Man kann nicht alle in einer wissenschaftlichen Arbeit verwendeten Fachbegriffe definieren. Die erste Frage ist also, welche man definieren muss. Sie entscheidet sich für einen gegebenen Begriff nach folgenden Gesichtspunkten:

  1. Die für eine Arbeit zentralen Begriffe, also diejenigen, denen bzw. deren Denotata sie gewidmet ist, sind in jedem Falle zu definieren, selbst dann, wenn man sie in einem allgemein akzeptierten Sinne verwendet. Man reproduziert dann halt die im Fach akzeptierte Definition.
  2. Bei allen anderen Begriffen entscheidet sich die Frage in erster Linie danach, ob sie in der Disziplin wohl etabliert sind und man folglich voraussetzen kann, daß der Adressat der Arbeit die zugehörigen Termini in derselben Weise verstehen wird wie der Autor.
    1. In jeder Disziplin gibt es Begriffe, die diese Voraussetzung erfüllen (sonst könnte man die Disziplin nicht betreiben). Ein Beispiel aus der Linguistik wäre: Ein Suffix ist ein Affix, das seinem Träger folgt. Solche Begriffe braucht man nicht zu definieren. Es ist übrigens nicht leicht, wissenschaftliche Begriffe theoretisch solide zu definieren. Deshalb ist es auch nicht ratsam, (für welchen Leserkreis auch immer) Definitionen dieser Art von Begriffen en passant aus dem Ärmel zu schütteln. Man verwendet sie einfach, und damit basta.
    2. Andere Begriffe sind in der Disziplin wenig bekannt. Es kann auch sein, dass der Autor einen Begriff selbst gebildet hat oder einen Terminus anders verwendet, als er allgemein eingeführt ist. Dann sind in der Tat sorgfältige Definitionen nötig.

Für die Arbeit fundamentale, also in ihrem Verlauf immer wieder verwendete Begriffe definiert man am besten in dem Abschnitt der Einleitung, der den vorausgesetzten theoretischen Rahmen expliziert; denn ein Begriff wird nicht in Isolation definiert, sondern ihm wird ein Platz in einem Begriffsgebäude zugewiesen. Wie das im einzelnen gemacht wird, wird auf wissenschaftstheoretischem Hintergrund an anderer Stelle behandelt. Hier geht es um die Rolle und Form von Definitionen bei der Redaktion einer wissenschaftlichen Arbeit.

Die Unterscheidung zwischen Realdefinition und Nominaldefinition hat für die praktische wissenschaftliche Arbeit folgenden Belang:

Während Realdefinitionen das Wesen einer Sache betreffen und deswegen hitzige Meinungsverschiedenheiten darüber ausbrechen können, was eine Sache “eigentlich” ist, hat der Autor bei Nominaldefinitionen die Definitionshoheit. Er darf diese durchaus in Anspruch nehmen und muß nur, um Mißverständnisse zu vermeiden, dabei klar sagen, daß die gelieferte Definition eine Nominaldefinition ist. Z.B.:

Unter ‘Philatelie’ soll in dieser Arbeit ausschließlich die wissenschaftliche Betrachtung der Briefmarke verstanden werden.
Eine solche Definition kann der Leser nur akzeptieren; der Einwand “aber Philatelie ist doch eigentlich Briefmarkensammeln” ist hier irrelevant. Aber es versteht sich, daß es nicht sinnvoll ist, in Nominaldefinitionen Willkür walten zu lassen.

Wie eingangs gesagt, müssen solche Begriffe definiert werden, deren Verwendung sich nicht von selbst versteht. Anfänger wissen oft nicht, ob die spezifische Verwendung eines Begriffs, die sie befolgen, einer communis opinio oder einem lokalen Jargon entspricht. Sie sind deshalb nicht selten dem Druck ausgesetzt, ihre Begriffe zu definieren, und nehmen dann ihre Zuflucht zu terminologischen Wörterbüchern. Eine Inspektion von Werken etablierter Wissenschaftler lehrt, daß solche sich für ihre zentralen Begriffe niemals auf terminologische Wörterbücher berufen. Das hat mehrere und auch nicht ausschließlich gute Gründe. Ein guter Grund ist aber jedenfalls der folgende: Ein terminologisches Wörterbuch informiert über die in einer Diziplin waltenden Gebrauchsweisen eines Terminus. Es macht sozusagen eine semasiologische und begriffsgeschichtliche Analyse jedes Terminus. Gerade das ist in einer empirischen Arbeit normalerweise nicht gefragt. Wenn man in der Einleitung oder im theoretischen Teil seiner Arbeit zentrale Begriffe explizit einführt, so tut man dies in einem bestimmten theoretischen Zusammenhang. In diesen bettet man seine Begriffe deduktiv ein und gibt ihnen passende Termini bei. M.a.W., etwaige sonstige Verwendungen desselben Terminus sind als solche überhaupt nicht Gegenstand der Darlegung. Man kann sie höchstens (z.B. in einer Fußnote) zur Vermeidung von Mißverständnissen ausgrenzen.

Die angemessene Instanz für die Übernahme einer Definition ist also am ehesten ein wissenschaftliches Standardwerk, dessen Thematik die eigene unmittelbar einschließt und dessen theoretische Ausrichtung man i.w. übernimmt. Beschreibt man also z.B. die japanischen Konditionalsätze im Rahmen der Funktionalen Grammatik, so muß man vorab den Begriff der Subordination klären. Eine natürliche Quelle dafür ist ein im Rahmen der Funktionalen Grammatik angesiedeltes Standardwerk über zusammengesetzte Sätze. Eine andere erprobte Quelle zur Klärung von Begriffen sind Enzyklopädien und Handbücher des jeweiligen Fachs.1


1 Eine Liste einiger autoritativer Handbücher der Sprachwissenschaft findet sich anderswo.