Die Sprachtätigkeit nimmt die Form von Äußerungen an. Eine Gesamtheit zusammengehöriger Äußerungen, in ihrem Verlauf betrachtet, heißt Diskurs; als Produkt betrachtet, heißt sie Text.
Um unter den gegebenen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten ihre Ziele zu erreichen, muß die Sprachtätigkeit zu einem hohen Grade systematisch sein. Das Sprachsystem ist der systematische Aspekt der Sprachtätigkeit. Man kann es auch ansehen als einen Code, den die Sprecher zur Verständigung benutzen.
Der Diskurs ist jeweils aktuell (s. zur Aktualisierung), das Sprachsystem ist virtuell. Der Diskurs ist jeweils wahrnehmbar und interpretierbar, das Sprachsystem ist keins von beiden.
Das Sprachsystem kann man begreifen als aus zwei Arten von Entitäten bestehend:
- ein Inventar von Einheiten
- eine Menge von Regeln/Gesetzen/Prinzipien.
Zum Inventar gehören z.B. das Phonemsystem und das Morphemikon (Verzeichnis der Morpheme). Zum Regelsystem gehören z.B. die phonologischen Regeln und die Wortstellungsregeln. Man kann sich das Inventar und das Regelsystem als zwei separate Komponenten des Sprachsystems vorstellen. Alternativ kann man sie als den mehr statischen, holistischen, auf die Verwendung fertiger Einheiten bezogenen vs. den mehr dynamischen, analytischen, auf die Verfertigung neuer Einheiten bezogenen Aspekt des Sprachsystems konzipieren.
Im Diskurs wählen wir nach Regeln Elemente des Inventars aus und kombinieren sie zu größeren Einheiten. Ein Diskurs kann beliebig lang und komplex sein; er kann also nicht als ganzer aus dem System entnommen werden. Andererseits muß es im Diskurs Einheiten geben, die dem Code entnommen sind, denn sonst wäre man nicht verständlich. Das Sprachsystem existiert, wie gesagt, nur virtuell. Es ist nicht, wie eine gedruckte Grammatik oder ein Wörterbuch, konkret. Es ist sozusagen nur die Weise und der Grad, in dem die Äußerungen systematisch sind und eine konventionelle Form haben. Hier gilt nun: je umfangreicher und komplexer eine Einheit des Diskurses, desto weniger ist sie dem Sprachsystem unterworfen. Dies ist ein allgemeines Prinzip, zu dem es auch Ausnahmen gibt.
Die Unterscheidung zwischen System und Text ist wie folgt auf die Unterscheidung zwischen paradigmatischen und syntagmatischen Relationen bezogen:
- Paradigmatische Relationen sind jedenfalls Relationen zwischen Einheiten des Sprachsystems. Sie erscheinen als solche nicht im Text.
- Syntagmatische Relationen sind Relationen zwischen Einheiten des Textes. Aber je niedriger die Komplexitätsebene, der diese Einheiten angehören, desto stärker ist die syntagmatische Relation im System fixiert. Sie ist insofern ebenfalls eine Instantiierung einer Relation, die durch das System vorgesehen ist. Zudem gehören zum Systeminventar auch viele komplexe Einheiten, in denen syntagmatische Relationen bestehen.