Ein einführender Text zu diesem Thema findet sich in den Grundbegriffen der Linguistik.
Die allgemeine Sprachwissenschaft steht der speziellen gegenüber. Sprachwissenschaft kann man in verschiedener Weise spezialisieren. Die am längsten und besten etablierte Weise ist die Beschränkung auf eine bestimmte Sprache. Sie ergibt die deskriptive Linguistik. Daneben stehen andere Arten von Fokussierungen, wie sie etwa in der Sozio- oder der Psycholinguistik vorgenommen werden. Allgemeine Sprachwissenschaft zeichnet sich dadurch aus, daß sie der menschlichen Sprache als ganzer und in jeglicher Hinsicht (dem ‘langage’) gewidmet, daß sie also auf keine solche Weise eingeschränkt ist.
Natürlich ist zu fragen, wie eine Wissenschaft von Sprache als ‘langage’ möglich ist, wo doch ‘langage’ nur in Gestalt von ‘langues’ auftritt. Die Sprache im allgemeinen kann man untersuchen, indem man verschiedene ‘langues’ betrachtet und systematisch miteinander vergleicht. Das eben tut die allgemein-vergleichende Sprachwissenschaft. Dies ist eine nachgewiesenermaßen fruchtbare und daher wohletablierte Art, den Anspruch der Allgemeinheit einzulösen. Andere Wege werden auf der Basis der Betrachtung von bloß einer Sprache immer wieder versucht; aber den Beweis der Allgemeinheit sind sie bisher schuldig geblieben. Insofern könnte man das zweite Attribut in dem Terminus ‘allgemein-vergleichende Sprachwissenschaft’ auch weglassen: eine seriöse allgemeine Sprachwissenschaft ist notwendigerweise vergleichend. Allerdings wird der Terminus weniger dazu benötigt, eine bestimmte Form von allgemeiner Sprachwissenschaft zu bezeichnen, als vielmehr um die allgemein-vergleichende gegen die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft abzusetzen.
Anderswo werde drei Arten vergleichender Sprachwissenschaft unterschieden. Eine davon, die typologisch-vergleichende Sprachwissenschaft, ist allgemein in dem hier gemeinten Sinne. Eine Sprachwissenschaft, die dadurch allgemein ist, daß sie vergleicht, und eine Sprachwissenschaft, die in typologischem Sinne vergleicht, laufen extensional auf dasselbe hinaus. Wir haben mittlerweile allerdings die Universalienforschung von der Typologie unterschieden. Die Hierarchie der Disziplinen ist daher wie folgt: allgemein-vergleichende Sprachwissenschaft besteht aus Sprachtypologie und Universalienforschung (oder Universalistik). Als Hilfsdisziplin zu beiden kann man die allgemein-vergleichende Grammatik betrachten, eine Disziplin, die die grammatischen Kategorien der Sprachen der Welt kompiliert und systematisiert.1
Universalistik und Sprachtypologie sind aufs engste miteinander verbunden, aber doch in ihrem unmittelbaren Erkenntnisinteresse deutlich verschieden: die Universalistik stellt sprachliche Universalien, die Typologie stellt Sprachtypen auf. Sie arbeiten freilich einander in die Hand. Denn einerseits ist eine Typologie, wie wir sahen, eine Typenlehre, also eine Theorie, aus welcher folgt, wieso der Gegenstand – hier der ‘langage’ – durch gerade diese Typen repräsentiert ist. Und andererseits reduziert sich, wie wir ebenfalls sahen, die Universalistik nicht auf einen Katalog absoluter Universalien. Vielmehr sind Universalien Gesetze, die über der Menge der Sprachen walten. Sie können, besonders in der Form implikativer Universalien, Sprachen unterschiedlichen Baus zueinander in Beziehung setzen, ganz wie die Sprachtypologie das tut. Universalistik und Typologie sind also die beiden Seiten einer Münze.
Eines der methodologischen Hauptprobleme der allgemein-vergleichenden Sprachwissenschaft ist der Ausgleich zwischen dem Universalen und dem Partikulären. Der Universalist schert alle Sprachen über einen Kamm; der Partikularist erklärt jede einzelne Sprache für etwas Unvergleichliches. Beide Positionen sind gleichermaßen unfruchtbar. Die allgemein-vergleichende Sprachwissenschaft muß ‘langage’ und ‘langue’ systematisch zueinander in Beziehung setzen und es ermöglichen, jede ‘langue’ systematisch – und das heißt: mit anderen Sprachen vergleichbar – zu beschreiben. Dazu benötigt sie übereinzelsprachlich anwendbare Begriffe, insbesondere Begriffe für interlinguale grammatische Entitäten (Kategorien, Relationen usw.). Mehr dazu an anderer Stelle.
1 Die allgemein-vergleichende Grammatik steht auch im Gegensatz zur allgemeinen Grammatik, von der im nächsten Kapitel kurz die Rede sein wird.