Verben unterscheiden sich in allen Sprachen in ihrer Valenz. Das betrifft bekanntermaßen nicht nur die Stelligkeit, sondern vor allem auch die syntaktische Gestalt der verschiedenen Valenzrahmen. Z.B. kombinieren manche Sprachen verschiedene Arten von Komplementen sehr variabel zu vielen unterschiedlichen Valenzrahmen, die dann durchaus auch einen gemeinsamen semantischen Nenner wie ‘Bewegungsverben’, ‘Transportverben’, ‘Kommunikationsverben’ usw. haben können. Z.B. können die Experienzverben (‘fühlen, ärgern, wundern, gefallen, hassen ...’) einer Sprache das Experiens (Partizipant, der Empfindungen hat) überwiegend als indirektes Objekt, in einer anderen Sprache jedoch überwiegend als Subjekt nehmen. Phänomene dieser Art wurden schon unter Subjektprominenz besprochen.

Sprachen unterscheiden sich auch in der Stelligkeit von Verben. Es sind Verben mit 0 bis vier Stellen bekannt:

Quantitative Valenz
Ein Verb mitn Leerstellen istn-valent odern-wertig/stellig.Beispiel
0anullhageln
1monoeinschlafen
2bizweitrinken
3tridreizeigen
4quadriviervergelten

Hier waltet in erster Linie folgendes implikative Gesetz:

Wenn eine Sprache Verben mit x (x > 0) Stellen hat, hat sie auch Verben mit x - 1 Stellen.
So gibt es, wie gesagt, Sprachen mit bis zu quadrivalenten Verben; aber das sind nur ganz wenige. Mehr, aber durchaus nicht alle Sprachen haben trivalente Verben. Zahlreiche Sprachen mit seriellen Verbkonstruktionen haben höchstens bivalente Verben. Es ist auch eine Sprache bekannt, das in Amazonien gesprochene Bororo, welche nur monovalente Verben und dazu ein einziges bivalentes Funktionsverb (‘machen’) hat, welches mit den anderen Verben kombiniert werden kann, um deren Valenz zu erhöhen.

Die quantitative Verteilung der Verben über die quantitativen Valenzklassen entspricht nicht ganz dem implikativen Zusammenhang. Man könnte erwarten, daß je höher die Stelligkeit, desto niedriger die Anzahl Verben in dieser Valenzklasse. (Das Analoge gilt in den meisten Bereichen des Sprachsystems, wo Komplexität schrittweise nach dem Prinzip der einseitigen Fundierung aufgebaut wird.) Von den bivalenten Verben an aufwärts gilt diese quantitative Korrelation auch tatsächlich. Für die avalenten Verben gilt sie jedoch naheliegenderweise nicht. Und auch das Verhältnis zwischen transitiven und intransitiven Verben gehorcht anderen Gesetzmäßigkeiten, wie wir unten sehen werden.