Gliederung der Romania

Die Gliederung der Romania wurde in Kap. 1.3 dargestellt. Nach den dort verwendeten Kriterien ist Katalanisch nicht Randromanisch. Daraus folgt, daß sich ein Begriff des Iberoromanischen, der Katalanisch einschließt, bestenfalls unter Beschränkung auf diejenigen Kriterien rechtfertigen läßt, die Ost- vs. Westromanisch konstituieren.

Sprachen in der Iberoromania

Vokale

3.1. Finale Vokale

Wortauslautende Vokale sind unakzentuiert. Die Oppositionen werden hier reduziert auf /a : e : o/. Folglich fusionieren /i/ mit /e/ und /u/ mit /o/.

3.2. Synkope

3.3. Apokope

Im Altspanischen (11.- 12. Jh.) wurden - teilweise unter französischem Einfluß - auslautende Vokale zunächst massiv apokopiert. Im Kastilischen wurde der Prozeß i.w. auf auslautendes /e/ beschränkt:

LateinSpanischPortugiesisch Bedeutung
solesolsolSonne
cantatecantadcantadsingt
*aliquiunoalgúnalgumeiner

Konsonanten

Die iberoromanische Entwicklung des Konsonantensystems setzt das in Kap. 11 dargestellte gemeinromanische System voraus.

4.1. Degemination

Die lateinischen Geminaten wurden in den meisten romanischen Sprachen - außer Italienisch - vereinfacht. Die Obstruenten wurden einfach degeminiert.

Geminierte Sonoranten (/ll/, /rr/, /nn/) bleiben zunächst erhalten und werden erst einzelsprachlich verschieden behandelt.

4.2. Verstimmhaftung intervokalischer Plosive

Dies ist eine sehr frühe und fast gemeiniberische Entwicklung. Erste Anzeichen schon im 2./3. Jh. Nur Aragonesisch bewahrt (ebenso wie Baskisch und andere Pyrenäendialekte) den stimmlosen Plosiv. Der Wandel findet statt in folgenden Beispielen:

Verstimmhaftung intervokalischer Plosive im Iberoromanischen
Latein Aragonesisch Spanisch Portugiesisch Bedeutung
lupoloboloboWolf
tototodotodoalles
uītavidavidaLeben
rotaruedarodaRad
spathaespataespadaespadaSchwert
patrepadre(pai)Vater
civitateciudadcidadeStadt
dicodigodigosage
loricalorikalorigalorigaPanzer

Findet nicht statt in folgenden Beispielen:

Latein Spanisch Portugiesisch Bedeutung
trēstrestrêsdrei
septemsietesetesieben
tabulatablatábuaBrett
altoaltoaltohoch
quartocuartoquartovierter

Generalisierung: Okklusiv nach Vokal und vor Sonorant wird stimmhaft. Geltungsdauer: vor dem Fall des römischen Reiches (5. Jh.). Regel war im 13. Jh. nicht mehr wirksam. (Castro 1991:12f)


4.3. Frikativierung intervokalischer stimmhafter Okklusive

Intervokalische /b d g/ werden [β ð γ ] gesprochen.

[β] existiert außerdem als Allophon von [v]< [w] (vgl. Kap. 11). Die alte Opposition /b/ vs. /v ~ w/ ist nur im Südportugiesischen und Valencianischen erhalten. Überall sonst (u.a. im Kastilischen und Katalanischen) sind [b] ~ [β] Allophone von /b/.

Die dargestellten Wandel werden unter 'Lenition'/'Schwächung' zusammengefaßt. Sie sind offensichtlich ein Wandel im Verbund, wo jede Klasse zu ihrem vormaligen schwächeren Pendant wird, welches aber gleichzeitig in demselben Sinne seinen Platz räumt. Ihr Zusammenhang wird meist als Kettenreaktion analysiert. Die Tabelle stellt den Wandel nur für die Labiale dar.

Iberoromanische Lenition
(nach Alarcos Llorach 1965:243-245)
bβ
pb
ppp

4.3. Schwund intervokalischer Konsonanten

Über den soeben angeführten Prozeß hinaus schwinden intervokalische /d/ und /g/ unter noch nicht klaren Bedingungen gelegentlich auch ganz:

/d/

LateinSpanischPortugiesisch
sede
mediomediomeio
fide
videreverver
pedepie
caderecaercair
credocreocreio
rodereroerroer
patrepadrepai
matremadremãe
*metallicameajamedalha
sagittasaetaseta

In port. medalha dürfte das /d/ restituiert sein.

/g/

LateinSpanischPortugiesisch
legoleoleio
regereyrei
reginareinareina
vaginavainavaina

4.4. Labiovelare

Die Sequenzen /kw/ und /gw/ verhalten sich i.a. bisegmental, so daß es insoweit unnötig ist, für das Lateinische die Phoneme /kʷ/ und /gʷ/ anzusetzen. Allerdings erfährt die Kombination in den westromanischen Sprachen eine Sonderbehandlung: der Halbvokal schwindet.

kw k / __ [ + vokal ]
{ [ - akzent ]
[ - tief ]
}

Daher:

Lat. /kw/Span. /kw/Span. /k/
quaternuscaderno
quaererequerer
quintusquinto
quidque
quattuorcuatro
quandocuando

Ähnliches geschieht mit /gw/, welches sowohl aus dem Lateinischen geerbt als auch bei der Angleichung germanischer Lehnwörter mit /w/ → /gw/ durch Bisegmentalisierung gebildet ist.

gw g / __ [ + vokal ]
[ - tief ]

Daher: got. *werra > span. guerra
got. wisa > span. guisa
Aber: got. wardon > span. guardar.

Phonotaktik

5.1. Konsonantengruppen

5.1.1. Doppelkonsonanten

Oben war schon die Degemination behandelt worden. Die Beschränkung gegen Doppelkonsonanten bleibt im weiteren im Sprachsystem wirksam; sie sind bis heute nicht zugelassen.


5.1.2. Vokalprothese

Vor Wörter, die mit /s + K/ anlauten, wird seit dem 2. Jh. n.Ch., also bereits im Vulgärlatein, ein vorderer Vokal gesetzt: /e/ im Westromanischen, /i/ im Italienischen (dort jedoch kaum in der Schriftsprache).

Auch dies ist eine bis heute wirksame phonotaktische Beschränkung der iberoromanischen Sprachen.


5.1.3. Reduktion von lat. /kt/

Die Konsonantengruppe wird in allen romanischen Sprachen vereinfacht:

Latein Ital.Franz.Port.Bedeutung
factofattofaitfeitogemacht
lactelattelaitleiteMilch
*pectopetto(poitrine)peitoBrust
dictodettoditditogesagt
noctenottenuitnoiteNacht
octoottohuitoitoacht
fructofruttofruitfrutoFrucht

kt > tt (Ital.);

kt > xt > jt (Frz. Port.). (Zur kastil. Weiterentwicklung s. Kap. 13)


5.1.4. Erweichung von /Kl-/

Die initialen Konsonantengruppen mit /l/, /pl/, /kl/, /fl/ wurden auf dem Dialektkontinuum von Ost nach West immer weiter verändert. Vom Kastilischen an fusionierten sie und wurden palatalisiert.

Gruppe lat.katalan.kastil.port.
plpluvialluviachuva
planollanochão
applicarellegarchegar
plenollenocheio
klclaveclaullavechave
clamareclamarllamarchamar
flflammaflamallamachama
faflarefallarhallarachar

5.2. Epenthese

Latein SpanischPortugiesischBedeutung
stellaestrellaestrelaStern
maculamanchamanchaFleck

Prosodie

Wie wir in Kap. 11 sahen, wird die Vokallänge auf dem Weg ins Gemeinromanische dephonologisiert. Da die Vokallänge die Schwere einer Silbe mitbestimmte, und da die Silbenschwere den Akzentsitz bestimmte, fiel auf diese Weise einer der konditionierenden Faktoren für den - bis dahin - festen Wortakzent weg. Im Lateinischen hatten ['pilus] “Haar” : ['pīlus] “Manipel” ebenso wie ['kekidī] “fiel” : [ke'kīdī] “fällte” kontrastiert. Im zweiten Beispiel war der verschiedene Akzentsitz durch die Vokallänge bedingt. Wenn /ī/ zu /i/ wurde, wurde das erste Paar homonym, und das zweite unterschied sich nur noch durch den Akzent. Somit war dieser distinktiv.

In der gesamten Romania wird der ehemals phonologisch konditionierte Akzent auf den letzten drei Silben frei und somit distinktiv; er wird "phonologisiert". Der spanische freie Akzent wird in Kap. 14 behandelt.

Im Iberoromanischen wird der Akzent in der Konjugation gelegentlich analogisch verschoben:

Latein SpanischBedeutungVorbild
cantabámuscantábamoswir sangencantában
cáderecaérfallentenér
díximusdijímoswir sagtenllamámos

Literatur

Lloyd 1987, ch. 4.