Ein wichtiger Einfluß der Gesellschaft auf die Sprache ist deren Standardisierung und Normierung. An dieser sind manchmal Linguisten beteiligt. Aber Sprachnormierung hat auch in früheren Zeitaltern (z.B. im alten Rom) und in Gesellschaften ohne etablierte Linguistik (z.B. im Finnland des 19. Jh.) stattgefunden. Innerhalb der Linguistik ist die Stellung normativer Linguistik wie folgt zu bestimmen:

Eine normative Grammatik zu begründen ist in keiner Hinsicht eine triviale Aufgabe. Viele staatlich bestellte oder selbsternannte Normierer (das Internet ist z.B. voll von Sprachberatern, -pflegern und -verbesserern) geben keine Rechenschaft über die Basis der Norm ab, die sie vertreten. Ob es eine rationale Basis für Sprachnormen geben kann, wird hier nicht erörtert. Sicher aber ist, daß eine Aktivität, welche eine bestehende Variation normiert, ohne sie vorher analysiert zu haben, von keinem Interesse ist. Ein Beispiel solcher unbegründeter normativer Aussagen ist die Normierung von dieses Jahres statt diesen Jahres. Eine Normierung wird desto eher den Bedürfnissen der Sprachgemeinschaft gerecht werden und in ihr auf Akzeptanz stoßen, je mehr sie auf empirischer Deskription basiert.

Durch die Normierung entsteht ein Unterschied zwischen Hochsprache und Umgangssprache. Da die Normierung dafür sorgt, daß die Hochsprache konstant bleibt, die (Umgangs-)Sprache sich aber dennoch weiterentwickelt, entsteht auf die Dauer eine Schere zwischen der Hochsprache, welche i.a. auch Schriftsprache ist, und der gesprochenen Sprache. (Die Koexistenz zweier solcher Varietäten in einer Sprache nennt sich Diglossie.) Dieses Spannungsverhältnis bestimmt die Geschichte und die sozialen Verhältnisse vieler Sprachen.