Die im vorigen Abschnitt formulierten Grundsätze ergeben die möglichen Basen für die Aufstellung phonologischer Typologien:
Elementares zum Aufbau von Phonemsystemen s. auf der Webseite 'Phonologische Systeme'. Eine relativ schlichte Einteilung der Sprachen ist nach dem Umfang des Phonemsystems. Den Weltrekord des kleinsten Phonemsystems halten gemeinsam Pirahã (Amazonien) und Rotokas (Pazifik) mit 11 Segmenten. Nach oben wurde noch keine Grenze festgestellt; !Xũ (Khoi-San) hat 95 Konsonanten und 24 monophthongische Vokale.
Hier bieten sich differenzierende Typologien an. Eine Typologie basiert auf dem Überwiegen von Konsonanten vs. Vokalen im Phonemsystem (Andersen 1978). Einige kaukasische Sprachen, z.B. Kabardisch und Abkhasisch, kombinieren ein sehr reichhaltiges Konsonantensystem mit einem ganz armseligen Vokalsystem; in einigen ostasiatischen Sprachen ist es umgekehrt.
Die Struktur von Vokalsystemen ist relativ gut untersucht (Trubetzkoy 1929, Crothers 1978, Maddieson 1984). Sie werden nach den oben genannten Prinzipien der einseitigen Fundierung, Ökonomie und Symmetrie ausgebaut. Der vokalische Raum – der seinerseits sowohl artikulatorisch als auch auditiv begrenzt ist – wird gleichmäßig mit distinktiven Segmenten gefüllt. Es kann also in einer Sprache mit drei Vokalphonemen ebenso viele vokalische Phone geben wie in einer Sprache mit 15 Vokalphonemen.
Zum Inventar phonologischer Merkmale im weiteren Sinne zählen auch lexikalische Töne. Eine wichtige Typologie basiert auf dem Kriterien, ob eine Sprache lexikalischen Ton hat oder nicht. Die ersteren sind Tonsprachen. Im weiteren ist dann zu differenzieren
Das erstere Kriterium führt zu einer Typologie der Tonsysteme (Maddieson 1978). Das zweite unterscheidet z.B. Sprachen wie das Chinesische und Vietnamesische, wo (mit ein paar Ausnahmen) jede Silbe Ton hat, von Sprachen wie dem Altgriechischen und Litauischen, wo es pro (potentiell mehrsilbigem) Wort genau eine Silbe gibt, auf der eine Tonopposition besteht.
Europa hat im Weltvergleich auffällig wenig Tonsprachen, und die vorhandenen Systeme sind simpel.
Grundlegendes zur Silbenstruktur auf der Webseite 'Phonotaktik'. Eine Typologie der Silbenstruktur basiert auf dem schrittweisen Ausbau der Komplexität, der bei den Prinzipien eingeführt worden war. Die optimale Silbe zerfällt in Ansatz und Reim. Die optimale minimale Silbe hat also die Struktur ‘KV’; und diese Struktur ist universal (R. Jakobson).1 Der Ausbau des Ansatzes führt zu Konsonantengruppen (Greenberg, Cairns). Der Ausbau des Reims führt zunächst zu einer Unterteilung in Nukleus und Coda, dann zu einem Ausbau des Nukleus (Diphthonge) sowie zu einem Ausbau der Coda tendentiell spiegelbildlich zum Ansatz (silbenauslautende Konsonantengruppen). Näheres anderswo.
Komplexe Silbenstruktur, insbesondere Konsonantengruppen an der Silbengrenze, sind nach dem eingangs Gesagten wahrscheinlich diachrone Voraussetzung für ein reiches Konsonantensystem. Sprachen mit wenigen Konsonanten (Hawaiianisch, Italienisch) haben meist auch nur einfache Konsonantengruppen; Sprachen mit vielen Konsonanten (Abkhasisch) dagegen umgekehrt. Auch ein Vergleich von Polnisch - Deutsch - Englisch zeigt abnehmende Zahl der Konsonanten und abnehmende Komplexität der Konsonantengruppen auf.
Elementares zum Thema dieses Abschnitts s. anderswo. Ein einfaches Kriterium der prosodischen Typologie ist das Vorhandensein von Wortakzent: Deutsch hat Wortakzent, Französisch und Arabisch dagegen nicht. Sprachen mit Wortakzent können dann weiter unterteilt werden in solche mit festem (d.h. phonologisch geregeltem, und freiem (nicht phonologisch geregeltem) Wortakzent. Lateinisch und Ungarisch zählen zur ersten, Deutsch zur letzteren Gruppe. Weitere Subdifferenzierung liegt auf der Hand.
In der syntagmatischen Struktur herrscht ein tendentiell gleichmäßiger Rhythmus, der dazu führt, daß innerhalb einer gegebenen Zeiteinheit eine bestimmte phonologische Einheit wiederkehrt. Hier gibt es zwei Typen:
Stress-timing führt zu reduktiven Prozessen, insbesondere zu Synkope.
Eine solche Typologie schlägt Dressler 1979 vor.
1 Laut Sommer 1970 ist Olgolo eine Sprache ohne offene Silben. Dies wird durch Dixon 1970 z.T. bestätigt. Allerdings besteht auch hier eine Tendenz, durch Klassenpräfixe konsonantischen Anlaut für Substantive zu schaffen.