Einführendes zur strukturalen Grammatik findet sich in ‘Morphologie und Syntax’, Kap. 2. Darauf wird hier pauschal verwiesen; die hier verwendeten Begriffe sind dort im Zusammenhang erläutert und daher im folgenden nicht einzeln mit Verknüpfungen versehen.
Für die Zwecke der Analyse werden Begriffe von Kategorien, Relationen und Operationen vorausgesetzt. Freilich ist es Aufgabe der Linguistik, eine Theorie zu entwickeln, in der diese Voraussetzungen eingelöst sind. Die Linguistik hat sich dieser Aufgabe gestellt, seit es den Strukturalismus gibt.
Die strukturale Sprachwissenschaft steht, wissenschaftsgeschichtlich betrachtet, im Gegensatz zunächst zur historischen, zur historisch-vergleichenden und sogar zur typologisch-vergleichenden Sprachwissenschaft. Der letztere Gegensatz löst sich seit Mitte des 20. Jh. auf. Gleichzeitig entwickeln sich neue Gegensätze zwischen strukturaler Sprachwissenschaft und einerseits interdisziplinärer Linguistik (Psycho-, Sozio-, Biolinguistik) sowie andererseits funktionaler Linguistik (inkl. semantischer, pragmatischer und diskursanalytischer Ansätze).
Wissenschaftstheoretisch fußte die strukturale Sprachwissenschaft auf dem (Neo-)Positivismus, dem logischen Empirismus und, in den USA, auf dem – ebenfalls aus den vorgenannten Strömungen hervorgegangenen – Behaviorismus. In der ersten Hälfte des 20. Jh. war die strukturale Sprachwissenschaft überwiegend damit befaßt, die o.g. Grundbegriffe zu klären und ein Methodeninstrumentarium zur strukturalen Analyse zu entwickeln. In den USA vollzog sich um 1960 mit N. Chomskys Arbeiten ein Umschwung vom Behaviorismus zum Mentalismus, eine Umorientierung von Analysemethoden auf formale Theorien. Trotz mentalistischer Rhetorik und schroffer Abgrenzung gegen den vorangegangenen amerikanischen Strukturalismus blieb jedoch das Funktionieren des Sprachsystems in Geist, Kultur und Gesellschaft weiterhin ausgeblendet, so daß die in der Tradition der generativen Grammatik entstandene Strömung zur strukturalen Sprachwissenschaft zu rechnen ist.
In der zweiten Hälfte des 20. Jh. wurden zahlreiche mehr oder minder formale Grammatiktheorien bzw. linguistische Modelle entwickelt, darunter
Viele von diesen Modellen waren und sind an einzelne Linguisten und linguistische Schulen gebunden und werden obsolet, wenn die Schule nicht mehr aktiv ist.
Der Unterschied zwischen Formalismus und Funktionalismus in der Linguistik wird zwar meist als ein ideologischer Gegensatz behandelt. Und tatsächlich gibt es Positionen in extremen Lagern der beiden Richtungen, die unvereinbar sind. Zu einer angemessenen wissenschaftlichen Untersuchung von Sprache gehören jedoch die semasiologische und die onomasiologische Perspektive in gleichberechtigter Weise. Daher entspricht in einem vernünftigen linguistischen Studiengang einer Lehrveranstaltung in strukturaler Grammatik eine Lehrveranstaltung in funktionaler Grammatik.
Seit den 90er Jahren des 20. Jh. ist das Bewußtsein davon gewachsen, daß mit dem Aussterben der meisten Sprachen der Welt (neben allen möglichen anderen negativen Folgen davon) die Datenbasis der Linguistik qua empirischer Wissenschaft schwindet. Die Dokumentation und Beschreibung der Sprachen der Welt, insbesondere der “exotischen”, d.h. der mangelhaft bekannten und in verschiedener Hinsicht schwer zugänglichen Sprachen, ist daher die vordringlichste Aufgabe der Sprachwissenschaft. Ihrer haben sich überwiegend Linguisten angenommen, die zum funktionalistischen Lager zählen. Nichtsdestoweniger löst sich in der konkreten dokumentarischen und deskriptiven Arbeit der Gegensatz zwischen Formalismus und Funktionalismus weitgehend auf, eben weil eine umfassende Darstellung einer Sprache die Kombination beider Perspektiven, der semasiologischen und der onomasiologischen, erfordert.
Wesentlich für die Methodik der strukturalen Grammatik ist das Basieren auf Strukturfakten und die Ausschöpfung der Möglichkeiten strukturaler Analyse und strukturbezogener Generalisierungen, bevor man zu semantischen Interpretationen und funktionalen Erklärungen übergeht. Das Verfahren wird anderswo ausführlich besprochen.
Die untige Übungsaufgabe bringt die grammatischen Prozesse in Erinnerung und illustriert, wie ein grammatischer Prozeß eine grammatische Funktion erfüllen kann.
Thema | Punkte |
Grammatische Prozesse | 8 |