Am Anfang einer Behandlung der lexikalischen Typologie steht angesichts des Vorherrschens grammatischer Typologien die Frage, ob sie überhaupt den Anforderungen an jegliche Typologie genügen kann. Denn wie wir anderswo gesehen haben, ist das Lexikon zwar wesentlich für Sprache und für Sprachen. Aber es scheint keine starken Unterschiede zwischen Sprachen zu begründen; und dem Erfordernis, daß die Phänomene regelhaft seien, damit sie Zusammenhänge ergeben, entzieht sich das Lexikon als der idiosynkratische Teil des signifikativen Systems der Sprache per definitionem. Daher ist eingangs zu klären, was lexikalische Typologie überhaupt heißen kann.

Bei lexikalischer Struktur denkt man meist zuerst an Wortfelder. Wortfelder sind onomasiologisch konstituiert, es handelt sich typischerweise um solche Bereiche wie Farbterminologie, Verwandtschaftsterminologie, Kochterminologie usw. Tatsächlich sind solche Felder und ihre innere Struktur schon Typologien zugrundegelegt worden. Z.B. folgt der Aufbau des Farbwortschatzes oder der Verwandtschaftsterminologie einer Sprache durchaus gewissen Prinzipien, die übereinzelsprachliche Gültigkeit haben und es gestatten, die zwischen Sprachen statthabende Variation auf typologische Weise – also z.B. mit implikativen Generalisierungen – zu systematisieren. Man hat aber noch nie nachgewiesen, daß die in einem solchen Bereich feststellbare Struktur gesetzmäßig mit der Struktur anderer lexikalischer Bereiche, geschweige mit der Struktur von anderen Teilen des Sprachsystems zusammenhinge. Somit liefern solche Untersuchungen vielleicht interessante Aufschlüsse über die sprachliche Strukturierung bestimmter begrifflicher Felder; aber für die Sprachtypologie taugen sie eigentlich nicht.

Bei den Kriterien, denen eine Sprachtypologie genügen muß, hatten wir auch gesehen, daß hochgradige Grammatikalisierung zu maximaler Verschiedenheit zwischen Sprachen führt und deshalb für Sprachtypologie eine große Rolle spielt. Grammatikalisierung führt nun scheinbar zu grammatischen, nicht zu lexikalischen Strukturen, so daß auch hier wieder ein Grund für die Unmöglichkeit einer lexikalischen Typologie zu liegen scheint. Tatsächlich aber kann am Ende eines Grammatikalisierungsprozesses eine Kategorie sprachlicher Einheiten stehen. Mit ‘Kategorie’ ist hier nicht die Klasse mit ihren sämtlichen Mitgliedern, sondern die schiere Intension dieser Klasse gemeint. Z.B. eine Wortart wie ‘Adjektiv’ hat eine Intension, welche eben die kategoriale Bedeutung von ‘Adjektiv’ ist. Das könnte theoretisch so etwas wie ‘Eigenschaft’ sein, wird sich aber meist auf das kombinatorische Potential der Mitglieder der Klasse, also etwas höchst Abstraktes, semantisch Leeres beschränken. Wenn man also lexikalische Typologie auf grammatische Klassen des Lexikons wie die Wortarten und ihre Subkategorien bezieht, dann ist sie nicht nur möglich, sondern sogar im Zentrum der Sprachtypologie.

Hieraus ergibt sich die Möglichkeit von Typologien wie die der Wortarten, welche schon behandelt wurden und i.a. zu den grammatischen Typologien gerechnet werden, aber auch Typologien von spezifischen Teilklassen von Wortarten, die für die Grammatik relevant sind, z.B. Zustandsadjektiven, bitransitiven Verben oder Bezeichnungen von Raumregionen. Von diesen werden im folgenden einige besprochen.

Literaturhinweise

Capell 1965; Kuznecov 1974; Lehmann, Ch. 1988[S]:23-32, 1990; Skalička 1965; Wierzbicka.