In seinem Buch Language kritisiert Sapir (1921, bes. Kap. V) die traditionelle morphologische Typologie ausführlich, vor allem wegen ihres Hangs zur Bewertung von Sprachen, aber auch wegen der Unklarheit der Kriterien. Er reduziert die morphologische Typologie auf zwei Parameter:
1. Technik: Grad der Fusion der Affixe miteinander und mit der Wurzel: (isolierend -) agglutinierend - fusionierend.
2. Grad der Synthese der Bestandteile des Satzes zu mehr oder weniger komplexen Wörtern: analytisch - synthetisch - polysynthetisch.
Hier finden einige begrifflich-terminologische Änderungen an der überkommenen Typologie statt:
An die Stelle des einverleibenden Typs tritt der polysynthetische, der bloß durch den erhöhten Synthesegrad definiert ist und nicht notwendigerweise – jedoch typischerweise – Inkorporation impliziert. Das folgende Beispiel aus dem Grönländischen illustriert Polysynthese ohne Inkorporation:
Diese Typologien bezeichnet Sapir jedoch als oberflächlich [und in seiner Reformulierung sind sie in der Tat oberflächlicher, als sie waren]. Wesentlich ist ihm statt dessen eine Typologie nach der Art der ausgedrückten Begriffe. Dazu unterscheidet er zunächst folgende Arten von Begriffen:
Die Arten von Begriffen unterscheiden sich im Grade der von I nach IV zunehmenden Abstraktheit; die Unterschiede sind graduell. Begriffe der Kategorien I und IV sind universal, d.h. müssen von allen Sprachen ausgedrückt werden. Sprachen unterscheiden sich darin, ob sie Konzepte der anderen beiden Kategorien ausdrücken. Daraus ergeben sich folgende Sprachtypen:
Diese Typologie kann durch Kreuzung mit der Typologie nach Technik und Synthesegrad verfeinert werden.
Während Sapirs Präzisierung der morphologischen Typologie im Sinne von Technik und Synthesegrad die Typologie des 19. Jh. i.w. ersetzt hat, hat sich seine begriffliche Typologie nicht durchgesetzt. Der Grund dürfte sein, daß sich seine vier Konzepttypen nicht unabhängig von ihrem Ausdruck unterscheiden lassen.
Angenommen, jedes denkbare Konzept gehört ein für alle Mal einem von Sapirs vier Typen an. Dann impliziert seine Typologie, daß die Sprachen verschiedene Konzepte ausdrücken. Sie würde insoweit dem Grundsatz der Effabilität widersprechen, aber andererseits einen Beitrag zur Sapir-Whorf-Hypothese leisten.