Zeit | Ort | Ereignis |
26.1.1884 | Lauenburg, Pommern | geboren als Sohn der litauischen Juden Jacob David und Eva Seagal Sapir |
1889 | U.S.A. | Emigration der Familie |
1901 | New York | Studium der Deutschen Philologie und Indogermanistik an der Columbia University |
1904 | New York | B.A. an der Columbia University |
1905 | Magister in Germanistik, über Herders Theorie des Ursprungs der Sprache | |
Studium der Anthropologie; Schüler von F. Boas | ||
1905 | Washington | Feldforschung über Wasco und Wishram Chinook |
1906 | Oregon | Feldforschung über Takelma und Chasta Costa |
1907f | Berkeley | Forschungsassistent im Institut für Anthropologie der University of California, mit A. Kroeber |
1908 | Philadelphia | Lehr- und Forschungsstipendium an der University of Pennsylvania |
1909 | Promotion über die Grammatik des Takelma (Oregon) Feldforschung über Ute | |
1910 | Feldforschung über Yana (Cal.) und Southern Paiute (Utah) | |
1910 | Heirat mit Florence Delson Sapir | |
1910-25 | Ottawa | Leiter der Division of Anthropology des National Museum |
Erforschung des Nootka und der Na-Dene-Sprachen. Gegen Ende der Zeit in Ottawa mehr Poesie und theoretische Studien. | ||
1924 | Tod von Florence | |
1925 | Chicago | Professor am Dept. of Sociology and Anthropology |
1925 | Mitbegründer von Language, Organ der Linguistic Society of America; darin sein Artikel “Sound Patterns in Language” | |
Erforschung des Navaho und des Hupa (Cal.) | ||
1927 | Heirat mit Jean McClenaghan | |
1931 | New Haven, Conn. | Sterling Professor Anthropology and Linguistics an der Yale University. Begründete die (erste) Yale school of linguistics. |
1937 | erster Herzanfall | |
4.2.1939 | New Haven, Conn. | gestorben |
E. Sapirs Muttersprache war Jiddisch. Deutsch lernte er vermutlich auch als Kind.
Sapir verband Feldforschung mit theoretischer Linguistik. Er zeichnete insgesamt 39 Indianersprachen auf; bei mehreren davon betrieb er ‘salvage work’ mit dem letzten Sprecher. 1921 schlug er die erste Gesamtgliederung der nordamerikanischen Indianersprachen vor.
Sapir wurde wegen seiner Vielseitigkeit und Produktivität von seinen Zeitgenossen einschließlich Boas für ein Genie gehalten. Seine gesamte Arbeit ist interdisziplinär.
Sapir war eine humanistische Persönlichkeit; er brachte ein umfassendes Interesse an allen kulturellen Aspekten des Menschen auf.
E. Sapirs Language (1921) ist sein einziges abgeschlossenes Buch und ein Hauptwerk (der mentalistischen Varietät) des amerikanischen Strukturalismus. Sapir sieht Sprache im Zusammenhang mit der Kultur und Geisteswelt eines Volkes und ist insofern mitverantwortlich für die These von der sprachlichen Relativität. Sein brillantes Buch ist auch heute noch eine Fundgrube fruchtbarer Ideen. Besonders bemerkenswert sind seine Lehre von den grammatischen Prozessen und grammatischen Begriffen, seine Sprachtypologie und seine Idee vom ‘drift’, der in jeder Sprache liegt.
Der Text ist vollständig und ziemlich aufwendig – allerdings leider ohne die originale Paginiereung – aufbereitet auf dem Internet verfügbar: http://www.bartleby.com/186/
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Die Rezension ist insgesamt positiv.
Im Gegensatz zu dem späteren Bloomfield und dem europäischen Strukturalismus hatte Sapir eine dynamische Konzeption vom Sprachsystem. Er redet von grammatischen Prozessen statt von Einheiten. Ebenfalls im Gegensatz zu den amerikanischen Strukturalisten interessiert er sich für die Bedeutung grammatischer Formative und sieht darin einen Ausdruck der Kultur.
Sapir ist der Begründer des Mentalismus in der amerikanischen Linguistik und geistiger Vater (wenn auch nicht Vertreter) der Sapir-Whorf-Hypothese. Bis heute unübertroffen sind seine Theorien der grammatischen Prozesse und Begriffe. Seine Sprachtypologie und seine Hypothese von der sprachlichen Strömung (‘drift’) sind wegweisend und noch nicht ausgelotet.
Seine Arbeitsweise ist stark interdisziplinär. Er verbindet Linguistik mit Anthropologie. Er genoß eine hohe Reputation als Anthropologe, pflegte wissenschaftliche Korrespondenz mit Kroeber. Vor allem später ist er mehr an Anthropologie als an Linguistik interessiert. Bemerkenswert ist auch eine umfangreiche Produktion von Poesie (vor allem in Ottawa) und von Studien zur Poesie und Musik.
Sapir hatte zu Lebzeiten geringeren Einfluß als Bloomfield. Damals herrschte Behaviorismus, nicht Mentalismus. Erst seit 1963 (Greenberg) ist eine Umkehr zu verzeichnen.
Bekannteste Schüler: Mary Haas, Harry Hoijer, Kenneth L. Pike, Morris Swadesh, George L. Trager (dieser allerdings Bloomfieldianer), Carl F. Voegelin, Benjamin L. Whorf (seit 1931).
(Auszug)
Sapir, Edward 1917, [Rez. v. Uhlenbeck 1916[i]]. IJAL 1:86-90.
Sapir, Edward 1918, "Representative music". The musical quarterly 4:161-167. Abgedr.: Sapir 1949:490-495.
Sapir, Edward 1921, Language. An introduction to the study of speech. New York: Harcourt, Brace & World (Harvest Books, 7). [Rez. von Bloomfield, Kroeber]
Sapir, Edward 1921, "The musical foundations of verse." JEGP 20:213-228.
Sapir, Edward 1923, "A type of Athapaskan relative." IJAL 2:136-142.
Sapir, Edward 1925, "Sound patterns in language." Language 1: 37-51.
Sapir, Edward 1929, "The status of linguistics as a science." Language 5:207-214.
Sapir, Edward 1929, "A study in phonetic symbolism." Journal of Experimental Psychology 12:225-239.
Sapir, Edward 1933, "La réalité psychologique des phonèmes". Journal de Psychologie Normale et Pathologique 30:247-265.
Sapir, Edward 1949, Selected writings in language, culture, and personality. Ed. by David G. Mandelbaum. Berkeley & Los Angeles: Univ. of California Press.
Sapir, Edward & Hoijer, Harry 1967, The phonology and morphology of the Navaho language. Berkeley & Los Angeles: Univ. of California Press (Univ. of California Publ. in Linguistics, 50).
Sapir, Edward & Swadesh, Morris 1955, "Native accounts of Nootka ethnography." IJAL 21, 4, Part II (Indiana Univ. Research Center in Anthropology, Folklore and Linguistics, Publ. 1).
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Hamp, Eric P. 1969, "American schools of linguistics (other than generative-transformational)." Hill, Archibald A. (ed.), Linguistics today. New York & London: Basic Books; 239-249
Haugen, Einar 1951, "Directions in modern linguistics." Language 27:211-222.
Hoenigswald, Henry M. (ed.) 1979, The European background of American linguistics. Dordrecht: D. Reidel.
Hymes, Dell & Fought, J. 1975, "American structuralism." CTL 13:903-1176.
Koch, K. 1954, "Trends in modern American linguistics. A critical survey." Vetenskaps-societeten i Lund, érsbok (Universität Lund), 27-52.
Mohrmann, Christine, Norman, F. & Sommerfelt, Alf (eds.) 1963, Trends in modern linguistics. Edited on the occasion of the Ninth International Congress of Linguists, Cambridge (Mass.) 27 Aug - 1 Sept 1962. Utrecht & Antwerpen & Spectrum Publ.
Mohrmann, Christine, Sommerfelt, Alf & Whatmough, Joshua 1963, Trends in European and American linguistics 1930 - 1960. Utrecht & Antwerpen & Spectrum Publ.
Müller, H. 1953, "Sprachwissenschaft auf neuen Wegen. Die beschreibende Linguistik in den USA." Zeitschrift für Phonetik und allgemeine Sprachwissenschaft 7:1-23.
Szemerényi, Oswald 1971/1982, Richtungen der modernen Sprachwissenschaft. 2 Bde. Heidelberg: C. Winter.