Ein Spaltsatz (engl. cleft-sentence) ist ein komplexer Satz mit folgender Struktur:
[ | [ | △ | X | ]S1 | [ | ... | ]S2 | ]S |
expletives/Null-Subjekt | nichtverbales Prädikat | |||||||
Fokusausdruck | extrafokaler Satz | |||||||
[ | nichtverbaler Satz | ] | [ | offener Satz | ] | |||
[ | Hauptsatz | ] | [ | Nebensatz | ] |
B2 ist ein Beispiel.
B1. | I dislike modern jazz. |
B2. | It's modern jazz that I dislike. |
Der zusammengesetzte Satz S
besteht also aus einem Hauptsatz S1
und einem Nebensatz S2
. S1
hat ein nicht-verbales Prädikat X
– hier modern jazz –, welches in Sprachen wie Englisch mithilfe der Kopula gebildet wird. Sein Subjekt △
ist semantisch leer; in Sprachen wie Englisch erscheint dafür ein expletives Subjekt, in B2 vertreten durch it. S2
wird i.a. mit dem universalen Subordinator – im Englischen that – untergeordnet. S2
ist ein offener Satz; es fehlt genau die Konstituente, die durch X
zu besetzen wäre.
Die Prosodie dieser Konstruktion ist wie folgt: Die Tonhöhe bleibt von Anfang an auf niedriger Höhe, geht auf der Akzentsilbe von X
plötzlich hoch und dann für den Rest des Satzes wieder hinunter. Am Ende von S1
ist keine Pause. Der Hauptakzent liegt auf X
; in S2
kann es einen Nebenakzent geben.
In einer transformationellen Konzeption leitet man einen Spaltsatz wie B2 wie folgt aus einem einfachen Satz wie B1 her: Man spaltet den einfachen Satz derart in zwei Teilsätze, daß man eine Konstituente aus dem Basissatz extrahiert und in das Prädikat eines selbständigen Satzes wie S1
setzt. Der Rest des Basissatzes wird dann zum Nebensatz S2
.
Die Funktion der Satzspaltung ist die Fokussierung: X
ist der Fokusausdruck von S
, S2
ist der extrafokale Satz. Die Satzspaltung ist ein syntaktisches Verfahren der Fokussierung, das in vielen Sprachen zu verschiedenen Graden grammatikalisiert ist. Einige Sprachen wie klassisches Latein verfügen überhaupt nicht darüber, Deutsch nur in Ansätzen. Im Englischen ist der Spaltsatz ziemlich üblich, im Französischen vollständig grammatikalisiert.
Sprachen, in denen die Satzspaltung nicht üblich ist, behelfen sich gelegentlich mit einer Relativkonstruktion. Z.B. ist der extrafokale Satz in B3 ein Relativsatz.
B3. | Es ist der Modern Jazz, den ich verabscheue. |
Das funktioniert freilich nur, wenn der Fokusausdruck nominal ist. In B4 ist er das nicht; und deshalb kann man B4 kaum mit Satzspaltung und jedenfalls nicht mit einer Relativkonstruktion ins Deutsche übersetzen.
B4. | It's yesterday that we met. |
Umgangssprachlich wäre allenfalls möglich das war gestern, wo wir uns getroffen haben.
Ein Pseudospaltsatz ist ein zusammengesetzter Satz mit folgender Struktur:
[ | [ | ]S1 | [ ... | [ X ]Präd | ... ]S2 | ]S | |
Relativsatz ohne Bezugsnomen | nichtverbales Prädikat | ||||||
extrafokaler Satz | Fokusausdruck |
B5 ist ein Beispiel:
B5. | What I dislike is modern jazz. |
X
ist wieder modern jazz aus B5. Die Leerstelle des Relativsatzes (im Englischen markiert durch what) ist als von X
besetzt zu denken. In einfachen Fällen wie B5 ist der Relativsatz das Subjekt von S
.
Auch diese Konstruktion dient der Fokussierung von X
. Sie steht in allen Sprachen zur Verfügung, die überhaupt Relativsätze ohne Bezugsnomen haben. D.h., der Pseudospaltsatz ist keine Konstruktion sui generis; es ist nicht bekannt, daß er in einer Sprache grammatikalisiert worden wäre.
Der definitorische Unterschied zwischen dem Spaltsatz und dem Pseudospaltsatz besteht in der syntaktischen Struktur:
S
keine syntaktische Funktion.S
ist.Die relative Reihenfolge von Fokussatz und extrafokalem Satz, die die Beispiele und Strukturschemata zeigen, ist typisch, aber nicht definitorisch. In einigen Sprachen kann der extrafokale Satz den Spaltsatz einleiten; und daß andererseits der Relatisatz den Pseudospaltsatz beschließt, kommt nicht selten vor und ist auch im Deutschen möglich.
Der Spaltsatz ist in pronominalen Interrogativsätzen wie B6 grammatikalisiert.
B6. | Qu'est-ce | que | tu | as | dit? | |
Frz | was-ist-es | daß | du | hast | gesagt | |
“Was hast du gesagt?” |
Die Frage nach dem direkten Objekt (optional auch nach anderen Satzgliedern) hat im Französischen die Form eines Spaltsatzes. Tatsächlich ist die erfragte Konstituente eines pronominalen Interrogativsatzes immer im Fokus. Damit hängt es zusammen, daß sie im Deutschen so wie in vielen anderen Sprachen normalerweise die erste Satzposition besetzt und daß pronominale Interrogativsätze in vielen Sprachen der Welt die Form von Spaltsätzen haben. Auch die Stellung des Interrogativpronomens in B6 des Abschnitts über Linksversetzung bestätigt dies.