Die Notizen einer mündlichen Mitteilung, einschließlich einer Vorlesung, sind normalerweise nicht zitierfähig. Berufen kann man sich nur auf schriftlich Vorliegendes.1 Daher ist es nicht sinnvoll, die Mitschrift einer Vorlesung auszuarbeiten, außer in den ganz seltenen Fällen, wo der Dozent in der Vorlesung etwas bringt, was nirgends zu lesen steht (z.B. F. de Saussure, Cours de linguistique générale).

Exzerpieren und dokumentieren tut man daher nicht die Vorlesung, sondern die Literatur, auf die sie sich stützt. Das tut man sinnvollerweise vor der Vorlesung; dann hat man mehr von derselben, braucht weniger mitzuschreiben und kann sich statt dessen aktiv beteiligen. Andernfalls konzentriert man sich auf die Literaturangaben und die in der Vorlesung gebrachten Referate der Literatur und versucht, die letzteren in Abstracts der betreffenden Werke zu wandeln. Das sind dann allerdings Abstracts aus zweiter Hand.

Bei den meisten Dozenten kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß sie in Prüfungen genau das werden wissen wollen, was sie in der Vorlesung gesagt haben. Für solche eher pragmatischen Zwecke kann es sinnvoll sein, Vorlesungsmitschriften bis zum Ende einer Veranstaltung aufzuheben. Es hat jedoch keinen Sinn, Vorlesungsmitschriften irgendwo abzuheften. (Ausgehändigte Materialien, die man als unpublizierte Werke unter dem Namen des Autors (i.e. des Veranstalters) ablegen und bibliographieren kann, sind Ausnahmen, die die Regel bestätigen.) Statt dessen schlachtet man die Mitschrift für die heimische Datenbank aus, ersetzt sie ggf. durch Exzerpte aus den Publikationen des Vortragenden und wirft sie dann weg.


1 In linguistischen Publikationen wird gelegentlich als Quelle einer Information ‘NN p.c.’ angegeben, wo NN der Name eines Kollegen und p.c. ‘personal communication’, “persönliche Mitteilung” ist. Dies ist eigentlich nur in solchen Fällen zulässig, wo die betreffende Information sich in keiner Publikation findet.