Die folgende Darstellung verfolgt den Zweck, die Aussprache und Schreibung von Konsonanten der romanischen Sprachen, die mit k und g zu tun haben, allgemeinverständlich zu erläutern. Damit sind hier zwei Arten von Konsonanten gemeint:
Bei diesen Konsonanten ist in allen romanischen Sprachen außer dem Sardischen die Beziehung zwischen Laut und Schrift nicht ganz geradlinig. Dies läßt sich durch einen Lautwandel erklären, der zu gemeinromanischer Zeit stattgefunden und das lateinische Lautsystem verändert hat. Es ist die Palatalisierung der Velare. Darunter versteht man folgendes:
Das lateinische Lautsystem verfügte über die Konsonanten /k/ und /g/. Sie unterlagen bis ca. 100 n.Ch. keiner wesentlichen Allophonie und wurden (mit gewissen hier unwesentlichen Ausnahmen für /k/) regelmäßig durch die Buchstaben <c> bzw. <g> wiedergegeben, wie in den folgenden Beispielen.
Folgevokal Velar ╲ | u | o | a | e | i |
---|---|---|---|---|---|
<c> = /k/ | cura | collega | carus | centrum | Cicero |
<g> = /g/ | gustus | lego | gallus | lege | legis |
Die Vokale unterteilt man in hintere = velare und vordere = palatale. In einem einfachen Vokalsystem wie dem lateinischen sind /u/, /o/ und /a/ die hinteren, /e/ und /i/ die vorderen Vokale. Zu den vorderen Vokalen kommt der Halbvokal /j/, so wie in lat. facio [fakjo] “mache”.
Die Aussprache der velaren Verschlusslaute /k/ und /g/ ist für den folgenden Vokal empfindlich. Sie werden an den folgenden Vokal assimiliert, also vor vorderen Vokalen nach vorne verlagert. Aus [k] wird dann (mit weiteren, hier nicht wichtigen Anpassungen) [ʧ], und aus [g] wird [ʤ]. Die velaren Konsonanten werden vor palatalen Vokalen also palatale Konsonanten; und deshalb heißt der Vorgang Palatalisierung. Sie findet zu gemeinromanischer Zeit stufenweise vom 2. bis 5. Jh. n. Ch. in systematischer Weise statt, verändert also das lateinische Lautsystem auf dem Wege zu den romanischen Sprachen.
Im Ergebnis sehen die oben angeführten lateinischen Wörter im heutigen Italienischen wie folgt aus (phonetische Transkription vereinfacht):
Folgevokal | u | o | a | e | i |
---|---|---|---|---|---|
<c> | cura | collega | caro | centro | Cicerone |
/k/ ~ /ʧ/ | [kura] | [kol:ega] | [karo] | [ʧentro] | [ʧiʧerone] |
<g> | gusto | leggo | gallo | legge | leggi |
/g/ ~ /ʤ/ | [gusto] | [leg:o] | [gal:o] | [leʤ:e] | [leʤ:i] |
Die Palatalisierung macht auch Flexionsparadigmen heterogen. Z.B. tritt in ihrer Konsequenz in der Konjugation von ital. leggere “lesen” vor der Endung abwechselnd ein /g/ und ein /ʤ/ auf, wo es im Lateinischen einheitlich /g/ war. Das Entsprechende passiert z.B. in der Deklination: amico [amiko] “Freund” – amici [amiʧi] “Freunde”.
Die Orthographie ist konservativ; sie weiß von dieser Verschiebung der Aussprache nichts. Für die Aussprache auf der Basis der Orthographie braucht man folglich eine Regel:
R1.a. | <c> wird vor (Buchstaben von) vorderen Vokalen als [ʧ], sonst als [k] gesprochen. |
---|---|
b. | <g> wird vor (Buchstaben von) vorderen Vokalen als [ʤ], sonst als [g] gesprochen. |
Nachdem der Wandel abgeschlossen war, d.h. nachdem seine Ergebnisse im Lautsystem der romanischen Sprachen verankert waren, entstanden in weiteren Schritten a) /k/ und /g/ vor vorderen Vokalen und b) /ʧ/ und /ʤ/ vor hinteren Vokalen, also eben in den Kontexten, in welchen sie in unmittelbarer Folge der Palatalisierung zunächst nicht auftraten.
Italienische Beispiele von /k/ und /g/ vor vorderem Vokal (einschließlich [j]) sind die folgenden:
Folgevokal | e | i | j |
---|---|---|---|
<ch> | Michele | chilo | Chiara |
/k/ | [mikele] | [kilo] | [kjara] |
<gh> | Spaghetti | Respighi | ghiaccio |
/g/ | [spaget:i] | [respigi] | [gjaʧo] |
Die Laute /k/ und /g/ vor vorderen Vokalen werden in der Orthographie durch die Digraphen <ch> bzw. <gh> bezeichnet. Da die romanischen Sprachen nicht über den Laut /h/ verfügen, haben sie den Buchstaben <h> übrig. Das Italienische verwendet ihn hier sozusagen als Strohmann: Hinter die Buchstaben <c> und <g> gesetzt sorgt er dafür, dass ein darauf folgender vorderer Vokalbuchstabe nicht unmittelbar auf die Konsonantbuchstaben <c> und <g> folgt. Dadurch blockiert er die Anwendung der jeweils ersten Teilsätze von R1. (In anderen Kontexten, insbesondere vor hinteren Vokalbuchstaben, treten diese Digraphen nie auf.) Daraus resultiert folgende Ausspracheregel:
R2.a. | <ch> wird als [k] gesprochen. |
---|---|
b. | <gh> wird als [g] gesprochen. |
R2 ist, streng genommen, überflüssig, denn wenn man weiß, dass dem Buchstaben <h> in der Aussprache nichts entspricht, dann ist die richtige Aussprache der Wörter von § 3.2 schon durch R1 erfasst.
Wie erwähnt, entstanden nach abgeschlossener Palatalisierung auch /ʧ/ und /ʤ/ vor hinteren Vokalen. Italienische Beispiele dafür sind die folgenden:
Folgevokal | u | o | a |
---|---|---|---|
<ci> | ciuco | cioccolato | provincia |
/ʧ/ | [ʧuko] | [ʧok:olato] | [provinʧa] |
<gi> | giusto | giorno | giardino |
/ʤ/ | [ʤusto] | [ʤorno] | [ʤardino] |
Die Laute /ʧ/ und /ʤ/ vor hinteren Vokalen werden in der Orthographie durch <ci> bzw. <gi> bezeichnet. Diese orthographische Regel stützt sich offenbar auf R1. Das <i> wird hier allerdings nicht separat gesprochen, sondern dient nur als Symbol der Palatalisierung der vorangehenden Konsonanten. Die orthographische Regel lautet also:
R3.a. | <ci> vor (Buchstaben von) hinteren Vokalen wird als [ʧ] gesprochen. |
---|---|
b. | <gi> vor (Buchstaben von) hinteren Vokalen wird als [ʤ] gesprochen. |
Auch R3 ließe sich, streng genommen, erübrigen, wenn man folgendes annimmt:
Abschließend ist der Laut /ʃ/ zu behandeln. Er zählt als Palatal, wird also in der italienischen Orthographie analog zu /ʧ/ und /ʤ/ behandelt. Das bedeutet:
/ʃ/ wird vor (Buchstaben von) vorderen Vokalen durch den Digraphen <sc> geschrieben:
Folgevokal | e | i |
---|---|---|
<sc> | pesce | uscita |
/ʃ/ | [peʃe] | [uʃita] |
Vor (Buchstaben von) hinteren Vokalen dagegen wird /ʃ/ durch den Trigraphen <sci> geschrieben.
Folgevokal | u | o | a |
---|---|---|---|
<sci> | prosciutto | sciovinismo | sciampagna |
/ʃ/ | [proʃut:o] | [ʃovinismo] | [ʃampaɲa] |
Auch hier dient – wie in R3 – <i> nur als Symbol der Palatalisierung. Vor hinteren Vokalen wird nämlich die Sequenz <sc> als [sk] gesprochen. Für die Schreibung dieser Lautkombination braucht man aber keine besonderen Regeln; es gelten einfach R1 und R2 für die Schreibung von /k/. Daher:
<biscotto> [biskot:o] gemäß R1.a.
<bruschetta> [brusket:a] gemäß R2.a.
Da die Palatalisierung gemeinromanisch ist, haben alle romanischen Sprachen die obige Art von Alternation und die daraus resultierenden orthographischen Probleme. Sie unterscheiden sich nur in Details der Produkte der Palatalisierung und der orthographischen Kniffe, um die Laute in den jeweils entgegengesetzten Kontexten zu schreiben.
Im Französischen werden die Digraphen <qu> und <gu>, wie in qui [ki] und <guerre> [ger], verwendet, um vor (Buchstaben von) vorderen Vokalen die Aussprache als /k/ und /g/ sicherzustellen. Und andererseits werden <ç> und <j> verwendet, wie in <ça> [sa] und <déja> [deʒa], um vor hinteren Vokalen die nicht-velare Aussprache zu bezeichnen.
Im Spanischen werden, gerade wie im Französischen, die Digraphen <qu> und <gu>, wie in quilo [kilo] und <guerra> [gera], verwendet, um vor (Buchstaben von) vorderen Vokalen die Aussprache als /k/ und /g/ sicherzustellen. Und andererseits werden <z> und <j> verwendet, wie in <zorro> [θoro] und <dejo> [dexo], um vor hinteren Vokalen die Aussprache als /θ/ bzw. /x/ zu bezeichnen.