Begriff des Ideophons
Ein Ideophon ist ein nicht flektierbares und nicht rektives Wort – also eine Partikel oder ein Adverb –, das eine Situation als Typ in ganzheitlicher Weise bezeichnet.
Semantik: Ein Ideophon bezeichnet eine – normalerweise wahrnehmbare, also physikalisch erfaßbare – Situation. Es werden jedoch keine Partizipanten individuiert, sondern die Situation in ganzheitlicher Weise als Instanz eines Typs erfaßt. Die Weise des Bezeichnens wirkt daher – im Vergleich zu sonst synonymen Verben o.ä. – lebendiger und unmittelbarer.
Im Unterschied zu Thymophonen und Klesiphonen ist die Bedeutung von Ideophonen nicht deiktisch.
Syntax: Ein Ideophon hat keine Rektion, da ja keine Partizipanten syntaktisch akkommodiert werden müssen. Es kann folgende syntaktische Funktionen einnehmen:
- (einfacher) Satz,
- adverbiale Bestimmung,
- Prädikat.
Ideophone sind also, im Unterschied zu Interjektionen, nicht ausschließlich satzwertig.
Wie überhaupt alle Ausdrücke und Äußerungen einschließlich Interjektionen können auch Ideophone substantiviert werden. Sodann werden sie ebenso wie andere Substantive syntaktisch integriert. Das betrifft jedoch ihre syntaktische Kombinatorik qua Ideophon nicht.
Arten von Ideophonen
Da ein Ideophon eine wahrnehmbare Situation bezeichnet, sind die beiden wichtigsten Arten solche Ideophone, welche Geräusche, und solche, welche Visuelles bezeichnen. Die ersteren sind Phonomimetika, die letzeren Phenomimetika. Phonomimetika sind normalerweise onomatopoetisch; Phenomimetika sind normalerweise lautsymbolisch.
Beispiele für Phonomimetika: ticktack, rums
Beispiele für Phenomimetika: pardauz, flupp
Beispiele für Psychomimetika: hihi, gnigger gnigger
Ein Anthropomimetikon ist ein , die einen von Menschen erzeugten Laut wiedergibt. Beispiele (Drosdowski et al. 1984:384): haha, hatschi, trallala, bla.
Ein Zoomimetikon ist ein Phonomimetikon, welches den typischerweise von einem Tier erzeugten Laut wiedergibt. Beispiel: muh, kikeriki.
Ein Organomimetikon ist ein Phonomimetikon, welches den typischerweise von einem Musikinstrument oder einem anderen Gerät erzeugten Laut wiedergibt.
Beispiele: trara, bimbim.
Abgrenzung des Begriffs
Gelegentlich wird als Definitionskriterium verlangt, dass Ideophone redupliziert seien. Viele sind es tatsächlich. Aber andere wie hui oder flupp sind es nicht und nicht einmal reduplizierbar.
Ideophone werden häufig mit Onomatopoetika verwechselt.
- Ein Onomatopoetikum ist ein lautmalendes Wort. Es kann im Prinzip jeglicher Wortart angehören. Z.B. sind dt. krach, Krach und krachen allesamt onomatopoetisch; aber nur krach ist ein (onomatopoetisches und phonomimetisches) Ideophon.
- Ein Ideophon muss nicht onomatopoetisch sein. Das Ideophon ratzfatz z.B. ist nicht onomatopoetisch (und könnte es gar nicht sein, weil das Bezeichnete keine akustische Entität ist).
- Allerdings sind die nicht-onomatopoetischen Ideophone lautsymbolisch oder werden jedenfalls von der Sprachgemeinschaft so empfunden.
Gelegentlich1 wird angenommen, dass Ideophone anderen Wortarten wie Verben oder Substantiven angehören könnten. Dieser Irrtum hängt mit dem vorigen zusammen:
- Ein Ideophon ist per definitionem eine Partikel oder ein Adverb, kann also kein Substantiv oder Verb sein.
- Angebliche substantivische oder verbale Ideophone werden durch Beispiele wie Krach oder krachen gestützt. Aber das sind, wie gesagt, onomatopoetische Substantive bzw. Verben. Zudem können Ideophone ebenso wie Mitglieder anderer Wortarten durch Koerzion substantiviert werden, z.B. mit einem Rums.
1 u.a. in Elsen 2014:200, wo auch ältere Literatur angeführt wird, die der gleichen Meinung ist
Elsen, Hilke 2014, “Lautsymbolik - ein vernachlässigter Forschungsgegenstand der Sprachwissenschaft”. Glottotheory 5/2:185-218.