstern bis ins 18., evtl. noch im 19. Jh., dann jedoch endgültig vom Arabischen verdrängt, und dient heute nur noch als liturgische Sprache der koptischen Kirche. In Ägypten wird heute Arabisch gesprochen.

Ägyptisch (Koptisch) lebt in Lehnwörtern in anderen Sprachen fort. Am meisten davon gibt es natürlich im ägyptischen Arabisch. International sind vor allem Eigennamen wie ägypt. meri(t)-en-imen "Geliebte des Amun" > Miriam, seschen "Lotosblume" > Susanna.

7.1.5. Soziale Situation
7.1.5.1. Externe soziale Situation

Im Neuen Reich war Akkadisch Diplomatensprache; die Tontafeln von El Amarna sind auf Akkadisch abgefaßt.

Die Staatssprache in Ägypten war über fast 1000 Jahre (ca. -300 bis 700) Griechisch. Plutarch teilt mit, die Ptolemäer hätten nur sehr langsam Ägyptisch gelernt. Erst die letzte der Dynastie, Kleopatra VII, sprach zu jedem ihrer Untertanen in seiner Sprache. Griechisch war so wichtig, daß Ägyptisch zuletzt, als Koptisch, in einer Variante des griechischen Alphabets geschrieben wurde.

Das Ägyptische (Koptische) ist zum Schluß Substrat des ägyptischen Arabisch.

7.1.5.2. Interne soziale Situation

7.2. System der Sprache

7.2.1. Ausdruckssysteme
7.2.1.1. Phonologie

Da die ägyptische Schrift nur die Konsonanten bezeichnet, ist die Vokalisierung der Wörter nur unvollständig bekannt. Methodisch wichtig ist die Möglichkeit, das Koptische heranzuziehen, obwohl dies natürlich wegen des langen zeitlichen Abstandes keine unmittelbaren Erkenntnisse bringt.

Bei der Aussprache eines Wortes behilft sich die Ägyptologie damit, hinter allen Konsonanten außer dem letzten ein /e/ zu sprechen. nfrt wird daher /neferet/ gesprochen. Für Eigennamen gibt es eine Tradition der abwechslungsreicheren Vokalisierung, die z.T. auf die griechische Überlieferung zurückgeht. Diese sind jedoch nicht standardisiert. So gibt es Amenhotep, Amunhotpe, Amenhetep u.a. Die griechische Form Amenophis enthält natürlich ihrerseits eine Gräzisierung. Die im Deutschen Nofretete genannte Königin hieß vielleicht am ehesten Nafteta.

7.2.1.2. Schrift

Die Schrift hatte im alten Ägypten große soziale Bedeutung; die Ägypter selber nannten sie "Gottesworte".

Material: Die ältesten erhaltenen Schriftdenkmäler sind Inschriften auf Holz und Stein. Allermeist wird aber mit Pinsel oder Halm und Tinte auf Papyrus geschrieben. Papyrus wird wie folgt hergestellt: Die Fasern einer Staude, deren ägyptischer Name $$ und deren griechischer Name ist, werden gepreßt und aneinandergeleimt. Der Staat hatte das Monopol auf die Herstellung von Papyrus und förderte aus den Einnahmen u.a. die Wissenschaft. Papyrus breitete sich als praktisches Schreibmaterial auch in der Ägäis aus und wurde so von den Griechen übernommen.

Form: Die ägyptische Schrift hat keinerlei Ähnlichkeit mit den unmittelbar zuvor entstandenen Schriften von Sumer und Elam. Da aber zwischen den genannten Gebieten kultureller Austausch bestand, ist sie sicher keine völlig unabhängige Erfindung.

Von der ägyptischen Schrift gibt es von Anfang an drei Varianten, die eigentliche Hieroglyphenschrift, die hieratische Schrift und die Kursivhieroglyphen.

7.2.1.2.1. Hierogylphenschrift
Verwendung: in Steininschriften und öffentlichen Dokumenten.

Schriftrichtung:

Seiten: von oben nach unten.

Alsdann folgende Alternative:

a) Zeilen: von oben nach unten

Zeichen: von rechts nach links, gelegentlich von links nach rechts. Die Hieroglyphen, die Lebewesen darstellen, schauen immer zum Zeilenanfang, gleich ob die Zeile links- oder rechtsläufig ist (Zauzich 87).

b) Spalten: von rechts nach links, gelegentlich von links nach rechts

Zeichen: von oben nach unten

Interpunktion: Es gibt weder Wort- noch Satztrennung.

Zeichen:

Ein Zeichen der ägyptischen Schrift heißt Hieroglyphe. Die Bezeichnung stammt vom griechischen Historiker Herodot; griech. - "heilig-gravierte Schriftzeichen". Im Mittleren Reich gibt es etwa 700 Hieroglyphen.

Die Hieroglyphenschrift wird zu Beginn der 1. Dynastie zusammen mit einem ähnlichen Kunststil entwickelt. Die Schriftzeichen sind Bilder aus dem Umfeld der Ägypter. Der dargestellte Gegenstand ist meist deutlich zu erkennen. Die Gegenstände werden zweidimensional abgebildet, aber manchmal gleichzeitig aus mehreren Perspektiven. Die Umrisse werden mit klaren Linien nachgezeichnet. Oft wurden die Einzelheiten farbig ausgemalt, wofür es ebenfalls Regeln gibt. Die Hieroglyphenschrift erhält ihre klassische Form um -1.900, also im Mittleren Reich. Anders als die Keilschriftzeichen behalten die Hieroglyphen ihren piktographischen Charakter während des gesamten Pharaonenreichs und noch bis ins 4. Jh. Insgesamt ändert sich die Form der Zeichen relativ wenig.

Dennoch sind die Hieroglyphen keine Piktogramme oder Ideogramme (vgl. die Ausmalung von initialen Majuskeln in mittelalterlichen Handschriften Mitteleuropas). Es gibt Logogramme, Determinative und in der Ägyptologie so genannte Phonogramme, also Schriftzeichen, denen unmittelbar ein Lautwert zugeordnet ist. Die letzteren sind allesamt Konsonantenzeichen; es gibt kein einziges Vokalzeichen. Es gibt Phonogramme für einen Konsonanten und für Kombinationen von zwei oder drei Konsonanten. Insgesamt gibt es in vorptolemäischer Zeit mehr als tausend Grapheme, von denen jedoch nur eine Minderheit häufiger vorkommt.

Viele Zeichen sind zwischen diesen Funktionen mehrdeutig. Insbesondere bedeuten viele Zeichen entweder eine Konsonantenkombination oder ein Logogramm. Sollen sie als Logogramm bzw. Determinativ gelesen werden, setzt man einen kleinen senkrechten Strich, den Determinativstrich, darunter.

Die Ägypter hatten kein geordnetes Inventar ihrer Schriftzeichen. Die noch gültige Systematisierung der ägyptischen Hieroglyphen geht auf den Ägyptologen Gardiner zurück, der sie in seiner 'sign list' nach dem Dargestellten in 27 Klassen einteilt und innerhalb jeder Klasse durchnumeriert. So ist jede Hieroglyphe nach einem Code identifizierbar. Der Ibis auf einem Podest (= Gott Thot, Erfinder der Schrift) ist G26.

Über die gesamte Zeit der ägyptischen Sprache hat man ca. 7.000 Zeichen inventarisiert, deren Funktion freilich nicht immer klar ist. Im Klassischen Ägyptisch sind es erst 700 Zeichen, im ptolemäischen sind 5.000 in Gebrauch.

Es gibt 24 Konsonantenbuchstaben zuzüglich einiger Schreibvarianten.

T4. Inventar der ägyptischen Konsonantenbuchstaben (nach Zauzich 1980:19-21)

Hieroglyphe Umschrift Lautwert
Geier 3
Schilfblatt i i
2 Schilfblätter/Striche j i
Unterarm
Wachtelküken/Ohr w v, u
Bein b b
Hocker p p
Viper f f
Eule/Kreidestück m m
Wasser/Krone n n
Mund r r
Hof h h
Strick x
Wellenkreis ç
Tierleib mit Zitzen x
Türriegel s z
gefalteter Stoff s
Teich š
Sandböschung q
Korb k k
Krugständer g g
Brotlaib t t
Seil tj
Hand d d
Kobra dj

Für die Repräsentation eines Worts gibt es i.w. vier Verfahren:

1. Logogramm

Hieroglyphe
Transliteration pr
Bedeutung Haus

2. Kombination aus Konsonantenbuchstaben

Hieroglyphen
Transliteration n nb
Bedeutung mit Gesundheit

Hier wird nur das Konsonantengerüst repräsentiert. Eine Vokalisierung, wie im Falle der semitischen Schriften, gibt es nicht. Auf diese Weise werden grammatische Wörter, vor allem Präpositionen, Abstrakta, Götternamen und einige andere Wörter geschrieben.

3. Kombination aus Konsonantenbuchstaben und Determinativ

Hieroglyphen
Transliteration wr r [Ölkrug][phys. Handlung] k3 [Stier]
phon. Repräsentation wr ka
Bedeutung salben Stier

Dies ist der häufigste Fall. Determinative stehen immer am Wortende und werden nicht mitgelesen. Sie können auch gehäuft werden.

4. Kombination aus Logogramm und phonetischem Komplement

Hieroglyphen
Transliteration w w b b3
phon. Repräsentation w b3
Bedeutung Binse Stern

Determinative werden auch zur Disambiguierung von Homographen verwendet. Die Konsonantengruppe wn bedeutet, wenn gefolgt von einer Tür, "öffnen", wenn gefolgt von laufenden Beinen, "eilen", wenn gefolgt von einer Haarlocke, "kahl", usw. (Zauzich 1980:36f).

Homophone werden gelegentlich orthographisch unterschieden. Z.B.:

Hieroglyphen
phon. Repräsentation mt mt
Bedeutung Frau Zofe

Wenn der sprachliche oder bildnerische Kontext disambiguierend wirkt, werden Determinative häufig weggelassen. Z.B. gehen Titel normalerweise einem Namen voran und können daher rein "phonetisch" geschrieben werden.

Die Prinzipien für die Schrift waren eher kalli- als orthographische. Eine Hieroglyphe soll möglichst ein Quadrat besetzen. Ist sie dafür zu klein, wird sie mit einer anderen zu einem Quadrat arrangiert. Auch die Blickrichtung der Zeichen belebter Wesen zum Zeilenanfang ist ein mindestens teilweise kalligraphisches Prinzip. Kalligraphie erforderte häufig auch die Umstellung von Hieroglyphen:

B2. Transliteration r(j)-b(t)
phon. Repräsentation r(j)-b(t)
Bedeutung der den Festtext trägt

Wenn Eigennamen den Namen eines Gottes enthalten, wird dieser immer zuerst geschrieben, auch wenn er morphologisch weiter hinten im Namen vorkommt. Dasselbe gilt für andere Honorifikativa.

Die Hieroglyphenschrift ist schon im Alten Reich logosyllabisch. Auch hier werden Lautzeichen nach dem Rebusprinzip aus Ideogrammen gewonnen. Z.B. wird der frühe Pharao Nr-mr mit den Zeichen für "Wels" und Meißel" geschrieben, weil die Silben seines Namens, für sich genommen, dies bedeuten. Die Zeichen waren nie Silbenzeichen. Vielmehr wurden ursprüngliche Logogramme (die aber nicht in allen Fällen erhalten oder bekannt sind) von Anfang an akrophonisch interpretiert.

Am Anfang der Schriftgeschichte stehen relativ viele Hieroglyphen, die Konsonantenkombinationen bezeichnen. Die Hieroglyphen für einzelne Konsonanten entwickeln sich erst später. Die Hieroglyphenschrift ist insgesamt bis etwa 300 n.Ch. in Gebrauch.

Die Transkription nimmt i.a. auf alles, was nicht auf die phonologische Form, also das Konsonantengerüst, bezogen ist, keine Rücksicht. Es ist üblich, in der Transkription nominale Suffixe durch Punkt und verbale durch Gleichheitszeichen abzutrennen.

7.2.1.2.2. Hieratische Schrift

Die hieratische (griech. "heilige") Schrift ist ein systematisches Kursivgegenstück zur Hieroglyphenschrift. Sie dient zum Schreiben auf Papyrus und Tonscherben und ist seit Beginn des 2. Jt. in allgemeinem Gebrauch. Die beiden Schriften wahren i.w. eine buchstabenweise Entsprechung, vergleichbar der Druckschrift und Kursivschrift im lateinischen Alphabet. Die Formen sind allerdings stark verschieden, der Bildcharakter ist im Hieratischen oft kaum zu erkennen.

Die Zeichen der hieratischen Schrift sind gegenüber den Hieroglyphen stark vereinfacht, so daß die Bilder nicht erkennbar sind. Anfangs werden nur profane Texte hieratisch geschrieben. Von der 26. Dynastie an werden auch und dann ausschließlich religiöse Texte hieratisch geschrieben. Die Schriftzeichen heißen daher "priesterliche Buchstaben".

Schriftrichtung:

Zwei Möglichkeiten:

a) Zeilen: von oben nach unten

Zeichen: von rechts nach links

b) Spalten: von rechts nach links

Zeichen: von oben nach unten

Es gibt Ligaturen. Zweikonsonantenzeichen sind fast immer mit phonetischem Komplement versehen. Polyphone Zeichen werden durch Diakritika unterschieden. Es gibt Interpunktion durch Verspunkte.

Es ist nicht zu erweisen, daß die hieratische Schrift als Kursivform der Hieroglyphenschrift entstanden ist. Evtl. ist umgekehrt die Hieroglyphenschrift als eine Kunst- und Repräsentationsvariante der Hieratischen entstanden.

Aus dem Hieratischen geht um -1.200 die phönizische Schrift hervor.

7.2.1.2.3. Demotische Schrift

Die hieratische Schrift spaltet sich in der 26. Dynastie (um -650) in die dann erst so genannte eigentliche hieratische Schrift, die für religiöse Texte reserviert wird, und eine Kanzleischrift, die sich zur demotischen (griech. "profanen") Schrift entwickelt. Diese wird im weiteren die Alltagsschrift.

7.2.1.2.4. Kursivhieroglyphen

Eine vereinfachte kursive Variante der Hieroglyphenschrift, die auf Steininschriften verwendet wird und eine Zwischenstellung zwischen Hieroglyphen und Hieratisch einnimmt.

7.2.1.2.5. Koptische Schrift

Das Koptische wird nicht mehr in einer ägyptischen Schrift, sondern mit den Majuskeln des griechischen Alphabets (also ohne Diakritika) geschrieben, erweitert um sechs der demotischen Schrift entnommene Buchstaben wie z.B. []. Erstmals wird also eine alphabetische Schrift verwendet, so daß auch die Vokale geschrieben werden.

Nach diversen Ägyptologen wurde die Schrift Anfang des 4. Jt. in Ägypten erfunden (http://www.ankhonline.com/ecriture1.htm). Die ältesten hieroglypischen Texte stammen aus Abydos, aus der Zeit zwischen 3400 und 3250. "L'égyptologue Jean VERCOUTTER écrit : "L'Égypte fut le premier pays d'Afrique à utiliser l'écriture. Si l'on en juge par l'emploi dans le système hiéroglyphique de "pictogrammes" représentant des objets qui n'étaient plus utilisés depuis longtemps au début de l'époque historique, il est possible de fixer son invention à l'époque amratienne dite aussi du Nagada I, c'est-à-dire vers -4000, si l'on suit les dates proposées par la méthode du carbone 14." [L'Histoire Générale de l'Afrique, Paris, Jeune Afrique/Stock/UNESCO, 1978, p. 27] Les documents disponibles montrent que le système de l'écriture égyptienne est déjà pleinement constitué en - 3150 av. J.-C. [5].Les découvertes et travaux les plus récents (cf. Günter DREYER, "Recent Discoveries at Abydos Cemetery U", in The Nile Delta in Transition : 4th-3th Millenium BC, E.C. M. Van Den Brink Editor, Tel Aviv, 1992, pp. 293-1299, V. DAVIES, R. FRIEDMANN, Egypt Uncovered, London, Britsh Museum Press, 1998) confirment l'ancienneté de l'écriture égyptienne et l'antériorité par rapport à la Mésopotamie, contrairement à l'opinion généralement répandue en dépit de la réalité des faits.

7.2.2. Semantisches System
7.2.2.1. Lexikon

Personennamen sind meist grammatisch komplex. Sie werden aus Nominalsyntagmen gebildet, wie in Tut-anch-Amun "lebendes Bild des Amun", oder sogar aus ganzen Sätzen, z.B. Amenophis "Amun ist zufrieden", Ramses "Re hat ihn geboren".

Von Präpositionen können Adjektive abgeleitet werden:

r "auf" - rj "oberer, oberster"

nt "vorn" - ntj "vorderer, erster".

7.2.2.2. Grammatik
Nomen:

Z.B. pr.w "Häuser".

Femininsuffix -t. Auch unbelebte haben Genus. Bsp. w.t "Binse". Das Femininsuffix folgt dem Pluralsuffix: n.wt "Throne".

Personalsuffixe haben Genus in allen drei Personen.

Tafel Personalsuffixe

Numerus
Person
Singular Plural
1 m.
f.

-j
2 m.
f.
-k

3 m.
f.
-f

-

Die Personalsuffixe bezeichnen:

- am Verb das Subjekt: sm-f "er hört".

- am Substantiv den Possessor: n=k "dein Bruder"

- an Präpositionen das Komplement: n=k (für=POSS.2.SG.M) "dir"

Verb:

Stamm - Präteritum - Person.

Präteritum: -n-Suffix, z.B. sm-n-f "er hörte".

Eigenschaftswörter sind Verben.

Manche Verben bilden den Infinitiv auf -t: ir.t "machen". Könnte feminines Genus sein (vgl. Bantu-Nominalklassen).

Syntax:
Hauptkonstituentenstellung: VSO.

Attribute:
Possessives Attribut: postnominal. Bezugsnomen im Status Constructus oder Attribut mit Attributor m angeschlossen. nb.t pr "Herrin des Hauses"; r3 n s "Mund des Mannes". Adjektivattribut postnominal; kongruiert in Genus und Numerus.

7.3. Erforschung der Sprache

Entzifferung der Schrift:

Lange Zeit meinte man, die Schrift müsse eine Bilderschrift sein, und scheiterte folglich mit der Entzifferung.

Der Franzose Jean-François Champollion (1790-1832) analysierte 1822 einen zweisprachigen Text (eine Bilingue). Die obere Hälfte der Inschrift war in Hieroglyphenschrift, die untere auf Griechisch abgefaßt. In dem griechischen Text kamen mehrere Male die Namen und vor (die übrigens griechische, nicht ägyptische Namen sind). Champollion identifizierte deren Äquivalente in dem ägyptischen Text anhand der Kartuschen, mit denen sie eingerahmt waren. Da die ägyptische Schrift die Konsonanten und auch einige Vokale wiedergab, konnte er Buchstaben miteinander identifizieren.

7.4. Textprobe

Vignette aus einem Totenbuch. Das ist eine Papyrusrolle mit religiösen Sprüchen, die einem Toten mit ins Grab gegeben wird. Der Rahmen der Vignette selbst besteht aus den Hieroglyphen t3 "Erde" (unten), p.t "Himmel" (oben), w3 "Zepter" (links und rechts). Dargestellt ist der Tote (rechts), der Osiris ein Opfer bringt. Text und Bild gehen, wie in der ägyptischen Kunst üblich, eine enge Verbindung ein. Mehrere Bildelemente sehen genau aus wie die entsprechenden Hieroglyphen. Die Schrift in der Vignette ist hieroglyphisch, daneben hieratisch.

Der Text in der Vignette ist in Kolumnen angeordnet, in folgender Reihenfolge: 2, 1, 3, 4, 5, 6. Die Schriftrichtung in den Kolumnen ist von oben nach unten, die Links-Rechts-Richtung variiert. Der hieroglyphische Text ist in Zauzich 1980:84f linksläufig wiedergegeben.

K. 1: von rechts nach links.

dj t (n)w

tp

ir

Ws

nb

0

(n)

`zufrieden-geb' ist eine alte Formel für "er gibt ein Opfer".

nw.t: n-w-t /nesut/ "König": n: subst. Rel.pron., "der von" (status constructus, evtl. < nb "Herr"); w-t "Binse-F", Wappenpflanze Oberägyptens. Daher: Herr von Oberägypten.

n: quasi logographisch, ohne das anlautende /n/, geschrieben.

7.5. Bibliographie

Beckerath, Jürgen von 1971, Abriß der Geschichte des Alten Ägypten. München:

Bourguet, Pierre du 1971, Grammaire égyptienne. Moyen empire pharaonique. Méthode progressive basée sur les armatures de cette langue. Louvain: Ed. Peeters.

Callender, John B. 1975, Middle Egyptian. Malibu: Undena Publ. (Afroasiatic Dialects, 2).

Edel, Elmar 1955/64, Altägyptische Grammatik. 2 Bde.. Roma: Pontificium Institutum Biblicum (Analecta Orientalia, 34 u. 39).

Hodge, Carleton T. 1970, "The linguistic cycle." Language Sciences 13:1-7.

Obenga, Théophile 1973, {\iL'Afrique dans l'antiquité. Égypte ancienne - Afrique noire.} Paris: Présence Africaine

Zauzich, Karl-Th. 1980, Hieroglyphen ohne Geheimnis. Eine Einführung in die altägyptische Schrift für Museumsbesucher und Ägyptentouristen. Mainz: Ph. von Zabern (Kulturgeschichte der Antiken Welt, 6).

Diakritika:

h Unterstrich

h Unterpunkt

h Kringel

k Unterpunkt

t Unterstrich

d Unterstrich

verkehrter Glottal (Hauch)

8. Etruskisch

8.1. Situation der Sprache

8.1.1. Sprachname

Das Volk nannte sich selbst und seine Sprache rana (so auf dem Cippus von Cortona). In lat. Wiedergabe ist das, lt. dem antiken Spezialisten für italische Geschichte, Dionysios von Halikarnossos (Ende 1. Jh. v.Ch.) [Dion.Hal. I, 25-30], rasenna. Auf Griechisch heißen sie bzw. Tyrrhenoí, auf Umbrisch tusci, auf Latein ebenfalls Tusci oder Etrusci. Das Autonym und die griechische Wiedergabe unterscheiden sich vor allem durch die zusätzliche erste Silbe.

8.1.2. Ethnographische Situation
8.1.2.1. Sprachgebiet

Die Etrusker wohnten in Mittelitalien, nämlich in Etrurien, auf Lateinisch Toskana "Land der Tusci". Die archäologischen Funde stammen nicht alle aus Etrurien. Mehre Texte wurden in Nachbarregionen Italiens, ein paar aber auch in der Provence, in Tunesien und auf der griechischen Insel Ägina gefunden.

8.1.2.2. Sprachgemeinschaft
8.1.2.2.1. Volk

Etruskisch wurde in erster Linie von den Etruskern gesprochen, in zweiter Linie von anderen Völkern des antiken Italien, die sie beherrschten. Das Volk der Etrusker besteht aus einer indigenen Unterschicht und einer Oberschicht, die wohl aus Kleinasien gekommen ist und die Sprache mitgebracht hat.

8.1.3. Genetische Situation
8.1.3.1. Extern: Genetische Affiliation

Etruskisch ist offensichtlich genetisch verwandt mit Lemnisch, einer in der ersten Hälfte des 1. Jt. v.Ch. auf der Insel Lemnos gesprochenen Sprache. Die gemeinsame Ursprache von Etruskisch und Lemnisch kann vor -1000 im ägäisch-kleinasiatischen Raum gesprochen worden sein, und zwar möglicherweise von dem Volk der Tyrsener.

Ferner ist Etruskisch wohl mit dem vorrömischen Rätischen verwandt. Lemnisch und Rätisch sind allerdings noch viel dürftiger bezeugt als Etruskisch. Eine Verwandtschaft mit anderen ebenso schlecht bekannten vorindogermanischen Sprachen Kleinasiens ist nicht erweislich.

8.1.3.2. Intern: Dialekte

Man unterscheidet Nordetrusk. und Südetrusk. Im Nordetrusk. wird /s/ vor /i/ und vor Konsonant palatalisiert: []. Z.B. südetr. laris = nordetr. lari, südetr. spur = nordetr. pur "Land".

8.1.4. Ethnographische Situation: Geschichte der Sprachgemeinschaft

Die Etrusker können in Italien nicht autochthon sein wegen alteuropäischer (evtl. sogar italischer) Hydronymie auf etruskischem Boden. Nach einer von Herodot I, 94 (Ende 5. Jh. v.Ch.) wiedergegebenen Legende stammen die Etrusker aus Lydien (Kleinasien). Wegen einer langen Hungersnot wanderte eine Hälfte des lydischen Volkes unter der Führung von Tyrrhenos per Schiff aus, langte in Umbrien an und nannte sich dort Tyrrhener. Nach anderen antiken Quellen sind die Etrusker ehemalige Pelasger, also jedenfalls auch aus der Ägäis.

In der Tat kann die gemeinsame Ursprache von Etruskisch und Lemnisch vor -1000 im ägäisch-kleinasiatischen Raum gesprochen worden sein, und zwar möglicherweise von dem Volk der Tyrsener (tyrs-en-oi). Von dort können die Etrusker auch das Alphabet mitgebracht haben. Ihre Kultur hat ebenfalls durchaus orientalische Züge, insbesondere Gemeinsamkeiten mit kleinasiatischen Kulturen, z.B. der hethitischen, der zweiten Hälfte des 2. Jt. v.Ch. Es gibt auch Einflüsse aus Phönizien und Kreta, dagegen weniger Einflüsse aus Griechenland.

Es kann also sein, daß die Etrusker ursprünglich um Troja herum wohnten und dann von den Griechen wie in der Troja-Sage dort vertrieben wurden (vgl. Georgiev 1972). Um die Wende des 1. Jt. wären sie dann durch die Ägäis migriert. (Sie können identisch sein mit einem der Seeevölker, das Ramses III (1197-1165) in einer Inschrift trsh.w nennt.) Spätestens im 9. Jh. v. Chr. kommen sie auf das Gebiet der heutigen Toskana. Dort treffen sie auf die Italiker und begründen in ihrer Mitte die Proto-Villanova-Kultur. Alternativ kann es auch sein, daß Etruskisch und Lemnisch zwei Dialekte eines mediterranen Substrats sind, das von den einwandernden Indogermanen überdeckt und zersplittert wurde.

Die Etrusker beherrschen die röm. Geschichte mindestens vom 7. Jh. bis ca. 400 v.Ch. Die ganze Zeit bestehen enge kulturelle Kontakte zu den Phöniziern und Puniern. Um -540 besiegen die mit den Karthagern verbündeten Etrusker die Phokäer (den ganzen Mittelmeerraum kolonisierende Ionier). Um -500 sind die Etrusker auf der Höhe ihrer Macht, beherrschen große Teile Mittelitaliens und haben Kolonien auf den Inseln bis zur spanischen Küste. Um -474 haben die Syrakusaner ihre Macht gefestigt, schlagen die Etrusker bei Cumae und fallen um -453 ins nördliche Etrurien ein. Seit -428 gibt es Krieg zwischen Rom und Etrurien. Im 4. Jh. fällt eine etruskische Stadt nach der anderen in römische Hand; -264 ist Etrurien vollständig erobert und kann sich in den punischen Kriegen nur noch mit den Römern gegen die Karthager verbünden.. Spätestens im 2. Jh. n.Ch. gehen die Etrusker vollständig im römischen Volk auf.

Es gab keine Zentralregierung; Etrurien war eher eine loser Bund von Stadtstaaten. Die wichtigsten Städte sind Clusium, Tarquinii, Kaisrai (lat. Caere, ital. Cerveteri), Veii, Volterra, Vetulonia, Perusia, Volsinii.

Die Etrusker waren technisch ziemlich fortgeschritten. Sie beherrschten Feldbewässerung und -entwässerung, Metallverarbeitung (Bronze, Eisen, Gold), Skulptur und Malerei. Spätestens die Etrusker brachten Wein nach Italien. Sie trieben intensiven Handel mit dem Orient. Religion, Totenkult und Wahrsagerei (u.a. aus der Schafsleber und aus dem Vogelflug) spielten eine große Rolle. Übliche antike Mittelmeerreligion, mit dem griechisch-kleinasiatischen Pantheon.

8.1.4.1. Entwicklungsperioden der Sprache

Das älteste Schriftdenkmal ist die Schreibtafel von Marsiliana (ca. -700). Die nächsten Inschriften sind aus dem 6. Jh. Die letzten Inschriften sind von 20 n.Ch. Danach wurde die Sprache allenfalls noch eine Zeitlang im Kult verwendet. Die Literatur wurde nicht mehr verstanden, daher nicht mehr kopiert und ist deshalb restlos verloren.

7. Jh.: 120 Texte

6. u. 5. Jh.: 800 Texte

Davon einige Grabinschriften, die meisten aber auf Gegenständen.

8.1.4.1.1. Literatur

Die Etrusker hatten Literatur, von der jedoch fast nichts überliefert ist. Die beiden längsten erhaltenen Texte, die Agramer Mumienbinde und die Tabula Capuana (in Rix (ed.) 1991), sind Ritualkalender. Diese und die Goldbleche von Pyrgi gehören zu den bedeutendsten erhaltenen Dokumenten.

Sonst sind [1999] ca. 13.000 Inschriften erhalten, die vorwiegend auf Metall, Bronzespiegeln, Vasen, Sarkophagen, Aschenurnen, Stein, Ton, Votivfiguren und Münzen geschrieben sind. Die Texte umfassen etwa 8.000 verschiedene Wörter, von denen vielleicht 550 übersetzt werden können.

Die meisten Inschriften sind sehr kurz und stereotyp. Das gilt insbesondere für Grabinschriften, die den Löwenanteil der erhaltenen Texte ausmachen. In ihrer vollständigsten Form haben sie folgenden Aufbau:

Vorname Gentilname (Familienname) Vatername Muttername 'Sohn/Tocher' (Stellung) ('starb/lebte X Jahre'.

Weihinschriften auf Objekten haben meist die Form mi unial "ich bin der Iuno" oder allenfalls mini Avle mulevanice "mich hat Aulus geweiht".

Es gibt einige meta- und fremdsprachliche Daten.

8.1.5. Soziale Situation
8.1.5.1. Externe soziale Situation

Etruskisch ist auf seinem Sprachgebiet von indogermanischen Sprachen umgeben. Im Norden wird Keltisch, im Osten Umbrisch, im Süden Oskisch und Latein gesprochen.

8.1.5.2. Interne soziale Situation

Schrift und Bildung

8.2. System der Sprache

8.2.1. Ausdruckssysteme
8.2.1.1. Phonologie

Alle Obstruenten der Sprache sind stimmlos. Die Symbole müssen aspirierte Okklusive bedeuten, denn zur Zeit der Übernahme des Alphabets waren diese im Griechischen noch nicht frikativiert. Außerdem wäre dann nicht zu sehen, warum die Etrusker einen Buchstaben <8> = /f/ hätten einführen sollen. Schließlich wäre mit diesen das System der Frikative im Verhältnis zu dem der Okklusive viel zu komplex. Das System der Okklusive beruht also auf der Aspirations- statt auf der Stimmhaftigkeitsopposition.

Lateinisches /o/ wird durch <u> wiedergegeben. Ob abgesehen davon <u> /o/ bedeuten kann, ist fraglich.

Vom 5. Jh. an gibt es Initialakzent. Dieser führt zu Vokalreduktion und Synkope in der Folgesilbe: turuce > turce "hat gegeben", avile > avle "Jahr". Ferner werden diverse /i/ zu [e] (mini picapi > men pecape), wodurch die ehemalige Opposition /i/ vs. /e/ zur Allophonie wird.

8.2.1.2. Schrift

Die Etrusker übernahmen die Schrift im 8. Jh. v.Ch. von den Griechen. Die Einzelheiten sind, im Zusammenhang mit der Stele von Lemnos, strittig. Das Alphabet sieht westgriechisch aus. Inneritalisch betrachtet, können die Etrusker das Alphabet also aus der Magna Graecia übernommen haben, etwa von den euböischen Kolonien auf Ischia oder in Kampanien. Das übernommene Alphabet hatte 22 phönizische und 4 zusätzliche griechische Buchstaben. Die Etrusker paßten es den Bedürfnissen ihrer Sprache an, indem sie auf <b, d, g, o> und Samek verzichteten und Ende des 6. Jh. das <f> hinzufügten, da der übernommene Buchstabe für etwas anderes stand (möglicherweise []).

Die älteste Form des etruskischen Alphabets steht auf der Schreibtafel von Marsiliana.

Tafel von Marsiliana d'Albegna

Im 6. Jh. v. Chr. gaben die Etrusker die Schrift an die anderen italischen Völker einschließlich der Römer weiter. Die Etrusker sind somit die Begründer der Kunst des Schreibens und Lesens in Westeuropa.

Die meiste Zeit behielten sie die Linksläufigkeit der Schrift bei. Erst im ersten vorchristlichen Jahrhundert wechselten sie, unter lateinischem Einfluß, zur Rechtsläufigkeit. Aber das war erst kurz bevor die Schrift und die Sprache überhaupt außer Gebrauch kamen.

Alphabetische Schrift.

Schriftrichtung:

Seiten: von rechts nach links

Zeilen: von oben nach unten

Zeichen: von rechts nach links

Interpunktion: Keine Interpunktion; zunächst auch keine Wortabstände. Später Punkte auf halber Zeilenhöhe als Worttrenner. Am Zeilenende wird mitten im Wort umgebrochen.

WORTEWURDENOHNETRENNZEICHENGESCHRIEBEN,

SPÄTER·DURCH·PUNKTE·GETRENNT.

Zeichen:

Das etruskische Alphabet ist eine Variante des griechischen. Es besteht aus 22 Buchstaben. Vom etruskischen Alphabet gibt es seinerseits mehr als ein halbes Dutzend dialektale und diachrone Varianten. Die Tabelle gibt an:

- Spalte 1: das griechisch-phönizische Original, einschließlich solcher Buchstaben, die die Etrusker nicht verwenden,

- eine archaische Variante,

- eine junge Variante,

- die geläufige Transkription,

- den Lautwert gemäß obigem Phonemsystem.

Der Etruskologenkongreß Leiden 1931 hat die Umschrift festgelegt. Aus praktischen Gründen finden sich davon häufig folgende Abweichungen:

Standard Ersatz
ph
kh
th
sh
8.2.2. Semantisches System
8.2.2.1. Lexikon

8.2.2.1.1. Zahlwörter

Dezimalsystem. Ziffern sind Vorstufen der römischen.

8.2.2.1.2. Lehnwörter

Es gibt eine Reihe von gemeinsamen Wörtern zwischen Etruskisch, Griechisch und Lateinisch, die vermutlich ursprünglich etruskisch sind:

Wegen weiterer etruskischer Lehnwörter im Lateinischen s. Latein.

8.2.2.2. Grammatik
8.2.2.2.1. Nomen
8.2.2.2.1.1. Genus

Es gibt im Prinzip kein Genus. Allerdings tragen weibliche Namen in der Spätzeit ein Femininumsuffix -i(a), vermutlich unter italischem Einfluß:

maskulin feminin
Aule Aula
Vel Vela
Arn Arni
Lar Lari
8.2.2.2.1.2. Numerus

Es gibt ein Pluralsuffix.-Vr. clan "Sohn" - ci clenar "drei Söhne"

8.2.2.2.1.3. Kasussystem

Die Zahlen hinter den Wörtern beziehen sich auf die Wortnummern in den ausgestellten Texten.

zarums-na "der zwanzigste"

Über Komparation ist nichts bekannt.

8.2.2.2.2. Pronomen

Sind freie Formen; nur die Possessiva sind Suffixe.

Auch das Pronomen hat kein Genus, sondern bloß Person vs. Sache. Die Pronomina flektieren nach Numerus und Kasus.

8.2.2.2.3. Verb

Kein Person oder Numerus zu sehen.

An Tempora sind Präsens und Präteritum bekannt, an Modi Indikativ und Optativ/Jussiv.

Zahlreiche Verbalnomina.

8.2.2.3. Syntax

Adjektivattribut und Determinator prä- oder postnominal. Es kann u.U. dekliniert werden und kongruiert dann im Kasus.

SV

alle obliquen Dependenten prä- oder postverbal

Postpositionen., evtl. auch Präpositionen

N G

Konjunktionale Nebensätze selten.

8.3. Erforschung der Sprache

Die antike Historiographie sagt sehr wenig über die Etrusker (Varro erwähnt ein Buch Tuscae historiae, das nicht erhalten ist). Etwa 60 etruskische Wörter sind in antiken Glossen, also einschließlich Bedeutung, überliefert. Dazu gehören capys "Habicht" und fala(n)do "Himmel".

Die ersten Versuche der Entzifferung der Inschriften wurden im 15. Jh. von italienischen Humanisten unternommen.

Wegen der genetischen Isolation des Etruskischen kann sich die Entschlüsselung der Sprache nicht auf den Sprachvergleich stützen. Stattdessen helfen etruskische Lehnwörter in besser bekannten Sprachen, besonders Latein, sowie die erwähnten antiken Glossen.

Da etruskische Texte in einem Alphabet geschrieben sind, das zwischen dem griechischen und dem lateinischen steht, sind sie nicht schwer zu lesen. Das Verständnis bereitet allerdings große Schwierigkeiten; man versteht die Texte vielleicht zur Hälfte. Erste Versuche der Entzifferung des Etruskischen wurden möglich durch Bilinguen. Die meisten Texte sind aber Grabinschriften und enthalten nicht viel mehr als die in §? erwähnten Angaben. Das von P. Agostini publizierte Glossar enthält Übersetzungen für etwa 200 Appellativa und 200 Namen.

8.4. Textproben

8.4.1. Grenzsteine
8.4.2. Vaseninschrift
8.4.3. Goldbleche von Pyrgi (Laminae Pyrgienses)

Pyrgi, der Hafen von Caere, hatte ein weitberühmtes Heiligtum für Uni, d.i. die römische Iuno und die phönizische Aštarte. In einem Depot zwischen den beiden Tempeln wurden bei Ausgrabungen 1964 drei Goldbleche gefunden. Blech A und B sind in etruskischer, Blech C in phönizischer/punischer Sprache geschrieben. Man glaubte damit "den Stein von Rosette" für das Etruskische gefunden zu haben. Es zeigte sich allerdings, daß es sich nicht um eine Bilingue, sondern um verschiedene Texte handelt, die über dasselbe historische Geschehen berichten.

Blech 1 umfaßt 16 Zeilen mit 35 oder 36 Wörtern, Blech 2 9 Zeilen mit 14 oder 15 Wörtern. Der längere Text fällt damit unter die zehn längsten etruskischen Inschriften, die bis jetzt bekannt sind. Die Texte stammen aus der Zeit um -500, als die Etrusker mit den Puniern gegen die Griechen verbündet waren. Es sind überhaupt die einzigen etruskischen Texte, in denen ein Herrscher (Thefarie Veliana) über seine Taten berichtet. Inhaltlich sind sie für Historiker und Religionshistoriker von großem Interesse. Sie verweisen auf enge Handelsbeziehungen zwischen den Etruskern und den Karthagern. Der punische Text ist erheblich klarer als die etruskischen.

8.4.4. Liber linteus (VIII, 11-14)

Das Leinwandbuch, der liber linteus, ist das einzige erhaltene Buch und der umfangreichste Text in etruskischer Sprache. Er wurde auf eine einzige Leinwand von 340 x 40 cm geschrieben, ist 12 Seiten und 230 Zeilen lang und besteht aus 1200 sicher lesbaren Wörtern zuzüglich 100 aus dem Kontext erschließbarer Wörter. Damit umfaßt er etwa 60% des bekannten Wortschatzes. Er ist zugleich das einzige aus der Antike erhaltene Beispiel eines auf Leinwand geschriebenen Buches. Die einzelnen "Seiten" (Kolumnen) sind von rechts nach links angeordnet und mit einem roten Faden abgeteilt. In zeitgenössischen Darstellungen ist zu sehen, daß Leinwandbücher ziehharmonikaartig seitenweise gefaltet wurden (12). Der Text ist in schwarzer Tinte geschrieben, mit roten Unterstreichungen und Diakritika.

Der Text ist wohl im 4. Jh. v.Chr. entstanden, das vorliegende Exemplar jedoch eine jüngere Abschrift aus dem 3.

- 1. Jh. Dieses gelangte irgendwie nach Ägypten und wurde dort um die Zeitenwende zweckentfremdet, nämlich der Länge nach in sechs Streifen geschnitten (von denen die in kürzere Stücke geschnitten wurden) und zum Einwickeln einer Frauenmumie verwendet. Im Jahre 1848/9 kaufte sich der slovenische Adlige Mihael Bari in Ägypten die Mumie, entfernte die Binde um den Kopf, stellte sie in Wien aus und schenkte sie dann dem Agramer (i.e. Zagreber) Museum. Daher heißt der Liber linteus auch Agramer Mumienbinde. Hier erst stellte man fest, daß die Binde beschrieben war. Die Schrift galt jahrelang als eine Variante des Altägyptischen, bis der Wiener Ägyptologe Jacob Krall sie 1892 als etruskisch analysierte. Die Leinwand wurde 1985 restauriert. Dabei stellte sich heraus, daß der fünfte Streifen (von oben gezählt) fehlt. Andererseits sind alle Streifen hinter S. 12 weiß, so daß das Buch insoweit vollständig ist. Der Text ist nur unter Infrarotlicht gut erkennbar.

Der liber linteus ist ein liber ritualis (Cic. div. 1, 72); er beschreibt, wie bestimmte Rituale des Götterkultes vollzogen werden sollen. Er ist wie ein Kalender organisiert. Am Anfang jedes Abschnitts lassen sich jeweils ein Kalenderdatum, ein Göttername und meist auch einzelne Wörter aus dem Bereich des Ritus identifizieren. Viele Stellen sind durch Flecken unlesbar geworden. Bei der Entzifferung stützt man sich auf Erkenntnisse aus anderen Funden, weil die Unvollständigkeit und der hohe Abstraktionsgrad des Textes die Übersetzung erschweren. Bis jetzt ist es lediglich gelungen, einzelne Passagen zu analysieren. Der wiedergegebene Ausschnitt ist der Anfang eines Gebets aus einer längeren Ritualbeschreibung. 8.4.5.

Grabinschriften Fabretti, Corpus insc. Ital. Nr.2071 (auch: Stolz et al. 1966:61) lar

urle-s arn-al urle-s anvil-us-c craci-al clan

[ Larth

Churchle-Gen [ [ Arnth-Gen Churchle-GEN Thanchvil-GEN-und Craci-Gen ] Sohn ] ]

avil-s

ciemzarms lupu

Jahr-PL

drei:von:zwanzig starb

"Larth Churchles, des Arnth Churchles und der Thanchvil Craci Sohn, starb mit 17 Jahren." 8.4.6.
Tabula Cortonensis
Die 1999 in Cortona gefundene Bronzetafel mißt 46 x 28 cm. Sie ist in 8 annähernd quadratische Stücke zerbrochen, von denen eines fehlt. Sie enthält 81 Wörter und ist damit die längste bis 1999 gefundene etruskische Inschrift. Auf der Seite B steht ein Text, auf der Seite A die Namen der Personen, die den Text "unterschrieben" haben. 8.5.

Bibliographie

Agostiniani, Luciano 1990, "Épigraphie et linguistique étrusque." LALIES 11:37-74.

Georgiev, Vladmir I. 1972, "Troer und Etrusker: Der historische Kern der Aeneas-Sage." Philologus 116: 93-97.

Rix, Helmut et al. (eds.) 1991, Etruskische Texte. Editio minor. Bd. I: Einleitung, Konkordanz, Indices; Bd.II: Texte. Tübingen: G. Narr (ScriptOralia, 23f).

Zavaroni, A. 1996, I documenti etruschi. Padova: Sherpa. Corpus Inscriptionum Etruscarum http://members.xoom.com/_XMCM/Pdictus/etrindex.html (Paolo Agostini)

9. Iberisch 9.1.

Situation der Sprache

9.1.1.
Sprachname
Die Iberer wurden spätestens seit dem 5. Jh. von den Griechen (), dann von den Römern (Hibrus) so genannt. Diese Bezeichnungen gehen auf den antiken Namen des Ebro, lat. Iberus, zurück; vgl. bask. ibai "Fluß" und ibar "Tal". Das Autonym der Iberer ist nicht bekannt. Der Ausdruck iberisch wird gelegentlich in weitem Sinne für alle nicht

-griechischen und nicht-römischen Kulturen, Sprachen und Schriften der iberischen Halbinsel benutzt. Für diese Bedeutung steht aber der Terminus hispanisch zur Verfügung, so daß man iberisch im engeren Sinne mit Bezug auf ein bestimmtes Volk verwenden kann. Freilich ist die Zuordnung der hispanischen Hinterlassenschaften zu bestimmten Völkern nicht in allen Fällen sicher.

9.1.2.
Ethnographische Situation
9.1.2.1.
Sprachgebiet
Die Iberer sitzen zunächst im Südosten, schließlich im ganzen Osten der iberischen Halbinsel. 9.1.2.2.
Sprachgemeinschaft
9.1.3.
Genetische Situation
9.1.3.1.
Extern: Genetische Affiliation
Die Iberer gehören zur vorindogermanischen Bevölkerung Europas, neben anderen mediterranen Völkern und z.B. den Pikten in Schottland. Für keine antike nicht

-indogermanische Sprache Europas, einschließlich des Iberischen, sind genetische Verwandtschaftsverhältnisse nachweisbar. Aufgrund prähistorischer Funde ist es wahrscheinlich, daß die Iberer aus Afrika kamen. Aber die Verwandtschaft mit dem Berber bleibt bis auf weiteres Spekulation. Wegen der angeblichen Verwandtschaft mit dem Baskischen s. §? sowie Protobaskisch.

9.1.3.2.
Intern: Dialekte
Nach den Schriftformen lassen sich eine meridionale und eine levantinische Variante des Iberischen unterscheiden. 9.1.4.
Kulturelle Situation
Man weiß sehr wenig über die Iberer. Die wenigen zeitgenössischen Informationen stammen aus Berichten von Griechen, Phöniziern und Römern, mit denen sie Handel trieben und später Kriege führten. Zeugnisse dieses Handels sind die zahlreichen Münzen aus der Zeit, die in dem ganzen Gebiet gefunden worden sind. Die Iberer waren Bauern, beherrschten aber auch die Metallverarbeitung. Auf ihrem Gebiet gab es große Silbervorkommen, die Händler und Eroberer über Jahrhunderte anzogen. Für die Verhüttung wurden Eichenwälder ganzer Provinzen abgeholzt. Ihre wichtigsten Hinterlassenschaften sind Schmuckstücke und glockenförmige Tonvasen. Außer Festungen errichteten sie keine großen Bauten. Sie hatten jedoch eine ursprüngliche Kunst, die sich sekundär mit der der Nachbarn verband. Es gab keinen iberischen Staat, sondern eine Menge von Stämmen (s. ?), die als Fürsten

- oder Königtümer organisiert waren. Die Religion wird erst seit der phönizisch-orientalisierten Phase sichtbar, in Tempeln und Götterbildern im orientalischen Stil.

9.1.4.1.1.
Literatur
Von den etwa 2000 althispanischen Inschriften, die bis 1998 gefunden wurden, sind etwa 1750 in iberischer Sprache abgefaßt. Die Iberer hatten, wie der Historiker Strabo (1. Jh.) berichtet, Literatur, insbesondere historische und Gesetzestexte sowie Poesie, die jedoch verloren ist. Erhalten sind Texte auf Vasen, sowohl längere als auch bloße Namen bzw. Monogramme von Hersteller oder Besitzer. Auf Gräbern, selbst auf den monumentalen, gibt es ursprünglich keine [!] Inschriften; dies wird erst nach der römischen Besetzung üblich. Die Grabinschriften sind nicht so formelhaft wie in anderen Kulturen, was die Entschlüsselung auch wieder erschwert. Ebensowenig gibt es religiöse Inschriften; kein einziger Göttername ist bekannt. Auf Münzen stehen neben Zahlen auch Namen von Stämmen oder Städten, daneben auch Personennamen. Die längsten Texte (bis 600 Buchstaben) sind auf Bleiblechen, wovon rund 70 gefunden wurden. Es ist sicher Handelskorrespondenz, wie die völlig gleichartigen daneben gefundenen griechischen Bleche erweisen. Das älteste Zeugnis der der iberischen Sprache ist ein solches Blech, geschrieben in griechischer Schrift am Beginn des 5. Jh. Unter den bisher gefundenen Texten ist keine Bilingue. Iberien ist seit der Steinzeit besiedelt. Die Iberer sind erst seit etwa -600 identifizierbar. Insofern macht es methodisch wenig Unterschied, ob sie in der ersten Hälfte des 4. Jt. über Gibralter eingewandert sind, wie einige annehmen, oder ob das schon 30.000 Jahre früher geschah. In der zweiten Hälfte des 2. Jt. v.Ch. besteht in Iberien die Kultur von Almeria (Reichtum an Silber und Kupfer) und Algar. Es entsteht die Glockenbecherkultur. Diese breitet sich um -1700 nach Europa aus. Markiert dort den Beginn der Bronzezeit.

Die Iberer hatten eine spätbronzezeitliche Urnenfelderkultur. Sie bildeten wohl nie eine politische und vielleicht auch keine sprachlich

-kulturelle Einheit. Anfang des 1. Jt. v.Ch. handeln die Phönizier mit Tartessos, einem Reich im Tal des Guadalquivir (die Stadt ist bis 1998 nicht lokalisiert), das die wichtigste einheimische Macht in der ersten Hälfte des 1. Jt. v.Ch. darstellt. Um -800 gründen die Phönizier in der Mündung des Guadalquivir den Ort Gadir (lat. Gades, heute Cádiz). Es folgen Handelsniederlassungen die iberische Mittelmeerküste nordostwärts. Der Kontakt mit den Phöniziern fördert die Verstädterung und Hierarchisierung der hispanischen Gesellschaft. Die Leute von Tartessos übernehmen die Schrift von den Phöniziern und geben sie an die Iberer weiter. Die neue Kultur der Iberer dehnt sich im 6. Jh. an der Ostküste nach Norden aus. Sie stehen allerdings nicht unter Fremdherrschaft.

Ab -575 dehnt sich die griechische Kultur, von Massalia ausgehend, an der Küste nach Südwesten aus. Iberische und griechische Kultur verschmelzen in Emporion (Ampurias). Im gleichen Zeitraum übernehmen die Punier die phönizischen Kolonien. Um -500 endet das Königreich von Tartessos. Im 3. Jh. erobern die Punier weite Teile Iberiens. Die phönizischen Niederlassungen gehen in den Besitz Karthagos über. 229

-226 gründet Hasdrubal Carthago Nova (span. Cartagena). Die Punier bringen die hellenistische Kultur. Bei den Iberern bildet sich ein vor allem auf Ausbeutung der Silberminen und auf Handel basierender Geldadel. Die Iberer beginnen nach phönizischem und griechischem Vorbild mit eigener Münzprägung.

Die punische Ausdehnung stößt seit -241 auf den Widerstand Roms. -206 gründet Scipio Italica (bei Sevilla). -197, nach dem 2. Punischen Krieg, richten die Römer die Provinzen Hispania Ulterior und Citerior (jenseits und diesseits des Ebro) ein. Seit -195 werden der Osten und Süden Iberiens romanisiert. Die Reaktionen auf die römische Herrschaft sind widersprüchlich. Am Anfang leisten die Iberer militärischen Widerstand, besonders 82

-72 unter Sertorius. Andererseits nehmen sie die kulturellen Einflüsse willig auf. Die Produktion von Texten nimmt kontinuierlich zu. Davon profitiert zunächst und bis zu den Sertoriuskriegen überwiegend die iberische Textproduktion. Dann aber werden die Texte immer mehr lateinisch. Die Iberer passen sich - im Gegensatz zu den Keltiberern - ziemlich rasch und ohne Umstände völlig der römischen Kultur an und geben sogar ihre traditionellen Namen zugunsten von lateinischen auf. Mit Augustus ist die Romanisierung abgeschlossen; -19 steht die ganze iberische Halbinsel unter römischer Herrschaft.

9.1.4.2.
Entwicklungsperioden der Sprache
Die erhaltenen Inschriften datieren aus dem Zeitraum von 700 v.Chr. bis um die Zeitenwende. Infolge der Romanisierung wird dach der Herrschaft des Augustus Iberisch nicht mehr geschrieben und sicher auch bald nicht mehr gesprochen. Seit dem 17. Jh. bemüht man sich, das Iberische als antike Vorstufe des heutigen Baskischen (Autonym: Euskera) zu erweisen, das ebenfalls nicht

-indogermanisch ist. Baskisch hat mit Iberisch einige phonologische Gemeinsamkeiten: Es gibt kein /f/, kein anlautendes /r/ und keine anlautenden Konsonantengruppen. Einige Morpheme sind gemeinsam, so ein Provenienzsuffix -tar in iberisch Arseetar, aitabietar, Iltida und bask. bilbotar "Bilbaote".

Das Zentrum des baskischen Staates im Mittelalter war Navarra. Er wurde in der Neuzeit Opfer der kastilischen Expansion. Die ersten baskischen Aufzeichnungen stammen aus dem 15. Jh., das erste Literaturwerk ist Dechepare 1545, Linguae Vasconum primitiae, eine Gedichtsammlung im Dialekt von Baja Navarra. Zwischen der letzten iberischen Inschrift und dem ersten baskischen Text liegen also anderthalb Jahrtausende, die mit wissenschaftlichen Methoden kaum zu überbrücken sind. 9.1.5.

Soziale Situation 9.1.5.1.

Externe soziale Situation
Neben Iberisch werden im antiken Iberien eine Reihe von indogermanischen und nicht

-indogermanischen Sprachen gesprochen. Die Iberer pflegten intensive Kontakte mit den folgenden Sprachgemeinschaften:

9.1.5.1.1.
Griechisch
Die ionische Polis Phokäa in Kleinasien gründete Kolonien im gesamten Mittelmeerraum. Von Massalia aus gründeten die Phokäer Kolonien die spanische Ostküste südwärts und trieben Handel mit den Einheimischen. Die bekannteste griechische Kolonie ist Emporion (heute Ampurias), gegründet um -590. 9.1.5.1.2.
Gallisch
Iberische Texte finden sich, ebenso wie griechische, auch in der Levante bis ins Languedoc, also auf gallischem Gebiet. Ob dort größere iberische Sprachgemeinschaften saßen oder ob es sich um Zeugnisse einzelner iberischer Kaufleute handelt, ist nicht klar. Die Iberer waren dort jedenfalls ebensowenig wie die Griechen einheimisch. Man muß damit rechnen, daß die autochthone Sprache in diesem Gebiet eine ganz andere war, die überhaupt nicht schriftlich überliefert ist. 9.1.5.1.3.
Keltiberisch
Die Keltiberer sind Kelten, die - wohl als erste Indogermanen - seit -600 nach Iberien kommen und sich dort mit Iberern mischen. Die Sprache ist keltisch, durch iberisches Substrat modifiziert. Keltiberisch verwendet dieselbe Schrift wie Iberisch und ist teilweise entschlüsselt. Die Inschriften stammen aus den letzten vorchristlichen Jahrhunderten. Die Sprache wird zuerst vom Punischen, vom 1. vorchristl. Jh. an endgültig vom Lateinischen verdrängt. 9.1.5.1.4.
Lusitanisch
Eine keltische Sprache, die im Südwesten Iberiens (im heutigen Südportugal) gesprochen wurde und nur durch drei Inschriften aus dem 2. Jh. n.Ch. erhalten ist. Die Schrift ist ganz ähnlich wie die iberische. 9.1.5.1.5.
Tartessisch
Das noch weniger erforschte Tartessische verwendet ebenfalls eine ähnliche Schrift wie Iberisch. Die Sprache ist möglicherweise indogermanisch, jedenfalls nicht iberisch. 9.1.5.1.6.
Phönizisch
Die Phönizier hatten Kolonien im Süden und Südosten der Halbinsel. Die Iberer waren für die Phönizier vor allem einheimische Lieferanten von Materialien für die phönizischen Kolonien. 9.1.5.2.
Interne soziale Situation
Die Kenntnis der Schrift ist gekoppelt an den Grad der Hellenisierung. Dieser sind naturgemäß Händler und Kaufleute am meisten ausgesetzt. Entsprechend spielt schriftliche Kommunikation vor allem im Handel eine Rolle. 9.2.

System der Sprache

9.2.1.
Ausdruckssysteme
9.2.1.1.
Phonologie
T2.

Lautsystem des Iberischen

labial alveolar alveo
-
palatal
velar
okkl. stl. t k
sth. b d g
frik. stl. s
liquid l

r/

nasal m n
Halbvokal j w
Vokal i u
e o
a

Die Schrift unterscheidet zwei Vibranten und zwei Sibilanten. Der Status von /m/ ist unklar; möglicherweise kommt es nur als Produkt der Assimilation eines Nasals vor vor. Die Natur des durch bezeichneten Lauts ist unklar; es kann auch ein pränasaliertes /b/ sein. In keiner der Schriften wird ein /p/ unterschieden. Die Stimmhaftigkeitsopposition der anderen Okklusive erhellt nur aus den griechisch geschriebenen Texten. Es gibt fallende und durch /j/ eingeleitete steigende Diphthonge. Konsonantengruppen am Silbenanfang gibt es nicht (auch nicht in den griechisch geschriebenen Texten). 9.2.1.2.

Schrift Iberisch wird mit einer Reihe verschiedener Schriften geschrieben. 9.2.1.2.1.

Nicht-iberische Schriften
Die gräko

-iberische Schrift ist aus der ionischen (also griechischen) abgeleitet. Einige überflüssige Buchstaben wurden weggelassen, lautliche Unterschiede wurden durch Diakritika markiert. Texte finden sich z.B. auf Bleiplatten bei Emporion.

Kurz bevor die iberische Sprache zugunsten des Lateins verschwand, wurden iberische Texte auch in lateinischer Schrift abgefaßt. Drei solche Texte sind erhalten. Schließlich gibt es eine "südwestlich" genannte Schrift, in der offenbar nicht iberische, sondern lusitanische Texte abgefaßt sind. 9.2.1.2.2.
Iberische Schrift
Die iberische Schrift beruht auf der phönizischen, mit starken griechischen Einflüssen. Obwohl diese beiden Sprachen eine alphabetische Schrift verwenden, führten die Iberer eine hybride Schrift ein, die zum größeren Teil eine Silbenschrift, zum kleineren ein Alphabet ist. Es gibt zwei Varianten, die levantinische (nordöstliche) und die meridionale (südliche). Die erstere ist lesbar, die letztere noch kaum. Schriftrichtung:

Seiten: es gibt keine

Zeilen: von oben nach unten

Zeichen: von rechts nach links

Interpunktion: Wörter und Sätze werden i.a. nicht voneinander getrennt, Wörter gelegentlich doch durch Punkte. Zeichen: Für alle dauernden Laute (Vokale, Liquiden, Nasale, Frikative) gibt es einen Buchstaben pro Phonem. Nur die Zeichen für Okklusive sind Silbenzeichen. Sie stehen für eine Sequenz KV. Es gibt also keine Buchstaben für bloße Okklusive. Das Enden eines Worts auf Okklusiv wird durch das auf /e/ endende Silbenzeichen bezeichnet. Die Schrift unterscheidet i.a. nicht zwischen stimmhaften und stimmlosen Verschlußlauten. Diese Unterscheidung wird erst spät in der levantinischen Variante eingeführt. Bis dahin stehen

für /p/, /b/

für /t/, /d/

für /k/, /g/

In der (in lateinischer Schrift abgefaßten) Inschrift von Ascoli (s.u.) scheint es Variation zwischen den Buchstaben für stimmhafte und stimmlose Okklusive zu geben. Das Zeichen für // ist eine Besonderheit der iberischen gegenüber den anderen hispanischen Schriften. Es ist offensichtlich durch Teilverdoppelung des Buchstabens für /r/ geformt und könnte daher für /r:/ stehen. Eine Reihe von Zeichen(S51

- S60 in ?) sind bis heute ungedeutet.

Die Leute von Tartessos waren es vermutlich, die zuerst die Schrift von den Phöniziern übernahmen. Möglicherweise verfügten sie bereits über eine Silbenschrift; sonst ist es kaum zu erklären, daß sie das phönizische Alphabet teilweise zu einer Silbenschrift zurückentwickelten. Sie können das Prinzip der Silbenschrift z.B. anhand von Linear B gelernt haben. Diese Silbenschrift zogen sie heran, als sie aus der phönizischen die meridionale Schrift entwickelten. Diese übernahmen die Contestaner (nördlich von Cartagena). Sie lernten außerdem die griechische Schrift und führten überdies möglicherweise die levantinische Variante der iberischen Schrift ein. 9.2.2.
Semantisches System
9.2.2.1.
Lexikon
Das auf den Inschriften überlieferte Material ergibt ein Vokabular von etwa 1000 Wörtern. 9.2.2.1.1.
Eigennamen
Die auf Münzen vorkommenden Orts

- und Stammesnamen haben häufig ein Gegenstück in der lateinischen Überlieferung:

T3.

Ortsnamen (auf Münzen)

iberisch lateinisch kastilisch
barceno Barcino Barcelona
iltirta Ilerda Lérida
saitabi Saetabis Játiva
ibolka Obulco Porcuna
T4.

Iberische Volksstämme

iberisch lateinisch
ausesken Ausetani
iltirkesken Ilergetes
laiesken Laietani
seteisken Sedetani
untikesken Indigetes
Außerdem haben die auf Münzen vorkommenden Wörter dieser Struktur gelegentlich Gegenstücke in Ortsnamen: T5.

Iberische Zugehörigkeitsableitungen

Ortsname Ableitung
urke urkesken
otobesa otobesken
Also wurden Zugehörigkeitsbezeichnungen inkl. Stammesnamen auf -sken gebildet. Es läßt sich ein Lexikon von Personennamen aufstellen mit etwa 100 Einträgen. Diese sind Komposita. Die Bestandteile sind meist zweisilbige, seltener einsilbige Stämme. Das Iberische muß, als Substrat des Lateinischen, lexikalische Spuren im Spanischen hinterlassen haben. Im Prinzip sind alle iberoromanischen Wörter, die keine romanische Etymologie haben, des iberischen Substrats verdächtig. Unter den Kandidaten sind:
Spanisch Bedeutung
bruja Hexe
cachorro Welpe
izquierdo link
loco verrückt
manteca Schmalz
nata Sahne
pestaña Wimper
sapo Frosch
9.2.2.2.

Grammatik Es gibt offensichtlich Suffixe. Z.B. hat das Verb eban eine Form ebanen. Auch gibt es ein Possessivsuffix bzw. -postposition (evtl. Genitiv) mi, wie in Gargori mi 'Gargoris'. Die Existenz von Präfixen ist umstritten. 9.3.

Erforschung der Sprache Vor Ende des 19. Jh. war über die Iberer fast nichts bekannt. Die früheste und ausführliche Beschreibung der iberischen Zivilisation stammt von dem Griechen Strabo (augestische Zeit), doch insgesamt sind die antiken Nachrichten dürftig. Daher hängen fast alle unsere Kenntnisse über Sprache und Kultur der Iberer von der modernen Archäologie ab. Iberische Münzen waren seit dem 17. Jh. bekannt. Sehr bald versuchte man, sie mithilfe des Baskischen zu interpretieren. Diese Versuche waren allerdings mehr ideologisch als wissenschaftlich geleitet. Die Entzifferung der levantinischen Variante gelang 1922 dem Spanier Manuel Gómez

-Moreno durch die Annahme, daß einige Zeichen für Okklusiv-Vokalfolgen, jedoch ohne Stimmhaftigkeitsopposition, standen.

Voraussetzung für die Entzifferung waren verschiedene günstige Umstände. Eine wesentliche Rolle spielte die Numismatik durch Analyse der zahlreichen Münzen mit iberischer Schrift. Der Schlüssel waren die auf Münzen stehenden Namen von Stämmen und Städten. Einige Inschriften benutzen sowohl iberische als auch lateinische Schrift. Dadurch ist die Aussprache der Schriftzeichen bekannt. In einer in Asculum an der Ostküste Italiens verfaßten, aber auf dem Kapitol von Rom gefundenen lateinischen Inschrift (Bronze von Ascoli, CIL. I2 79) stehen die Namen von dreißig hispanischen Reiteroffizieren. Diese oder ähnliche Namen findet man auch in manchen iberischen Inschriften. Auch in Iberien gibt es lateinische Inschriften, die iberische Personennamen enthalten. So konnte man Personennamen auch in den iberischen Inschriften identifizieren. Das Wort eban(en) kommt nur auf Grabmälern, und zwar neben Personennamen, vor. Das läßt eine Bedeutung wie "starb" oder "hier liegt/ist begraben" vermuten. Die erhaltenen Inschriften sind meistens sehr kurz und enthalten wenig mehr als Personen

- und Ortsnamen. Deshalb bleibt die Bedeutung der Wörter bis auf weiteres ein Rätsel. In vielen Fällen macht schon die Worttrennung Schwierigkeiten. Da Iberisch auch nicht mit einer besser bekannten Sprache genetisch verwandt ist, fällt auch diese methodische Stütze bei der Entschlüsselung aus. So kann man die iberischen Texte heute weitgehend lesen, aber höchstens brockenweise verstehen.

Die bis 1997 gefundenen althispanischen Inschriften, also die nicht

-lateinischen und nicht-griechischen Inschriften auf iberischem Boden sowie die iberischen aus Südfrankreich, sind in den Monumenta Linguarum Hispanicarum herausgegeben.

9.4.

Textproben

9.4.1.
Die Silberschale aus Torres
Die Schale, ein hellenistischer Mastos, wurde 1618 in Torres (Provinz Jaén) gefunden und enthielt einen Schatz aus fast ausschließlich römischen Silbermünzen. Er mißt 13,4 x 7,5 cm und stammt etwa von -150/-100. Die Inschrift ist in der südlichen Variante der iberischen Schrift ins Metall eingraviert und sehr sorgfältig ausgeführt. Sie lautet n

-e-kí-o-a-bu-s-ke-i-n-e-n-ka und nennt vermutlich den Namen entweder des Künstlers oder, wahrscheinlicher, des Eigentümers.

9.4.2.
Das erste Blei von der Serreta
Es handelt sich um eine rechteckige, gebrochene Bleiplatte von 6,2 x 17,1 cm. Die Schrift ist 1/2 bis 1 cm hoch. Sie wurde in der iberischen Siedlung von der Serreta in Alcoy bei Alicante, wahrscheinlich in einem Wohnhaus, gefunden. Die Platte ist auf beiden Seiten in griechischer Schrift beschrieben. Auf der abgebildeten ersten Seite ist am linken Rand quer über die Anfänge aller Zeilen geschrieben: sakarisker / aenai. Ersteres ist ein iberischer Personenname, letzteres eine komplexe Postposition, z.B. "gehörig" oder "bestimmt für". Das ganze könnte die Anschrift des Briefes sein, also z.B. "für Sakarisker". Die Zeichenfolge in der zweiten Zeile ist mit Sicherheit eine Zahl. Manche Wörter wie ali oder iunsti finden sich häufig auf Bleiplatten. Die Handschrift der beiden Seiten ist offensichtlich verschieden; es muß kein textueller Zusammenhang bestehen. In Analogie zu anderen Schriftstücken derselben Art kann man die Platte in das 4. Jh. v.Ch. datieren. 9.4.3.

Silberdrachme aus Arse Die Silberdrachme wurde um -195/180 geprägt. Die Vorderseite zeigt den Kopf des Herakles sowie einen Stern und einen Dreizack, also Symbole eines Himmels

- bzw. eines Meeresgotts. Auf der Rückseite sind ein Stier mit Menschenkopf und davor ein Halbmond dargestellt. Die Legende lautet: arskitar, also ein Provenienznomen zu Arse, was wahrscheinlich gleich Sagunt (unmittelbar nördlich von Valencia) ist.

9.5.

Bibliographie

Hoz, Javier de 1998, "Die iberische Schrift." var. edd. 207-219.

Tovar, Antonio 1961, The ancient languages of Spain and Portugal. New York: S.F. Vanni.

Tovar, Antonio 1989, Einführung in die Sprachgeschichte der iberischen Halbinsel. Das heutige Spanisch und seine historischen Grundlagen. Übersetzt und herausgegeben von Hansbert Bertsch. Tübingen: G. Narr (TBL, 90). (3. Aufl.).

Untermann, Jürgen 1981, "La varietà linguistica nell'Iberia preromana." AION 3:15-35.

Untermann, Jürgen (ed.) 1975-1997, Monumenta linguarum Hispanicarum. Band I. Die Münzlegenden (1975). Band II. Die Inschriften in iberischer Schrift aus Südfrankreich (1980). Band III. Die iberischen Inschriften aus Spanien (1990). Band IV: Die tartessischen, keltiberischen und lusitanischen Inschriften (1997). Wiesbaden: L. Reichert; O. Harrassowitz.

var. edd. 1998, Die Iberer. Bonn: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland.

http://www.webpersonal.net/jrr/index.htm

10. Altindisch

10.1.

Situation der Sprache

10.1.1.
Sprachname
Ai. saskta "zugerüstet, gereinigt, korrekt". Bezeichnung für die klassische Ausprägung des Altindischen; im außerdeutschen Sprachraum auch für Altindisch allgemein. 10.1.2.

Ethnographische Situation 10.1.2.1.

Sprachgebiet
Nordindien, Pakistan. 10.1.2.2.
Sprachgemeinschaft
Das Volk nennt sich selbst rya

- "Aryer". Es war ursprünglich eins mit dem iranischen Volk, das sich ebenfalls so nennt.

Die Ur

-Arier sind möglicherweise die Träger der Andronovo-Kultur, die im 2. Jt. v.Ch. am Aralsee bestand. Sie trennten sich um -1.800 in Perser und Indo-Arier. Die letzteren sind vermutlich auch die Träger der Gandhara-Grabkultur, die seit -1.800 am Oberlauf des Indus bestand. Sie wanderten dann das Industal hinab und liquidierten um -1.600 die Induskultur (Harappa und Mohendscho-Daro). Ein Teil wandte sich nach Westen und begründete eine Dynastie des Mitanni-Reichs, wo sich um -1.500 die frühsten Belege in Form von altindischen Lehnwörtern und Namen im Hurrischen finden. Im Pandschab entsteht der Rigveda. Seit -1.300 dringen die Inder zum Ganges vor. Auf indischem Boden hat sich die indoarische Sprache fortentwickelt.

10.1.3.
Genetische Situation
10.1.3.1.
Extern: Genetische Affiliation
10.1.3.1.1.
Indogermanisch
Urindogermanisch ist die Ursprache, aus der sich alle indogermanischen Einzelsprachen entwickelt haben. Ihr Sprecher kannten die Schrift nicht; sie wurde mit den Methoden der historischen Vergleichung rekonstruiert. Sie muß zuletzt um 3.000 v.Ch. gesprochen worden sein, bevor sie sich in die einzelnen indogermanischen Sprachen, wie Urgriechisch, Uritalisch, Urkeltisch, Urgermanisch usw. aufspaltete. Linguisten und Historiker versuchen, die Indogermanen mit einem archäologisch greifbaren Volk zu identifizieren. Die Methode dazu wurde 1877 von Pictet unter dem Namen linguistische Paläontologie eingeführt. Sie besteht darin, vom lexikalischen Bestand und evtl. von Textfetzen, die sich in gleicher Weise in allen altindogermanischen Sprachen erhalten haben, auf die Kultur der Sprecher zu schließen. So schließt man von der Verwendung des Wortes für Vater, *p2tér, auf eine patriarchalische Gesellschaft und eine Religion mit einem obersten Vatergott und aus dem Vorhandensein von Wörtern für Haustiere und Getreide auf eine landwirtschaftlich geprägte Kultur zu schließen. In ähnlicher Weise argumentiert aus dem Vorhandensein von Wörtern für Begriffe, die an bestimmte geographische Räume gebunden sind, für eine bestimmte Urheimat der Indogermanen. Zwar haben solche Argumentationen eine gewisse Plausibilität. Beweisen können sie aber leider nur, daß den Indogermanen die betreffenden Begriffe und Verhältnisse bekannt waren, nicht, daß sie deren Kultur geprägt haben. Die Beweissituation ist ähnlich wie bei der angeblichen Korrelation von Sprachfamilien mit menschlichen Genen (vgl. Kap. 1): Gedanken reisen unabhängig von Personen. Vgl. auch Binder 1993. Anscheinend ist die Frage der Urheimat der Indogermanen auch eine solche, die die Forscher nicht ideologiefrei betrachten können. So verlegten deutsche Indogermanisten zwischen den Weltkriegen die Urheimat in einen Raum "zwischen den Alpen im Süden und der Ost

- und Nordsee im Norden", der georgische Linguist Thomas V. Gamkrelidse (1989) verlegt die Urheimat nach "südlich des Kaukasus" (d.h. Georgien), der polnische Linguist W. Maczak verlegt sie nach Polen.

10.1.3.1.2.
Arisch
Die indogermanischen Sprachen Indiens heißen indoarisch, im Gegensatz zu den nichtarischen Sprachen Indiens. Innerhalb der Indogermania ist Indoarisch dem Iranischen am engsten verwandt und bildet mit ihm den indoiranischen Zweig. Dieser ist wiederum eng mit dem griechischen Zweig verwandt. Tafel The Indo

-Aryan languages (Masica 1991:10f)

Der indische Zweig hat sich in über hundert moderne Sprachen aufgespalten. 10.1.3.2.
Intern: Dialekte
Bereits den ai. Grammatikern sind vedische und Sanskrit

-Dialekte bekannt. Einer davon ergibt das Klassische Sanskrit.

10.1.4.
Kulturelle Situation
Pli ist die Kirchensprache des südlichen Buddhismus, also eine Literatursprache. Aokanisch ist die Sprache der Inschriften des Kaisers Aoka. Diverse Prkritformen (prkta "echt, ursprünglich") werden ebenfalls literarisch verwendet. Mahabharata: fast 100.000 Doppelverse. Kalidasa ist der bedeutendste Dichter. Sein Sakuntala wurde von Goethe als Vorbild zum "Vorspiel auf dem Theater" im Faust benutzt. Pañcatantra "fünf Märchen" höchst einflußreich. Umfangreiche wissenschaftliche Literatur. Die ältesten mittel

-indoarischen Dokumente sind die Inschriften der Aoka-Edikte. S. Tafel $.

Tafel $. Säuleninschriften von Tpr, nordwärts (Janert 1972:212) Sanskrit ist nicht auf einen vedischen Dialekt rückführbar, und dito sind die Prakrit

-Sprachen nicht auf klass. Sanskrit rückführbar. Da bereits im Rigveda Prakritformen vorkommen, war Archaisches Mittelindoarisch möglicherweise schon gleichzeitig mit Frühvedisch.

Sanskrit wird bis heute als Schriftsprache verwendet und dient auch noch Paitas aus verschiedenen Teilen Indiens als lingua franca. 10.1.4.1.1.
Literatur
Vedische Literatur: 10.1.4.1.1.1.
Poesie
Veden (veda "Lehre, Weisheit"): Bestehen aus gveda (g

- "Gesang") (1028 religiöse Hymnen, wohl vor -1.000 im Pandschab geschaffen und über Jahrhunderte nur mündlich überliefert), Smaveda (Gebetssammlung auf der Basis der Rigvedatexte), Atharvaveda (religiöse Unterweisung), Yajurveda (Opferritualbuch). Älteste und heilige Texte des Hinduismus.

10.1.4.1.1.2.
Prosa
Brhmaas (Opfergebete), Upaniaden (erläuternde, philosophische Literatur). Wissenschaftliche Prosa: Sutra (Regeln): Phonetik, Grammatik, Etymologie, Metrik, Astrologie. 10.1.5.
Soziale Situation
10.1.5.1.
Externe soziale Situation
Im Süden Indiens werden dravidische, im Nordosten Mundasprachen (austroasiatisch) gesprochen. Im Norden grenzen tibetobirmanische Sprachen an. Von Anfang an bestehen extensive wechselseitige Lehnbeziehungen zwischen Altindisch und Dravidisch. Im 6. Jh. war Gandhara (NW

-Provinz des alten Indien, heute Ostprovinz von Afghanistan und Westprovinz von Pakistan) eine Provinz des Perserreichs unter Darius. Im 4. Jh. kam Alexander der Große nach Nordindien und lieferte Wörter wie hor "Stunde". Noch später wurde aus dem Arabischen entlehnt.

10.1.5.2.
Interne soziale Situation
10.2.

System der Sprache

10.2.1.
Ausdruckssysteme
10.2.1.1.
Phonologie
Es gibt also aspirierte Okklusive (breathy voice), wie in dharma "Wärme", bharati "trägt". Die Retroflexe ("Zerebrale") sind zunächst in kombinatorischem Lautwandel entstanden, dann durch massenhafte Entlehnung aus Dravidasprachen im System etabliert worden. Die Vokale /i,u,a/ kommen lang und kurz vor; /e,o/ sind nur lang. Es gibt die Diphthonge /ai, au/. /r/ und /l/ kommen auch silbisch vor. Vokale haben Ton, laut Pnini hoch, tief und fallend. I.a. gibt es nur einen Hochton pro Wort. Die Regeln für phonologische Angleichung von Wörtern im Syntagma und von Stämmen im Kompositum (äußerer und innerer Sandhi) sind höchst komplex. 10.2.1.2.

Schrift In der Antike waren zwei Schriften in Gebrauch: Kharot:

linksläufig, im Nordwesten;

Brhm:

rechtsläufig, sonstwo.

Die meisten heutigen Schriften, inkl. Devangar, stammen von der Brhm ab. Schriftrichtung:

Seiten: von links nach rechts

Zeilen: von oben nach unten

Zeichen: von links nach rechts.

Interpunktion: Keine Wort

- oder Satzgrenzen.

Zeichen: Tabelle aus Cardona. Ein Konsonantbuchstabe außer Visarga bedeutet den Konsonanten, gefolgt von /a/. Abwesenheit eines folgenden Vokals wird durch Virma oder durch Ligatur von Konsonanten bezeichnet. Die Buchstaben für andere Vokale als /a/ stehen vor, hinter, über oder unter dem Konsonantbuchstaben. Der Buchstabe hat drei Bestandteile: 1. Die waagerechte Linie, die i.w. durchgeht und an der er hängt. 2. Meist eine senkrechte Linie. 3. Eine freie Gestalt, die mit der senkrechten Linie kombiniert wird. 10.2.2.
Semantisches System
10.2.2.1.
Lexikon
Extensive Komposition und Derivation. Die Tabelle zeigt einige Kompositionstypen. Diese Typen sind syntaktisch paraphrasierbar, andere jedoch nicht. Derivation: abgesehen von Verba composita ausschließlich suffixal. Kausativ, Desiderativ. 10.2.2.2.
Grammatik
10.2.2.2.1.
Morphologie
10.2.2.2.1.1.
Ablaut
Ablaut ist ein grammatisch signifikanter, also nicht phonologisch bedingter regelhafter paradigmatische Wechsel von Vokalen. In indogermanischen Sprachen gibt es quantitativen und qualitativen Ablaut, i.e. Abstufung in der Vokallänge und Wechsel der Artikulationsstelle des Vokals. Der quantitative Ablaut hat drei Stufen: Schwundstufe, Vollstufe (gua "Vorzug, hoher Grad"), Dehnstufe (vddhi "Vermehrung, Wachstum". Die indischen Grammatiker haben den Ablaut bereits systematisch beschrieben, nehmen allerdings die idg. Schwundstufe als Grundstufe und bilden davon die beiden höheren Stufen durch Zuwachs. Vgl. altgriech. Gen. patr

-ós, Akk. patér-a, Nom. patr

Deklination: 8 Kasus, 3 Numeri, 3 Genera. In europäischen Sanskrit

-Grammatiken werden im Paradigma immer die Pausaformen angegeben. Anstelle von finalem /s/ steht dann immer //.

Es gibt zahlreiche Deklinationsklassen, u.a. auch für Pronomina. Vom Personalpronomen gibt es akzentuierte und klitische Formen. Konjugation Diathesen: Aktiv und Medium werden durch verschiedene Endungsparadigmen gebildet. Passiv wird wie eine Derivation (wie Kausativ, Desiderativ etc.) behandelt: Suffix -ya plus Endungen des Mediums. Im Futur, Perfekt und Aorist fehlt allerdings das Passivsufix, so daß die Opposition zum Medium neutralisiert wird. Tempora: Aorist, Perfekt, Imperativ, schlichtes und hodiernales Futur. Modi: Injunktiv, Indikativ, Konjunktiv, Optativ, Prekativ, Konditional Syntax: Abenteuerliche Wortstellungsfreiheit. Kongruenz in Person, Genus, Numerus und Kasus. Infinite Verbformen. Korrelatives Diptychon. Die Flexion wird vereinfacht. Dual schwindet. Dativ geht im Genitiv auf (wie im Griechischen). Tempora und Diathesen werden reduziert. Nominale Verbformen breiten sich aus. Im Neuindischen wird praktisch die ganze Flexion agglutinativ erneuert. Einige neuindische Sprachen verlieren das Neutrum, andere geben Genus ganz auf. Die Kasus werden auf die Opposition rectus vs. obliquus reduziert, der letztere mit Postpositionen kombiniert. Die Syntax wird teilweise ergativ. Die Wortstellung wird fester und linksläufig. 10.3.

Erforschung der Sprache Die indische Lexikographie begann etwa im 5. Jh. v.Ch. mit Nighaus genannten Glossaren von schwierigen Wörtern, die in den Veden vorkamen. Pini, Adhyy ca.

-410. Die Grammatiker wurden auch auf Dialektunterschiede im Sanskrit aufmerksam. Das Alphabet wurde nach phonetischen Grundsätzen systematisiert und die alphabetische Reihenfolge, auch im Lexikon, danach eingerichtet. Das Lemma des Lexikons ist der reine Stamm. Die Kompositionslehre ist weit entwickelt.

Patañjali, Mahbhya (

-2. Jh.) unterscheidet zwischen korrekter und inkorrekter Sprache.

10.4.

Textprobe

Die Geschichte wird von Bhadava dem König Yudhitira erzählt.

uvaca: Stamm vac. 3.Sg.Perf. Ind. Parasmaipadam. v wird durch u redupliziert. Der Stamm tritt in der 3.Sg. in das Vrddhi.

asit: Stamm as3.Sg.Impf. Parasmaipadam. Im Impf. Sg. starker Stamm (Guna). rj: Nom. ist Dehnstufe von vollstufigem Stamm rajan. nama: Adverb zu naman "Name".

virasena-sutas: Tatpurusa: Virasena- Personenname. su-t-a: PPP von su- "gebären"; vgl. sunu- "Sohn".

bal: Nom.Sg. zu balin.

upa-pann-a: PPP zu upa-pad (auf/hin-fall) "erlangen": ausgestattet (mit). Das Partizip Perfekt Passiv hat bei intransitiven Verben aktive Bedeutung. Wenige Verben bilden es auf -na-.

rpavn:

rpá- "Form, Gestalt, Schönheit" + -vant- Proprietiv, "ausgestattet mit"

ava-kovida-: Tatpuruša.

a-tisa-t: sa "stehen"; Präsensstamm ti-sta; Präteritum mit Augment. Sandhi: t vor Nasal > n.

manujendr: manu-ja- (Manu-Nachkomme = Nachkomme des Stammvaters) + índra "Indra, Fürst".

mrdhn

-i: Lok.Sg. zu mrdhán- "Stirn, Kopf, Spitze".

deva

-pati-: Götterherr = Indra.

vedavidcchro:

vedavid-ûra-:

mahn: Nom.Sg. zu mahat

-

10.5.

Bibliographie

Baldi, Philip H. 1983, An introduction to the Indo-European languages. Carbondale & Edwardsville: Southern Illinois UP.

Cardona, George 1987, "Indo

-Aryan languages." Comrie (ed.) 1987: 440-447.

Cardona, George 1987, "Sanskrit." Comrie (ed.) 1987: 448

-469.

Comrie, Bernard (ed.) 1987, The world's major languages. London & Sidney: Croom Helm. 2. ed. 1989.

Janert, Klaus Ludwig 1972, Abstände und Schlußvokalverzeichnungen in Aoka-Inschriften. Mit Editionen und Faksimiles in 107 Lichtdrucktafeln. Wiesbaden: F.Steiner (Verzeichnis der Orientalischen Handschriften in Deutschland, Supplementband 10).

Masica, Colin P. 1993 The Indo-Aryan languages.Cambridge: Cambridge University Press (Cambridge Language Surveys).

Stenzler, Adolf F. 1970, Elementarbuch der Sanskrit-Sprache. Grammatik, Texte, Wörterbuch. Berlin: W. de Gruyter & Co. 16. Aufl.

11.

Altpersisch

Der Achämenidenkönig Dareios I gab im 6. Jh. den Auftrag zur Bildung einer alphabetischen Keilschrift. Darin wurden zunächst seine altpersischen Felsinschriften geschrieben. Die Schrift ist eine hybride Silben

- und Buchstabenschrift, ähnlich der Devanagari. Sie wurde nur bis zum Ende des Achämenidenreichs (-338) gebraucht.

12. Altgriechisch

12.1.

Situation der Sprache

12.1.1.
Sprachname
Die Sprache heißt auf Deutsch Altgriechisch oder klassisches Griechisch. Die Griechen haben sich selber zunächst nicht als ein Volk verstanden und also nicht als Griechen bezeichnet, sondern nur als Achaier, Ionier etc. Das deutsche Wort Griechen geht auf das lateinische Graeci zurück, mit dem die Römer zusammenfassend alle griechischen Stämme bezeichneten. Ursprung war wahrscheinlich ein Stamm im Nordwesten Griechenlands, dessen Angehörige sich grakoi nannten und mit dem die Römer zuerst in Berührung kamen. Die Perser nannten die Griechen yauna, was von griech. abgeleitet ist. Die Bezeichnung war ursprünglich (in der Ilias) der Name eines kleinen Stammes in Thessalien. Bereits bei Herodot ist es die Bezeichnung für die Griechen, im Gegensatz zu den Barbaren. Die Griechen nahmen diese Bezeichnung allmählich an, als sie durch die Kolonisation mit mehreren fremden Völkern in Kontakt kamen und ihnen so ihr Gemeinsames bewußt wurde. 12.1.2.

Ethnographische Situation 12.1.2.1.

Sprachgebiet
Ursprüngliches Sprachgebiet ist die eigentliche Halbinsel, d.h. nicht mehr Makedonien und Thrakien, mit den zugehörigen Inseln und den Inseln der Ägäis einschließlich Kreta. Liegt zwischen 40o und 35o Grad nördlicher Breite. Fläche: ca. 57.000 km2, inklusive Inseln ca. 78.500 km2. 12.1.2.2.

Sprachgemeinschaft 12.1.2.2.1.

Volk
Die ethnische Zugehörigkeit der Sprecher: bis etwa 700 v.Chr. Achaier (Frühgriechen), seit etwa 700 v.Chr. Hellenen, später auch Panhellenen; drei Hauptstämme: Aiolier, Dorier und Ionier. Migrations of speech community: Frühestens seit -2.000 (Beginn der mittleren Bronzezeit) wandern indogermanische Stämme (= Griechen) in Griechenland ein und vermischen sich dort mit der nicht

-indogermanischen Vorbevölkerung (Karer, Leleger, Pelasger)

Andere ethnische Gruppen in dem Gebiet: nicht

-indogermanische Stämme wie die Karer, Leleger und Pelasger; (Belagerung durch die) Perser; (Eroberung durch die) Römer.

12.1.3.
Kulturelle Situation
Perioden der griechischen Geschichte
Jahre Periode Ereignisse
1650 Mittelhelladisch III früheste Schriftdenkmäler
1550
1450 Spätminoisch II Präsenz auf Kreta, Koexistenz von mykenischem Griechisch und Minoisch
1390 Spätminoisch III
Organisation der Gesellschaft: Medizin: Hippokrates von Kos; intensive Beobachtung/Diagnose, aber zurückhaltende Therapie; Vertrauen auf die Heilkraft der Natur; Betonung von Umweltfaktoren; den Menschen wird Eigenverantwortlichkeit für Gesundheit und Krankheit (vor allem durch Ernährung und Lebensweise insgesamt) zugeschrieben; primär ist nicht die Heilung der Krankheit, sondern die Erhaltung der Gesundheit; Entwicklung der Diätetik; erstmals Pulsbeobachtungen als diagnostisches Mittel; Entwicklung der Pharmakologie (erste Kräuterbücher); Pedanios Dioskurides: Systematisierung aller Heilmittel;

- life cycle: ausgeprägter Toten- und Ahnenkult

- social structure: vgl. political structures

- economic structure: Ackerbau: nur möglich in den größeren Ebenen und Hügellandschaften mit den neogenen Mergel- und Tonböden und alluvialen Bodenbildungen; Wein und Ölbäume; Obstbau: Feigen.

Viehzucht: Thessalien, Elis, Epidaurus, Epirus, Ätolien und Böotien waren für Pferdezucht berühmt; Arkadien und Euböa für Maultierzucht; Epirus und Lakonien für Wach

- und Hirtenhundezucht; Megara, Böotien und Thessalien für Geflügelzucht; Athen für Bienenzucht (attischer Honig); Fischfang und Schwammfischerei; Bodenschätze: Marmor, Gold und Silber, Kupfer, Eisenerz; wichtig war die Erfindung des Münzgeldes am Ende des 7. Jh. v.Chr. in Lydien oder Ionien -Entwicklung zu einer Münzgeldwirtschaft (mit Aufschwung von Handwerk und Handel) -an die Stelle der Selbstversorgung tritt eine entwickelte Marktwirtschaft (Fernhandel mit Luxusgütern und Massenwaren des täglichen Bedarfs); nach dem Sieg über die Perser ca. 480 v.Chr. wurde Athen zum Handelsmittelpunkt der damaligen Welt; überall wurden die griechischen Agrarprodukte und die Waren der griechischen Handwerker gekauft; Export: Hämmer, Sägen, Helme und Schwerter der Schmiede; Lederriemen und Schuhe der Sattler; Vasen und Krüge der Töpfer; Wein und Olivenöl; Import: Getreide von den Küstenstädten am Schwarzen Meer; Schlachtvieh aus Italien; Kupfer aus Spanien; Bauholz aus Kleinasien; Papyros aus Ägypten; das Land ist Besitz des Staates

- political structures: in Athen Übergang von der Adelsherrschaft zur Demokratie in mehreren Stufen; Polis (sich selbst regierende freie Bürgerschaft); Polis (Stadtstaat) und Ethnos (Stammstaat); Magistrate und Bule (Rat); Timokratie (Abstufung der Rechte und Pflichten der Bürger nach dem Vermögen); Volksversammlung (Ekklesia): Beratung der wichtigsten Gesetze und Angelegenheiten; Wahl der höchsten Staatsbeamten; teilnehmen konnten alle männlichen Bürger über 30 Jahre; Sklaven (= Sachen, die man verkaufen oder vermieten konnte) und Zugewanderte (fremde Kaufleute und Handwerker durften sich zwar in Athen niederlassen, waren aber keine Bürger) durften nicht mitregieren, sondern nur "Bürger von Athen"; Nomos (Gesetze); Psephisma (Volksbeschlüsse); Isonomie (Gleichberechtigung aller Bürger);

während der gesamten Epoche Bruderkriege. Culture:

- spirituality: Polytheismus; die Griechen glaubten, daß auf dem Berg Olymp der Sitz der Götter sei; sie stellten sich vor, daß die Götter wie die Menschen einer Familie zusammenlebten - die Götter waren zwar unsterblich, aber sie liebten und haßten, waren eifersüchtig und neidisch wie die Menschen; manchmal stiegen die Götter auf die Erde hinunter und griffen in das Schicksal der Menschen ein (halfen ihren "Lieblingen", verfolgten deren Feinde); jedes Lebensgebiet hatte seine eigene Gottheit; einige der wichtigsten Götter waren: Zeus (Göttervater, Herrscher über Himmel und Erde und die anderen Götter, Gemahl von Hera), Hera (Göttermutter, verkörperte den Stolz, Beschützerin der Ehe, Gemahlin von Zeus), Apollo (Gott des Lichts, der Dichtkunst und des Saitenspiels), Athene (Lieblingstochter von Zeus, verlieh den Männern kriegerischen Mut, Göttin der Künste des Spinnens und Webens, gab der Stadt Athen ihren Namen), Poseidon (Bruder von Zeus, Gott des Meeres, erzeugte mit seinem Dreizack die Erdbeben), Hades (Bruder von Zeus, Gott der Unterwelt, verwehrte den Toten die Rückkehr auf die Erde); den Göttern wurden prachtvolle Tempel errichtet, in denen Götterbilder standen, vor denen die Griechen die Götter um Schutz oder Hilfe baten und ihnen Opfergaben darbrachten;

die griechischen Götter
- und Heldensagen gehen bis ins 2. Jt. v.Chr. zurück; sie enthalten orientalische, ägäische und indogermanische Elemente; auffällig ist das ätiologische Interesse, das alle möglichen Erscheinungen in der Umwelt zu erklären versucht;

die Griechen hatten ein geozentrisches Weltbild, d.h. sie glaubten an den Umlauf aller Himmelskörper um die im Zentrum ruhende Erde; glaubten an die Gleich

- und Kreisförmigkeit aller himmlischen Bewegungen; die Griechen waren aber auch die Ersten, die versuchten, die Himmelserscheinungen rational zu erklären;

-folklore: das größte aller Feste waren die Olympischen Spiele, die zu Ehren des Göttervaters Zeus veranstaltet wurden, sie fanden in Olympia statt, wo der Haupttempel des Zeus stand, während der Festtage ruhten die Kämpfe und Kriege in ganz Griechenland, jeder Teilnehmer hatte überall freie Durchreise, die ersten Olympischen Spiele wurden 776 v.Chr. durchgeführt und dienten als Grundlage für die griechische Zeitrechnung (die Jahre wurden von dieser Feier an gezählt), teilnehmen durften ursprünglich nur freie griechische Vollbürger, nach der Eroberung durch Rom (146 v.Chr.) durften auch Nichtgriechen teilnehmen, 393 n.Chr. verbot Kaiser Theodosius die Olympischen Spiele als heidnischen Kult;

- art: Geometrische Kunst: bereits Verwendung von Lineal und Zirkel; mathematisch-ordnender Stilwille; Darstellung vor allem von Bestattungszeremonien und Schiffskämpfen;

Plastik: Marmor, Kalkstein, Bronzeblech und Ton; Darstellung von Verstorbenen, siegreichen Wettkämpfern, verschiedenen Göttern und bekleideten weiblichen Figuren; orientalische, vor allem ägyptische, Vorbilder; Malerei: sehr wenig Erhaltenes; Überschneidungen sind üblich; räumliche Perspektive wird nicht angestrebt; Musik: Ursprung vieler grundlegender Begriffe abendländischer Musiklehre wie z.B. Ton, Musik, Harmonie, Melodie und Rhythmus; der Begriff Musik schloß auch Dichtung und Tanz ein; Pythagoras von Samos: erste musiktheoretische Überlegungen im 6. Jh. v.Chr.; Instrumente: Lyra, Kithara, Barbitos und Phorminx; Gesangsgattungen: Lobgesänge für bestimmte Gottheiten; ca. 40 Melodiefragmente sind in Steininschriften erhalten. 12.1.3.1.1.

Literatur

Literatur: der wichtigste Dichter war Homer, der im 8. Jh. v.Chr. lebte, seine beiden bedeutendsten Werke sind die "Ilias" (der Titel ist abgeleitet von der griechischen Bezeichnung der Stadt Troja: Ilios oder Ilion) und die "Odyssee"; bedeutend war auch der Dichter Hesiod, der um 700 v.Chr. lebte, seine wichtigsten Werke waren die "Theogonie" (Entstehung der Götter) und die "Erga" (deutsch "Werke und Tage"); bedeutende Dichter im 5. Jh. v.Chr.: Aischylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes; die griechische Sprache lieferte Vorbilder in der öffentlichen Rede, im Dialog, im Epos, in Tragödie und Komödie, in Brief und Gedicht, Anekdote und Epigramm; es entsteht die Gattung Biographie; Philosophie: Begründer waren Thales von Milet und Pythagoras von Samos; vor allem Sokrates,Platon und Aristoteles im 4. Jh. v.Chr.; Theater: Aufführungen dauerten den ganzen Tag, meistens gab es an einem Tag erst drei Tragödien und dann eine Komödie, die Schauspieler traten mit langen Gewändern, hochhackigen Schuhen und hölzernen Masken auf. 12.1.3.1.2.

Bildung Die Schrift wird nicht vom Kult oder von den politischen Machtträgern monopolisiert. Mit anderen Worten: Es gibt keine heiligen Bücher, deren Tradierung und Auslegung das Privileg einer besonderen Kaste ist. Schreiben war kein Statuskönnen; auch Sklaven wurden darin eingeführt. Nach athenischem Selbstverständnis war das Schreiben- und Lesenkönnen sogar eine wichtige Voraussetzung für die demokratische Staatsform. Contacts:

- zahlreiche Handelsbeziehungen

- Wanderungsbewegungen: Dorische Wanderung (Mitte des 12. Jh. v.Chr.); Kolonisation (8.-6.Jh. v.Chr.); "Hellenisierung des Ostens": Massenauswanderung von Griechen in den gesamten Orient (überall Städtegründungen nach griechischem Muster mit griechischer Kultur und Selbstverwaltung)

- zahlreiche Kriege/Aufstände: 499-494 v.Chr. Ionischer Aufstand; 490 bis 448 v.Chr. Perserkriege; 480 v.Chr. Xerxeszug; 431-405 v.Chr. Peloponnesischer Krieg; 395-386 v.Chr. Korinthischer Krieg; 274-168 v.Chr. Syrische Kriege; 206- 168 v.Chr. Makedonische Kriege

- Bündnissysteme: Peloponnesischer Bund; Attischer Seebund; Böotischer Bund; Arkadischer Bund; Chalkidischer Bund; Akarnanischer Bund; Ätolischer Bund; Achäischer Bund.

12.1.3.2.
Entwicklung der Literatur
12.1.3.2.1.
Älteste Dokumente
Die älteste Inschrift ist eine Steininschrift in Linear B aus Olympia (OL Zh 1), die aus der Periode Mittelhelladisch III, d.h. 1650

- 1550, stammt.

Die kretisch
-mykenischen Inschriften in Linear B stammen aus dem 15. Jh. v.Chr.

Das älteste vollständig erhaltene Großepos ist die "Ilias" von Homer aus dem 8. Jh. v.Chr.; Siegerlisten aus Olympia aus dem 7. Jh. v.Chr.

- Überlieferungen: "konstante" literarische und epigraphische Überlieferung seit den homerischen Epen und der Dipylonvase aus Athen im Morgenland; erst im Laufe des Mittelalters wurde ein wesentlicher Teil der griechischen Hinterlassenschaft in Literatur, Historiographie und Philosophie dem Abendland bekannt und zwar zunächst auf dem Umweg über das Arabische; die Araber hatten große Teile in ihre Sprache übersetzt, und in Europa übersetzte man aufgrund der mangelhaften/fehlenden Griechischkenntnisse viele griechische Werke aus dem Arabischen ins Lateinische; Übertragungen direkt aus dem Griechischen erfolgten erst mit dem Humanismus, zuerst in das Latein der Gelehrten, später in die europäischen Nationalsprachen; der erste Westeuropäer, der Griechisch studierte (um griechische Dichter im Original lesen zu können), war wahrscheinlich Giovanni Boccaccio (1313-1375).

12.1.3.3.
Entwicklungsperioden der Sprache
Immediate protolanguage:

- Ur-/Vorgriechisch: wahrscheinlich ein uneinheitliches Substrat; vielleicht liegt über einer älteren nicht-indogermanischen eine jüngere indogermanisch- nichtgriechische Schicht, die zur kleinasiatischen hethitisch-luvischen Sprachengruppe gehört

Subsequent phases:

- Mykenisch: 15.Jh. v.Chr. bis zum Untergang der kretisch-mykenischen Kultur

- Archaisches Griechisch

- Altgriechisch (oder klassisches Griechisch): 800 v.Chr. bis 300 n.Chr.

Tafel Entwicklungsperioden des Griechischen (nach Joseph 1987:412)
Beginn Periode
-1.500 Mykenisch
-1.100 "dunkles Zeitalter"
-800 Klassisches Griechisch
-300 Hellenistisches Griechisch
300 Byzantinisches Griechisch
1.100 Mittelalterliches Griechisch
1.600 Neugriechisch

- im 4. Jh. v.Chr. entstand die Koiné: die gemeinsame griechische Sprache auf der Grundlage des Attischen mit Elementen aus benachbarten Dialekten (auch Sprache des Neuen Testaments). Ist ein Fall von Konvergenz in der Entwicklung einer Sprache, im Ggs. zu der sonst meist beobachteten Divergenz.

Current developments:

- Mittelgriechisch: 300 n.Chr. bis 1453 (Eroberung von Byzanz durch die Türken); während dieser Periode bildete sich eine Diglossie heraus: die gesprochene Sprache des Volkes hatte sich weit vom klassischen Griechisch entfernt, aber die gebildete Schicht hielt an der überlieferten Sprache fest und verwendete sie vor allem in der Literatur und schriftlich

- Neugriechisch: 1453 bis heute; zahlreiche Fremdwörter aus dem Slavischen, Albanischen, Französischen und Türkischen; vor allem römischer Einfluß in der Lexik; Aufgabe des Infinitivs; Bildung von zwei in Wortschatz und Grammatik deutlich getrennten Schriftsprachen: Hoch- oder Reinsprache (seit 1800; verwendet bevorzugt den antiken Wortschatz) und Volkssprache (viele neue Wörter und Entlehnungen aus anderen europäischen und aus orientalischen Sprachen)

12.1.4.
Genetische Situation
12.1.4.1.
Extern: Genetische Affiliation

- indogermanisch

- isoliert 12.1.4.2.

Intern: Dialekte
Man unterscheidet zwischen literarischen Dialekten (jeder Gattung kommt ein bestimmter Dialekt zu) und epichorischen Dialekten (für Inschriften)
Arkadisch

-Kyprisch

Mykenisch
Arkadisch
Kyprisch
Ionisch

-Attisch

Ionisch
Attisch Athenisch
Dorisch

-Nordwestgriechisch

Nordwestgriechisch Elisch
Phokisch
Lokrisch
Ätolisch
Dorisch Spartanisch
Kretisch
Rhodisch
Äolisch Lesbisch
Thessalisch
Böotisch

Arkadokyprisch ist die Sprache der ersten Griechen auf der Peloponnes, die vor der Invasion der Dorier in die Berge und auf die Inseln flohen. Zyprisch: Es gibt Inschriften vom 6.Jh. v.Ch. bis zum 1.Jh. n.Ch. in einer Silbenschrift, die mit Linear B verwandt ist. Ionisch
-Attisch (an der kleinasiatischen Küste von Smyrna bis Halikarnassos),

Dorisch: Süden und Osten der Peloponnes (Sparta) und Inseln wie Kreta und Rhodos. Nordwestgriechisch: Dialekte von Elis, Phokis, Lokri, Ätolien u.a. (vor allem auf der Peloponnes und auf den südlichen Inseln des Ägäischen Meeres), Äolisch mit Lesbisch, Thessalisch und Böotisch (an der nördlichen Küste von Kleinasien bis nach Smyrna im Süden und auf den vorgelagerten Inseln und auf dem griechischen Festland besonders in Thessalien) (vgl. Abb. aus Andresen et al. 1965, 1167f und 1169f) Focus of present description:
- Koiné

12.1.5.
Soziale Situation
12.1.5.1.
Externe soziale Situation
Competing languages:

- Lateinisch

- orientalische Sprachen

Duhoux 1998 über vorgriechische Sprachen auf Kreta. Status of the language:

- das Attische (= die Sprache der Athener) erlangte mit dem politischen und kulturellen Aufstieg von Athen überlokale Bedeutung - zuerst in der Literatur, dann aber auch im öffentlichen Leben, vor allem als die makedonischen Könige und die ihnen folgenden Diadochen das Attische zu ihrer Amts- und Hofsprache machten.

-324 begründet Alexander d.Gr. sein Weltreich, und Griechisch wird Weltsprache.

- im Römischen Imperium neben Lateinisch zweite Amtssprache des Ostens

12.1.5.2.
Interne soziale Situation
Speakers:

- 3 bis 4 Millionen

Die Helden der homerisch

-mykenischen Zeit hielten Schreiben für unter ihrer Würde, Schreiben und Lesen war ausschließlich eine Sache des niederen Palastpersonals.

12.2.

System der Sprache

12.2.1.
Ausdruckssysteme
12.2.1.1.
Phonologie
Tafel

Lautsystem des Griechischen

labial dental alveo
-
palatal
velar glottal
okkl. stl. p t k
asp. p t k
sth. b d g
frik. stl. s h
affrikat dz
liquid l

/ r

nasal m n ()
Halbvokal j w
Vokal i y
a

Vokale: Nur im Ionisch

-Attischen hat man /y/ statt /u/.

Langvokale: (edel:N) vs. (edel:M) Die Halbvokale /w/ und /j/ kommen im Mykenischen und anderen Dialekten vor, sind aber im Ionisch

-Attischen auf zweite Elemente von Diphthongen beschränkt.

Prosodie: Der Akzent kann auf einer der drei letzten Silben stehen und ist dort in Grenzen frei. Er wird nach dem Dreimorengesetz plaziert: (lieb:DAT.SG) vs. (lieb.3.SG). Auf der akzentuierten Silbe gibt es eine binäre Tonopposition: Akut (´):

Hochton (evtl. steigender Ton),

Zirkumflex (^): (steigend

-)fallender Ton.

Der Akut kann auf kurzen oder langen Silben stehen, der Zirkumflex kann nur auf naturlangen Silben stehen. Der Akut kann auf den drei letzten Silben stehen, auf der drittletzten jedoch nur dann, wenn die letzte kurz ist; der Zirkumflex kann nur auf den zwei letzten Silben stehen, auf der zweitletzten jedoch nur dann, wenn die letzte kurz ist. Der Gravis (`) bezeichnet Schwund eines Akuts, d.h. fehlen von Akzent. Die Bezeichnung der Töne durch diese Diakritika in der Orthographie wurde erst durch dan Alexandriner Aristophanes von Byzantium (ca. -200) eingeführt, also zu einer Zeit, da die Sprache längst keine Töne mehr hatte.

- Proklisis ("Tonlosigkeit") und Enklisis ("Tonanlehnung"): zehn einsilbige Wörter haben keinen Akzent, sie werden Atona ("tonlose") oder Proklitika ("sich vorwärts neigende") genannt; enklitisch sind mehrere ein- und zweisilbige Wörter, die sich so eng an das vorhergehende Wort "anlehnen", daß sie ihren eigenen Akzent verlieren oder ihn als Akut an das vorhergehende Wort abgeben; Regeln: 1. Einsilbige Enklitika verlieren immer ihren Akzent, er geht als Akut auf das Stützwort über, wenn dieses auf der drittletzten Silbe einen Akut, auf der zweitletzten einen Zirkumflex oder auf der letzten einen Gravis trägt; 2. Zweisilbige Enklitika behalten ihren Akzent nur, wenn das Stützwort einen Akut auf der zweitletzten Silbe trägt; in allen anderen Fällen verlieren sie ihren Akzent

- Lautwandel der Vokale: Kontraktion: ein Vokal wird mit einem Vokal innerhalb eines Wortes zu einem langen Vokal zusammengezogen; Ersatzdehnung: wenn ein konsonantischer Laut oder mehrere konsonantische Laute ausfallen, wird der vorhergehende vokalische gedehnt; Krasis: ein auslautender Vokal wird mit dem anlautenden Vokal des folgenden Wortes verschmolzen (Zeichen: die Koronis); Elision: auslautender kurzer Vokal wird vor dem anlautenden Vokal des folgenden Wortes ausgestoßen (Zeichen: der Apostroph); metathesis quantitatum: Quantitätentausch im attischen Dialekt

- Lautwandel der konsonantischen Laute: Mutae: auslautender Guttural, auslautender Labial, auslautender Dental und Dental vor anderen Dentalen; Assimilation: progressiv; Dissimilation: die Wiederholung gleicher konsonantischer Laute in aufeinanderfolgenden Silben wird vermieden; Sigma-Gesetze; Reduplikation; Auslautgesetze 12.2.1.2.

Schrift
Die Griechen übernahmen das phönizische Alphabet (das nur Buchstaben für Konsonanten enthält) im Laufe des 10. und 9. Jh. v.Ch. Die Namen der Buchstaben und ihre Reihenfolge im phönizischen und griechischen Alphabet entsprechen sich stark; vgl. z.B. phönizisch aleph, beth, gimel, daleth und griechisch Alpha, Beta, Gamma, Delta. Um ihre Sprache adäquat schreiben zu können, ergänzten sie das Alphabet zunächst um vier Zeichen: Phi, Chi, Psi und Omega. Fünf phönizische Zeichen brauchten sie nicht, weil die diesen entsprechenden Laute im Griechischen nicht vorkamen, diese fünf Zeichen wandelten sie zu Vokalzeichen um (aleph = a, He = e, Jod = i, Ain = o, Waw = u) (daher sind die Vokale auch heute noch im lateinischen Alphabet scheinbar willkürlich über das Ganze verteilt) (vgl. Abb. aus Andresen et al. 1965, 2727f). Die Griechen können insoweit als Erfinder eines Schriftsystems gelten, welches jeden Sprachlaut durch ein Schriftzeichen darstellt.

- vor und neben dem Alphabet wurden auch Silbenschriften verwandt, und zwar im 15.-13. Jh. v.Chr. die mykenische (Linear B) (vgl. Abb. aus Hafner 1968, 28), im 6.-2. Jh. v.Chr. in Zypern die kyprische; die beiden gleichen sich im Typ und in einigen Details; wahrscheinlich sind sie unabhängig voneinander aus einer älteren ägäischen Silbenschrift entwickelt worden, wie sie z.B. aus Kreta (Linear A) bekannt ist; die Silbenschriften waren der Konkurrenz des Alphabets aber nicht gewachsen, da sie zur Darstellung des Griechischen ungeeignet waren (manche distinktiven Oppositionen blieben unbezeichnet, viele Mehrdeutigkeiten etc.); die Umstellung auf die Alphabetschrift brachte eine Verminderung der Schriftzeichen um 75%

- vom 5. Jh. v.Chr. an wurden die zahlreichen Lokalalphabete zugunsten des ionischen aufgegeben, in Athen 403 v.Chr. offiziell (vgl. Abb. aus Faulmann 1985, 170)

- die Griechen schrieben zeilenweise und von links nach rechts, aber nicht von Anfang an, ursprünglich schrieben sie von rechts nach links oder auch in einer Zeilenführung, die bustrophedon genannt wird ("nach Art eines Ochsen, der beim Pflügen nach jeder Furche umkehrt"), d.h. eine Zeile wurde von rechts nach links geschrieben, die nächste von links nach rechts etc.

- man schrieb anfangs nur in Majuskeln (erst eckig als Kapitalschrift), die unverbunden nebeneinander gesetzt wurden; erst als auf Pergament geschrieben wurde, entwickelten sich abgerundete Buchstabenformen (Unzialschrift); seit dem 2. Jh. v.Chr. gab es eine Briefschrift des täglichen Lebens (Kursive); seit der 2. Hälfte des 8. Jh. n.Chr. trat die Minuskelschrift auf, aus der die kleinen Buchstaben entstanden; die Versalien blieben für Satzanfänge, Eigennamen und Inschriften gebräuchlich

- die Buchstaben wurden anfangs einfach ohne Wortzwischenräume aneinandergereiht; wenn die Zeile voll war, schrieb man auf der nächsten weiter, ohne auf Wörter oder Silben zu achten

- ursprünglich gab es nur ein Interpunktionszeichen, erst später kamen Punkt und Komma (etwa in der heutigen Bedeutung) in Gebrauch, zur Kennzeichnung einer Frage verwendete man ein Semikolon, Anführungs- und Ausrufezeichen gab es nicht

- später wurden auch Lesezeichen geschrieben: das Trema (zwei Vokale, die normalerweise einen Diphthong bilden, sind getrennt zu sprechen), der Apostroph (am Ende eines Wortes wurde ein kurzer Vokal ausgestoßen, wenn das nächste Wort mit Vokal beginnt) und die Koronis (signalisiert die Verschmelzung eines auslautenden Vokals mit dem anlautenden Vokal des folgenden Wortes)

- im 3. Jh. v.Chr. führten die alexandrinischen Grammatiker Akzent- und Spirituszeichen zur Unterscheidung sonst identischer Schriftbilder ein; diese werden aber erst seit byzantinischer Zeit konsequent geschrieben

- die Alphabetisierung erreichte erstaunlich viele Menschen, wenn man davon ausgeht, daß es keine öffentlichen Schulen gab, sondern nur eine private Unterweisung, die meist den Kindern wohlhabender Eltern vorbehalten war; es gibt z.B. auf Figuren in Abu Simbel am oberen Nil griechische Inschriften von griechischen Söldnern, die im Dienst des ägyptischen Königs arbeiteten (ca. 590 v.Chr.) (vgl. Abb. aus Bodmer 1989, 387)

Die älteren erhaltenen Schriftdenkmäler, z.B. aus dem 6. Jahrhundert, waren offizielle Verlautbarungen an Tempeln, Stadthäusern, Marktplätzen, öffentlichen Häusern, auf Holzplatten, in Stein gehauen oder als Tontafeln. Im 5. Jahrhundert ist dann Papyrus weit verbreitet, importiert aus Ägypten. Nach und nach erfolgt die Umstellung auf Pergament. Dank den Werken der attischen Autoren wissen wir, daß Bücher für einen Athener im 5. Jh. v. Chr. durchaus gewohnte Gegenstände waren. Schriftrichtung:

Seiten: von oben nach unten

Zeilen: von oben nach unten

Zeichen: von links nach rechts

Zeichen:

- Alphabetschrift mit 24 Buchstaben

- Interpunktionszeichen: Semikolon zur Kennzeichnung einer Frage, sonst keine Zeichen

- Spiritus: spiritus asper und spiritus lenis (vgl. 2.1.2.1)

- Akzente: Akut, Gravis und Zirkumflex (vgl. 2.1.2.1)

- Zahlzeichen werden als Buchstaben geschrieben (Alpha für 1, Beta für 2, Iota für 10, Kappa für 100 etc.) (dabei haben sich verlorengegangene Buchstaben erhalten: Stigma für 6, Koppa für 9 und Sampi für 900)

Majuskel Minuskel Lautwert Name
a Alpha
b Beta
g Gamma
d Delta
Epsilon
zd Zeta
: Eta
t Theta
i Iota
k Kappa
l Lambda
m My
n Ny
ks Xi
Omikron
p Pi
r Rho
/ s Sigma
t Tau
p Phi
k Chi
ps Psi
: Omega
w Digamma
[] vor Vokalen wird geschrieben. ist ursprünglich [zd], später [dz]. Bei den Vokalen gibt es für langes /e/ und /o/ besondere Buchstaben, für die anderen nicht. Tafel Griechische Diakritika
Zeichen Lautwert Name
h Spiritus asper
- Spiritus Lenis
fallender Ton Zirkumflex
steigender Ton Akut
? Gravis
Vokaldehnung Iota subscriptum

- Spiritus: anlautende Vokale tragen einen Spiritus; man unterscheidet spiritus asper ("der rauhe Hauch") und spiritus lenis ("der sanfte Hauch", wird nicht gesprochen); der Spiritus steht bei kleinen Buchstaben über dem Vokal, bei großen Buchstaben vor dem Vokal; Diphthonge haben den Spiritus auf dem zweiten Vokal; Komposita, deren Stammwort mit einem spiritus asper anlautet, behalten auch im Wortinnern den Spiritus, aber er wird nicht geschrieben; vor dem spiritus asper verwandelt sich eine Tenuis in die entsprechende Aspirata

12.2.2.
Semantisches System
12.2.2.1.
Lexikon

- die meisten Präpositionen können eine räumliche, eine zeitliche und eine übertragene Bedeutung annehmen

- da es zahlreiche Partikeln gibt, kann man sehr differenzierte Nuancierungen vornehmen

12.2.2.2.
Grammatik
Morphologie Typ: flektierende Sprache. Morphologische Prozesse: Ablaut: morphologisch bedingter Wechsel der Vokale in Wörtern gleichen Stamms. qualitativer Ablaut: vorderer und hinterer Vokal wechseln; quantitativer Ablaut: die Länge des Vokals ändert sich (Grundstufe, Dehnstufe und Schwundstufe). Tafel Ablaut
Schwundstufe
Vollstufe
Dehnstufe
e
-Stufe
o
-Stufe

Reduplikation: partielle Reduplikation mit e zur Bildung des Perfekts, mit i zur Bildung des "Präsensstamms". Tafel Reduplikation
Basis Präsensstamm Perfektstamm

- Nomen: die Form des Nomens wird bestimmt durch Kasus, Numerus und Genus; fünf Kasus: casus rectus: Nominativ und casus obliqui: Genitiv, Dativ, Akkusativ und Vokativ; drei Numeri: Singular, Plural und Dual (zur Bezeichnung eines Paars oder von etwas Paarigem); drei Genera: Maskulinum, Femininum und Neutrum; das Genus eines Substantivs ist entweder natürlich oder grammatisch bestimmt: nach dem natürlichen Geschlecht sind Maskulina männliche Personen, Flüsse und Winde; Feminina weibliche Personen, Bäume, Länder, Inseln und Städte; Neutra die meisten Deminutiva; Stamm und Endung des Nomens erkennt man am Genitiv Singular

- Artikel: es gibt keinen unbestimmten Artikel, nur einen bestimmten Artikel

- Deklination: drei Deklinationen: die o-, a- und die dritte Deklination; der Dual hat bei den drei Deklinationen jeweils nur zwei Kasusformen: die eine für Nominativ, Akkusativ und Vokativ, die andere für Genitiv und Dativ; beim Artikel gelten die maskulinen Formen auch für das Femininum

- Komparation der Adjektive und Adverbien: drei Stufen: Positiv, Komparativ und Superlativ

- Adverb: indeklinabel; Positiv: Stamm des Genitivs Plural Maskulinum + Suffix; Komparativ: identisch mit dem Akkusativ Singular Neutrum des Adjektivs; Superlativ: identisch mit dem Akkusativ Plural Neutrum

- Pronomen: Personalpronomen: für die obliquen Kasus der 1. und 2. Person Singular gibt es betonte und unbetonte (enklitische) Formen; reflexive Personalpronomen: es gibt für alle drei Personen reflexive Formen; Possessivpronomen: Possessivpronomen gibt es nur für die 1. und 2. Person; das fehlende Possessivpronomen der 3. Person wird durch den Genitiv des Personalpronomens umschrieben; das Possessivpronomen wird beim Substantiv immer mit dem Artikel verbunden und steht immer attributiv; das possessive Verhältnis kann nichtreflexiv (schwach betont mit dem Genitiv des enklitischen Personalpronomens in prädikativer Stellung oder stark betont mit dem Possessivpronomen in attributiver Stellung) und reflexiv (schwach betont mit dem Possessivpronomen in attributiver Stellung oder stark betont mit dem Genitiv des Reflexivpronomens in attributiver Stellung) ausgedrückt werden; Demonstrativpronomen; Interrogativpronomen; Indefinitpronomen; Relativpronomen; verallgemeinerndes Relativpronomen; Pronominaladjektive: jeder einzelne, jeder von beiden, beide, keiner, ein anderer etc.; korrelative Pronomen und Pronominaladverbien

- Numeralia: Kardinalzahlen, Ordinalzahlen und Zahladverbien; bei der Verbindung von Kardinalzahlen und Ordinalzahlen kann die größere oder die kleinere Zahl vorangehen; Zahlen über 10.000 werden nicht nach Tausendern, sondern nach Zehntausendern berechnet

- Verb: Person: 1., 2. und 3. Person; Numerus: Singular, Plural und Dual; Modus: Indikativ, Konjunktiv, Optativ (Wunsch- oder Möglichkeitsform) und Imperativ; Tempus: Präsens, Futur, Perfekt, Futur des Perfekts als Haupttempora und Imperfekt, Aorist (Vergangenheitsform mit effektivem, den Handlungsabschluß betonendem, Charakter), Plusquamperfekt als Nebentempora; Genus verbi: Aktiv, Passiv und Medium (rückbezügliche Form; bezeichnet eine Handlung, an der das Subjekt direkt oder indirekt beteiligt ist, d.h. die es an sich oder für sich vollbringt); Deponentien: Verben, die mediale oder passive Formen, aber aktive oder reflexive Bedeutung haben; deponentia media: Deponentien mit medialen Formen; deponentia passiva: Deponentien mit passivem Aorist

- Konjugation: zwei Konjugationen: thematische und athematische Konjugation; alle Verbformen werden vom Verbalstamm abgeleitet; thematische Konjugation: nach dem Auslaut des Verbalstamms unterscheidet man drei Hauptgruppen: verba vocalia (der Verbalstamm endet auf Vokal oder Diphthong), verba muta (der Verbalstamm endet auf Verschlußlaut ) und verba liquida (der Verbalstamm endet auf Liquid); Augment: Kennzeichen der Vergangenheit, es steht nur im Indikativ der Nebentempora Imperfekt, Aorist und Plusquamperfekt (syllabisches Augment bei konsonantisch anlautenden Verben und temporales Augment bei vokalisch anlautenden Verben; bei den Komposita, die mit einer Präposition zusammengesetzt sind, wird das Simplex augmentiert); Reduplikation: Kennzeichen des Perfekts und Plusquamperfekts, sie erscheint in allen Formen dieser Tempora (bei Komposita, die mit Präpositionen zusammengesetzt sind, steht die Reduplikation vor dem Simplex wie das Augment); Moduszeichen: der Konjunktiv unterscheidet sich vom Indikativ durch den gedehnten Bildevokal bzw. Stammauslaut; der Optativ unterscheidet sich vom Indikativ durch das Optativzeichen; Personalendungen: sie kennzeichnen Person, Numerus, Genus verbi und oft auch Tempus; man unterscheidet Primärendungen, die im Indikativ aller Haupttempora - außer Perfekt Aktiv - und in allen Konjunktiven verwandt werden, und Sekundärendungen, die im Indikativ der Nebentempora und im Optativ stehen; der Imperativ hat eigene Personalendungen; Medium und Passiv haben die gleichen Personalendungen, nur der Aorist Passiv hat aktive Personalendungen; Akzent: der Akzent tritt beim verbum finitum möglichst weit vom Wortende zurück, aber nie über das Augment oder die Reduplikation hinaus; kontrahierte Formen haben den Akzent auf der Kontraktionssilbe, wenn einer der kontrahierten Vokale den Akzent trug (Infinitive, Partizipien und Verbaladjektive fallen nicht unter diese Regel); Bildung: die Verbformen setzen sich zusammen aus Augment, Reduplikation, Stamm, Tempuszeichen, Bildevokal, Moduszeichen und Personalendung; Dual: die 1. Person des Duals ist gleich der 1. Person Plural, nur für die 2. und 3. Person hat der Dual eigene Endungen; Wurzelaorist: Moduszeichen und Personalendungen werden ohne Tempuszeichen unmittelbar an die Verbwurzel gefügt, die identisch mit dem Verbalstamm ist (ebenso Wurzelperfekt, Wurzelpräsens); unregelmäßige Verben: Verben, deren Präsensstamm vom Verbalstamm stark abweicht oder deren Tempora von verschiedenen Stämmen gebildet werden; man unterscheidet fünf Klassen: Ablautklasse (der Stammvokal ist im Aorist oder Perfekt verändert), Nasalklasse (der Präsensstamm ist durch ein nasales Element erweitert), Inchoativklasse (der Präsensstamm ist erweitert, teilweise mit Präsensreduplikation), E-Klasse (der Verbalstamm ist in verschiedenen Tempora durch einen E-Laut erweitert) und Mischklasse (die einzelnen Tempusstämme werden von verschiedenen Wurzeln gebildet); Partizipien können konjugiert oder dekliniert werden

- Wortbildung: sehr produktiv; durch Präfixe, Suffixe und durch Zusammenfügen von zwei oder auch mehr Wörtern zu einem neuen Wort; fast alle Wortarten können als Bestandteile von Komposita auftreten; an der Wortfuge können zahlreiche Variationen auftreten; das Verb kann sich nur mit Präpositionen verbinden

Syntax

- Wortstellung: sehr frei, da die Flexion stark ausgebaut ist

- Kongruenz: Kongruenz von Subjekt und Prädikat; ist das Subjekt ein Neutrum Plural, so steht das verbale Prädikat im Singular, das Prädikatsnomen aber stets im Plural; das pronominale Subjekt richtet sich in Genus und Numerus nach dem Prädikatsnomen

- Artikel: der Artikel war ursprünglich ein Demonstrativpronomen; beim Prädikatsnomen steht kein Artikel; jedes beliebige Wort erhält mit Artikel substantivische oder adjektivische Bedeutung

- Attribut: das Attribut steht entweder zwischen Artikel und Substantiv oder nach dem Substantiv mit wiederholtem Artikel

- Prädikativum: das Prädikativum stimmt mit seinem Beziehungswort in Kasus, Numerus und Genus überein; als Prädikativa werden Adjektive verwandt, die einen seelischen oder körperlichen Zustand, die Art und Weise, eine Reihenfolge, die Zeit oder einen Ort bezeichnen

- Kasus: Akkusativ: Der Akkusativ bezeichnet das direkte Objekt, die Ausdehnung in Raum und Zeit und die nähere Beziehung einer Aussage; der Akkusativ steht als äußeres Objekt bei Verben des Nützens und Schadens, des Fürchtens und Meidens und des Schwörens; der Akkusativ des inneren Objekts ist ein Substantiv, das dem Verb stamm- oder sinnverwandt ist, oder das Neutrum eines Adjektivs oder Pronomens; der doppelte Akkusativ steht entweder als Akkusativ der Person und der Sache bei Verben des Erinnerns, Forderns und Beraubens oder als Akkusativ des äußeren Objekts und Prädikatsnomens bei Verben, die "halten für", "sich zeigen als", "machen zu" bedeuten; der Akkusativ bezeichnet als adverbiale Bestimmung die Ausdehnung in Raum und Zeit auf die Fragen "wie weit?", "wie lange?"; accusativus Graecus: der Akkusativ bezeichnet bei Verben und Adjektiven eine nähere Beziehung oder Beschränkung auf die Frage "in welcher Beziehung?"; adverbialer Akkusativ: viele Akkusative der Beziehung und Ausdehnung sind zu Adverbien geworden. Dativ: der Dativ bezeichnet das indirekte (mittelbare) Objekt und hat die Funktionen des Instrumentalis, Sociativus und Locativus übernommen; der Dativ bezeichnet die beteiligte Person oder Sache bei Verben und Adjektiven; dativus commodi: der Dativ gibt an, zu wessen Vorteil etwas geschieht und dativus incommodi: der Dativ gibt an, zu wessen Nachteil etwas geschieht; dativus ethicus: der Dativ bezeichnet eine innere Teilnahme beim Personalpronomen der 1. und 2. Person; dativus modi: der Dativ bezeichnet die Art und Weise; dativus temporis: der Dativ bezeichnet auf die Frage "wann?" ohne Präposition den Zeitpunkt oder Namen eines Festes. Genitiv: der Genitiv bezeichnet den Bereich, zu dem etwas gehört, und den Ausgangspunkt; genitivus possessoris: der Genitiv bezeichnet attributiv den Eigentümer, prädikativ den Eigentümer oder die Eigentümlichkeit; genitivus qualitatis: der Genitiv bezeichnet mit einer Zahlangabe eine Eigenschaft; genitivus partitivus: der Genitiv bezeichnet eine Gesamtheit, von der das Beziehungswort einen Teil angibt (er hat fast immer prädikative Stellung); der Genitiv bei den Verben des Essens und Trinkens hat partitive Bedeutung; genitivus temporis: der Genitiv steht bei allgemeinen Zeitangaben auf die Frage "wann?"; der Genitiv mit Attribut bezeichnet einen Zeitraum auf die Frage "innerhalb welcher Zeit?"; genitivus obiectivus: der Genitiv bezeichnet das Objekt einer Tätigkeit oder Empfindung bei Substantiven, Adjektiven und Verben, die folgendem Bedeutungsbereich angehören: "begierig", "kundig", "eingedenk", "besorgt", "teilhaftig", "mächtig", "voll" und deren Gegenteil; genitivus pretii: der Genitiv bezeichnet den Wert oder Preis bei Verben und Adjektiven; genitivus criminis: der Genitiv bezeichnet bei den meisten Verben des gerichtlichen Verfahrens das Vergehen; genitivus separativus: der Genitiv bezeichnet den Ausgangspunkt der Trennung und des Mangels bei Verben und Adjektiven; genitivus comparationis: der Genitiv bezeichnet den Ausgangspunkt des Vergleichs; der genitivus comparationis steht auch bei Verben, die eine Überlegenheit oder Unterlegenheit ausdrücken.

- Tempora: Haupttempora (alle Verbalformen, die Gegenwart oder Zukunft bezeichnen): Indikativ Präsens, Perfekt, Futur, alle Konjunktive, alle Imperative und Nebentempora (alle Verbalformen, die Vergangenheit bezeichnen): Indikativ Aorist, Imperfekt, Plusquamperfekt, historisches Präsens; die Verbalformen bringen kein Zeitverhältnis zum Ausdruck; das Perfekt ist kein Tempus der Vergangenheit; praesens historicum: bei historischen Berichten wird oft das sogenannte erzählende Präsens verwandt, um Ereignisse der Vergangenheit lebhaft und unmittelbar darzustellen

- Aktionsarten: lineare Aktionsart: die Formen des Präsens und Imperfekts bezeichnen die Dauer, die Wiederholung oder den Versuch einer Handlung; punktuelle Aktionsart: die Formen des Aorists bezeichnen den Beginn einer Handlung (ingressiver Aorist) oder den Abschluß einer Handlung (effektiver Aorist); der Indikativ Aorist steht vor allem als Tempus der Erzählung vergangener Ereignisse und bezeichnet häufiger als das Präsens eine allgemeine Erfahrungstatsache vor allem in Sprichwörtern (gnomischer Aorist); resultative Aktionsart: die Formen des Perfekts und Plusquamperfekts bezeichnen den durch die abgeschlossene Handlung bewirkten Zustand

- Modi: der Indikativ bezeichnet die tatsächliche Wirklichkeit und in den Nebentempora auch die Nichtwirklichkeit (die vorgestellte Wirklichkeit); der Konjunktiv bezeichnet ein Begehren oder eine Erwartung; der Optativ bezeichnet einen Wunsch oder eine Möglichkeit; der Imperativ bezeichnet einen Befehl

- Hauptsätze: Arten: Behauptungssätze, Begehrssätze und Fragesätze; Behauptungssätze können real, potential oder irreal sein; reale Behauptungssätze stehen im Indikativ, bei unpersönlichen Ausdrücken des Könnens, Sollens und Müssens steht der Indikativ Imperfekt, bei "fast", "beinahe" steht der Indikativ Aorist; potentiale Behauptungssätze bezeichnen eine Möglichkeit oder eine gemilderte Behauptung, sie stehen im Optativ (Potentialis der Gegenwart); irreale Behauptungssätze der Gegenwart stehen im Indikativ Imperfekt, irreale Behauptungssätze der Vergangenheit im Indikativ Aorist; Begehrssätze können eine Aufforderung, ein Gebot, ein Verbot oder einen Wunsch enthalten; eine Aufforderung an die 1. Person Plural steht im Konjunktiv Präsens oder Aorist; ein Gebot an die 2. oder 3. Person Singular oder Plural steht im Imperativ (der Imperativ Präsens drückt andauernde und wiederholte Handlungen aus, der Imperativ Aorist fordert den Eintritt oder Abschluß einer Handlung); ein Verbot an die 2. oder 3. Person Singular oder Plural steht im Imperativ (der verneinte Konjunktiv Aorist steht statt des verneinten Imperativ Aorist); Wunschsätze, die einen erfüllbaren Wunsch enthalten, stehen im Optativ; Wunschsätze, die einen unerfüllbaren Wunsch enthalten, stehen im Indikativ Imperfekt für die Gegenwart, im Indikativ Aorist für die Vergangenheit

- Nebensätze: in Nebensätzen steht nach einem Haupttempus der Indikativ oder Konjunktiv, nach einem Nebentempus in innerlich abhängigen Sätzen i.d.R. der optativus obliquus, es kann aber auch der gleiche Modus stehen, der in dem entsprechenden unabhängigen Satz stehen würde; in indirekten Fragesätzen steht nach einem Haupttempus der Indikativ, nach einem Nebentempus i.d.R. der Optativ; in abhängigen Behauptungssätzen steht nach einem Haupttempus der Indikativ, nach einem Nebentempus meist der Optativ (abhängige Behauptungssätze nach den verba dicendi können auch im a.c.i. stehen, nach den verba sentiendi mit prädikativem Partizip); in adverbialen Finalsätzen steht nach einem Haupttempus immer der Konjunktiv, nach einem Nebentempus vorwiegend der Optativ; in finalen Subjekt- oder Objektsätzen nach den verba timendi steht nach einem Haupttempus immer der Konjunktiv, nach einem Nebentempus meist der Optativ; in finalen Subjekt- oder Objektsätzen nach den verba curandi steht gewöhnlich der Indikativ Futur; in Konsekutivsätzen steht bei tatsächlicher Folge der Indikativ, bei gedachter oder möglicher Folge der Infinitiv (a.c.i.); in Kausalsätzen steht bei objektivem Grund der Indikativ, bei subjektivem Grund nach einem Nebentempus der Optativ; in Konditionalsätzen: beim Indefinitus (die Verwirklichung von Bedingung und Folgerung bleibt offen) steht im Haupt- und Nebensatz der Indikativ aller Tempora (Besonderheit: der Eventualis als Indefinitus der Zukunft); beim Potentialis (Bedingung und Folgerung werden als möglich hingestellt) steht im Haupt- und Nebensatz der Optativ; beim Irrealis (Bedingung und Folgerung werden ausdrücklich als unwirklich oder unmöglich hingestellt) der Gegenwart steht im Haupt- und Nebensatz der Indikativ Imperfekt; beim Irrealis der Vergangenheit steht im Haupt- und Nebensatz der Indikativ Aorist; in iterativen Konditionalsätzen (unbestimmte Wiederholung) der Gegenwart steht im Nebensatz der Konjunktiv Präsens oder Aorist, im Hauptsatz der Indikativ Präsens; in iterativen Konditionalsätzen der Vergangenheit steht im Nebensatz der Optativ Präsens oder Aorist, im Hauptsatz der Indikativ Imperfekt; Konzessivsätze werden konstruiert wie Konditionalsätze; in Temporalsätzen, die eine einmalige Handlung der Vergangenheit enthalten, steht der Indikativ; in Temporalsätzen, die eine Erwartung ausdrücken (Hauptsatz im Futur oder Imperativ), steht der Konjunktiv Präsens oder Aorist (vgl. Eventualis der Konditionalsätze); in Temporalsätzen, die eine Wiederholung ausdrücken, steht nach einem Haupttempus (Präsens oder Futur) der Konjunktiv, nach einem Nebentempus (Aorist oder Imperfekt) der Optativ (vgl. iterative Konditionalsätze); konditionale Relativsätze werden konstruiert wie Konditionalsätze; in iterativen Relativsätzen der Gegenwart steht der Konjunktiv; in iterativen Relativsätzen der Vergangenheit der Optativ; ein Relativpronomen im Akkusativ tritt in den Kasus seines Beziehungswortes im Genitiv oder Dativ; ist das Beziehungswort ein Demonstrativpronomen, fällt dieses weg

- Nominalformen des Verbs: der Infinitiv kann durch Vorsetzen des Artikels wie ein Substantiv verwandt oder als Verbalform durch Objekte ergänzt und durch Adverbien näher bestimmt werden; der Infinitiv steht als Objekt bei den verba dicendi und putandi und den Verben des Begehrens und Wünschens; ist das Subjekt des Infinitivs nicht identisch mit dem des übergeordneten Verbs, so steht es im Akkusativ; ist das Subjekt des Infinitivs identisch mit dem des übergeordneten Verbs, so steht der reine Infinitiv; das Prädikatsnomen beim Infinitiv richtet sich nach seinem Beziehungswort: steht dieses im Genitiv oder Dativ, so kann das Prädikatsnomen entweder im Genitiv oder Dativ stehen oder auch in den Akkusativ treten; ist kein Beziehungswort im Nominativ vorhanden, so steht das Prädikatsnomen immer im Akkusativ; der Infinitiv steht als Subjekt bei unpersönlichen Verben und Ausdrücken

- Partizip: das Partizip richtet sich in Kasus, Numerus und Genus nach seinem Beziehungswort; das Partizip bezeichnet keine Zeitstufe, sondern die Aktionsart; das Partizip Präsens bezeichnet infolge seiner linearen (durativen) Aktionsart die Fortdauer einer Handlung und damit die Gleichzeitigkeit zu der des übergeordneten Verbs; das Partizip Perfekt bezeichnet infolge seiner resultativen Aktionsart die Fortdauer eines Zustands und damit die Gleichzeitigkeit zur Handlung des übergeordneten Verbs; das Partizip Aorist bezeichnet infolge seiner ingressiven und effektiven Aktionsart den Eintritt oder Abschluß einer Handlung und damit die Vorzeitigkeit zu der des übergeordneten Verbs; das Partizip Futur bezeichnet eine Handlung, die in der Zukunft möglich oder beabsichtigt ist, und hat daher oft eine finale Nebenbedeutung; das Partizip wird verwandt als Attribut, als Prädikatsnomen und als Prädikativum; das prädikative Partizip ist eine nähere Bestimmung zu einem Vollverb und einem Nomen; es steht mit Bezug auf das Subjekt bei Verben, die die Aktionsart des Partizips (Anfang, Verlauf, Abschluß, Umstände) näher bezeichnen, bei Verben des Recht- und Unrechttuns, der Über- und Unterlegenheit; es steht mit Bezug auf Objekt oder Subjekt bei den verba sentiendi, zur Bezeichnung der Tatsache bei Verben des Zeigens, Meldens und Überführens; participium coniunctum: ein Partizip, das sich auf einen Satzteil bezieht und durch ein Objekt oder eine adverbiale Bestimmung erweitert ist; genitivus absolutus: ein Genitiv mit einem prädikativen Partizip, der grammatisch unabhängig ist von einem Glied des übrigen Satzes, bezeichnet i.d.R. einen näheren Umstand der Haupthandlung; absoluter Akkusativ des Partizips: der Akkusativ Singular Neutrum eines Partizips steht bei unpersönlichen Ausdrücken anstelle eines Adverbialsatzes; das logische Verhältnis der Partizipialkonstruktionen zum übrigen Satz kann kausal, temporal, konditional, konzessiv, modal oder final sein und kann durch die Beifügung von Adverbien und Partikeln verdeutlicht werden

- Verbaladjektiv: bezeichnet das Bewirkte oder Bewirkbare oder drückt aus, daß etwas getan werden muß oder soll; verneint, daß etwas getan werden darf; es kann persönlich oder unpersönlich konstruiert werden; dativus auctoris: die Person, die etwas tun soll oder nicht tun darf steht im Dativ

12.3.

Erforschung der Sprache

Die griechische Lexikographie begann etwa im 5. Jh. v.Ch. mit genannten Vokabularien schwieriger Wörter, die in Ilias und Odyssee vorkamen. Das ist ungefähr gleichzeitig mit dem Beginn der Lexikographie in Indien. 1950+: Michael G.F Ventris und John Chadwick entziffern kretisch

-mykenische, in Linear-B geschriebene Texte von -1.500 als Griechisch.

12.4.

Textprobe

Athenisches Proxenie

-Dekret zu Ehren des Oiniades von Skiathos (Ort und Insel nordöstl. von Euböa), aus Athen, 408/7 v.Ch. Platte aus pentelischem Marmor

1
.
theoí
Gott:NOM.PL.M
"Götter!"
2
,
é

-doxen

têi bolêi kaì tôi dm
PRT

-gutdünk-AOR:3.SG

DEF:DAT.SG.F Rat:DAT.SG.F und DEF:DAT.SG.M Volk:DAT.SG.M
"Den Beschluß faßten Rat und Volk;"

3
,
Antiokhìs e

-prutáneue

Antiochis:NOM.SG.F PRT

-vorsitz:3.SG

"die Antiochis führte die Prytanie;"

4
,
Eukleíds e

-grammáteue

Hieroklês
Euklid:NOM.SG.M PRT

-protokollier:3.SG

Hierokles:NOM.SG.M
"Eukleides war Schreiber;"

5
, ,
ep

-e-státe

Euktmn êrkhe
vor

-PRT-steh:3.SG

Euktemon:NOM.SG.M PRT:herrsch:3.SG
"Hierokles führte den Vorsitz; Euktemon war Archon;"

6
Dieitréphs eîpe epeid anr
Dieitrephes:NOM.SG.M sag\AOR:3.SG da Mann:NOM.SG.M
"Dieitrephes stellte den Antrag: da"
7
esti agathòs Oiniáds ho
ist gut:NOM.SG.M Öniades:NOM.SG.M DEF.NOM.SG.M
"Oiniades der Altskiathier ein"
8
palai

-skiáth-ios

perì tn pólin tn
alt

-Skiathos-gehörig:NOM.SG.M

um DEF:AKK.SG.F Stadt:AKK.SG.F DEF:AKK.SG.F
"um den Staat der Athener verdienter"

9
Athnaín kaì próthumos poièn
Athener:GEN:PL und bereit:NOM.SG.M tu:INF
"Mann ist und bereit, ihm"
10
,
hóti dúnatai agathón kaì
soviel könn:3.SG gut:AKK.SG.N und wohl
"soweit möglich Gutes zu tun, und"
11
poieî tòn aphiknómenon
tu:3.SG DEF.AKK.SG.M ankomm:PART.PRS:AKK.SG.M
"jeden Athener, der nach Skiathos kommt,"
12
Athnaín e Skíathon epainé

-sai

te
Athener:GEN.PL in Skiathos:AKK.SG.M lob

-INF.AOR.PASS

und
"fördert: solle man ihn belobigen und"

13
autôi kaì ana

-gráp-sai

autòn
er:DAT.SG.M und auf

-schreib-INF.AOR.PASS

er:AKK.SG.M
"ihn eintragen als"

14
pró

-xenon

kaì eu

-ergétn

für

-Gast:AKK.SG.M

und wohl

-Täter:AKK.SG.M

"Konsul und Wohltäter der Athener"

15
Athnaín kaì tòs ek

-gónos

autoû
Athener:GEN.PL und DEF:AKK.PL.M aus

-zeug:AKK.PL.M

er:GEN.SG.M
"und auch seine Nachkommen;"

16
kaì hóps àn m adikêtai
und daß wohl NEG.VOL un

-Recht-VBLSR:PASS.3.SG

und daß ihm nicht Unrecht gescheh,"

17
epi

-mélesthai

tn te boln tn aeì
um

-kümmer:INF.MED

DEF.AKK.SG.F und Rat:AKK.SG.F DEF.AKK.SG.F immer
"darum sollen sich kümmern der jeweils amtierende"

18
bouleúosan kaì toùs stratgòs
berat:PART.PRS:AKK.SG.F und DEF.AKK.PL.M Feldherr:AKK.PL.M
"Rat und die Strategen"
19
kaì tòn árkhonta tòn èn
und DEF:AKK.SG.M Herrscher:AKK.SG.M DEF:AKK.SG.M in
"und der Amtsinhaber in"
20
.
Skiáthi hòs àn êi hekástote
Skiathos:DAT.SG.M REL:NOM.SG.M wohl wäre jedesmal
"Skiathos, wer immer es jedesmal sei."
bolé

= boulé: Senat. Attisch [o:] < [ow] (<>) wird, von einigen Ausnahmen abgesehen, durch Omikron wiedergegeben. Es ist nicht so offen wie Omega.

Antiochis:

eine der altattischen Phylen.

prutaneuo:

die Prytanie, d.h. den Vorsitz im Senat haben.

epistateo: leiten 12:

e: aus es, durch Assimilation oder Haplographie

epaineo:

loben

12.5.

Bibliographie

Andresen, Carl & Erbse, Hartmut & Gigon, Olof & Schefold, Karl & Stroheker, Karl Friedrich & Zinn, Ernst (eds.) (1965): Lexikon der Alten Welt. Zürich etc.: Artemis.

Bodmer, Frederick (1989): Die Sprachen der Welt. Geschichte, Grammatik, Wortschatz in vergleichender Darstellung. Herrsching: Pawlak.

Brandon, Samuel Georg Frederick (ed.) (1982): Abenteuer Weltgeschichte. Von den Pharaonen bis heute. Band 1. Köln etc.: Vehling.

Bullock, Alan & Barry, Gerald & Bronowski, J. & Fisher, James & Huxley, Julian (eds.) (1974): Weltgeschichte. Die Geschichte unserer Zivilisation. Stuttgart: Belser.

Faulmann, Carl (21880): Das Buch der Schrift enthaltend die Schriftzeichen und Alphabete aller Zeiten und aller Völker des Erdkreises. Wien: Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei.

Faulmann, Carl (1989): Illustrirte Geschichte der Schrift. Populär-wissenschaftliche Darstellung der Entstehung der Schrift, der Sprache und der Zahlen sowie der Schriftsysteme aller Völker der Erde. Reprint nach der Wiener Ausgabe von 1880. Nördlingen: Greno.

Földes-Papp, Károly (1966): Vom Felsbild zum Alphabet. Die Geschichte der Schrift von ihren frühesten Vorstufen bis zur modernen lateinischen Schreibschrift. Stuttgart: Belser.

Friedrich, Johannes (1966): Geschichte der Schrift - unter besonderer Berücksichtigung ihrer geistigen Entwicklung. Heidelberg: Winter.

Godart, Louis 1983, "Appunti per una storia delle scritture minoico-micenee." AION 5:227-240.

Godart, Louis 1985, "L'interpretazione e la traduzione dei testi minoici e micenei." AION 7:101-115.

Gelb, Ignace J. (1958): Von der Keilschrift zum Alphabet. Grundlagen einer Schriftwissenschaft. Stuttgart: Kohlhammer.

Gemoll, Wilhelm (91985): Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch. München etc.: Freytag.

Hafner, German (1968): Kreta und Hellas. Baden-Baden: Holle.

Jannaris, Antonius N. (1968): A historical Greek grammar chiefly of the Attic dialect. As written and spoken from classical antiquity down to the present time. Founded upon the ancient texts, inscriptions, papyri and present popular Greek. Hildesheim: Olms.

Jensen, Hans (31969): Die Schrift in Vergangenheit und Gegenwart. Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften.

Joseph, Brian D. 1987, "Greek." Comrie, Bernard (ed.), The world's major languages. London & Sidney: Croom Helm; 410-439.

Lübke, Wilhelm & Semrau, Max (141908): Die Kunst des Altertums. Esslingen a.N.: Neff.

Lukinovich, Alessandra & Rousset, Madeleine (1989): Grammaire de Grec ancien. Genève: Georg Editeur.

Paschke, Uwe K. (ed.) (s.a.): Enzyklopädie der Weltgeschichte. Vom Höhlenbewohner zum Entdecker der Welt. Baden-Baden: Holle.

Pfohl, Gerhard (ed.) (1968): Das Alphabet. Entstehung und Entwicklung der griechischen Schrift. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Rix, Helmut (1976): Historische Grammatik des Griechischen. Laut- und Formenlehre. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Schuchhardt, Walter-Herwig (1968): Griechische Kunst. Stuttgart: Belser.

Stiebner, Erhardt D. & Leonhard, Walter (41992): Bruckmann's Handbuch der Schrift. München: Bruckmann.

Stock, Leo (91994): Langenscheidts Kurzgrammatik Altgriechisch. Berlin etc.: Langenscheidt.

Störig, Hans Joachim (1992): Abenteuer Sprache. Ein Streifzug durch die Sprachen der Erde. München: Humboldt.

13. Lateinisch

13.1.

Situation der Sprache

13.1.1.
Sprachname
Italienische Landschaft Latium = Gebiet um Rom. Davon Adjektiv Latnus `zu Latium gehörig'. Lingua latna `lateinische Sprache'. Latn loqui: `Lateinisch sprechen'. Latnus bezog sich auf Sprache und Recht, Romnus auf Personen (ihre ethnische und juristische Zugehörigkeit). 13.1.2.

Ethnographische Situation 13.1.2.1.

Sprachgebiet
Ursprünglich Stadt Rom, dann Latium, Italien, weströmisches Reich und, als Zweitsprache, im oströmischen Reich. Dazu gehört das ganze Gebiet der heutigen romanischen Sprachen und viele bei Zerfall des röm. Reiches verlorene Gebiete, z.B. in Nord- und Osteuropa und Afrika. Zuerst das Militär, dann die Kirche verbreiten das Latein. 13.1.2.2.
Sprachgemeinschaft
Lateinisch sprachen ursprünglich nur die Römer, also die Bewohner von Rom und den umliegenden latinischen und sabinischen Dörfern. Dann Italiker, dann Bürger des weströmischen Reichs. Durch den Einfluß der Etrusker wurde Rom eine Stadt mit Kultur. Sie eroberte im Laufe der Jahrhunderte fast das gesamte Abendland und wurde eine Metropole, die während der Kaiserzeit eine Million Einwohner zählte. Bedeutendster Träger der Sprache und Kultur war die Aristokratie. An der Ausbreitung der Sprache und ihrer Durchsetzung in den Provinzen waren Militär, Verwaltung und Rechtsprechung maßgeblich beteiligt. Zahlreiche verschiedene indogermanische und nicht

-indogermanische Ethnien.

13.1.3.
Kulturelle Situation
Erste inschriftliche Belege seit etwa 500 v.Ch. Seit etwa 200 Dichtung, dann Prosa. Zahllose Inschriften, teilweise von erheblichem Umfang, als Originaltexte überliefert; die Literatur nur in Abschriften. Obwohl lange nicht alles vom antiken lateinischen Schrifttum auf uns gekommen ist, ist die erhaltene Literatur doch sehr umfangreich. Dazu kommen zahllose Inschriften und auch Pergamente. Die Geschichte der lebenden Sprache wird wie folgt unterteilt:
Archaisch Altlatein Klassisch Spätkaiserzeitlich
...

- 300 v. Ch.

300

-150 v. Ch.

150 v.Ch.

- 150 n. Ch.

150

-476 n. Ch.

Zeittafel 6. Jh. v. Chr.

Duenos-Inschrift

zw.100 v.Cr. u. 100 n.Ch.

Epitaph der Eucharis

753 v. Chr.

Gründung Roms

Republik

Kaiserzeit

Caesars Eroberungen

Teilung des Imperiums (Ost-West)

Gesamte Literatur - wie überhaupt Kultur - stark von Griechen beeinflußt. Klassische Zeit vom 1. Jh.v.Ch. bis 1. Jh.n.Ch. Besonders Caesar und Cicero bilden für alle kommenden Generationen das Ideal lateinischen Stils. Perioden der Sprachgeschichte
Archaisch Altlatein Klassisch Spätkaiserzeitlich
...

- 300 v. Ch.

300

-150 v. Ch.

150 v.Ch.

- 150 n. Ch.

150

-476 n. Ch.

Sprache der Wissenschaft in Deutschland, England Latein.

Der Jurist Christian Thomasius hielt 1687 in Leipzig die erste Vorlesung in deutscher Sprache, "ein erschreckliches und, solange damals die Universität gestanden hatte, noch nie erhörtes Crimen" (Grossfeld 1990:7). Sprache der Kirche heute noch Latein. 13.1.3.1.1.
Literatur
Die lateinische Sprache ist uns anhand zahlreicher Dokumenten belegt. Frühe Zeugnisse bestehend aus Inschriften, spätere finden sich in der sehr umfangreichen lateinischen Literatur (Theater, Gedicht und Prosa). 13.1.4.
Genetische Situation
13.1.4.1.
Extern: Genetische Affiliation
Engster Verwandter also Faliskisch. Oskisch und Umbrisch bis ins 1. Jh.n.C. gesprochen (noch osk. Inschriften in Pompei!). Regelmäßige Entsprechungen in verwandten Wörtern. Beekes 1995:26 führt weitere sabellische Sprachen, jedoch ohne genaue genetische Gliederung, auf: Präsamnitisch = Prä

-Oskisch: einige Inschriften aus Kampanien, vor -500.

Südpikenisch = Mitteladriatisch: einige Inschriften von der Ostküste von Mittelitalien aus dem 6. Jh., also älter als Oskisch und Umbrisch. Nordpikenisch: Inschriften. Unklar, ob indogermanisch. Ligurisch: nur Namen überliefert. Unklar, ob indogermanisch. Sikulisch: Ostsizilien: wohl indogermanisch; unklar ob italisch. Elymisch: Westsizilien: wohl indogermanisch, unklar ob italisch. 13.1.4.2.
Intern: Dialekte
Seit archaischer Zeit etablierte Dialekte sind Pränestinisch und Pisaurisch. Ferner seit alters Variation wegen der Überlagerung anderer italischer Sprachen durch das Lateinische. Diese lebt in gesprochener Sprache fort. Dialekte basieren auf dem Vulgärlatein, sind - bis auf Schreibfehler - kaum schriftlich überliefert (anders als Griechisch!). Bekannt ist, daß die römische Stadtmundart den Standard darstellte (urbane loqui). 13.1.5.

Soziale Situation 13.1.5.1.

Externe soziale Situation
13.1.5.2.
Interne soziale Situation
Während des gesamten Lebens des Lateinischen war es überwiegend gesprochene Sprache; nur eine Minderheit konnte lesen und schreiben und beherrschte folglich die schriftsprachliche Variante (Norm). Zunächst mit Etruskisch und den anderen ital. Sprachen benachbart Allerdings wohl nie extensiver Multilinguismus; relativ wenige Lehnwörter. Im Osten des römischen Reiches hat Latein niemals Griechisch verdrängt, sondern war im Gegenteil auf Militär und Verwaltung beschränkt. Aus Alexandria aus römischer Zeit z.B. zehnmal soviel griechische wie lateinische Papyrusfunde. Selbst in Rom war die gebildete Schicht seit Cicero zweisprachig. Cicero selbst hielt griechische Reden, sein bester Freund Atticus verbrachte lange Zeit in Athen. Während Latein im Osten des Imperiums auf die genannten Bereiche beschränkt blieb und sich nicht gegen das Griechische durchsetzte, wurde es in den westlichen Provinzen bald zur dominanten und für die schriftliche Kommunikation weithin zur einzigen Sprache. In einigen Bereichen wie Rechtsprechung und Wissenschaft galt dies auch noch im Mittelalter und teilweise bis in die Neuzeit. Als gesprochene Sprache freilich wurde Latein bereits zum Ausgang des Altertums durch die romanischen Sprachen abgelöst. Sprache der Verwaltung und des Militärs des römischen Reiches, Juristensprache bis zur Gestaltung der nationalen Gesetzbücher, internationale Verkehrssprache bis zum Westfälischen Frieden. Seit klassischer Zeit zunehmender Abstand zwischen gesprochener und geschriebener Sprache. Letztere stark normiert und seit klassischer Zeit unveränderlich. Erstere bildet das Vulgärlatein. Schrift und Bildung Harris 1989:151, "No serious consideration supports the notion that reading ability was widespread by the end of the sixth century, if such an expression means literacy among more than, say, 5% of the male citizens." Im frühen 8. Jh. v.Ch. führten die Griechen die Schrift nach Unteritalien ein. Schon vor

-700 benutzten auch einheimische Völker das Alphabet. Die Römer übernahmen das Alphabet wohl sowohl von den Etruskern als auch direkt von den Griechen. Für ersteres spricht der Gebrauch von für /g, k/, wie im Etruskisch, für letzteres der Gebrauch der Buchstaben , die das etruskische Alphabet nicht enthält.

7. Jh.: 10 Inschriften 6. u. 5. Jh.: 60

-70 Inschriften. Die meisten ganz kurze Graffiti, nur ganz wenige Grabinschriften. Die meisten auf Gegenständen, meist Töpfen.

13.2.

System der Sprache

13.2.1.
Ausdruckssysteme
13.2.1.1.
Phonologie
T$.

Lautsystem des ischen

labial dental alveo
-
palatal
velar
okkl. stl. p t k
sth. b d g
frik. stl. s š x
sth. z
affrikat dr
liquid l r
nasal m n
Halbvokal y w
Vokal i u
e a
Phonemsystem sehr regelmäßig. Konsonantensystem schlicht. Es gab ein /h/, das jedoch zu allen Zeiten schwach war und seinen Sitz hauptsächlich in der Schreibung hatte. Bereits im 2. Jh.v.Ch. schwand es, z.B. Plautus nihil > nil. Später wurde es, wohl durch Normierung, wiederhergestellt. Catull 84: Chommoda dicebat, si quando commoda vellet dicere, et insidias Arrius hinsidias, et tum mirifice sperabat se esse locutum. Vokalsystem: fünf Kurzvokale und entsprechende Langvokale, außerdem Diphthonge.

oi (eu)

ai au

/u/ und /i/ hatten halbvokalische Allophone. Cic. de div. 22, 84 berichtet folgende Anekdote: Als Crassus sich in Brindisi auf seine unglückliche Expedition gegen die Parther einschiffte, rief eine Obsthändlerin auf der Straße caunes [scil. ficos]! `Feigen aus Kaunos!' Er vestand allerdings caue n es! `geh ja nicht!' und wurde unsicher. Beruht auf dieser Allophonie. Wortakzent nach Moren geregelt, also nicht phonemisch. 13.2.1.2.

Schrift Schriftrichtung:

Seiten: von oben nach unten (Pergamentrollen)

Zeilen: von oben nach unten

Zeichen: von links nach rechts

Interpunktion: Keine Interpunktion oder geregelte Silbentrennung. Wort- und Satzgrenzen nur gelegentlich bezeichnet. Zeichen: Das lateinische Alphabet besteht aus den 21 Buchstaben: Lateinisches Alphabet A B C D E F G H I K L M N O P Q R S T V X V bezeichnet sowohl das vokalische "u" als auch das halbvokalische "w", ebenso I sowohl das vokalische "i" als auch das halbvokalische "j": = [i], [j] = [u], [w], [v] IVVENIS

= [juwenis]

Zur Kaiserzeit und aus dem Griechischen entlehnt, um die zahllosen Fremdwörter richtig schreiben zu können. Daher am Ende des Alphabets. Vokallänge wurde nur gelegentlich diakritisch bezeichnet. Verbreiteter Auffassung zum Trotz gab es keine erhebliche allophonische Variation von /k/: (nicht [k] ~ [`c]/[ts], sondern [kum, kikero]) oder von /t/: (nicht [t] ~ [ts], sondern [tum, nti]) Daher ist sind Schreibungen und phonemisch und phonetisch! Genealogie der Alphabete
Oskisch
Etruskisch Umbrisch
Griechisch Latein
... ...
Schreibmaterial: Geschrieben wurde auf Stein und Erz, Wachstafeln, geweißten Holztafeln, Papyrus und Pergament (< leder). werke der antiken schriftsteller nur in abschriften seit dem 9. jh. erhalten. Die Römer entwickelten ihr Alphabet aus dem etruskischen. Sie schrieben zunächst und in wichtigen Dokumenten stets mit Majuskeln (Großbuchstaben). Die Serifen entstanden als Ansatzpunkt für den Meißel. Die für die Handschrift bequemeren Minuskeln entstanden allmählich aus den Majuskeln; erst am Ausgang der Antike war die Minuskelschrift ausgebildet. Vokalsystem wurde in den meisten vulgärlatein. Dialekten von 10 auf 7 reduziert, dadurch daß der Längenunterschied aufgegeben und stattdessen eine Opposition zwischen offenem und geschlossenem /e/ und /o/ eingeführt wurde. Auch früh Monophthongierung der Diphthonge. Versmaß der Poesie beruht auf Moren, also dem Silbengewicht. Dazu ist Vokallänge kruzial. Da der Unterschied zwischen langen und kurzen Vokalen nicht mehr besteht, kann auch das Metrum nicht mehr quantitierend sein. Als die Vokallänge neutralisiert war, gab es akzentuierende statt quantitierender Metrik. Bereits im 3. Jh. dichtet Commodian folgenden Hexameter: Akzentuierendes Metrum nec enim uituper duitis dats Summ `denn ich tadle auch nicht die Schätze, die vom Höchsten gegeben sind' Längenbezeichnungen offenbar unangemessen. Wäre bei Vergil nicht möglich. 13.2.2.

Semantisches System 13.2.2.1.

Lexikon
Praktisch keine Komposition (anders als Griechisch und Germanisch), außer durch Bildung von Verba Composita durch "Präfigierung" von Adverbien vor die Simplicia. Aber sehr produktive Derivation, besonders von Abstrakta. Daher auch heute noch zahlreiche Abstrakte auf -tin `-ung'. Zahlreiche Lehnwörter aus dem Griechischen zu allen Zeiten seit dem 3. Jh.v.Ch. Griech. Lehnwörter
Wort Bedeutung
balneum Bad
epistula Brief
braccchium Arm
gamba Bein
pota Dichter
nauta Seemann
Lehnübersetzungen qulits

< poióts `Qualität'

indviduum

< átomon `Unteilbares'

Daneben Lehnwörter aus dem Etruskischen:
Etruskisch Latein Bedeutung
nef nepos
vinum vinum
Marce Marcus
Menerva Minerva
atrium Diele
histrio Schauspieler
lucumon Magistrat
Die letzten drei werden von römischen Autoren als etruskische Lehnwörter bezeichnet. Daneben gibt es Lehnwörter aus anderen italischen Sprachen und dem Gallischen. 13.2.2.2.

Grammatik 13.2.2.2.1.

Morphologie
Latein ist eine flektierende Sprache. Die Wörter nehmen durch Endungen verschiedene Formen an, die ihre Beziehungen zueinander im Satz kennzeichnen. So werden an Substantiven, Pronomina, Adjektiven und Zahlwörtern die Kategorien Genus, Numerus und Kasus bezeichnet. An Verben werden Person, Numerus, Tempus, Modus und Diathese bezeichnet. Deklination: Kasus, Numerus, Genus. Fünfeinhalb Deklinationsklassen. Konjugation: Person, Numerus, Tempus/Aspekt, Diathese, Modus. Viereinhalb Konjugationsklassen, mit unzähligen Stammbildungsverfahren. Die Flexion von Wörtern wird in Paradigmen dargestellt, also Tabellen wie der folgenden, die die Formen des Wortes mensa "Tisch" darstellt. Deklinationsparadigma
Numerus Kasus

\

Singular Plural
Nominativ mens

-a

mens

-ae

Genitiv mens

-ae

mens

-arum

Akkusativ mens

-am

mens

-as

Dativ mens

-ae

mens

-is

Ablativ mens

-a

mens

-is

Die Verbalflexion wird in vier Konjugationen unterteilt, die sich durch den der Wurzel angehängten Vokal unterscheiden (

-a, -e[+lang], -e, -i).

Das Verb flektiert nach Modus (Aktiv, Passiv und Medium kennzeichnen, ob z.B. das Subjekt des Satzes Agens oder Patiens ist [Bsp.!]), Tempus und Aspekt (die Verbalkategorien Perfekt und Imperfekt werden benutzt, um die Abgeschlossenheit bzw. Nicht

-Abgeschlossenheit einer Handlung zu kennzeichnen [Bsp.!]). Numerus und Person des Subjekts werden am Verb mitausgedrückt.

lauda-t er lobt

lauda-mus wir loben

Die Tempora (Zeitformen) des Verbs umfassen auch verschiedene Aspekte, so z.B. in der Vergangenheit scripsit "er hat geschrieben", aber scribebat "er war am schreiben". 13.2.2.2.1.1.

Morphologischer Typ 13.2.2.2.1.1.1.

Synthetisch:
Vergleich Latein - Italienisch: Synthetische Morphologie B1.

a. Petr-i

Peter-GEN.SG.M. `Peters'

b. canta-u-i

sing-PERF-1.SG `ich habe gesungen'

B2.

a. di Pietro

von Peter `Peters'

b. ho canta-to

hab:1.SG sing-PART.PASS:M.SG `ich habe gesungen'

13.2.2.2.1.1.2.
Flektierend-fusionierend:
Vergleich Lateinisch - Türkisch: Flektierende Morphologie B3.

a. ann-i

Jahr-GEN.SG.M `des Jahres'

b. ann-orum

Jahr-GEN.PL.M `der Jahre'

c. ann-us

Jahr-NOM.SG.M `(das) Jahr'

B4.

a. yl-n

Jahr-GEN `des Jahres'

b. yl-lar-n

Jahr-PL-GEN `der Jahre'

c. yl

Jahr `(das) Jahr'

B5.

anima et corde

Seele:ABL.SG.F und Herz:ABL.SG.N `mit Herz und Seele'

B6.

can u gönül-den

Seele und Herz-ABL `mit Herz und Seele'

13.2.2.2.2.
Syntax
Absolutkonstruktion im Ablativ: Absolutkonstruktionen B7.

sacrum auibus obseruatis inito

Opfer.AKK.SG.N Vogel:ABL.PL beobacht:PART.PASS:ABL.PL begeh:IMP.2.SG

`das Opfer sollst du nach Vogelschau begehen'

Wie viele andere syntaktische Konstruktionen hing auch diese entscheidend am funktionsfähigen Kasussystem: B8.

reliquias recollectas tumulum tibi constitui

Überrest:ACC.PL.F aufsammel:PART.PASS:ACC.PL.F Grabhügel:ACC.SG.M dir aufstell:PERF:1.SG

`nachdem ich die Überreste eingesammelt hatte, habe ich dir einen Grabhügel errichtet' (Afrika, 4. Jh.n.Ch.)

Wortstellung Wegen der Autonomie des Worts ist die Bildung syntaktischer Gruppen zwischen Wort- und Satzebene mangelhaft ausgebildet (vgl. B?.c). Vor allem kein NS. Im Zusammenhang damit auch kein Artikel (wie Russisch). Da die Funktion eines Wortes im Satz durch seine Endung ausgedrückt wird, ist die Wortstellung frei. D.h. Stellung syntaktischer Einheiten bis hinab zum Syntagma und gelegentlich sogar innerhalb des Syntagmas ist nicht durch syntaktische Relationen, sondern durch funktionelle Satzperspektive, ästhetische Gesichtspunkte u.ä., also nicht durch Grammatik, sondern durch Semantik und Pragmatik, geregelt. In der Dichtung wird dies in extremer Weise genutzt. Im folgenden Doppelvers muß man die Attribute überkreuz mit ihren Bezugswörtern verbinden:
At uolucres patulis residentes dulcia ramis
aber VögelNom.Fem breitenAbl.Mask sitzendeNom.Fem süßeNeutr.Pl. ZweigenAbl.Mask
carmina per uarios edunt resonantia cantus.
LiederAkk.Neutr durch verschiedene (Akk.Mask) verlauten3.Pl klingende (Akk.Neutr) GesängeAkk.Mask
Nebensätze sind nicht wie NSen oder Adverbialien, sondern wie Sätze gebaut. Die Kasusrelation ist dann in der Konjunktion fusioniert: quod, cum, ut, qua sind Kasusformen des Relativpronomens. Die Subordination wird z.T. durch den Modus ausgedrückt: ut mit Indikativ `wie', mit Konjunktiv `daß, damit'; dieses auch ohne ut. Da Subordination/Einbettung/Nominalisierung auf einer relativ hohen syntaktischen Ebene stattfinden, sind komplexe Schachtelungen und kunstvolle Perioden möglich. Periodenbau Postero di

quom per explrtrs cognuisset

qu in loc hosts

qu Brundisi prfect erant

castra posuissent,

flmen trnsgressus est,

ut hosts,

extra moenia uagants

et

nlls custdibus posits

incauts,

ante slis occsum aggredertur.

`Als er am folgenden Tage durch Kundschafter erfahren hatte, an welcher Stelle die Feinde, die von Brindisi aufgebrochen waren, ihr Lager aufgeschlagen hatten, überquerte er den Fluß, um die Feinde, die sich außerhalb ihrer Befestigung herumtrieben und, ohne Wachen aufgestellt zu haben, unvorsichtig waren, vor Sonnenuntergang anzugreifen.' Tendenz von synthetischer zu analytischer Morphologie. Das Kasussystem wird hauptsächlich durch Präpositionen ersetzt: Grammatischer Wandel B9.

(de) gladio percussus

von Schwert:ABL.SG.M durchbohr:PART.PASS:NOM.SG.M

`vom Schwert durchbohrt'

B10.

a. dimidium praedae

Hälfte:NOM.SG.N Beute:GEN.SG.F.

`die Hälfte der Beute'

b. dimidium de praeda

Hälfte:NOM.SG.N von Beute:ABL.SG.F

`die Hälfte von der Beute'

B11.

a. melle dulcius

Honig:ABL.SG.N süß:KOMP:NOM.SG.N

`süßer als Honig'

b. dulcius quam mel

süß:KOMP:NOM.SG.N als Honig:NOM.SG.N

`süßer als Honig'

Im 9. Jh. wurde der Abstand zwischen der Schrift- und der Umgangssprache so groß, daß sie nicht mehr als Varianten einer Sprache empfunden wurden. Erster italien. Text: Ein Eid im Placito Capuano (960), einem sonst latein. Text, der die jurist. Herkunft eines Landstücks betrifft: sao ko kelle terre, per kelle fini que ki contene, trenta anni le possette parte Sancti Benedicti. `Ich weiß daß diese Länder, in den Grenzen die hier enthalten sind, 30 Jahre die Partei von St. Benedikt besessen hat.' 13.3.

Erforschung der Sprache

13.4.

Textproben

CICERO DICAX ERAT ET FACETVS ADEO 'kikero:

'dika:ks 'erat et fa'ke:tus a'deo:

Cicero:NOM.SG.M

witzig:NOM.SG.M sein.IMPF:3.SG und scherzig:NOM.SG.M so.sehr

`Cicero war so boshaft und witzig,' VT AB INIMICIS APPELLARETVR SCVRRA CONSVLARIS ut

ab ini'mi:ki:s ap:ela:'re:tur 'skur:a kõsu'la:ris

daß

von Feind:ABL.PL nenn:IMPF.KONJ:PASS.3.SG Witzbold:NOM.SG.M konsular:NOM.SG.M

`daß er von seinen Feinden der Witzkonsul genannt wurde.' CVM LENTVLVM GENERVM SVVM k

'ltul 'gner 'su

als

Lentulus:AKK.SG.M Schwiegersohn:AKK.SG.M sein:AKK.SG.M

`Als er seinen Schwiegersohn Lentulus,' EXIGVAE STATVRAE HOMINEM k'sigwaj

sta'tu:raj 'omin

schmächtig:GEN.SG.F

Statur:GEN.SG.F Mensch:AKK.SG.M

`einen Mann von schmächtiger Statur,' VIDISSET LONGO GLADIO ACCINCTVM wi:'dis:et

'lõgo: 'gladjo a'k:kt

seh:KONJ.PLUSQ:3.SG

lang:ABL.SG.M Schwert:ABL.SG.M angürt:PART.PASS:AKK.SG.M

`mit einem langen Schwert gegürtet sah,' QVIS INQVIT GENERVM MEVM kwis

'kwit 'gner 'me

wer:NOM.SG.M

sag:3.SG Schwiegersohn:AKK.SG.M mein:AKK.SG.M

`sagte er: "Wer hat meinen Schwiegersohn' AD GLADIVM ALLIGAVIT ad

' gladj al:i'ga:wit

an

Schwert:AKK.SG.M anbind:PERF:3.SG

`an das Schwert gebunden?"' 13.5.

Bibliographie

Coleman, Robert G.G. 1989, "Latin and the Italic languages". Comrie (ed.) 1989[w]:180-202.

Collart, J. 1967, Histoire de la langue latine. Paris: Presses Universitaires de France.

Devoto, Giacomo 1968, Geschichte der Sprache Roms. Heidelberg: C. Winter (Indog. Bibl., 1. Reihe. Lehr- und Handbücher).

Eisenhut, Werner 1985, Die lateinische Sprache. Ein Lehrgang für deren Liebhaber. München & Zürich: Artemis.

Marouzeau, Jules 1970, Das Latein. Gestalt und Geschichte einer Weltsprache. München: dtv (Wissenschaftliche Reihe, 4029).

Meillet, Antoine 1952, Esquisse d'une histoire de la langue latine. Paris: Hachette. 6. éd.; 1. éd.: 1928; 5. éd.: 1948.

Palmer, Leonard R. 1954, The Latin language. London & Boston: Faber & Faber (The Great Languages).

Pulgram, Ernst 1978, Italic, Latin, Italian 600 B.C. to A.D. 1260. Texts and commentaries. Heidelberg: C. Winter (Indog. Bibl., 1. Reihe).

Serbat, Guy 1980, Les structures du latin. Avec un choix de textes traduits et annotés de Plaute aux Serments de Strasbourg. Paris: Picard (Connaissance des langues, 10). Nouvelle édition revue et augmentée.

Stolz, Friedrich et al. 1966, Geschichte der lateinischen Sprache. Berlin: W. de Gruyter (Göschen 492/492a). 4., stark umgearb. Aufl. v. W.P. Schmid.

14. Gotisch

14.1.

Situation der Sprache

14.1.1.
Sprachname
Auf gotisch belegt ist Gutþiuda "Gotenvolk". Griech. (Strabo, 1. Jh. v.Ch.) und (später) , entspricht lat. Gtnes (Plinius, 79 n.Ch.) bzw. Gothi. Daraus kann man ein gotisches *Gutans "Goten" erschließen. Bedeutung unbekannt. Seit dem 16. Jh. gibt es in deutscher humanistischer Literatur das Wort Goten/gotisch, in Anlehnung an die lateinischen Wörter. 14.1.2.

Ethnographische Situation 14.1.2.1.

Sprachgebiet
Die Urheimat der Goten ist im östlichen Ostseeraum, also in Südschweden und im Baltikum, zu suchen. Das Sprachgebiet hat sich im Verlaufe der Spätantike stark verändert und auf weite Teile Europas ausgedehnt. Details im historischen Abschnitt. 14.1.2.2.
Sprachgemeinschaft
Die Sprecher des Gotischen sind wohl i.w. immer nur die Goten gewesen, ein ostgermanischer Stamm. Dieser gliedert sich in einen westgotischen oder visigotischen und einen ostgotischen Teil. Sie sind benannt nach der relativen geographischen Lage der ersten Wohnsitze, die sie nach der Abwanderung aus ihrer gemeinsamen Urheimat im 3. Jh. n.Ch. einnahmen, nämlich einerseits westlich und andererseits nördlich des Schwarzen Meers. 14.1.3.
Genetische Situation
14.1.3.1.
Extern: Genetische Affiliation
Das Gotische gehört zu den ostgermanischen Sprachen und ist die ältestbezeugte germanische Sprache. In Reiseberichten aus dem 16. Jh. wird noch das Krimgotische erwähnt. Diese Berichte sind allerdings umstritten, so daß man nicht sicher sein kann, wann genau die gotische Sprache ausgestorben ist. Das Deutsche ist eine westgermanische Sprache, geht also nicht auf das Gotische zurück. 14.1.3.2.
Intern: Dialekte
14.1.4.
Historische Situation
14.1.4.1.
Extern: Geschichte der Sprachgemeinschaft
In Norddeutschland und Skandinavien wohnen zur Bronzezeit die Urgermanen. In diesem Bereich ist auch die Urheimat der Goten zu suchen. Sie zogen um Christi Geburt aus Skandinavien in das Gebiet zwischen Oder, Warthe und Weichsel und im 2. Jh. n. Chr. weiter nach Südosten. Ein Teil dieses Volkes, die Ostgoten, kam in die heutige Ukraine, wo sie das erste gotische Reich gründeten. Nachdem dieses 375 von den Hunnen zerstört worden war, zogen die Ostgoten (abgesehen von den späteren Krimgoten) nach Dalmatien und unter Theoderich weiter bis Italien, wo sie gegen Ende des 5. Jh. das bis 553 bestehende Ostgotenreich gründeten. Der andere Teil der Goten, die Westgoten, wanderte nach Süden über die Donau in römisches Reichsgebiet ein. Der römische Kaiser Valens siedelte sie 376 n. Chr. als Bundesgenossen zum Schutz seiner Reichsgrenzen in der römischen Diözese Mösien (heutiges Bulgarien) an. Die Westgoten erhoben sich jedoch gegen die Römer, wanderten ab Ende des 4. Jh. n. Chr. von Mösien nach Südgallien und errichteten 418 n. Chr. ein westgotisches Reich mit der Hauptstadt Tolosa (Toulouse), das sich allmählich bis nach Spanien ausdehnte, 711 n. Chr. aber von den Arabern vernichtet wurde. 14.1.4.2.
Intern: Sprachgeschichte
14.1.5.
Soziale Situation
14.1.5.1.
Externe soziale Situation
In den gotischen Reichen lebten Völker verschiedener Sprachen zusammen. Das Gotenvolk am schwarzen Meer bestand beispielsweise aus diversen ostgermanischen Volksgruppen, die sich aber der gotischen Standardsprache unterordneten. Ein großer Teil der Bevölkerung Mösiens war auch griechischer Herkunft, so auch die Mutter Wulfilas. Es lebten also verschiedene Sprachen nebeneinander, und man kann annehmen, daß auch ein beträchtlicher Teil der einfachen Leute zweisprachig (Griechisch und Gotisch) waren. Später im Ostgotenreich Italiens lebte die kleinere gotische Bevölkerung unmittelbar neben der Latein sprechenden Bevölkerung. Auch diese Goten waren sicher zweisprachig. 14.1.5.2.
Interne soziale Situation
14.2.

System der Sprache

14.2.1.
Ausdruckssysteme
14.2.1.1.
Phonologie
14.2.1.2.
Schrift
14.2.1.2.1.
Runen
14.2.1.2.2.
Gotische Schrift
Wulfila gilt als Erfinder der gotischen Schrift (die übrigens nichts mit der viel späteren sogenannten gotischen Schrift des Mittelalters zu tun hat). Sie basiert auf der griechischen Unzialschrift des 4. Jh., ist also eine rechtsläufige alphabetische Schrift. Von den 25 Buchstaben stammen 19 aus dem griechischen Alphabet, sechs Buchstaben (q, h, j, r, s, f) stammen aus dem lateinischen Alphabet, zwei Buchstaben (für u und o) stammen aus dem Runenalphabet. Sätze und Satzteile werden, wie in der griech. Unzialschrift, durch etwas größeren Abstand sowie einen Punkt über der Linie getrennt; Worttrennung gibt es nicht. Die übrigen germanischen Stämme übernahmen die gotische Schrift größtenteils. Später setzte sich allerdings überall die lateinische Schrift durch. 14.2.2.

Semantisches System 14.2.2.1.

Lexikon
14.2.2.2.
Grammatik
14.3.

Erforschung der Sprache

14.4.

Textproben

14.4.1.
Codex Argenteus
Der Westgote (Therwinger) Wulfila (lat. Ulfilas; 311

-383) war Missionar und arianischer Bischof des römischen Gotenreichs. Er wurde in einem Dorf in Muntenien nördlich der unteren Donau, also im antiken Dakien (heute Rumänien) geboren. Er sprach außer Gotisch Griechisch und Latein. Er predigte der dakisch-römischen Bevölkerung auf Latein. In Mösien war Wulfila Bischof der Westgoten. Er hatte die Aufgabe, diese Heiden zu christianisieren. Seine Mission unter den Goten führte dazu, daß er 348-350 mit einer Schar Gläubiger vor den heidnischen Gotenführern über die Donau fliehen mußte. Die Gruppe siedelte sich bei Nikopolis ad Istrum in Niedermösien (Zentralbulgarien) an. Dort übersetzte Wulfila die Bibel ins Gotische.

Der abgebildete Text ist der gotischen Bibel entnommen. Von der Wulfila

-Bibelübersetzung ist uns allerdings nicht das Original, sondern nur unvollständige Abschriften erhalten. Hierzu zählt auch der Codex Argenteus, der im 6. Jh. n. Chr. im ostgotischen Italien entstanden ist. Das Original des Codex Argenteus besteht aus purpurgefärbtem Pergament mit silbernen bzw. goldenen Buchstaben in silbernem Einband. Daher der Name "silberner Kodex".

Der unten dargestellte Text ist das gotische Vaterunser (Mt. 6,9

-13).

Da das Gotische mit dem Deutschen ziemlich nah verwandt ist, kann man einige Wörter auch ohne sprachwissenschaftliche Ausbildung verstehen: z.B. unsar "unser"; namo "Name"; ist "ist". Der Vergleich von Formen wie got. unsaraim mit dt. unsern oder sijaima (eine Optativform!) mit dt. seien zeigt, daß Gotisch ebenso wie die anderen alten indogermanischen Sprachen über einen größeren Formenreichtum als das moderne Deutsch verfügt. Die Sprache der gotischen Bibel ist stark durch das Griechische und Lateinische beeinflußt. Das ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Erstens hatte Wulfila sicher Interferenzen aus dem Griechischen, das ja die Originalsprache der Bibel war und das er fließend sprach. Zudem ist die Abschrift seiner Übersetzung auf italienischem Boden entstanden. Gewiß hat der lateinisch sprechende Kopist bewußt oder unbewußt den Text verändert. Wulfila prägte mit seiner Übersetzung die gotische Hochsprache. Sie wurde später die Sprache der Oberschicht am Hofe des Königs Theoderich. 14.4.2.

Die Runeninschrift der Lanzenspitze von Kowel Linksläufige Inschrift in Runen, ca. 230 n.Ch.: tilarids "Angreifer, Anreiter". 14.4.3.

Steininschrift aus Uppland Linksläufige Inschrift auf einem Stein aus Uppland (Schweden) nach dem Runenalphabet, ca. 4. Jh. n.Ch. Frawaraðaz ana hahai slaginaz Übersetzungen: "Frawaradaz (wurde) auf dem Hengst erschlagen." "Frawaradaz auf Hagi ist erschlagen." "Frawaradaz der Mutige ist erschlagen." 14.5.

Bibliographie 15.

Index

Afroasiatisch
Afroasiatisch ist ein aus mehreren Sprachfamilien bestehendes Phylum, das sich im Norden Afrikas von Marokko bis Ägypten und Äthiopien und bis in den Mittleren Osten, in Ostafrika nach Süden bis in den Tschad erstreckt. Ur

-Afroasiatisch wurde bis ca. -10.000 von Nomaden in Nordostafrika gesprochen.

Die Familie hieß bis in die 60er Jahre des 20. Jh. Hamitosemitisch; die Zweige Semitisch und Hamitisch wurden nach Noahs Söhnen Šem und Cham benannt. Die ältesten und die modernen semitischen Sprachen sind einander ähnlicher als die ersteren und die omotischen Sprachen . Deshalb müssen die Zweige des Proto-Afroasiatischen vor -5.000 abgewandert sein. Die immer wieder vorgeschlagenen Verwandtschaften des Afroasiatischen mit anderen Sprachfamilien (Nostratisch) sind daher nicht erweislich.

Wegen antiker afroasiatischer Sprachen s. Ägyptisch (Kap. 5), Semitisch, Berber. Die kuschitischen, omotischen und tschadischen Zweige sind erst in der Neuzeit belegt. Ägyptisch S. Kap. 5. Akkadisch S. Kap. 4. Alphabet Ein Alphabet ist eine geordnete Menge von Buchstaben. Ein Buchstabe ist ein Schriftzeichen, das für einen einzelnen Sprachlaut steht (im Gegensatz zu einem Silbenzeichen). (Ausnahmsweise kann ein Buchstabe eine Folge von Sprachlauten bezeichnen, wie = /ks/.) Eine alphabetische Schrift ist eine Schrift, die auf einem Alphabet basiert, im Gegensatz zu einer logographischen (Logographie) und einer Silbenschrift. Die alphabetische Schrift wurde um -1.500

- -1.200 von den Phöniziern (Phönizisch) aus der ägyptischen hieratischen Schrift entwickelt, und zwar zunächst als reine Konsonantenschrift. Von -900 an wurde sie von den Aramäern weiterentwickelt. Die Moabiter und palestinischen Phönizier fügten einige Vokalbuchstaben hinzu. Spätestens um -800 übernahmen die Griechen das Alphabet von den Phöniziern. Sie fügten Buchstaben für alle Vokale hinzu. Alle modernen europäischen Alphabete, darunter das lateinische und russsische, gehen letztlich auf das griechische zurück.

Altaisch Über die altaischen Sprachen gibt es keine vorneuzeitlichen Dokumente. Alteuropäisch Alteuropäisch ist ein Sammelbegriff für die Sprachen, die in Europa nach der letzten Eiszeit und vor der Ankunft der Indogermanen, also in der Steinzeit, gesprochen wurden; es ist also keine Sprachfamilie. Einige der alteuropäischen Sprachen sind trümmerhaft schriftlich überliefert, die meisten nur aus Glossen, Toponymen und Substratwörtern bekannt. Alteuropäisch zerfällt in drei Zweige, die Sprachfamilien sein könnten (Vennemann 1994, Sverdrup & Guardans 1999). Der nordwestliche Zweig (in Nordeuropa einschließlich Nordiberien) umfaßt Protobaskisch, Piktisch sowie eine Sprache, die in Topo

- und Hydronymen auf dem Gebiet der Niederlande erscheint. Der südliche Zweig (in Südiberien) umfaßt Iberisch und Tartessisch und bildet wohl keine Familie. Der zentrale Zweig (übriges Südeuropa) umfaßt Etruskisch, Lemnisch, Rätisch und Elymisch. Die drei zugehörigen Ursprachen sind höchstens durch Toponyme bezeugt.

Die alteuropäischen Völker haben wahrscheinlich während der letzten Eiszeit in Südeuropa, also über Jahrtausende geographisch getrennt, überwintert, sind dann (seit -10.000) dem zurückgehenden Eis nach Norden gefolgt und haben das zu der Zeit menschenleere Mittel

- und Nordeuropa besiedelt. Die Topo- und Hydronymie, die auf sie zurückgeht, ist notwendigerweise die älteste in Europa. Allerdings ist es strittig, wie viel von der ältesten in Europa greifbaren und daher alteuropäisch genannten Topo- und Hydronymie indogermanisch ist. Soweit es innerhalb der drei alteuropäischen Zweige um -4.000 noch eine sprachliche Einheit gab, wurde sie durch die Ankunft der Indogermanen aufgelöst.

Altindisch S. Kap. 10. Altirisch Die älteste überlieferte inselkeltische Sprache. Die ältesten Dokumente sind Ogam

-Inschriften aus dem 5. Jh. n.Ch. (nach einigen bereits aus dem 1. Jh. n.Ch.).

Altlybisch S. Numidisch. Altpersisch Eine der beiden altiranischen Sprachen. Sprache von einigen Dutzend in Südwestpersien gefundenen Dokumenten, die von Darius und seinen Nachfolgern, also den Königen des persischen Großreiches, abgefaßt wurden. Altpersisch wird in einer eigenen Variante der Keilschrift geschrieben, die womöglich von Darius in Auftrag gegeben wurde. Amoritisch Sprache der Amoriter oder Amurru, das sind Nomaden, die zu Beginn des 2. Jt. aus Syrien nach Mesopotamien vordrangen. Die Sprache ist nur durch Eigennamen in sumerischen, akkadischen und biblischen Texten belegt. Da die Eigennamen gelegentlich interne Syntax haben, versucht man Amoritisch aus ihnen zu rekonstruieren. Anatolisch Zweig der indogermanischen Sprachen, auch hethitisch
-luwisch genannt. Er ist einerseits stark von den anderen indogermanischen Sprachen verschieden und andererseits sind die beteiligten Sprachen die frühest belegten. Daher muß er sich früh vom Urindogermanischen abgespalten haben. Die Anatolier sind spätestens -2.000 in Kleinasien eingewandert und haben dort nichtindogermanische Völker überlagert. Der Zweig ist bereits im Altertum restlos ausgestorben.

Aquitanisch Alteuropäische Sprache Aquitaniens, die man mit Protobaskisch zusammenbringen kann, über die aber nichts Sicheres bekannt ist. Arabisch Das moderne Arabisch ist eine zentralsemitische Sprache. Die älteste Inschrift in arabischer Sprache ist eine Grabinschrift von 328 n.Ch., in nabatäischer Schrift. Die älteste Inschrift in arabischer Schrift wird auf 512 datiert. Eine zusammenhängender Überlieferung beginnt erst im Mittelalter. Aramäisch Eine zentralsemitische Dialektgruppe, gesprochen von den Aramäern. Diese sind eine seit -1.300 in Nordsyrien ansässige Gruppe von Semiten, die sich bis ca. -900 in kleineren Königreichen in Nordsyrien und Mesopotamien etablieren. Die Sprache ist erst seit -850 durch Inschriften in phönizischem Alphabet bekannt. Sie breitet sich dann im ganzen vorderen Orient aus, verdrängt Akkadisch, Hebräisch, Phönizisch und einige andere als gesprochene Sprachen, wird wichtigste Verkehrssprache in den großen Reichen von Assyrien und Babylon und wird im (persischen) Achämenidenreich zur offiziellen Verwaltungssprache. Diese Variante heißt Reichsaramäisch. Große Teile der Bücher Ezra und Daniel des Alten Testaments sind auf Aramäisch. Mit der politischen Zersplitterung des Raums wird Aramäisch die Sprache diverser religiöser Gruppen und spaltet sich in West

- und Ostaramäisch. Zum Westaramäischen gehören Jüdisch-Palästinensisch, die Sprache Jesu Christi (zu dessen Zeit man in Israel nicht Hebräisch sprach), und Christlich-Palästinensisch, die Sprache der Melkiten zwischen dem 5. und 8. Jh. n.Ch. Zum Ostaramäischen gehören Syrisch (darunter eine Assyrisch genannte lebende Sprache), Samaritanisch und Mandäisch. Die Sprache der hohen Kultur war in der Antike im selben Raum allerdings Griechisch.

Mit der Ausbreitung des Islam im 7. Jh. wird Aramäisch von Arabisch verdrängt, jedoch bis heute in Syrien, Iran, Irak und Georgien gesprochen. Arisch Indoiranisch. Armenisch Indogermanische Sprache, die seit -550 in Armenien, auf dem Boden des vormaligen Reiches von Urartu, gesprochen wird. Schriftsprachen sind zunächst nur Griechisch und Syriakisch Die ältesten armenischen Texte sind christlicher Natur und stammen aus dem 5. Jh. n.Ch. Die Sprache hat eine eigene rechtsläufige alphabetische Schrift, die im Jahre 402 von Bischof Mesrop Machtots nach dem Prinzip "ein Laut

 - ein Buchstabe" aus der griechischen Schrift entwickelt wurde. Das Alphabet umfaßte zunächst 36, später 38 Buchstaben.

Assyrisch Nordmesopotamische Variante des Akkadischen. Autonym Derjenige von den oft mehreren Namen einer Sprache oder eines Volkes, den die betreffende Sprachgemeinschaft selbst benutzt. Z.B. ist das Autonym für Französisch (und French) français. Avestisch Eine der beiden altiranischen Sprachen, nämlich die Sprache des Avesta, einer Sammlung von Texten des Zarathustra und seiner Jünger, die in Nordostpersien lebten. Der älteste Teil des Avesta, die Gathas, geht noch auf Zarathustra selbst, also in die Zeit

-1.000 - -800 zurück und ist somit so archaisch wie der Rigveda. Der größere Teil des Avesta ist jungavestisch. Avestisch wird in einer linksläufigen Alphabetschrift geschrieben. Die Parsi, die zoroastrische Gemeinde von Persien und Indien, die heute Pahlavi spricht, bewahrt die Texte und eine Tradition ihrer Aussprache.

Babylonisch
Südmesopotamische Variante des Akkadischen. Behistun Altpersisch Bagastna "Ort der Götter"; 100 km westlich von Hamadn (dem antiken Ekbatana, Westpersien). An einem unzugänglichen Felsen in 50 Meter Höhe gibt es ein Relief mit umfangreichen übersetzungsäquivalenten Inschriften in altpersischer, elamischer und babylonischer Keilschrift, die die

-521 stattgehabte Machtergreifung des Darius beschreiben. Zusammen sind sie die umfangreichste Inschrift der Welt. Sie wurden von Henry Rawlinson abgezeichnet. Er entzifferte und übersetzte 1837 zunächst die altpersische und publizierte 1851 Text, Transkription und Übersetzung der babylonischen Inschrift.

Berber Das Berberische ist der westlichste Zweig des afroasiatischen Phylums, der bereits in der Antike über Nordafrika - im Osten bis Ägypten - verbreitet war. Die ältesten Dokumente sind libysche Inschriften, von denen eine auf -139 datiert ist und deren Beziehung zum Punischen umstritten ist. Bilderschrift Eine Bilderschrift (Piktographie) ist ein Kode aus konventionellen Bildern (Piktogrammen) zur Übermittlung von Nachrichten. Darstellbar sind nur visuell wahrnehmbare Vorstellungen. Ein Piktogramm kann einen ganzen Gedanken oder nur eine Komponente davon wiedergeben. Eine Piktographie hat nur eine lose Beziehung zu einer gesprochenen Sprache und gibt deren Struktur i.a. nicht wieder. Bilingue Eine Bilingue (lat. "zweisprachig") ist ein Dokument, das Übersetzungsäquivalente eines Textes in zwei Sprachen enthält. Aus der Antike sind zahlreiche Bilinguen erhalten. Bilinguen sind bei der Entschlüsselung unbekannter Sprachen nützlich. Das bekannteste Beispiel ist der Stein von Rosette (s. Ägyptisch). Brhmi
-Schrift
S. Kap. 10. bustrophedon Griech. "ochsenwendemäßig (nämlich beim Pflügen)". Schreibweise, in der die Schriftrichtung von einer Zeile zur nächsten wechselt. Vielfach wechselt dann auch die Orientierung der Schriftzeichen. Byblos Pseudohieroglyphische Inschriften, Datierung umstritten, evtl. älteste Form des

-> Phönizischen.

Chinesisch S. Kap. 2. Dakisch Sprache der Daker. Dakien ist das heutige Südrumänien, wurde römische Provinz und 270 n.Ch. offiziell aufgegeben. Erhalten sind ausschließlich Sprachtrümmer, so daß nicht klar ist, wie sich Dakisch genau zu Thrakisch verhält. Dakisch starb zugunsten von Rumänisch aus. Dravidisch Sprachfamilie, die, soweit die Geschichte zurückreicht, in Indien autochthon ist und urspünglich in ganz Indien beheimatet war. Seit der Antike wird sie jedoch von indoarischen Sprachen auf Süd

- und Ostindien zurückgedrängt. Die Tafel zeigt die wichtigsten Sprachen.

Dravidisch Süddravidisch Tamil
Malayam
Kannaa
...
Südzentraldravidisch Telugu
...
Zentraldravidisch ...
Norddravidisch ...
Am frühesten ist Tamil belegt. Kannaa ist seit dem 4. Jh. belegt.

Eblaitisch

Wichtigste altkanaanäische Sprache, früher mit Altkanaanäisch gleichgesetzt. Sprache des Reiches von Ebla (oder Ibla; heute Tell Mardikh, Nordwestsyrien), das vermutlich Palästina und Phönizien umfaßte. Bekannt aus einem riesigen, 1975 entdeckten Palastarchiv (ca. 15.000 Tafeln). Ebla urkundlich zuerst erwähnt ca. -2.350 von Sargon. Verliert ab -1.200 an Bedeutung. Eblaitisch wird seit etwa -2.400 in der aus Babylonien übernommenen Keilschrift geschrieben, allerdings überwiegend logographisch. Daher ist über die Phonologie der Sprache wenig bekannt. Unter den Texten sind auch eblaitisch

-sumerische Glossare.

Elamisch Auch Elamitisch. Das Reich von Elam, mit der Hauptstadt Susa, lag im heutigen Chusistan im südwestlichen Iran und existierte gleichzeitig mit Sumer. Elamisch wird in Keilschrift geschrieben. Es gibt Tausende von Texten. Sicher können allerdings nur solche gedeutet werden, die von akkadischer oder altpersischer Übersetzung begleitet sind. Die frühesten Texte (Proto

-Elamisch) sind Tontafeln aus Susa, beginnen ungefähr gleichzeitig mit den ältesten sumerischen Tafeln, also am Ende des 4. Jt. v.Ch., und enden um -2.200 (erste Publikation: Vincent Scheil, 1905). Die Schriftform ist völlig anders als die sumerische. Ob Proto-Elamisch eine historische Vorstufe von Elamisch ist, ist nicht sicher.

Es gibt elamische Texte von -2.150 (Vertrag mit Naram

-Sin), -1.200, -700. Noch zur Achämenidenzeit (6. - 5. Jh.) wird Elamisch in Persien auf Inschriften verwendet, ist also eine Verwaltungssprache des Achämenidenreichs, wird aber wohl nicht mehr gesprochen. Die Sprache ist genetisch isoliert, wird allerdings von David McAlpin (Universität London) für dravidisch gehalten.

Elymisch In den Städten Eryx und Segesta, Westsizilien gesprochene indogermanische Trümmersprache, die nur durch Inschriften auf Tongefäßscherben erhalten ist und kurz nach der römischen Eroberung Siziliens verschwand. Eteokretisch Nichtindogermanische Trümmersprache Kretas, die dort schon vor dem Eintreffen der Griechen ansässig war, jedoch erst nach Einführung des Alphabets in etwa einem Dutzend Inschriften in griechischer Schrift überliefert ist. Etruskisch S. Kap. 8. Faliskisch Sprache der Einwohner von Falerii, einer nördlich von Rom auf etruskischem Gebiet gelegenen Stadt, die
-241 von den Römern zerstört wurde. Die Sprache ist in ca. 150 Inschriften überliefert und dem Lateinischen am nächsten verwandt. Noch zu republikanischer Zeit vom Latein verdrängt.

Futhark Das Runenalphabet, benannt nach den ersten Buchstaben.$?
Gallisch
In Gallien und Norditalien gesprochene keltische Sprache. Gallisch ist durch eine Reihe von Inschriften zwischen -200 und 100 überliefert. Es wird in einem vom griechischen abgeleiteten Alphabet geschrieben. Nach der in Caesars Bellum Gallicum ausführlich dargestellten Eroberung Galliens durch die Römer (bis -50) starb die Sprache innerhalb weniger Jahrhunderte aus. Sie ist zu wenig bekannt, um sie sicher als Substrat des Französischen nachweisen zu können. Ge'ez Äthiosemitische Sprache, gesprochen am Horn von Afrika. Eng verwandt mit dem - geographisch benachbarten - Südarabischen, das auch ein Vorläufer sein kann. Kontakte zwischen Südarabien und Äthiopien sind seit -500 bezeugt, aber wohl mehrere Jahrhunderte älter. Nachdem in Äthiopien jahrhundertelang Südarabisch geschrieben worden war, wird seit Beginn des Reiches von Axum (2. Jh. n.Ch.) dort auf Ge'ez geschrieben. Die ältesten Texte sind in südarabischer Kursivschrift, die weiteren in einer daraus entwickelten eigenen äthiopischen Schrift. Ge'ez stirbt etwa im 10. Jh. als gesprochene Sprache aus. Germanisch Zweig der indogermanischen Sprachen und Sprache der Germanen. Diese saßen zuletzt in Südskandinavien und Norddeutschland, als Träger der von -600

- -300 bezeugten Jastorf-Kultur. Ihre Heimat grenzte somit im Süden an die Urheimat der Kelten und Italiker an. Von hier dehnten die Germanen sich über Jahrhunderte nach Süden aus.

Die Germanen selbst konnten nicht lesen und schreiben, so daß Urgermanisch nicht überliefert ist. Die am besten belegte antike germanische Sprache ist Gotisch (s. Kap. 14). Nordgermanisch oder Skandinavisch ist bereits seit dem 2. Jh. n.Ch. in Runeninschriften überliefert, aber diese sind kaum verständlich. Alle anderen germanischen Sprachen wurden in der Antike noch nicht geschrieben. Getisch Südlich der Donaumündung um das Jahr 0 gesprochener thrakischer Dialekt. Ovid, der dorthin verbannt worden war, verfaßte eine Eloge auf Augustus auf Getisch, die jedoch verloren ist. Glosse Randbemerkung an einem Text, insbesondere eine solche, die den Sinn eines schwierigen Wortes erläutert oder in die Sprache des Schreibers übersetzt. Glottochronologie Methode des historischen Sprachvergleichs, welche die Resultate der Lexikostatistik chronologisch interpretiert. Anhand von Sprachen, die über einen langen Zeitraum historisch bezeugt sind, wird die Halbwertszeit des Basisvokabulars einer Sprache bestimmt: 14% der Significantia sind nach 1.000 Jahren noch den betreffenden Signifikata zugeordnet. Somit kann für die Verwandtschaftsgrade, die sich aus der Lexikostatistik ergeben, die Zeittiefe errechnet werden. Die Methode ist sehr grob, u.a. weil die Halbwertszeit nicht geeicht werden kann. Trotz verschiedener Versuche, die Formel der Halbwertszeit zu verfeinern, bestimmt sie die Zeittiefe von Verwandtschaften, die historisch überprüfbar sind, nur sehr ungenau und kann daher höchstens zu ganz groben Schätzungen dienen. Gotisch S. Kap. 14. Griechisch S. Kap. 12. Guanche Guanche war die einheimische Sprache der Kanarischen Inseln, die etwa 1.700 zugunsten des Spanischen ausstarb. Das wenige, was darüber bekannt ist, läßt den Schluß zu, daß es eine afroasiatische, vielleicht eine Berbersprache ist. Auch wann die Guanche auf die Inseln gekommen sind, ist nicht klar. Gutäisch Sprache der Gutäer, die von -2298 bis -2110 in Mesopotamien herrschten.
Hamitisch
Frühere Bezeichnung für das afroasiatische Phylum oder einen Teil davon. Harappa S. Induskultur. Hattisch Auch Proto

-Hattisch (früher Chattisch). Sprache der Hattier, die vor Ankunft der Hethiter, also vor -2.000, in Nordanatolien wohnten. Die Sprache ist aus dem Archiv von Hattusas, der hethitischen Hauptstadt, also erst aus hethitischer Zeit bekannt, und wurde bis zum Ende des hethitischen Reiches gesprochen.

Hebräisch S. Kap. 6. Hethitisch Sprache der Hethiter; Autonym ist Nesisch. Die Sprache gehört zum anatolischen Zweig der indogermanischen Sprachen. Hethitisch wird von -1.900 bis -1.200 in Kleinasien gesprochen, mit Zentrum in Hattusas (= türk. Boazkale, 150 km östlich von Ankara). Von -1.800 an unterwerfen die Hethiter Kleinasien. Unter Mursilis I expandieren sie -1.595 bis Babylon; unter Suppiluliumas erobern sie das Reich von Mitanni; um -1.300 teilen der Hethiter Muwatalli und Ramses II sich Syrien und Palästina. Danach werden die Hethiter von den Assyrern verdrängt. Die Hethiter übernehmen um -1.700 von den Hurritern die Keilschrift und schreiben ihre Texte teils silbisch, teils mit (sumerischen) Logogrammen, teils sogar in akkadischer Silbenschrift. Daher sind von zahlreichen Wörtern die hethitischen Significantia nicht bekannt. Es sind über 25.000 Tontafeln bekannt. Viele der althethitischen Texte sind nur in jüngeren Abschriften erhalten. 1906 wurde das Tontafelarchiv von Hattusas entdeckt. 1915

- 1917 entzifferte Bedich Hrozny die Texte aufgrund der bestehenden Kenntnis der Keilschrift und der Hypothese, daß die Sprache indogermanisch sei.

hieratische Schrift Variante der ägyptischen Hieroglyphenschrift. Hieroglyphen Bildhafte Schriftzeichen, von griech.

- "heilig-gravierte Schriftzeichen". Ursprünglich Bezeichnung für die ägyptische Schrift, danach auch für die ähnlich bildhaften Zeichen des Hieroglyphenluwischen, der kretischen Hieroglyphenschrift, der Induskultur, des Klassischen Maya und der Osterinselsprache. Über die Systematik des Schriftsystems sagt der Ausdruck nichts; d.h. Hieroglyphen sind nicht notwendigerweise Piktogramme.

Hieroglyphenluwisch Variante des Luwischen, die -1.650

- -750 in einer hieroglyphischen Schrift geschrieben wird und im Sprachgebiet selbst in Gebrauch ist. Die Schrift wird - ausschließlich glyptisch - neben der üblicheren Keilschrift verwendet. Sie ist wohl inspiriert an den älteren ägyptischen und minoischen (Linear A) Schriften, jedoch von diesen nicht abhängig. Das System ist gemischt logo- und syllabographisch und wird über die Jahrhunderte immer mehr syllabographisch. Die Schreibrichtung wechselt. Längere Inschriften sind häufig bustrophedon geschrieben, andere haben Zeilen, die von oben nach unten gelesen und von rechts nach links angeordnet sind.

Hurrisch Auch Hurritisch. Sprache der Hurriter, die ursprünglich im Nordwestiran ansässig waren. Sie wanderten im 2. Jt. nach Nordwestmesopotamien und etablierten in der Mitte des 16. Jh. v.Ch. in der Khabur

-Region von Nordsyrien das Reich von Mitanni, das etwa von -1.460 bis -1.330 auch Assyrien beherrschte und im 16./15. Jh. von einer arischen Dynastie beherrscht wurde. Vom Hurrischen sind mehrere Dialekte bezeugt. Die Sprache wird in einer im nordsyrischen Raum bezeugten kursiven Variante der altbabylonischen Keilschrift geschrieben. Vom König Tušratta sind im Briefarchiv von Tell El-Amarna mehrere lange Briefe auf babylonisch und hurrisch erhalten; letztere sind die wichtigsten erhaltenen Texte der Sprache. Tochter: Urartäisch. Die Sprache kann zur (sonst erst aus der Neuzeit bezeugten) ostkaukasischen Sprachfamilie gehört haben.

Hydronymie Ein Hydronym ist ein Gewässername; Hydronymie ist ein Teil der Onomastik. Gewässer sind noch langlebiger als z.B. Ansiedlungen (Toponymie). Daher ist die Hydronymie nicht selten ausschlaggebend bei der Klärung der Urheimat einer Sprachgemeinschaft bzw. bei der Frage, welche Sprachgemeinschaft in einer bestimmten Gegend die erste war. Hyksos ? Iguvinische Tafeln Neun Bronzetafeln in umbrischer Sprache aus Gubbio (bei Perugia), dem antiken Iguvium. Die ältesten stammen von -400 und sind in einem eigenen umbrischen Alphabet abgefaßt, das aus dem etruskischen abgeleitet und linksläufig ist. Die jüngeren stammen etwa von -150 und sind schon in lateinischer Schrift abgefaßt. Sie enthalten Anweisungen für die Riten einer Bruderschaft, der fratres Atiedii, und sind eine wichtige Quelle für die altitalische Theologie und Religionspraxis.. Iberisch S. Kap. 9. Iberokaukasisch Die antiken Griechen bezeichneten die Bewohner des Gebiets des heutigen Georgien als Iberer (also ebenso wie die eigentlichen Iberer). Es gibt auch typologische Gemeinsamkeiten zwischen Baskisch und Georgisch. So kam im 19. Jh. die Hypothese einer iberokaukasischen Sprachfamilie auf, die nichts auf sich hat. Illyrisch Indogermanische Sprache, die im antiken Illyricum (dem Gebiet Jugoslawiens) im 1. Jt. v.Ch. gesprochen und dann vom Lateinischen und germanischen Sprachen verdrängt wurde. Es war eine schriftlose Sprache, die nur aus Namen und Lehnwörtern bekannt ist. Ob das erst seit dem 15. Jh. bezeugte Albanisch der moderne Fortsetzer des Illyrischen ist, ist nicht feststellbar. Das (seinerseits nicht verständliche) Messapisch wird von einigen für eine Variante des Illyrischen gehalten. Indisch S. Kap. 10. Indoarisch Einer der beiden Zweige der indoiranischen Sprachen. Die ältesten erhaltenen Spuren sind einige Fremdwörter im Hurrischen, die eine im 15. Jh. über die Hurrer herrschende indoarische Dynastie hinterlassen hat. Indogermanisch Sammelname für alle vom Ur

-Indogermanischen abstammenden Sprachen. Die Bezeichnung wurde Anfang des 19. Jh. geprägt in der Absicht, das geographische Areal, über das die damals bekannten indogermanischen Sprachen verbreitet waren, durch Benennung seiner Extreme zu umspannen. Sie impliziert also nicht die Idee, daß Indogermanisch eine Art von Germanisch ist. Daneben ist auch die Bezeichnung Indoeuropäisch üblich, die in der Absicht geprägt wurde, das Wort germanisch aus der Bezeichnung auszumerzen.

Der indogermanische Sprachstamm ist nicht nachweislich mit anderen Stämmen verwandt. Es gibt zwar frappante Ähnlichkeiten mit finno

-ugrischen Sprachen, die jedoch auf früher Entlehnung beruhen können.

Für die Verwandtschaft der indogermanischen Sprachen wird bis heute das Stammbaummodell benutzt, obwohl klar ist, daß die Zweige nach Art eines Dialektkontinuums graduell miteinander verwandt sind. Indoiranisch Ein Zweig der indogermanischen Sprachen, bestehend aus den indo

-arischen und den iranischen Sprachen. Die Sprecher nannten sich selbst Arier. Sie sind möglicherweise die Träger der Andronovo-Kultur, die im 2. Jt. v.Ch. beim Aralsee bestand. Von dort wanderten sie nach Süden in ihre historischen Siedlungsgebiete.

Induskultur Hochkultur in einem großen, um das Industal im heutigen Pakistan zentrierten Gebiet. Die beiden größten Städte sind Mohendscho

-Daro (13) und Harappa (daher auch Harappakultur). Hochphase von -2.200 bis -1.700. Um -1.600 wird die Kultur zerstört, wohl von den nach Süden drängenden Indern. Schrift und Sprache sind unbekannt. Das Korpus besteht aus etwa 4.000 Siegeln, Siegelabdrücken und Graffiti auf Töpferwaren sowie Bronzeplaketten. Die Schriftzeichen sind stark stilisierte Piktogramme. Es sind 419 verschiedene Zeichen bekannt. Die Schriftrichtung ist linksläufig. Sie wird 1996 von Walter A. Fairservis mit folgender Hypothese entziffert: 1. die wiedergegebene Sprache ist dravidisch; 2. es handelt sich um eine Silbenschrift; 3. die Zeichen sind nach dem Rebusprinzip zu interpretieren. Die Methode ist daher, zu den Bildern die Begriffe, zu diesen dravidische Wörter und zu deren Lautwerten historisch-archäologisch erwartete Significata zu suchen.

Iranisch Westlicher Zweig des indoarischen Zweigs der indogermanischen Sprachen. Ur

-Iranisch dürfte sich etwa -1.800 von Ur-Indoiranisch abgespalten haben. Seine Träger erscheinen ab -1.400 im Iran.

Italisch Zweig der indogermanischen Sprachfamilie, der mehrere in Italien beheimatete Sprachen umfaßt. Es gibt zu gleicher Zeit in Italien auch nicht

-italische indogermanische und außerdem nicht-indogermanische Sprachen. Die Italiker wandern aus der italisch-keltisch-germanischen Dialektgemeinschaft ab nach Italien ein, vermutlich (wie die Griechen) in mehreren Schüben im 2. Jt.v.Ch. Sie begründen dort u.a. die -1.500 - -1.000 bestehende Terramare-Kultur. Auf italischem Boden sind die italischen Sprachen inklusive des älteren Latein historisch i.w. gleichzeitig miteinander. Oskisch z.B. ist vor den Bundesgenossenkriegen stärker vertreten als Latein. Zur Zeit des Augustus sind jedoch alle außer Oskisch schon durch das Latein verdrängt. Alle außer Oskisch und Umbrisch sind sehr fragmentarisch bezeugt.

Kamunisch Sprache, die durch Grafitti mit Zeichnungen auf Felsen im Val Camonica (Norditalien) vertreten ist. Der längste Text umfaßt fünf Wörter. Kamunisch ist wohl verschieden von dem in Nachbartälern gefundenen Rätischen. Sie kann Keltisch oder Alteuropäisch sein.
Kanaanitisch
Karisch Indogermanische Sprache des anatolischen Zweigs, die in Südwestkleinasien gesprochen wurde. Erhalten sind Inschriften des 5. und 4. Jh. v.Ch., die in einer Variante des griechischen Alphabets abgefaßt sind. Einige der Inschriften stammen aus Ägypten, wo es karische Einwanderer gab, die z.T. den Pharaonen als Leibwächter dienten. Kassitisch Sprache der aus dem Westiran stammenden Kassiten, die von -1.680 bis -1230 in Mesopotamien herrschten und noch im 7. Jh. v.Ch. im Iran lebten. Kassitisch ist nicht selbst schriftlich überliefert, sondern nur aus einigen Hundert Wörtern im Akkadischen erschlossen. Kaukasisch Sammelbegriff für ein paar Sprachfamilien, die im und um den Kaukasus beheimatet sind und sicher schon vor Ankunft der Indogermanen dort waren. Keilschrift Antike Schrift des vorderen Orients. Die meisten Dokumente sind Tontafeln. Sie werden mit einem Griffel beschrieben, solange sie noch weich sind, und dann gebrannt. Der Griffel drückt keilförmige Marken in den Ton. Ein Zeichen besteht aus mehreren solchen Keilen. Das Zeichen ist am Anfang der Geschichte der Keilschrift (im Sumerischen) ein Logogramm, später (im Akkadischen) ein Silbenzeichen (Silbenschrift), noch später (im Altpersischen) gehen die Silbenzeichen in Buchstaben über. In akkadischer Keilschrift sind mehrere Zeichen "polyphon", d.h. haben zwei völlig verschiedene silbische Lesungen, gelegentlich synchron, vor allem aber in verschiedenen Epochen. In Keilschrift wurden zahlreiche Sprachen des Vorderen Orients geschrieben, darunter Sumerisch, Elamisch, Akkadisch, Eblaitisch, Hurrisch, Hethitisch, Altpersisch. In Syrien und Palästina wurde die Keilschrift um -1.200 durch die phönizische Buchstabenschrift ersetzt. Die Entzifferung der Keilschrift begann mit zwei Palastinschriften im Iran. An Voraussetzungen war folgendes bekannt: 1. Der Palast stand in Persepolis und war von Achämenidenkönigen erbaut worden. 2. Die Sprache mußte also eine frühe Form des Persischen sein. 3. Das Avestische, dem Altpersischen nahe verwandt, war oberflächlich bekannt. 4. Die Formel `N.N., König der Könige, Sohn des M.M.' war aus griechischen Texten desselben Kulturraums bekannt. 5. In einer Inschrift kam ein N.N. vor, der in der anderen Inschrift die Position von M.M. in der Formel besetzte. Auf dieser Grundlage konnte G.F. Grotefend 1802 zwei Königsinschriften teilweise entziffern. 1847 entzifferte H. Rawlinson, i.w. mit derselben Methode, aber völlig unabhängig, die Felsinschriften von Behistun. Damit war die persische Keilschrift bekannt. Die akkadische Keilschrift wurde ab 1846 von Edward Hincks (England) und H. Rawlinson entziffert. Hier half zusätzlich die Hypothese, daß die Sprache semitisch war. Keltiberisch In Iberien gesprochene keltische Sprache. Es sind zahlreiche Inschriften erhalten, die in der iberischen Schrift, einer teilweise syllabischen, teilweise alphabetischen Schrift, geschrieben und kaum verständlich sind. Die Kelten waren etwa seit -600 in Iberien ansässig. Die Inschriften stammen aus den letzten vorchristlichen Jahrhunderten. Die Sprache wird zuerst vom Punischen, dann endgültig vom Lateinischen verdrängt. Keltisch Zweig der indogermanischen Sprachen und Sprache der Kelten. Nach der Einwanderung der Indogermanen nach Europa hatten sie ihre Heimat wohl zunächst neben den Germanen und Italikern in Mitteleuropa und waren dort Träger der Halstatt
-Kultur (-750 - -450). Von dort verbreiteten sie sich über Süd- und Westeuropa. Im 6. Jh. v.Ch. waren sie, als Keltiberer, bereits in Iberien etabliert. Seit dem 5. Jh. gingen sie nach Zentralkleinasien (und bekamen dort als Galater einen Brief vom Apostel Paulus). In Italien siedelten sie im Pogebiet. Sie besetzten den ganzen Norden Galliens und, etwa im 7. Jh. v.Ch., die britischen Inseln. Nur auf den letzteren überlebten keltische Sprachen bis heute. Die Bretonen sind erst zwischen 450 und 600 aus Wales und Cornwall in die Bretagne zurückgewandert.

Die Kelten hatten zunächst keine Schrift. Die verschiedenen Stämme lernten die Schrift von den jeweiligen entwickelteren lokalen Kulturen, auf welche sie stießen. Daher übernahmen die Keltiberer die iberische, die narbonensischen Gallier die griechische und die italischen Gallier die etruskische Schrift.
Festlandkeltisch Gallisch -
Lepontisch -
Keltiberisch -
Inselkeltisch Altirisch Irisch
Schottisch

-Gälisch

Manx
Britannisch Walisisch
Kornisch
Bretonisch
Die Kelten wurden im 5. Jh. v.Ch. von den Germanen aus ihrer angestammten Heimat verdrängt. Festlandkeltisch ist bereits in der Antike zugunsten von Latein ausgestorben. Auch in Britannien wurde es seit der römischen Eroberung von Latein verdrängt, dann aber weit radikaler seit dem 6. Jh. vom Angelsächsischen. Obwohl insgesamt nicht wenige antike keltische Sprachdenkmäler erhalten sind, sind sie nur zum Teil verständlich. Allerdings sind in gut bekannten Sprachen, insbesondere Latein, zahlreiche keltische Lehnwörter überliefert.

Koptisch S. Kap. ?. kretische Hieroglyphenschrift Schrift, die die Minoer um -1.950 auf der Basis älterer vorschriftlicher Symbole und wohl auf Anregungen aus Ägypten oder Palästina für die Beschriftung von Siegeln einführten. Es sind etwa 300 Dokumente mit etwa 80 verschiedenen Zeichen auf Kreta erhalten. Nicht ganz die Hälfte des Zeichenvorrats ist der Hieroglyphenschrift mit Linear A gemeinsam. Die Schrift ist wahrscheinlich logosyllabisch. Sie wird bis zur Mitte des 2. Jt. v.Ch. von Linear A verdrängt. Die Schrift kann weder gelesen noch verstanden werden. Die wiedergegebene Sprache ist Minoisch. kyprische Silbenschrift Auf Kypros (Zypern) im 1. Jt. v.Ch. verwendete reine Silbenschrift, die auch nicht

-silbeninitiale Konsonanten (durch Zeichen mit "stummen" Vokalen) wiedergibt.

Lakonisch Lakonisch ist ein Dialekt des Altgriechischen, der in Lakonien (Südosten der Peloponnes) gesprochen wurde. Die frühesten Dokumente sind Inschriften aus der ersten Hälfte des 7. Jh. v.Ch. Von -200 an überlagert die Koine das Lakonische. Lateinisch S. Kap. 13.

Lautsystem

Das Lautsystem (genauer: Phonemsystem) einer Sprache wird in einer zweidimensionalen Tabelle dargestellt. In den Spalteneingängen erscheinen die Artikulationsstellen, von den Lippen nach hinten bis zum Kehlkopf, gelegentlich mit sogenannten sekundären Artikulationen. In den Zeileneingängen erscheinen die Artikulationsarten. Hier gibt es mehrere Unterscheidungen. Die wichtigste davon bildet den Unterschied zwischen Konsonanten und Vokalen. Lemnisch Lemnisch oder Lemno

-Pelasgisch ist eine vorgriechische, also alteuropäische Sprache, die in der ersten Hälfte des 1. Jt. v.Ch. auf der Insel Lemnos (nordöstliche Ägäis nahe der Küste Anatoliens) gesprochen wurde. Die vorgriechischen Bewohner von Lemnos (bis die Insel -500 von Miltiades erobert wurde) sind lt. Herodot Pelasger, lt. Thukydides Tyrrhener. Die Sprache ist in mehreren ganz kurzen Vaseninschriften und einem längeren Text bezeugt. Lemnisch ist mit Etruskisch verwandt.

Der längere Text befindet sich auf einer Grabstele ("Stele von Lemnos"), die, in eine Kirche bei Kaminia eingemauert, 1885 entdeckt wurde und auf -600 bzw. ins -6. Jh. datiert wird. Der Text steht auf zwei Seiten der Stele, so daß es auch zwei Texte sein können. Er umfaßt 198 Buchstaben und 33 Wörter und ist mit dem Profil eines Kriegers dekoriert. Die Inschrift ist in einem adaptierten westgriechischen Alphabet abgefaßt, das sich vom etruskischen nur durch das zusätzliche unterscheidet. Lepontisch Wahrscheinlich keltische Sprache, die aus einigen Inschriften von den oberitalienischen Seen aus dem 6. Jh. v.Ch. bekannt ist. Lexikostatistik Lexikostatistik ist eine Methode des historischen Sprachvergleichs. Ein standardisiertes Inventar von 100 Basisbegriffen, die zum Kern des Wortschatzes einer Sprache gehören, nicht kulturabhängig und besonders resistent gegen Entlehnung sein sollen, wird in die verglichenen Sprachen übersetzt. Die Significantia der übersetzungsäquivalenten Wörter werden als historisch verwandt oder nicht verwandt klassifiziert, und der Prozentsatz der gemeinsamen Wörter wird als Maß der Verwandtschaft der verglichenen Sprachen genommen. Im Vergleich mit der historisch

-vergleichenden Methode ist diese Methode sehr grob; sie kann daher höchstens als Ersatz dienen, wo die erstere nicht anwendbar ist.

libysche Schrift Die libyischen Schriften sind den semitischen verwandt. Die Zeichen einer Zeile sind von unten nach oben angeordnet. Es sind reine Konsonantenschriften, die Vokale nicht einmal am Wortanfang bezeichnen. Die Tuareg benutzen heute noch eine solche Schrift, das Tifinagh. Ligurisch In vorrömischer Zeit in Ligurien (um Genua) gesprochene schriftlose Sprache, die nur aus in anderen Sprachen überlieferten Namen bekannt ist. Es ist nicht einmal sicher, daß die Sprache indogermanisch ist. Linear A Silbenschrift der minoischen Kultur. Die Schrift wird von -1.950 bis -1.450 zunächst nur auf Kreta, dann auch auf ägäischen Inseln und in Lakonien gebraucht. Es sind etwa 80 verschiedene Zeichen in etwa 1500 Texten bezeugt. Bei den Zeichen sind auch Ziffern und einige Logogramme. Entzifferungsversuche auf der Basis der Hypothese, daß die Lautwerte der Zeichen dieselben wie in Linear B seien, sind gescheitert. Die Schrift kann weder gelesen noch verstanden werden. Die wiedergegebene Sprache ist Minoisch. Linear B Schrift der mykenischen Kultur, überwiegend eine Silbenschrift mit einigen Logogrammen. Die wiedergegebene Sprache ist Mykenisch. Wahrscheinlich um -1.550 übernehmen die Mykener die Schrift von den Minoern und passen sie für ihre Sprache an. Etwa 90% des Zeichenvorrats ist aus Linear A abgeleitet. Von Mykene verbreitet sich die Schrift über die Kulturzentren der Argolis. Die Texte stammen aus den Palästen von Knossos (-1.370), Theben, Mykene, Tiryns und Pylos (-1.200). Sie sind zahlreich, aber fast ausschließlich Buchhaltungslisten. Die Schrift gibt nicht
-silbeninitiale Konsonanten nicht wieder, ist der griechischen Phonologie überhaupt schlecht angepaßt und verstümmelt diese stark.

Linear B wurde 1952 von dem britischen Architekten Michael Ventris entziffert mit der Hypothese, daß er Vorratslisten vor sich habe und daß die wiedergegebene Sprache Griechisch sei. Lullubi Volk in Mesopotamien zur Zeit der Akkader. Lusitanisch Eine keltische Sprache, die im Westen Iberiens gesprochen wurde und nur durch drei Inschriften aus dem 2. Jh. n.Ch. erhalten ist. Die Schrift ist der iberischen ähnlich. Luwisch Sprache des anatolischen Zweigs der indogermanischen Familie. Luwisch ist seit -1.500 bis ins 8.Jh. v.Ch. in zwei Varianten überliefert, dem Keilschriftluwischen (200 Tontafeln aus Boazkale) und dem Hieroglyphenluwischen. Sprachgebiet ist das westliche Kilikien (Südostkleinasien und nördl. Syrien) mit Städten wie Karchemisch. Wird von Lykisch verdrängt. Lydisch Indogermanische Sprache des anatolischen Zweigs, die im 4. Jh. v.Ch. durch etwa ein Dutzend Inschriften in griechischem Alphabet im westlichen Kleinasien (Hauptstadt Sardes) bezeugt ist. Der legendäre Krösus war König von Lydien. Lykisch Indogermanische Sprache des anatolischen Zweigs, die im 5. und 4. Jh. v.Ch. durch etwa 150 Inschriften (davon zahlreiche Grabinschriften) in einer Variante des griechischen Alphabets in Lykien (Südwestkleinasien) bezeugt ist. 1973 wurde in Xanthos eine lykisch
-griechisch-aramäische Trilingue entdeckt.

Lykisch B (= Milyisch) ist durch drei Inschriften repräsentiert. Lykien wurde spät unter persischer Hoheit geeint; die Verwaltungssprache war von da an Aramäisch.
Mari
Antike Stadt am Oberlauf des Euphrat, heute Tell Hariri in Nordsyrien. Es wurden 25.000 Keilschrifttafeln aus der Zeit von 1820 bis 1740 v.Ch. entdeckt. Die Sprache ist Assyrisch[?]. Maya Die Maya, die schon seit der Bronzezeit in Mesoamerika siedelten, entwickeln sich um die Zeitenwende zu einem Kulturvolk. In der vorklassischen Periode (-250 - 250) entlehnen sie eine zunächst noch ideographische Hieroglyphenschrift von einem weiter westlich lebenden Volk, vielleicht Epi

-Olmeken oder Zapoteken. Um diese Zeit gibt es bereits mehrere Mayasprachen. Die durch die Schrift repräsentierte Sprache ist eine Urform des heutigen Chol. In der klassischen Periode (250 - 900) erreicht die Kultur eine Hochblüte. Die Schrift entwickelt sich zur logosyllabischen Schrift. Es sind etwa 1.000 Zeichen bekannt, von denen über die Hälfte gelesen werden können. Die Steininschriften handeln vor allem von wichtigen Ereignissen im Leben von Herrschern. Die Sprache lebt, neben vielen anderen Mayasprachen, bis heute in Mexiko und Guatemala fort.

Mediterran Alle Sprachen des Mittelmeerraums, die nicht genetisch zugeordnet werden können (also insbesondere nicht indogermanisch sind), werden mediterran genannt. Dies ist also keine Sprachfamilie, sondern lediglich eine geographische Zuordnung. Dazu gehören insbesondere die nichtindogermanischen Sprachen Iberiens, Italiens und des östlichen Mittelmeerraums, bes. der Ägäis. Einige mediterrane Sprachen, z.B. Lemnisch und Minoisch, sind durch eigene Schriftdenkmäler überliefert. Die meisten, z.B. Pelasgisch, sind Trümmersprachen, von denen nicht viel mehr als der Name bekannt ist dadurch, daß sie in antiken Quellen erwähnt werden. Im Mittelmeerraum sind einige Wörter verbreitet, die in mehreren Sprachfamilien vorkommen. Dazu gehört insbesondere das Wort für Wein: idg. *woi

-no-/wei-no > heth. wijana, russ. vinograd "Traube", lat. vinum, frühsemit. *wajnu, ägypt. *wns, kartvel. *wino. Dies sind (in demselben Sinne) mediterrane Wörter.

Meroitisch Sprache des Reiches von Kusch, dessen Hauptstadt Meroe war. Die Stadt Kusch in Obernubien bestand spätestens seit -2000. In der ersten Hälfte des 2. Jt. v.Ch. wird sie in Nubien beherrschend. Am Hof werden ägyptische Schreiber beschäftigt. Ab Mitte des 16. Jh. v.Ch. wird Kusch koloniale Provinz des Neuen Reiches von Ägypten, erlangt jedoch Anfang des 1. Jt. v.Ch. seine Unabhängigkeit wieder. Das kuschitische Reich bestand von -750 bis 340 im mittleren Nilbecken südlich von Ägypten. Die Hauptstadt wird -591 endgültig nach Meroe, i.e. in den Süden (Sudan) verlegt. Daher besteht die Geschichte des Reiches aus zwei Perioden: Napata

-Zeit (-750 - -591) und Meroe-Zeit (-591 - 340). Das Reich von Napata ist eine vom Amon-Kult bestimmte Theokratie. Vom 3. Jh. v.Ch. an koppelt sich das Reich von der ägyptischen Kultur ab, die Kultur wird nubisch bzw. sudanesisch. Das Reich von Meroe wird von Königinnen, den Candacen [?], beherrscht.

Die ältesten bekannten Texte wurden in Naga gefunden und stammen aus der Zeit um -170, als Šanakdakhete Königin des Reiches von Kusch war. Die Schrift wurde 1909 von F.L. Griffith entziffert; die Sprache bleibt unverstanden. (http://www.ankhonline.com/ecriture1.htm). Messapisch Sprache der Messapier, die nach Zeugnis antiker Autoren über die Adria nach Italien kamen und in Apulien (antikes Kalabrien, Südostitalien) wohnten. Indogermanische Sprache unsicherer Zuordnung, die durch 600 kurze Inschriften vom Ende des 6. bis ins 1. Jh. v.Ch. überliefert ist. Frühe Inschriften sind in einem eigenen, von den tarentinischen Griechen stammenden, spätere in griechischem Alphabet geschrieben. Die Sprache wurde vom Lateinischen und Griechischen verdrängt und bereits im -2. Jh. nur noch geschrieben. Minoisch Sprache der Minoer, des ersten Kulturvolks auf Kreta; nicht

-indogermanisch. Sie waren ursprünglich an der Nordwestküste Kleinasiens ansässig, wandern um -2.800 nach Kreta ein und begründen dort von -1.950 an eine Palastkultur. Gleichzeitig führen sie die kretische Hieroglyphenschrift und die Silbenschrift Linear A ein (s.a. Phaistos). Minoische Kultur und Sprache werden von -1.370 an durch mykenische ersetzt.

Mitanni Hurrisch. Mithridates Mithridates der Große war im 1. Jh. v.Ch. König von Pontus (Nordkleinasien). Er beherrschte 25 Sprachen und war damit bereits in der Antike das Paradebeispiel eines polyglotten Menschen. Der Schweizer Gesner nannte 1555 eine Sammlung von 25 Sprachen Mithridates; und nach ihm wurden noch mehrere polyglotte Sammlungen so benannt. Moabitisch Durch eine Inschrift aus dem 9. Jh. v.Ch. belegte Kanaanitische Sprache. Mohendscho

-Daro S. Induskultur. Mykenisch Frühest belegter griechischer Dialekt, Mitglied der arkadisch-kyprischen Dialektgruppe. Die Mykener wandern um -2.000 von Norden aus ein, lassen sich in der Argolis nieder und gründen Mykene. Die Sprache wird seit -1.400 auf der Peloponnes und Kreta gesprochen und in Linear B geschrieben. Erhalten sind Tausende von Tontafeln aus Pylos, Mykene, Tiryns, Theben und Knossos. Nach der Zerstörung der Paläste um -1.200 ist Mykenisch nicht mehr belegt. Nordpikenisch Nordpikenisch ist durch ein paar Inschriften aus Mittelitalien ( Pikenisch), vor allem eine Stele aus Novilara, erhalten. Es ist wahrscheinlich nicht indogermanisch.

Nostratisch Superphylum, das Afroasiatisch, Altaisch, Dravidisch, Indogermanisch, Kartvelisch (Südkaukasisch) und Uralisch einschließen soll. Urnostratisch soll am Ende der letzten Eiszeit (ca. 14.000

- 10.000 v.Ch.) gesprochen worden sein. Es ist mit wissenschaftlichen Methoden nicht nachweisbar.

Numidisch Sprache der Numider, eines im Maghreb (Algerien, Tunesien, Marokko) ansässigen Berberstammes. Numidisch ist in vielen Inschriften in libyscher Schrift aus dem

-2. Jh. überliefert.

Nuragisch Die autochthone, also wohl alteuropäische Sprache Sardiniens, die nur durch Substratwörter und Toponyme im Lateinischen bekannt ist.
Ogam
Eine alphabetische Schrift, in welcher spätestens seit dem 4. Jh. das Altirische in Cornwall geschrieben wurde. Jeder Buchstabe besteht aus einer Menge von parallelen Strichen, die auf einer oder beiden Seiten einer Steinkante eingeritzt werden. Onomastik Onomastik ist Namenkunde. Namen sind beständiger als Appellativa; auch Sprecher einer anderen Sprache gestehen einem Individuum (Person, Tier oder Sache) meist (nicht immer) den Namen zu, den es bereits hat. Daher finden sich von allen Wörtern einer Sprache am ehesten die Namen als Lehnwörter in einer anderen Sprache wieder. Von zahlreichen untergegangenen Sprachen ist wenig mehr als in Texten anderer Sprachen erwähnte Namen überliefert. Namen haben, ebenso wie andere Substantive, eine morphologische Struktur; sie sind häufig zusammengesetzt (wie Frankfurt) oder abgeleitet (wie lat. Romani "Einwohner von Rom"). Daher kann die Onomastik auch einen Beitrag leisten zur Grammatik einer Sprache. Oreonymie System der Namen von Bergen und sonstigen Erhebungen; Teil der Onomastik. Oskisch Italische Sprache, die von den Samniten in Zentral

- und Süditalien (Samnium, Kampanien, schwach in Lukanien, Nordapulien) gesprochen wurde. Belegt vom 5. Jh. v. Ch. (Münzlegenden) bis Mitte des 1. Jh. n. Ch. (Pompei). Über 200 Inschriften; die meisten linksläufig in einem eigenen, aus dem etruskischen abgeleiteten Alphabet; einige im lateinischen (Tabula Bantina) oder griechischen Alphabet. Das eigene Alphabet enthielt wegen seines etruskischen Ursprungs zunächst keinen Buchstaben für das Phonem /o/. Um -300 wurde dafür der Buchstabe <ú> und außerdem <í> eingeführt.

Ostrakon Griech. "Scherbe". Tonscherbe, die als Schreibmaterial benutzt wird, z.B. für Steuerquittungen, Bescheinigungen, Notizen aller Art, in Athen besonders auch als Stimmzettel für das Scherbengericht (Ostrakismos)
Palaisch
Sprache des anatolischen Zweigs der indogermanischen Familie, noch archaischer als Hethitisch, gesprochen im Land Pala (Nordkleinasien, am Schwarzen Meer). Sehr bruchstückhaft auf Keilschrifttafeln aus Boazkale aus dem 2. Jt. bezeugt. Paläographie Die Lehre von alten Schriften einschließlich der Lesung alter Schriftstücke. Pelasgisch Sprache eines vorgriechischen Volks in Griechenland, die bereits von den antiken griechischen Autoren erwähnt wird. Sie ist selbst nicht überliefert, wurde aber eine Zeitlang als Substrat zur Erklärung von Fremdwörtern im Griechischen bemüht. Es ist jedoch nicht möglich, die von den antiken Autoren gemeinte Sprache mit der Quelle solcher Wörter zu identifizieren. Persisch S. Kap. 11. Phaistos Stadt im Süden von Kreta, in deren Palast 1908 der Diskos von Phaistos gefunden wurde. Er ist in einer unbekannten Sprache und unbekannten Schrift (vermutlich einer Silbenschrift) etwa 1700
- 1650 abgefaßt.

Philisteisch Sprache der Philister, eines Volkes des vorderen Orients, das etwa -1400 von Kreta nach Palästina einwanderte. Um das Philisteische zu schreiben, leiteten die Philister in der 2. Hälfte des 2. Jt. eine Schrift aus der kretischen Silbenschaft (Linear B) ab. Die benutzten sie in Palästina allerdings nicht lange, weil dort schon das bessere phönizische Alphabet in Gebrauch war. Ab 11. Jh. gibt es Texte in phönizischer Sprache und Schrift. Im 7. Jh. sprachen alle Philister Phönizisch. Ab -600 schreiben sie Aramäisch. Die philisteische Schrift erscheint nur auf zwei Siegeln von Asdod und einem Gefäß (una brocca) von Tell Qasile. Das ist so wenig, daß über die Herkunft der Schrift nichts Bestimmtes gesagt werden kann. Über die Sprache ist fast nichts bekannt. Die im AT überlieferte Onomastik verweist auf Anatolien. Es lassen sich anatolisch

-idg. Etymologien machen. [Garbini 1977]

Phönizisch Auch Phönikisch. Sprache der Phönizier (griech. Phoiniker), eines kanaanäischen (also semitischen) Volkes im heutigen Libanon und Nordsyrien. Zentren sind die Städte Tyros, Sidon und Byblos. Nach etwa -1.200 gründen die Phönizier Kolonien im ganzen Mittelmeerraum. Dort wird überwiegend Punisch gesprochen. Die ältesten Inschriften stammen aus Byblos (im heutigen Libanon nördlich von Beirut) aus dem 13. Jh. v.Ch. Die letzte spätphönizische Inschrift stammt von 196. Danach wird Phönizisch von Aramäisch verdrängt. Phönizisch wird etwa seit dem -13. Jh. in der ältesten alphabetischen Schrift der Welt geschrieben. Sie könnte auf die protosinaitische zurückgehen. Ursprünglich wurden fast nur die Konsonanten, später wenigstens noch die Langvokale geschrieben. Die Phönizier können insofern als die Erfinder des Alphabets gelten, als in diesem System ein Schriftzeichen für einen Sprachlaut steht. Die phönizische Schrift ist linksläufig. Auf sie gehen u.a. die althebräische, arabische, syriakische, griechische und iberische Schrift zurück. Mehrere zentralasiatische Schriften, darunter die Devanagari, gehen auf die syriakische Schrift zurück. Phonotaktik Die Zusammensetzung größerer phonologischer Einheiten. Im Zentrum steht die Silbenstruktur. Eine Silbe hat die folgende allgemeine Struktur, mit dem deutschen Beispiel stracks in der letzten Zeile: Sprachen unterscheiden sich darin, welche der allgemeinen Positionen sie überhaupt besetzen können und wenn ja, mit welchen (Klassen von) Lauten. Phrygisch Indogermanische Sprache, die anscheinend einen eigenen Zweig zwischen Armenisch, Thrakisch und Illyrisch bildet. Die Phrygier saßen möglicherweise zuvor auf dem Balkan (in Thrakien) und kamen viel später als die Anatolier (seit -1.250) nach Kleinasien. Phrygien ist in Zentralkleinasien, die Hauptstadt ist Gordion (200 km südwestlich von Ankara), wo u.a. König Midas herrschte. Im 6. Jh. erobert Krösus von Lydien Phrygien, und dann ist es nie mehr selbständig. Altphrygisch ist vom 8. bis 4. Jh. v.Ch. in über 200 Tafeln und Inschriften in griechischem Alphabet überliefert, Spätphrygisch dagegen in ebensovielen Inschriften aus dem 2. und 3. Jh. n.Ch. Lt. Herodot ist das phryg. Wort für Brot bekos. Pikenisch Sprache der Pikener (Picener), eines Kulturvolkes, das vom 10. bis 1. Jh. v.Ch. im östlichen Mittelitalien, den heutigen Regionen Marken und Abruzzen lebte. Es handelt sich um zwei verschiedene Sprachen, Nordpikenisch und Südpikenisch. Piktisch Sprache der Pikten, die im Norden von Schottland saßen. Sie ist in etwa 30 Steininschriften in der Ogam

-Schrift überliefert. Die Sprache ist wohl keltisch (brythonisch); aber falls die Pikten schon vor der Ankunft der Kelten dort waren, kann sie auch nicht-indogermanisch sein. Nach Th. Vennemann ist sie "atlantisch" und somit afroasiatisch. Sie wurde möglicherweise bis ca. 850 gesprochen.

Piktographie S. Bilderschrift. Pisidisch Anatolische Sprache. Prkrit S. Kap. 10. Protobaskisch Aus verschiedenen Gründen ist es wahrscheinlich, daß die Basken von allen ethnisch
-sprachlich identifizierbaren Bewohnern Iberiens inkl. des nördlichen Pyrenäenraums (Aquitaniens) die ersten sind. Da die Sprache selbst erst seit dem 15. Jh. belegt ist, heißen ihre Vorstufen Protobaskisch. Ein gewisser nicht-indogermanischer Anteil der westeuropäischen Hydro- und Oreonymie läßt sich plausibel mit Bezug auf das Baskische etymologisieren. Es ist also möglich, daß die Sprache vor Ankunft der Iberer (evtl. von Süden) und der Indogermanen (genauer der Kelten, von Nordosten) in Westeuropa viel weiter verbreitet war. Protobaskisch gehört zum nordwestlichen Zweig des Alteuropäischen.

Protohattisch Hattisch. Protosinaitisch In der Tempelanlage Serabit el Khadem auf dem Sinai wurden eine Stele und eine Sphinx mit Inschriften von etwa -1.550 gefunden, die eine Vorform kanaanitischer Schriften aufweist. Die Schrift heißt deshalb Protosinaitisch oder Protokanaanitisch. Ähnliche Inschriften sind, sogar aus früherer Zeit (ca. -1.800) auch in Südägypten (Wadi el-Hol) gefunden worden (Näheres dazu: http://www.sennefer.de/tempel/sinai/Alphabet.htm). Sie könnten von semitischen Siedlern in Ägypten stammen. Die Schrift scheint auf die hieratische zurückzugehen, indem sie daraus nur die Konsonantenbuchstaben verwendet. Protokanaanitisch könnte die Vorform der phönizischen Schrift sein. Punisch Sprache der Punier, ein phönizischer Dialekt. Die Punier stammen aus dem Libanon und haben in Nordafrika eine Kolonie gegründet. Von dort breitet sich das punische Reich über Kalabrien, Sizilien, Korsika, Sardinien und Spanien aus. Die Hauptstadt ist Karthago. Der punische Name der Stadt ist Qart adašt "Neustadt"; sie wurde

-814 gegründet. Das Reich wird -146 von den Römern zerstört. Die Sprache wird von der Landbevölkerung Tunesiens bis ins 5. Jh. gesprochen. Plautus' Komödie Poenulus (-200$) enthält einige schwer enträtselbare punische Passagen.

Rätisch

Nichtindogermanische Sprache Tirols (Westalpenraum nördlich des Gardasees zwischen Innsbruck und Vicenza), die in 50 Inschriften auf Gegenständen und Denkmälern überliefert ist. Livius (V, 33, 11) schreibt, die Rhätier seien durch die Kelten von den Etruskern getrennt worden. In der Tat scheint Rätisch mit Etruskisch verwandt zu sein. Die Sprache hat mit Rätoromanisch lediglich den Namen gemeinsam. Runen Samnitisch = Sabinisch. [Text: Tutto Palma (ed.) 1996]

Sanskrit

S. Kap. ?. Schriftentzifferung Werden Texte in einer unbekannten Schrift gefunden, so sind eine Reihe von Problemen zu lösen: 1. Handelt es sich überhaupt um Texte oder um Ornamente oder dergleichen? Z.B. im Falle der Maya

-Hieroglyphen war dies lange nicht klar.

2. Welches Schriftsystem - Logographie oder Phonographie - liegt den Aufzeichnungen zugrunde? 3. Wie sind die Schriftzeichen auszusprechen? Bei einer rein logographischen Schrift ist es sehr schwer, darüber etwas herauszubekommen. 4. Was bedeuten die Texte? Theoretisch ist es möglich, eine Schrift zu entziffern, ohne zu wissen, um welche Sprache es sich handelt. Dies wäre z.B. bei der Schrift der Harappa

-Kultur denkbar. Tatsächlich ist dieser Fall wohl noch nicht vorgekommen.

Eine Antwort auf Frage 2 ist Voraussetzung für die Entzifferung. Solange man z.B. die ägyptischen und die Maya

-Hieroglyphen für eine logographische Schrift hielt, machte die Entzifferung keinerlei Fortschritte.

Nachdem die ersten beiden Fragen beantwortet sind, besteht die eigentliche Entzifferung in der Antwort auf die dritte und vierte Frage. Diese sind teilweise unabhängig voneinander. Je nachdem, in welchem der beiden Hauptschriftsysteme die Texte geschrieben sind, befindet sich der Schriftentzifferer in einer völlig verschiedenen methodischen Situation: Bei einer phonographischen (insbes. alphabetischen) Schrift ist es möglich, Frage 3 zu einem gewissen Grade zu beantworten und einen Text vorzulesen, ohne ihn zu verstehen. Dies ist ungefähr die Lage bei der Entzifferung des Etruskischen oder Iberischen. Bei einer logographischen Schrift ist es möglich, Frage 4 zu einem gewissen Grade zu beantworten und einen Text zu verstehen, ohne ihn vorlesen zu können. Dies ist ungefähr die Lage bei der Lektüre altchinesischer Texte, bzgl. deren Aussprache man weitgehend auf Vermutungen angewiesen ist. Erfolgreiche Schriftentzifferung (Keilschrift) arbeitet mit einer Kombination von linguistischen, philologischen und historischen Methoden. Der Frage nach der Aussprache kommt man mit linguistischen, der Frage nach der Bedeutung mit historischen und archäologischen Methoden näher. Schriftsystem Ein Schriftzeichen kann entweder unmittelbar eine sprachliche Bedeutung, meistens die Bedeutung eines Worts (ein Significatum), wiedergeben; dann ist es ein Logogramm. Oder es kann den sprachlichen Ausdruck (das Significans) wiedergeben, der dann seinerseits mit einem Significatum gepaart ist; dann ist es ein Phonogramm (Silbenzeichen oder ein Buchstabe). Alphabet, Bilderschrift, Keilschrift, Silbenschrift. Semitisch Zweig des afroasiatischen Phylums, der spätestens

-5.000 abspaltete und nach Südwestasien abwanderte. Genetische Klassifikation nach Hetzron 1987:654-657:

Semitisch Ostsemitisch Akkadisch Nordakkadisch: Assyrisch
Südakkadisch: Babylonisch
Westsemitisch Südsemitisch Epigraph. Südarabisch Sabäisch
Minäisch
Qatabanisch
Modernes Südarabisch Mehri
Šhawri
Soqotri
Äthiosemitisch Nordäthio

-semitisch

Ge'ez
Tigrinya
Tigré
Südäthiosemitisch Transversales Südäthiosemitisch Amharisch
Argobba
Harari
Ostgurage
Äußeres Südäthiosemitisch Gafat
Soddo
Goggot
Muher
Westgurage
Zentralsemitisch Aramäisch Ostaramäisch Syriakisch
Westaramäisch Palästin. Aramäisch
Südzentralsemitisch Arabisch
Kanaanäisch Altkanaanäisch
Moabitisch
Ugaritisch
Amoritisch
Eblaitisch
Phönizisch Punisch
Hebräisch Ivrit
Ost

- und Zentralsemitisch müssen als Zweige bereits um -3.000 wohl etabliert gewesen sein. Äthiosemitisch entwickelte sich wahrscheinlich seit dem -6. Jh. als Ableger des Südarabischen, dadurch daß dessen Sprecher aus dem Jemen nach Eritrea einwanderten und einheimische Kuschiten (ihrerseits Afroasiaten) die Sprache übernahmen.

Sidetisch Anatolische Sprache. Sikanisch Nichtindogermanische Trümmersprache Siziliens. Die Sikaner waren vor den Sikulern dort. Es gibt anscheinend eine einzige für sikanisch gehaltene Inschrift. Sikulisch In Ostsizilien gesprochene indogermanische, vielleicht italische Trümmersprache. Die Sprachgemeinschaft wanderte vermutlich in vorgeschichtlicher Zeit aus Süditalien ein. Silbe(nstruktur) Phonotaktik. Silbenschrift Eine Schrift, deren Zeichen je für eine Silbe der Sprache stehen, ist eine Silbenschrift. Die bekannteste Silbenschrift der Antike ist die akkadische Keilschrift. Wenn die Sprache eine schlichte Silbenstruktur (Phonotaktik) hat, hat sie auch nur eine kleine Anzahl von Silben (ein bis ein paar Hundert). Dann ist eine Silbenschrift eine praktische Lösung. Die altindogermanischen Sprachen haben eine sehr komplexe Silbenstruktur und würden daher ein umfangreiches Inventar von Silbenzeichen erfordern. Werden sie mit einer Silbenschrift geschrieben (Linear B), wird das Significans nur höchst unzulänglich wiedergegeben. Skythisch Ostiranische Sprache, die Sprache der Skythen, die nördlich des Schwarzen Meeres saßen. Das Ossetische, das im Kaukasus von nicht

-indogermanischen Sprachen umgeben ist, ist ein moderner Abkömmling des Skythischen.

Sprachtrümmer Von mehreren untergegangenen Sprachen sind bloß ein paar kleine Inschriften, Glossen und solche Wörter (vor allem Namen), die als Fremdwörter in Kontakt

- und Superstratsprachen überlebt haben, erhalten. Solche Sprachtrümmer sind meistens nur teilweise verständlich. Aus ihnen läßt sich natürlich kein lebendiges Bild der Sprache rekonstruieren. Oft ist nicht einmal die genetische Anbindung der Sprache klar, die sie repräsentieren.

Subaräisch Sprache von Šubartu (akkadische Bezeichnung für Assyrien bzw. das assyrische Reich). Ungenauer Sammelname für unbekannte Substratsprachen im Zagros

-Gebiet.

Südarabisch Südsemitische Sprache (also trotz des Namens keine Variante des Arabischen). Gesprochen in Südwestarabien, insbesondere im Jemen, im antiken Saba. Hauptdialekte sind Sabäisch, Minäisch, Katabanisch und Hadramautisch. Bekannt aus Tausenden von Inschriften von -1.000 bis 600 und deshalb auch Epigraphisches Südarabisch genannt. Südpikenisch Südpikenisch (oder Mitteladriatisch) ist ein moderner Name für die Sprache von ein paar Inschriften von der mittelitalienischen Ostküste aus dem 6. Jh. v.Ch. ( Pikenisch), die 1985 von A. Marinetti entziffert wurden. Die Sprache ist italisch und steht wohl dem oskisch

-umbrischen Zweig nahe.

Sumerisch S. Kap. 3. Syllabographie Silbenschrift. Syriakisch Östliche Variante des Aramäischen, die ekklesiastische Literatur hervorgebracht hat.

Tamil

Süddravidische Sprache. Die Perioden sind: Alttamil (seit -200), Mitteltamil (seit 700), modernes Tamil (seit 1.500). Die ältesten Dokumente sind Steininschriften von -200 und sind in einer Variante der Brahmi

-Schrift abgefaßt. Gleichzeitig entsteht eine umfangreiche, zunächst mündlich überlieferte, Literatur, darunter auch eine einheimische Grammatik, die bald auf Palmblätter geschrieben wird. Die Tamil-Literatur ist nach der Sanskrit-Literatur die umfangreichste Indiens.

Tartessisch Sprache des Reiches Tarschisch, von den Griechen seit Herodot Tartessos genannt, im heutigen Westandalusien am oberen Rio Tinto. Die Hauptstadt wurde bis 2002 nicht lokalisiert. Die Sprache ist durch ein paar unentzifferte Inschriften überliefert und genetisch nicht zugeordnet. Thrakisch Die Thraker entstehen am Ende des 2. Jt. v.Ch. auf dem Balkan, etwa im heutigen Bulgarien plus Nordgriechenland plus europäische Türkei, durch Mischung von Einheimischen mit Zuwanderern. Sie bilden die ethnische (nicht die sprachliche) Basis der heutigen Bulgaren. Ihre Sprache ist Thrakisch, eine indogermanische Sprache, die durch zwei Inschriften und andere Sprachtrümmer zwischen -700 und -200 bezeugt ist. Ende des 4. Jh. von Alexander dem Großen und seinen Diadochen überrollt, wird Thrakien erst hellenistisch, dann römisch. Es dominiert die griechische Sprache. Vom Ende des 5. Jh. n.Ch. an dringen von Norden die Balkanslaven (sklaveni) über die Donau ein. Diese erlangen im 6. Jh. die kulturelle und sprachliche Vorherrschaft und absorbieren im 7. Jh. die von Osten eindringenden Bulgaren, ein kriegerisches Turkvolk. Zu dieser Zeit wird wohl schon nicht mehr Thrakisch gesprochen. Duridanov, I. 1985, Die Sprache der Thraker. München: C.H. Beck. Tocharisch Indogermanische Sprache, deren Träger relativ früh nach Osten abwanderten. Die erhaltenen Dokumente stammen aus der chinesischen Provinz Xinjiang und aus dem 6. bis 8. Jh.n.Ch. Danach wurde die Sprache von Turksprachen verdrängt. Tocharisch besteht aus zwei Dialekten, A = Osttocharisch (Texte aus Turfan) und B = Westtocharisch (Texte aus Ku). Die Dokumente sind Manuskripte, in einer nordindischen Brhmi

-Schrift geschrieben und enthalten aus dem Sanskrit übersetzte buddhistische Texte. Sie wurden erst 1900 entdeckt.

Toponymie Ein Toponym ist ein Ortsname; Toponymie ist ein Teil der Onomastik. Örtlichkeiten sind gegenüber anderen Individuen ortsfest und beständiger als belebte Individuen. Daher spielen Toponyme eine wichtige methodische Rolle bei der Frage der Zuordnung von alten Sprachen zu Raum und Zeit. Trümmersprache Eine Sprache, die ausschließlich in Sprachtrümmern überliefert ist. Türkisch Die älteste schriftliche Überlieferung einer Türksprache sind die Orchon-Inschriften der Altaier, die zwischen 732 und 735 n. Chr. in einer runischen und auf dem syro-aramäischen Alphabet fußenden Schrift verfaßt wurden.

Ugaritisch Kanaanitische und somit semitische Sprache des Reiches von Ugarit (heutiges Ras Šamra, an der nordsyrischen Mittelmeerküste). Bestand etwa 1.400 bis 1.200 v.Ch. Sie wird in einer Schrift geschrieben, die äußerlich eine Keilschrift ist, deren Zeichen allerdings Buchstaben sind. Die Idee des Alphabets hat man offenbar früh von den Phöniziern übernommen, die Buchstabenformen allerdings großenteils selbst erfunden. Umbrisch Italische Sprache, die in Umbrien (nördl. Zentralitalien, östlich der Toscana) gesprochen wurde. Ursprünglich wohnten die Umbrer auch in der Toscana, wurden von dort aber durch die einwandernden Etrusker vertrieben. Die Sprache ist vor allem durch die iguvinischen Tafeln bekannt. Sie wird seit dem 5. Jh. v.Ch. in einem eigenen umbrischen Alphabet geschrieben, das auf dem etruskischen basiert. Deshalb gibt es z.B. für das Phonem /o/ keinen Buchstaben, und die Buchstaben

werden auch für die stimmhaften Okklusive verwendet. Die Schrift ist linksläufig. Im 2. Jh. wird dann die lateinische Schrift übernommen. Ur

-Afroasiatisch S. Afroasiatisch. Urartäisch Sprache von Urartu, einem von den Hurrern seit -850 auf dem Gebiet von Ostanatolien, Armenien und Nordwestiran gebildeten Reich. Direkter Fortsetzer des Hurrischen. Das Reich unterliegt um -550 den Medern und Skythen, und bereits Herodot weiß weniger als 200 Jahre später nichts mehr davon. Urartäisch wird in assyrischer Keilschrift, und zwar überwiegend silbisch, geschrieben. Zahlreiche Tontafeln sind erhalten. Ur

-Baltisch Zweig des Indogermanischen, dessen Sprachen erst in der Neuzeit bezeugt sind. Ur

-Baltisch hat sich spätestens -1.000 abgespalten und hatte bis dahin wohl eine enge Beziehung mit Ur-Slavisch. Das Sprachgebiet reichte, nach Flußnamen zu urteilen, ursprünglich weit über das Baltikum nach Osten hinaus bis nach Moskau.

Ur

-Finno-Ugrisch Keine finno

-ugrische Sprache ist aus dem Altertum überliefert. Die Ur-Finno-Ugrier dürften in der Antike in Nordrußland gesessen haben, also nördlich von den Ur-Indogermanen, aber wohl in Kontakt mit diesen. Von dort wurden sie im Mittelalter von den Ostslaven verdrängt. So weit sie nicht überlagert wurden (Samojedisch), zogen sie sich nach Norden zurück (Finnisch) oder wanderten ab: die Magyaren erschienen erst im 9. Jh. in Ungarn.

Ur

-Germanisch Zweig des Indogermanischen und Ursprache aller germanischen Sprachen, die selbst nicht schriftlich überliefert ist, sondern durch Vergleich der germanischen Sprachen rekonstruiert wird.

Ur-Indogermanisch Ursprache aller indogermanischen Sprachen. Die Indogermanen kannten die Schrift nicht, ihre Sprache ist also nicht überliefert. Sie wird durch Vergleich der historischen indogermanischen Sprachen rekonstruiert. Die Einzelsprachen haben sich zu verschiedenen Zeiten von der Ursprache abgespalten, die ersten schon zu Anfang des 3. Jt. v.Ch. Dies ist daher der Terminus ante quem für das Urindogermanische. Da keine der historischen indogermanischen Sprachen als direkter Fortsetzer des Ur

-Indogermanischen bezeichnet werden kann, ist auch die Urheimat der Indogermanen nicht mit Sicherheit lokalisierbar. Die wahrscheinlichste Hypothese ist 1995 die Assoziation der Ur-Indogermanen mit der Sredny-Stog-Kultur, die von -4.500 - -3.500 in der südrussischen Steppe nördlich des Schwarzen Meeres herrschte. Andere verlegen die Urheimat nach Polen oder Ostanatolien.

Sicher ist, daß die Indogermanen am Ende der Jungsteinzeit und dann in der Bronzezeit ganz Europa sowie weite Teile West

- und Südasiens besiedelten. In keinem dieser Gebiete sind sie autochthon; überall trafen sie auf eine ältere Bevölkerung. Z.B. wohnten in Schottland die vorkeltischen Pikten; im Mittelmeerraum, z.B. auf Malta nachweisbar, gab es mediterrane Kulturen, in Iberien saßen die Iberer, in Kleinasien die Hattier, in Indien die Draviden. Die Urbewohner Germaniens sind für den blonden, blauäugigen Typ verantwortlich; er ist wohl nicht indogermanisch. Die Indogermanen setzten in den besiedelten Gebieten indogermanische Sprachen gegenüber den Substraten durch. Nach Mitteleuropa abgewanderte Indogermanen (z.B. Ur-Kelten, -Germanen und -Italiker) können die Träger der Kultur sein, die die vorindogermanische Trichterbecherkultur ablöste und dort -3.000 - -2.000 bestand. Vom Beginn des 2. Jt. v.Ch. an werden indogermanische Sprachen in Anatolien und Griechenland historisch faßbar. Die Indogermanen hatten bereits (mündlich überlieferte) metrische Dichtung, von der sich Spuren in einzelnen Tochtersprachen finden.

Ur

-Slavisch Urslavisch wird bis spätestens 500 in Osteuropa gesprochen. Danach breiten sich die slavischen Völker nach Osten und Nordosten aus und siedeln sich über verschiedenen Substraten (in Nordrußland z.B. über finnischem Substrat) an. So beginnt die Differenzierung der slavischen Sprachen. Es gibt keine Schriftdokumente. Die älteste belegte slavische Sprache, mit Texten aus dem 9. Jh., ist Altkirchenslavisch, das zwar südslavisch, nämlich altbulgarisch ist, jedoch dem Urslavischen sehr nahe steht. Ur

-Zoque Sprache eines Volks, das nach der Hochblüte der Olmekenkultur (1.200 - 500 v.Ch.) am Golf von Mexiko (in den heutigen mexikanischen Staaten Tabasco und Veracruz bis nach Guatemala hin) siedelte und daher Epi

-Olmeken genannt wird. Die Sprache ist vor allem in einer umfangreichen Inschrift auf der Stele von La Mojarra erhalten, die aus dem Jahre 159 stammt. Die Schrift ist bereits logosyllabisch und der Maya-Schrift ähnlich. Die Sprache besteht in ihren Töchtern, den Mixe-Zoque-Sprachen, bis heute fort.

Vedisch S. Kap. 10. Venetisch Indogermanische Sprache des italischen Zweigs, die in Venetien gesprochen wurde. Sie ist auf etwa 200 Inschriften aus dem 6. bis 1. Jh. v.Ch. erhalten, von denen die meisten kurze Grabinschriften sind. Die Texte sind linksläufig geschrieben und nur bruchstückweise verständlich. Das Alphabet ist von einem nordetruskischen Alphabet abgeleitet. Volskisch Italische Sprache des oskisch

-umbrischen Zweigs.

Zapotekisch Sprache der Zapoteken, der indianischen Einwohner der Täler des Rio Atoyac und Rio Salado im südlichen Zentralmexiko. Die Zapoteken hatten schon vor den Maya eine Kalenderrechnung und eine ideographische Schrift. Das älteste Steinmonument mit Kalenderhieroglyphen wird bereits zwischen -700 und -500 im Tal von Oaxaca aufgestellt. Um -500 errichten sie ein Zentrum in Monte Albán. Dort gibt es schon in der Phase bis -200 Inschriften aus bis zu 8 Glyphen. Später tritt Monte Albán in - anscheinend friedliche - Konkurrenz mit dem noch größeren Teotihuacán. Nach 700 besteht Monte Albán zwar fort, ist jedoch nicht mehr politisches Zentrum. Die erhaltenen Hieroglypheninschriften können nur teilweise gedeutet werden. Die Sprache besteht bis heute fort. Zend Irrige Bezeichnung des Avestischen durch dessen französischen "Entdecker" Duperron.

Brock, Anthoni, Moenjo-Daro. New life for the city of the dead.

Moesia: Gebiet südlich der unteren Donau. Westmoesien ~ Mazedonien, Ostmoesien ~ südliches Bulgarien. Thrakien: Gebiet nördlich des Hellespont, also südlich von Ostmoesien. Dakien: Gebiet nördlich der unteren Donau,~ Rumänien. Colin McEvedy's The Penguin Atlas of Ancient History, 1967 enthält Karten der idg. Sprachausbreitung. Zitiert in: http://www.ship.edu/~cgboeree/indoeuropean.html http://www.ship.edu/~cgboeree/languagefamilies.html Über antike Sprachen: http://members.xoom.com/_XMCM/Pdictus/index.html Das war die Website von Paolo Agostini. Sie ist ab Aug. 2001 nicht mehr aufzufinden.

1. S. Wunderlich, Dieter 2001, "Sprachfamilien und die Evolution der Sprache". Vortrag Univ. Düsseldorf. URL: http://web.phil-fak.uni-duesseldorf.de/~wdl/.

2. Die folgende Darstellung folgt Norman 1988, ch. 4.

3. Thomsen 1984. Nach Falkenstein 1964 dagegen eme si-sá "normale Sprache".

4. Griechisch, "Zwischenstromland"

5. auch Kuten oder Gutium

6. So übrigens auch in anderen Kulturen, die die Schrift unabhängig erfanden, etwa bei den Maya.

7. Zum folgenden s. Falkenstein 1964:19f.

8. Einige Orientalisten, z.B. Thomsen 1984, scheinen anzunehmen, daß die Determinative auch Elemente der gesprochenen Sprache sind. Ein Klassifikationssystem mit diesen Eigenschaften wäre aber unter den Sprachen der Welt singulär.

9. Einen Überblick zur sumerischen Lexik bietet Ellermeier 1979/80.

10. Etymologie von Sargon: akkad. Šarru-kn(u) "legitimer König". Die Form Sargon ist ein einziges Mal in der Bibel belegt und ein Schreibfehler für Sargn.

11. Status Constructus

12. genau wie die Codices der antiken Maya

13. Sindhi Mohenjo-Daro "Toten-Hügel"