1. Einführung, Überblick
Diese Darstellung setzt außer dem Abitur und der gleichzeitigen Teilnahme am Grundkurs Linguistik nichts voraus. In dieser ersten Lektion werden ein paar Voraussetzungen geklärt. Der Rest der Darstellung ist dann zweigeteilt: Lektion 2 – 8 sind der Phonetik, Lektion 9 – 15 der Phonologie gewidmet.
Die Ausdrücke Phonetik und Phonologie basieren beide auf der griechischen Wurzel phōn- “Stimme, Laut”. Beide Disziplinen haben Sprachlaute zum Gegenstand. Ihre Unterschiede kommen später zur Sprache.
Zu Beginn gleich ein kurzer Blick auf mögliche Anwendungen der Kenntnisse und Fähigkeiten, die man mit diesem Skript erwirbt. Wie wir sogleich sehen werden, sind die Anwendungen der Phonologie über die Phonetik vermittelt. Daher genügt es, hier auf die Anwendungen der letzteren einzugehen.
- Im Muttersprachenunterricht ist die korrekte Aussprache von neuen Wörtern zu vermitteln. Der Lehrer muß Sprechprobleme der Schüler erkennen und sie ggf. zum Logopäden schicken.
- In der Rhetorik geht es vor allem darum, wie man durch mündliche Rede andere überzeugt. Ein wesentlicher Faktor dabei ist eine gute Stimmführung und Aussprache.
- Für bestimmte Zwecke, z.B. die Bühne oder die Nachrichtenübermittlung, ist die Hochlautung einer Sprache zu normieren/standardisieren und zu unterrichten.
- Im Fremdsprachenunterricht vermittelt der Lehrer den Schülern sowohl die auditive als auch die artikulatorische Unterscheidung bisher nicht benutzter Laute.
- In der Logopädie analysiert der Logopäde Sprechprobleme des Patienten (wie Stottern, Stammeln usw.) und macht mit ihm die entsprechenden Übungen zu ihrer Therapie.
- In der Sprachpathologie diagnostiziert der Arzt Leiden, die die Sprachfähigkeit des Patienten betreffen, z.B. durch Unfall oder Schlaganfall verursachte Schädigungen der dafür zuständigen Hirnregionen, und verordnet eine entsprechende Therapie.
- In der Nachrichtenübertragung (z.B. durchs Telefon) müssen diejenigen akustischen Informationen, die zum Verständnis von Sprache erforderlich sind, auf möglichst effiziente Weise kodiert und technisch übermittelt werden.
- In der automatischen Spracherzeugung und -erkennung geht es darum, den Computer zum Zwecke der Kommunikation mit dem Menschen mit einer Software auszustatten, so daß er menschliche Rede erzeugen und andererseits analysieren und “verstehen” kann.
Für alle diese beruflichen Tätigkeiten ist es nötig, ein Verständnis der Funktionsweise der zugehörigen Organe zu haben und dieses theoretisch und praktisch weitervermitteln zu können. Als Laie bzw. Anfänger haben Sie vielfältige Gelegenheit, selbst festzustellen, wie nötig das oft ist:
- Können Sie einem englischen oder italienischen Gast, der Deutsch lernen möchte, erklären, wie man ein ü macht oder wie sich das deutsche r von dem seinen unterscheidet?
- Wenn Sie als Reisender in fremden Landen zur Kommunikation schon einmal einen Sprachführer benutzt haben, haben Sie dann jemals versucht, die dort gemachten Angaben zur Aussprache umzusetzen? Falls ja, haben Sie bemerkt,
- daß solche Angaben entweder unprofessionell gemacht sind – und dann kann man überhaupt nichts mit ihnen anfangen –
- oder daß sie professionell, nämlich unter Verwendung der korrekten phonetischen Termini und Symbole gemacht sind – und dann wurde bei Ihnen ein Minimum an Phonetikkenntnissen vorausgesetzt.
Nach erfolgreicher Durcharbeit dieses Skripts können Sie Ihrem ausländischen Gast solche Dinge erklären, können die Ausspracheangaben eines guten Sprachführers umsetzen (bzw. feststellen, wie schlecht die meisten davon gemacht sind und dann selbst die Angaben verbessern) und sind in der Lage, sich aufgrund rationaler Wahl auf Berufswege wie die genannten vorzubereiten.