Umlaut liegt z.B. in folgenden Paaren von Wörtern und Wortformen vor:
Wurzelvokal | nominaler Plural | Derivation auf -ig | ||
---|---|---|---|---|
/a/ | Hand | Hände | Kraft | kräftig |
/a:/ | Hahn | Hähne | Unflat | unflätig |
/o/ | Koch | Köche | Dickkopf | dickköpfig |
/o:/ | Lohn | Löhne | Not | nötig |
/u/ | Schuss | Schüsse | Bund | bündig |
/u:/ | Gruß | Grüße | Kaltblut | Kaltblütig |
/au/ | Schlauch | Schläuche | Glaube | gläubig |
Wie an den Beispielen zu sehen ist, nehmen alle hinteren Vokale des Deutschen am Umlaut teil. Und er tritt sowohl in der Flexion als auch in der Derivation auf. Ferner tritt er vor einigen Suffixen wie den in der Tabelle aufgeführten, aber nicht vor allen Suffixen auf. Z.B. heißt die -ung-Ableitung von entlohnen Entlohnung, nicht Entlöhnung; und überhaupt gibt es kein auf -ung gebildetes Substantiv, das einen Umlaut enthielte, der erst durch diese Ableitung zustande gekommen wäre. (D.h. es gibt wohl Wörter wie Düngung; aber das kommt von düngen, nicht von Dung.) Der Umlaut ist also durch bestimmte morphologische Kategorien bzw. bestimmte Werte davon bedingt.
Zum Begriff des Umlauts ist festzustellen, daß es in erster Linie ein Prozeß ist. Erst in zweiter Linie ist es eine Art von Laut oder gar Buchstabe, so wie im nicht-linguistischen Sprachgebrauch. Es ist der Prozeß, der in den obigen Paaren den jeweils ersten in den jeweils zweiten Vokal wandelt.
Wie ein Blick auf die Position der vom Umlaut betroffenen Vokale im Vokaltrapez lehrt, verschiebt der Umlaut einen hinteren in den ihm (in allen anderen Merkmalen) entsprechenden vorderen Vokal. Bei den runden Vokalen ist das phonetisch nachweisbar. Bei /a/, /a:/ und /au/ ist die phonetische Situation jedoch komplizierter. Der Übergang von [a] zu [ɛ] ist, phonetisch betrachtet, eine relative Schließung. Und der Übergang von [aʊ] zu [ɔʏ] ist nur im zweiten Bestandteil des Diphthongs eine Verlagerung nach vorne, im ersten Teil jedoch wieder eine relative Schließung nebst Rundung. Hier hat man, um die Regelmäßigkeit zu erfassen, also nicht auf die phonetischen Eigenschaften der Laute, sondern auf ihre Position im Phonemsystem zu achten: hier ist /a/ ein hinterer Vokal.
Bei der Formulierung der Umlautregel ist es übrigens nicht nötig, sie ausdrücklich auf hintere Vokale zu beschränken. Man kann allgemein formulieren: ‘verlagere den Wurzelvokal nach vorn’. Auf vordere Vokale angewandt, läuft die Regel leer, richtet aber auch keinen Schaden an.
Umlaut ist also, phonologisch betrachtet, ein Prozeß der Vorverlagerung von Vokalen (engl. vowel fronting). Auf die phonologische Bedingung dazu kommt §3.1 zu sprechen.
Der Umlaut betrifft den Wurzelvokal bestimmter Stämme und tritt, morphologisch betrachtet, in zwei Arten von Fällen auf:
Der Fall #a liegt in der obigen Tabelle vor, also z.B. auch in dumm - dümmer; der Fall #b ist in der Tabelle nicht illustriert und liegt z.B. vor in Mutter - Mütter, schlugen - schlügen. Entsprechend ist der Prozeß des Umlauts systematisch verschieden zu kategorisieren:
Den Fall #a kann man alternativ als Auftreten diskontinuierlicher Morphe analysieren. Diese Analyse ist am Beispiel des Plurals in der folgenden Tabelle illustriert:
lfd. Nr. | Singular | Plural |
---|---|---|
1 | Hund | Hunde |
2 | Mutter | Mütter |
3 | Gruß | Grüße |
Die Tabelle illustriert drei der deutschen Pluralallomorphe. Der Plural wird in #1 durch ein Suffix, in #2 durch den Umlaut und in #3 durch ein diskontinuierliches Morph, nämlich die Kombination aus Umlaut plus Suffix, kodiert. Diese Analyse ist im Prinzip einwandfrei. Sie verpasst allerdings womöglich eine Generalisierung, nämlich daß der Umlaut an bestimmte umlautauslösende Suffixe gebunden ist (s.u.). Ob dies die Beschreibung unnötig kompliziert, könnte man jedoch nur beurteilen, wenn man die Morphologie des Deutschen vollständig formalisiert hätte.
Der Umlaut unterliegt zwei Arten von morphologischen Bedingungen:
umlautfähig | nicht umlautfähig | ||
---|---|---|---|
trage | trägst | wage | wagst |
Hof | Höfe | Los | Lose |
umlautauslösend | nicht umlautauslösend | ||
---|---|---|---|
eintrage | einträgst | eintrage | Eintragung |
stark | stärker | stark | starker |
Jedoch reichen diese Unterscheidungen immer noch nicht aus, um alle Fälle zu erfassen. Denn bzgl. Umlauts in der 2. Ps. Sg. würde man kauf- (vgl. kaufst) den nicht umlautfähigen Stämmen zuordnen. Aber vor anderen Suffixen weist auch dieser Stamm Umlaut auf: Käufer, käuflich. Man könnte hier noch Grade der Umlautauslösung (Umlautermöglichung, Umlauterzwingung) unterscheiden. In dem Maße, in dem solche Verfeinerungen nötig sind, muß man feststellen, daß der Umlaut nicht nur morphologisiert (s.u.), sondern sogar lexikalisiert ist.
In den germanischen Sprachen gab es – ebenso wie in den anderen indogermanischen Sprachen – ursprünglich keinen Umlaut und auch nicht die (dadurch erst entstehenden) vorderen runden Vokale. In den westgermanischen Sprachen tritt der Umlaut bereits vor Beginn der schriftlichen Überlieferung, und zwar vermutlich seit etwa 450, auf. Er findet statt vor /i/, /i:/ und /j/ in der Folgesilbe und betrifft in einer ersten Phase (Primärumlaut) nur /a/, im späteren Mittelalter (Sekundärumlaut) dann auch die anderen hinteren Vokale. In diesem Stadium läßt er sich als phonologischer Prozeß wie folgt formalisieren:
[+ vokal ] [ - kons ] | → | [ - hinten ] | / | __ | X • Y | [ - kons ] [ - hinten ] |
[ + hoch ] |
Wie an der Formalisierung zu erkennen ist, ist es eine regressive Fernassimilation: Die vordere Position des Suffixvokals wird bereits in der vorangehenden Silbe vorweggenommen. Allgemein betrachtet, ist es ein Fall von Vokalharmonie in der Wortform.
Bei seiner Entstehung ist der Umlaut zunächst ein rein phonetischer Prozeß. Er schafft vordere Allophone zu hinteren Vokalen, nämlich [ʏ y: œ ø æ æ:], also vordere Vokale, die es bis dahin im System nicht gab.
Bald nach Einführung des Umlauts – spätestens zu mittelhochdeutscher Zeit – geht allerdings in zahlreichen Kontexten seine Bedingung, nämlich der hohe vordere Vokal oder Halbvokal in der Folgesilbe, verloren, sei es, daß der Vokal synkopiert oder apokopiert wird, sei es, daß er zu [ə] geöffnet wird. Was ahd. tragit > [træ:git] war, wird dadurch [træ:kt]. Dieses jedoch gerät in Opposition zu [tra:kt] ((ihr) tragt). Hier geschieht nun zweierlei:
Ferner werden Flexionsparadigmen, wo in einigen Formen Umlaut entstanden war, der nicht mit morphologischen Funktionen verbunden war, sekundär analogisch ausgeglichen; außerdem wird der Umlaut als morphologischer Prozeß auch bei Wörtern eingeführt, wo die phonologischen Bedingungen seiner Entstehung nie bestanden hatten, z.B. in Baum - Bäume. Dies wird ermöglicht durch ein Sprachsystem, wo innere Modifikation, nämlich in Gestalt des Ablauts, ohnehin schon als morphologischer Prozeß wohl etabliert war.
Das Ergebnis ist der heutige synchrone, oben in §2.2 beschriebene Zustand. Der Umlaut ist also heute nicht mehr phonologisch konditioniert, sondern entweder morphologisch oder überhaupt nicht konditioniert.