Kongruenz ist eine der Weisen, auf welche eine syntaktische Relation markiert werden kann. Man unterscheidet zwei Grundformen der Kongruenz nach dem Kriterium, ob sie innerhalb des NSs stattfindet oder an einem Träger auftritt, dessen Relation zu einem NS sie markiert, zu welchem der Träger nicht gehört. Den ersteren Fall, genannt interne Kongruenz, illustriert B1 aus dem Lateinischen, wo das Adjektivattribut in Genus, Numerus und Kasus mit seinem Bezugsnomen kongruiert.

B1.benignorumdeorum/benignarumdearum
Latgütig:GEN.PL.MGott:GEN.PL.M/gütig:GEN.PL.FGott:GEN.PL.F
“gütiger Götter”/“gütiger Göttinnen”

Aus anderen Sprachen ließe sich die Kongruenz des Genitivattributs und des Relativsatzes mit dem Bezugsnomen illustrieren.

Den zweiten Fall, genannt externe Kongruenz, illustrieren B2 – B4.

B2.n-jovui-li-mw-on-am-toto
SwahKL9-ElefantSBJ.KL9-PRÄT-OBJ.KL1-seh-INDKL1-Kind
“der Elefant sah das Kind”
B3.atàatahtèech/ utàatahHwàan
YM[ POSS.2Vater ]du/ [ POSS.3Vater ]Hans
“déin Vater”/ “Hansens Vater”
B4.awóok'oltèech/ uyóok'olHwàan
YM[ POSS.2über ]du/ [ POSS.3über ]Hans
“über dír”/ “über Hans”

In B2 aus dem Swahili kongruiert das Verb in Person bzw. Klasse und Numerus mit seinem Subjekt und Objekt.1 In B3 aus dem Yukatekischen kongruiert das Bezugsnomen durch ein vorangestelltes Personalklitikum in Person und Numerus mit dem nachgestellten Possessor. Ebenso kongruiert in B4 die Präposition mit ihrem Komplement. Die Personalklitika sind obligatorisch; die NSen in Komplementfunktion sind optional.

Numerus und Genus/Nominalklasse können in jeder Form von Kongruenz auftreten; aber Kasus tritt nur in der internen, Person nur in der externen Kongruenz auf. Wir erhalten also folgende Verteilung:

Es sind also verschiedene syntaktische Relationen, in denen die beiden Formen von Kongruenz auftreten.2 Beide verweisen aber letztlich auf ein NS.

Wir sehen im folgenden von der internen Kongruenz ab und konzentrieren uns auf die externe. Über ihr walten eine Reihe implikativer Gesetze (vgl. Lehmann 1982):

Eine Sprache, die die externe Kongruenz im Sinne dieser Hierarchie der einseitigen Fundierung vollständig ausgebaut hat, ist das Abkhasische. Die Beispiele der folgenden Serie zeigen präfixale Kongruenz in allen in diesen Implikationen erwähnten syntaktischen Relationen.

Die Implikationen besagen i.w., daß externe Kongruenz in den rein syntaktischen Relationen beheimatet ist und daß Kongruenz in den mehr semantischen Relationen Kongruenz in den rein syntaktischen voraussetzt. Wie zuvor im Falle der Kasusmarkierung richtet sich also auch die Verteilung von externer Kongruenz in einem Sprachsystem nach der Hierarchie der syntaktischen Funktionen.

Kasusmarkierung und externe Kongruenz hängen also nicht nur funktional miteinander zusammen, insoweit sie syntaktische Relationen signalisieren; sondern ihre Verteilung im Sprachsystem ist auch aufeinander bezogen. Davon handeln die nächsten Abschnitte.




1 In der Durchzählung der Nominalklassen verstecken sich Person und Numerus.

2 Das possessive Attribut bildet hierzu eine scheinbare Ausnahme; s. Lehmann 1982.