Intuitiv gesprochen, ist das direkte Objekt ein Satzglied, das wie folgt charakterisiert werden kann:
- Es ist die syntaktische Manifestation des Patiens in einer typischen effektiven Situation. Dies ist seine Grundfunktion (i.S.v. Jakobsons Grundbedeutung), die es natürlich nicht in allen Fällen hat.
- Es ist valenzabhängig, also ein Komplement des Verbs.
- Es ist das nächst-elementare Verbkomplement nach dem Subjekt, wobei sich “Elementarität” nach der Einfachheit oder Abwesenheit der Kasusmarkierung, der Möglichkeit von Verbkongruenz u.ä. bemißt.
- Es ist – ähnlich dem Subjekt – das Ziel von Promotionsoperationen.
Diese Kriterien sind nicht immer alle gleichzeitig erfüllt, und einige sind nur schwer operationalisierbar. Da es um eine syntaktische Funktion geht, sollte es ein strukturelles Kriterium für den direkten Objektstatus geben. Das wäre jedoch per definitionem notwendigerweise ein einzelsprachliches Kriterium. So kommt es, daß das direkte Objekt auf übereinzelsprachlicher Ebene nicht abgrenzbar ist.
Ein strukturelles Kriterium, das in vielen Sprachen funktioniert, ist die Passivierung: Das Satzglied, das bei Passivierung Subjekt wird, ist das direkte Objekt. Das Kriterium setzt voraus,
- daß das Subjekt unabhängig definiert ist,
- daß Passivierung unabhängig definiert ist.
Ersteres können wir voraussetzen. Mit letzterem gibt es Probleme. Man könnte erwägen, Passiv zu definieren als jegliche Operation, welche ein Satzglied zum Subjekt promoviert. Das jedoch würde das gewöhnliche Passiv z.B. nicht vom bekommen-Passiv unterscheiden, und ebenso würden in anderen Sprachen eine Reihe verschiedener Diathesen unter eine solche Definition fallen. Tatsächlich wäre eine solche Definition viel eher für den Begriff der Diathese geeignet (erschöpft diesen aber auch noch nicht).
In Wirklichkeit geht man bei der Identifikation von direkten Objekten offenbar wie folgt vor:
- Man identifiziert klare Fälle aufgrund der o.a. Intuition.
- Auf deren Basis identifiziert man das Passiv einer Sprache.
- Dann stellt man fest, auf welche Satzglieder das Passiv insgesamt anwendbar ist.
- Wenn das Kriterium der Passivierung gut übereinstimmt mit anderen Kriterien (wie z.B. einem Akkusativ am fraglichen Satzglied), die dem intuitiven Konzept entsprechen, dann akzeptiert man Passivierung als die Nagelprobe für direkten Objektstatus.
- Wenn das Passiv jedoch Satzglieder erfaßt, die nach anderen Kriterien kein direktes Objekt sind, dann verliert Passivierung in dieser Sprache den Status als operationales Kriterium des direkten Objektstatus.
Die Situation von Nr. 4 liegt im Deutschen vor:
- Nur Akkusativobjekte können durch Passiv Subjekt werden.
- Nur relativ wenige Akkusativobjekte (wie die von kosten, dauern usw.) können das nicht. Für diese findet sich dann jedenfalls eine konsistente terminologische Lösung (z.B. ‘Akkusativobjekt, aber kein direktes Objekt’).
Die Situation von Nr. 5 liegt im Englischen vor:
- Die meisten unmittelbar dem Verb folgenden unmarkierten Komplemente können durch Passiv Subjekt werden.
- Bei einigen Verben, ähnlich wie in dem deutschen Fall, geht es jedoch nicht.
- Darüber hinaus jedoch können zahlreiche verbale Dependenten durch dieselbe Operation zum Subjekt promoviert werden, die nach anderen Kriterien nicht wie direkte Objekte aussehen, wie in this bed has been slept in, this fact should be taken account of usw.
Hier überwiegen offensichtlich die anderen Kriterien des direkten Objektstatus, und man wird dazu geführt, das englische Passiv als eine Diathese zu analysieren, welche – da ihr keine anderen Diathesen gegenüberstehen – weniger stark beschränkt ist als das Passiv anderer Sprachen und sich somit nicht zur Identifikation von direkten Objekten eignet.