Ein polysemer Ausdruck läßt sich durch eine Menge semantischer Merkmale beschreiben, die sich wie folgt aus Teilmengen zusammensetzt:
M0 & (M1 v M2 v ... Mn)
Die Teilmenge M0
ist allen Bedeutungen des polysemen Ausdrucks gemeinsam. Die verbleibende Restmenge besteht ihrerseits aus zueinander alternativen Teilmengen, deren jede einen Sinn des polysemen Ausdrucks charakterisiert. Diese Verhältnisse illustriert das folgende Schema für einige Bedeutungen des Wortes Flügel.
Teil eines Ganzen | ||
seitliche Extremität | ||
1. (wenn das Ganze ein Tier ist:) zum Fliegen benutztes Körperglied |
2. (wenn das Ganze ein Gebäude ist:) Trakt |
3. (wenn das Ganze eine Partei ist:) Gruppierung mit gleicher Gesinnung |
Die ersten beiden Zeilen dieses Beispiels entsprechen also M0
der obigen Aufzählung, während in der dritten Zeile die erste Spalte M1
der Definition entspricht, und so weiter. Die Gesamtbedeutung von Flügel ist also ungefähr “seitliche Extremität von etwas”, die Grundbedeutung dagegen ungefähr “zum Fliegen benutztes Körperglied eines Tieres”. Wenn man die Prototypentheorie beizieht, wird man hier noch ergänzen “... typischerweise eines Vogels”. Die Gesamtbedeutung eines mehrdeutigen Wortes ist also so etwas wie sein Bedeutungskern, die Grundbedeutung dagegen so etwas wie die “eigentliche” Bedeutung.
Hinter der Einklammerung des Wörtchens diachron in der Definition von Grundbedeutung verbirgt sich das hier nicht verfolgte methodische Problem, nach welchen Kriterien man die Grundbedeutung eines mehrdeutigen Wortes identifiziert.
Jede der in der obigen Aufzählung erwähnten Teilmengen Mi
umfaßt semantische Merkmale, die im einfachsten Falle konjunktiv miteinander verknüpft sind (so wie z.B. die beiden obersten Zeilen des Schemas für Flügel). Die Teilmengen als solche dagegen sind auf zwei verschiedene Weisen logisch zueinander geordnet:
M0
), ist konjunktiv zu den anderen Teilmengen geordnet.M1-n
), sind disjunktiv miteinander verknüpft.D.h., ein Flügel ist in allen betrachteten Bedeutungen eine seitliche Extremität eines Ganzen und eines von den anderen Dingen, aber er ist entweder ein Körperteil oder ein Trakt oder eine Gruppierung mit gleicher Gesinnung.
Konjunktiv verknüpfte Merkmale vergrößern die Intension eines Begriffs, disjunktiv verknüpfte verkleinern sie. Je polysemer also ein Wort ist, desto geringer seine Intension, desto weiter seine Bedeutung (s. weiteres zur Bedeutungsverallgemeinerung). Dem entspricht, daß sich bei Hinzunahme einer neuen Bedeutung die Extension eines Wortes vergrößert.