Ein Diakritikum (griech. für “Unterscheidungsmerkmal”) ist ein Schriftelement, welches mit einem primären Schriftzeichen – in alphabetischen Schriften einem Buchstaben – zu einem komplexen Zeichen kombiniert wird, so wie z.B. das Diakritikum <´> (Akut) mit dem Buchstaben <e> zu <é> kombiniert wird. Der Gebrauch eines Diakritikums setzt gemäß der etymologischen Bedeutung des Wortes i.a. voraus, daß in demselben Schriftsystem das primäre Schriftzeichen auch ohne das Diakritikum vorkommt. Das Diakritikum selbst steht für keinen Sprachlaut. Es kann in einem Schriftsystem verschiedene Funktionen erfüllen. Wird es einigermaßen systematisch mit verschiedenen Buchstaben kombiniert, so kann es ein bestimmtes phonologisches Merkmal bezeichnen oder als Ausspracheanweisung fungieren

Ein Beispiel eines Diakritikums, das in verschiedenen Schriftsystemen völlig unterschiedliche Funktion hat, ist das Trema <  ̈>. Im deutschen Alphabet liefert es in Kombination mit den Buchstaben <a>, <o> und <u> die Buchstaben <ä>, <ö> und <ü>, bezeichnet also, daß jeweils der vordere Vokal gemeint ist, welcher dem durch den tremalosen Buchstaben bezeichneten hinteren Vokal entspricht. Im spanischen Alphabet wird es auf den Buchstaben <u> gesetzt, um in der Sequenz <gu> zu bezeichnen, daß dieses <u> überhaupt (als [w]) zu sprechen ist, wie in <güero> [gwɛɾɔ] “blond” (<guero> dagegen würde eine Aussprache [gɛɾɔ] bezeichnen). Im französischen Alphabet hinwiederum wird das Trema über einen Vokalbuchstaben gesetzt, um anzugeben, daß er separat zu sprechen ist und nicht mit dem Nachbarbuchstaben zusammen einen Vokal bezeichnet, wie z.B. in <naïf> [naif] (während eine Schreibung <naif> eine Aussprache [nɛf] bezeichnen würde).

Für den Unterschied zwischen einem Buchstaben und einem Diakritikum gelten folgende Kriterien:

Das Diakritikum unterscheidet sich auch von der Abwandlung eines Buchstabens. Im Internationalen Phonetischen Alphabet kann man z.B. den retroflexen Charakter eines Konsonanten entweder durch das Diakritikum <  ̣> (Unterpunkt) oder durch einen schwanzförmigen Anhang an dem Konsonantenbuchstaben bezeichnen: [ṛ] = [ɽ]. Das relevante Unterscheidungsmerkmal besteht hier darin, daß das Diakritikum ein separates Zeichen ist, während die Abwandlung mit ihrem Träger eine typographische Einheit bildet. Nach diesem Kriterium sind übrigens die Punkte über den deutschen Umlautbuchstaben in der Tat ein Diakritikum und bilden nicht eine Einheit mit ihrem jeweiligen Trägerbuchstaben.

Wie das Beispiel des Tremas schon zeigt, haben die Diakritika – genau wie die Buchstaben – keine international genormte phonologische Funktion; vielmehr variiert ihre Funktion von Sprache zu Sprache.

Diakritika in Orthographien
DiakritikumNameSprachenFunktionBeispielAussprache
AkutSpanischVokal ist betontéˈɛ
AltgriechischVokal hat fallenden Tonλήγωˈlɛ̀ːgɔː
Französischverschiedene, z.B. Vokal ist geschlossenée
Sanskrit-TranskriptionSibilant ist gefurchtśʃ
UngarischVokal ist langé
GravisAltgriechischVokal hatte fallenden Tonόρϑὸς ή̃νɔrˈtʰɔs ɛ́ːn
ItalienischAkzentcittàʧiˈtːa
Französischverschiedene, z.B. Vokal ist offenèɛ
ZirkumflexAltgriechischVokal hat steigenden Tonλη̃γεˈlɛ́ːgɛ
TildeSpanischKonsonant ist palatalñɲ
Portugiesisch, IPAVokal ist nasalõõ
ÜberstrichLatein, Lettisch, Sanskrit-TranskriptionVokal ist langō
UnterpunktSanskrit-TranskriptionKonsonant ist retroflexʂ
HačekTschechischKonsonant ist palatalčʧ

Die folgende Tabelle enthält rein phonetische Diakritika:

Phonetische Diakritika
AnwendungDiakritikumBedeutung
allelang
halblang
Konsonantretroflex
silbisch
k’ejektiv glottalisiert
kwlabialisiert
kjpalatalisiert
khaspiriert
Alveolardental
Sonorantstimmlos/geflüstert
Vokalnasal(iert)
laryngalisiert
unsilbisch