Grundbegriffe

Die Menge der Propositionen, welche die Bedeutung eines Satzes repräsentieren, zerfällt in zwei Teilmengen:

Gegeben den Mini-Diskurs in B1,

B1.Und wieso ist nun Erna so mißvergnügt? – Erna hat ihren Geburtstag vergessen.

so ist Erna im Antwortsatz der Topic-Ausdruck; der Rest (hat ihren Geburtstag vergessen) ist der Comment-Ausdruck. Erna hat hier keinen Akzent; der Hauptakzent liegt normalerweise auf Geburtstag.

Topic-Ausdrücke

Topic-Ausdrücke lassen sich nach mehreren Kriterien klassifizieren:

  1. syntaktische Kategorie
  2. syntaktische Funktion
  3. Explizitheit (lexikalischer vs. grammatischer Status).

Nach dem ersten Kriterium können Topic-Ausdrücke im Prinzip Syntagmen jeglicher Kategorie sein. Sogar Sätze kommen infrage, wie in B7. Im häufigsten Falle sind es Nominalsyntagmen, wie in B1, oder Adverbialien, wie im Leseeifer in B2.

B2.Im Leseeifer liegt Thüringen auf den hintersten Plätzen.

B2 zeigt gleichzeitig, daß ein Satz mehr als einen Topic enthalten kann; denn auch Thüringen kann in B2 Topicausdruck sein.

Was das Kriterium der syntaktischen Funktion angeht, so ist in B1 der Topic-Ausdruck Subjekt. Tatsächlich kann jegliches Satzglied Topic sein. In B3 sind die unterstrichenen Ausdrücke Topic und direktes Objekt.

B3.a.Was denn, den Herrn Bleifuß willst du mir vorstellen? Den kenne ich doch schon längst!
b.Plötzlich stand Friedrich im Zimmer. Niemand hatte ihn kommen hören.

Nach dem dritten Kriterium schließlich kann ein Topic-Ausdruck ein lexikalisch besetztes Syntagma sein, wie in B1 und B2, oder ein Pronomen, wie in B3. Auch B1 wäre mit einem Personalpronomen, wie in B1', mindestens ebenso natürlich.

B1'.Und wieso ist nun Erna so mißvergnügt? – Sie hat ihren Geburtstag vergessen.

In Umgangssprache könnte man sogar das Subjekt im zweiten Satz ganz weglassen. In anderen Sprachen wie Latein oder Spanisch wäre das in diesem Kontext der Normalfall; im Hochdeutschen läßt die Grammatik keinen Satz ohne Subjekt zu.

Die Topic-Ausdrücke lassen sich auf folgender Skala zunehmender Explizitheit anordnen (Lambrecht 1994:201; vgl. auch Givóns Topic continuity scale):

Referenten in Topicfunktion

In B1/B1' ist, wenn der zweite Sprecher an der Reihe ist, der Referent Erna aktiv. D.h., er ist nicht nur im Redeuniversum, sondern er ist zuvorderst im Bewußtsein der Sprechaktteilnehmer; deren Aufmerksamkeit richtet sich gerade auf diesen Referenten. Aktive Referenten werden normalerweise pronominalisiert (oder gar weggelassen), wie in B1'. Gleichzeitig eignen sie sich am besten als Topic. Referenten andererseits, von denen bis dahin gar nicht die Rede war, eignen sich am schlechtesten als Topic. Ein solcher Referent ist ja selber neue Information. Ehe der Sprecher etwas über ihn sagt, müßte er ihn also erst einmal einführen. Dieses läßt sich geradezu als kommunikatives Prinzip formulieren:

Principle of the Separation of Reference and Role:
"Do not introduce a referent and talk about it in the same clause."
(Lambrecht 1994:185)

Man kann die Referenten auf einer Skala anordnen nach dem Kriterium, wie verfügbar sie derzeit im Bewußtsein der Gesprächspartner sind. Auf der folgenden Skala steht der bewußteste Referent zuoberst, der überhaupt noch nicht verfügbare zuunterst:

Topic Acceptability Scale (Lambrecht 1994:165)
BewußtseinsstatusTopicrolle
active most acceptable
accessible
unused
brand-new anchored
brand-new unanchored least acceptable

Je niedriger ein Referent auf dieser Hierarchie steht, desto schlechter eignet er sich als Topic eines Satzes. Die Linksversetzung ist ein grammatisches Mittel, das es dem Sprecher erlaubt, auch einen Referenten, welcher eine niedrigere Position auf dieser Hierarchie hat, zum Topic zu machen.

Die Topic-Akzeptabilitätsskala und die Skala der Explizitheit des Topic-Ausdrucks korrelieren3 miteinander wie folgt (Lambrecht 1994:201):

Bewußtseinsstatus und Explizitheit des Topic
BewußtseinsstatusAusdruck
active Nullausdruck
accessible pronominaler Ausdruck
unused lexikalischer Ausdruck
brand-new anchored
brand-new unanchored

M.a.W., ein Referent, der überhaupt nicht segmental repräsentiert ist, wie das direkte Objekt im Antwortsatz von B4, ist jedenfalls Topic.

B4.Und was ist mit deinen Hausaufgaben? - Habe ich gemacht.

Lexikalische Topic-Ausdrücke andererseits herrschen dann vor, wenn mehrere Topics kontrastiert werden. Z.B. wäre eine natürliche Fortsetzung von B2 die folgende:

B2'.Im Leseeifer liegt Thüringen auf den hintersten Plätzen. Aber in Mathematik, da ist es einsame Spitze.

Im Leseeifer und in Mathematik sind hier Ausdrücke für kontrastive Topics.

Der Fortsetzungssatz ist übrigens ein Beispiel für Linksversetzung mit Resumptivum im Deutschen.

Die Skala der Korrelation zwischen Bewußtseinsstatus und Explizitheit des Topic ist übrigens eine Variante der Skala der Korrelation zwischen der syntaktischen Distanz eines anaphorischen Ausdrucks zu seinem Antezedens und seiner Explizitheit.

Topic-Marker

Viele Sprachen haben Morpheme, die den Topic-Ausdruck begleiten und ihn als solchen markieren. Hier genügt ein Blick auf japanisch wa; den yukatekischen Topic-Marker zeigt B7 unten.

B5.hahawako-nohonokat-tekure-ta
JapMutterTOPdies-ADJBuchAKKkauf-GERgeb-PRT
“Mutter hat mir dieses Buch gekauft.”
B6.ko-nohonwahahagakat-tekure-ta
Japdies-ADJBuchTOPMutterNOMkauf-GERgeb-PRT
“Dieses Buch hat Mutter mir gekauft.”

Sowohl in B5 als auch in B6 ist der Topic durch die postpositionale Partikel wa markiert. Der Rest des Satzes ist Comment; dessen Satzglieder haben Kasuspartikeln.

Wortstellung

Lexikalische Topicausdrücke haben eine Tendenz, vorne im Satz zu stehen; das zeigen alle bisherigen Beispiele. Bei der in einem anderen Abschnitt zu besprechenden Linksversetzung sind sie sogar das absolut erste Element eines noch so komplexen Satzes. B7 zeigt, daß am Anfang des Satzes die Topics auch gereiht werden können.

B7.teen-e'inwil-ik-e'túunpeor-chah-al
Yukich-TOPSBJ.1.SGseh-INKMPL-TOPPROG:SBJ.3.SGschlechter-FIENT-INKMPL
“Was mich betrifft, soweit ich sehe, geht es ihm schlechter.” (BVS_13.01.05)

Gleichzeitig ist B7 ein Beispiel für einen sententialen Topic.

Es gibt auch eine Variante des Topic, welche nachgestellt ist und in B8f vorliegt.

B8.a. (Die ist) ganz schön clever, diese Erna.
b.Den knöpfen wir uns bei Gelegenheit noch vor, diesen Schaumschläger.
B9. Great little program this - and free! (Xenu Link Checker Website)

Formal liegt in allen Beispielen von B8 und B9 Rechtsversetzung vor. Funktional ist in jedem Fall das vorangehende Prädikat rhematisch. In B8.a und B9 (this ist rechtsversetzt) hat das dem rechtsversetzten NS vorangehende Prädikat Fokus. Die Rechtsversetzung der Konstituente, die in einem einfachen Satz das Subjekt wäre, ist funktional etwas ungewöhnlich, weil es auf diese Konstituente selbst dabei gar nicht ankommt. Sie ist aus dem vorangehenden Kontext bekannt, also topikalisch und folglich vollkommen unbetont. Ihre Nachstellung dient hier lediglich dazu, dem vorangehenden Satz mehr “Relief” zu geben, denn wenn er keinen unbetonten unmittelbaren Kontext hätte, würde man nicht so gut unterscheiden können, wie stark akzentuiert er tatsächlich ist. Der Vorgang zeigt also gut, daß Prominenz (syntagmatischen) Kontrast voraussetzt (mehr dazu in der Phonologie).

In B8.b dagegen ist in der rechtsversetzten Konstituente auch noch zusätzliche Information oder jedenfalls Wertung enthalten, und andererseits enthält der vorangehende Satz auch keinen Fokus. Hier liegt also funktional etwas anderes vor, was ‘afterthought’ genannt worden ist.


1 /'topik/ (m/n), i.Ggs.z. /'tōpik/ (f) (eine Sparte der Rhetorik). Statt Topic und Comment sagte man in der Prager Schule Thema und Rhema.

2 Comment wird gelegentlich mit dt. Kommentar übersetzt; aber das ist ein ‘faux ami’.

3 Die Korrelation ist nicht zu verstehen als unmittelbare Zuordnung der Elemente, die jeweils in einer Zeile der Tabelle stehen. Vielmehr ist eine zweifache implikative Hierarchie gemeint: Gegeben einen Topicausdruck x aus der rechten Skala und einen Referenten mit einem Bewußtseinsstatus y aus der linken Skala derart, daß x einen solchen Referenten in einer Sprache bezeichnen kann. Dann bezeichnen Ausdrücke, die auf der rechten Hierarchie weiter unten stehen, Referenten, die auf der linken Hierarchie weiter unten stehen; und umgekehrt für Ausdrücke, die weiter oben stehen.

Literaturhinweise

Givón, Talmy (ed.) 1983, Topic continuity in discourse. A quantitative cross-language study. Amsterdam & Philadelphia: J. Benjamins (Typological Studies in Language, 3).

Lambrecht, Knud 1994, Information structure and sentence form. Topic, focus and the mental representations of discourse referents. Cambridge: Cambridge University Press.