Der Zweck eines Ausdrucksmediums ist es, wahrnehmbare Hinweise auf das Gemeinte zu geben. Die gesprochene Sprache benutzt das akustische Medium zum Ausdruck sprachlicher Bedeutungen, während die Schrift das optische Medium benutzt. Alle natürlichen Sprachen sind gesprochene Sprachen. Nur ein Bruchteil davon wird außerdem auch geschrieben. Auch in der Entwicklung der menschlichen Sprache wurde die Schrift erst erfunden, als schon seit Jahrzehntausenden gesprochen worden war und als sich schon Tausende verschiedener Sprachen entwickelt hatten (s. Grundsätzliches zum Verhältnis von Laut und Schrift).
Schriftsysteme lassen sich nach verschiedenen Kriterien systematisieren. Die folgenden beiden sind fundamental:
Wie man sieht, setzt die Einteilung #2 Sprachzeichen voraus. Ein nicht sprachgebundenes Schriftsystem kann eo ipso nur unmittelbar das Gemeinte, nicht jedoch die Significantia von Sprachzeichen repräsentieren. Daher kreuzklassifizieren die beiden binären Kriterien nicht miteinander, sondern ergeben folgende hierarchische Klassifikation (von links nach rechts):
bezogen auf Sprache | repräsentiert Significans | System |
---|---|---|
nein | (nein) | Piktographie, Ideographie |
ja | nein | Logographie |
ja | Phonographie |
Diese Klassifikation ist im einzelnen wie folgt definiert:
Die der Klassifikation zugrundeliegenden Kriterien sind nicht ganz trennscharf. Daher gibt es zwischen den Schriftsystemen mannigfache Übergange und Mischformen. Frühe Formen der Schrift sind z.B. oft Mischungen aus Piktographie und Ideographie. Das gilt übrigens auch für ein paar Zeichensysteme, die keine Schriften sind, z.B. Verkehrszeichen.
Der Unterschied zwischen den beiden Subtypen von Typ 2 ist ein kategorialer. Das folgende Schaubild verdeutlicht das Funktionieren dieser beiden Schriftsysteme.
System
Komponente ╲ | Lautsprache | Phonographie | Logographie | |
Bedeutung | ● ● ● ● ● | ↰ | ←━┓ | |
---|---|---|---|---|
Laut | /fynf/ | ←━┓ | ┃ | |
Schriftzeichen | fünf | 5 |
Allerdings geht in der Geschichte mehrerer Schriften die Logographie schrittweise in die Phonographie über dadurch, daß ein bestehendes Logogramm als Phonogramm umgedeutet wird (s. Entwicklung der Schrift). Infolge der Umdeutung enthält das Schriftsystem sowohl Logogramme als auch Phonogramme, und einige Zeichen haben auch beide Funktionen, können also ein Lexem oder eine lautliche Einheit repräsentieren. Ein vergleichbares Beispiel aus einer modernen Schrift wäre im griechischen Alphabet der Buchstabe π: gelesen als Logogramm, bedeutet er “3,14159…”; gelesen als Phonogramm bedeutet er /p/. Eine solche Mischschrift heißt Logophonographie. Da die meisten betroffenen Phonographien Silbenschriften sind, nennt man solche mehrdeutige Schreibung und ihre Zeichen auch logosyllabisch.
Ein phonographisches System bietet gegenüber einem logographischen den Vorteil eines kleinen Zeicheninventars und somit der verhältnismäßig leichten Erlernung. Es bietet den Nachteil, daß es seine Funktion, nämlich auf den Sinn der Nachricht hinzuweisen, nur indirekt erfüllt, indem es nämlich stattdessen auf die Significantia eines anderen Zeichensystems hinweist und somit diesem die Aufgabe überläßt, auf die Bedeutungen hinzuweisen. Das Lesen und Schreiben geht deshalb langsamer vonstatten.
1 Wörtlich übersetzt ist eine Logographie eine Begriffsschrift; ein Logogramm würde also einen Begriff repräsentieren. Aber das ist eine unpräzise Verwendung des Terminus ‘Begriff’. Die Schriftzeichen historischer Logographien können z.B. auch für Eigennamen stehen, und sie können strukturelle Eigenschaften der repräsentierten Sprachzeichen reflektieren. Insoweit entsprechen sie also nicht sprachunabhängigen Begriffen.
2 Phonographien werden nicht selten auch phonetische Schriften genannt. Aber das ist Blödsinn; es gibt (bis jetzt) keine phonetischen Schriften außer dem IPA.