Wann immer ein Gedanke oder ein Textstück aus einer anderen Quelle
stammt, ist diese anzugeben (Weiteres hierzu unter dem Thema ‘Plagiat’).
Darüber hinaus wird auch auf solche Literatur verwiesen, wo der Leser
weitere oder auch gegensätzliche Behandlung desselben Themas findet.
Man unterscheidet zwischen einer bibliographischen Angabe und einem
Literaturhinweis (auf Englisch heißt allerdings beides reference):
- Eine bibliographische Angabe ist die vollständige bibliographische Information zu einem Werk so wie im Abschnitt über das Bibliographieren
erläutert.
- Ein Literaturhinweis (oder bibliographischer Verweis) ist ein abgekürzter Hinweis auf ein Werk. Er setzt eine im weiteren Kontext vorhandene bibliographische Angabe voraus.
Das System ist also zweistufig:
- Der Literaturhinweis verweist auf eine bibliographische Angabe.
(Er ist, linguistisch ausgedrückt, endophorisch.)
- Die bibliographische Angabe verweist auf ein Werk. (Sie ist
exophorisch.)
Diese beiden Arten von Information werden wie folgt gehandhabt:
- Für alles, was man aus anderen Quellen übernimmt, gibt man die
Quelle an. Das empfiehlt sich insbesondere auch für Daten und
Informationen, die man für Allgemeingut halten kann. Z.B. eine Tabelle
über die Sprecherzahlen der größten Sprachen der Welt basiert auf
Zensus und ähnlichen Erhebungen und veraltet schneller, als einem lieb
ist. Die Quellenangabe dient auch der eigenen Absicherung.
- Für Weiterführendes genügt
der bloße Verweis. Für solche Gedanken und Begriffe, die in der
vorliegenden Arbeit gebraucht werden,
genügt er nicht; solche Gedanken und Begriffe müssen jedenfalls
expliziert werden. So kann man in einer Arbeit zum Wandel des deutschen
Einwanderungsrechts ohne weiteres schreiben:
Näheres zum Begriff des Asylrechts s.
Meyer 1986:27.
Aber in einer Arbeit zum Wandel des deutschen Asylrechts kann man nicht
schreiben:
Der Begriff des Asylrechts wird hier im
Sinne von Meyer 1986:27 verwendet.
um dann zur Bestandsaufnahme überzugehen; sondern man muß schreiben:
Der Begriff des Asylrechts wird hier
im Sinne von Meyer 1986:27 als die Gesamtheit der gesetzlichen
Bestimmungen und der diesbzüglichen Rechtsausübung, welche die
zivilrechtliche Stellung und Behandlung von Asylanten betreffen,
verwendet.
M.a.W., von dem Leser, der mehr wissen will, kann man erwarten, daß er
sich die betreffende Literatur besorgt, aber nicht von dem Leser, der
nichts will als den Text der Arbeit verstehen.
- Die relevante Quelle für ein Textstück eines Aufsatzes ist nicht
der enthaltende Sammelband (oder gar die Zeitschrift), sondern der
Aufsatz selbst; denn das Textstück stammt von dem Autor des Aufsatzes,
nicht von den Herausgebern des Sammelbandes. Es
gibt also keine Literaturhinweise auf Sammelbände. Einzige
mögliche – aber nicht obligatorische – Ausnahme sind Essaybände.
- Im laufenden Text und in den Fußnoten/Anmerkungen werden keine
bibliographischen Angaben gemacht (das ist Stil von vorvorvorgestern).
Statt dessen gibt es am Ende der Arbeit eine Bibliographie bzw. ein Literaturverzeichnis, das zu jedem benutzten Werk vollständige bibliographische Angaben macht.
- Literaturhinweise im Text werden durch Kurzzitierformen
gemacht, die eben auf Einträge der Bibliographie hinweisen.
- Gelegentlich werden die Einträge einer Bibliographie auch
durchnumeriert, und die Nummer dient dann als Referenz im Text. Dieses
Verfahren ist ökonomischer für Autor und Verleger, aber nicht für den
Leser, dem zwar der Nachname eines Autors, nicht jedoch eine Nummer
etwas sagt.
- Eine Kurzzitierform kann in den laufenden Text eingebaut oder in
Klammern hinzugefügt werden. Möglich ist also sowohl
In Marx & Engels 1891:113-115
heißt es, Aufsichtsratsmitglieder sollten von der Steuerpflicht befreit
werden.
als auch
Man findet auch die Meinung (Marx
& Engels 1891:113-115), Aufsichtsratsmitglieder sollten von der
Steuerpflicht befreit werden.
Es ist dagegen nicht der Fall, daß eine Kurzzitierform als solche stets
in Klammern stünde. Die Form
In (Marx & Engels 1891:113-115)
heißt es, Aufsichtsratsmitglieder sollten von der Steuerpflicht befreit
werden.
sowie auch die oft vorgefundene Variante
In Marx & Engels (1891:113-115)
heißt es, Aufsichtsratsmitglieder sollten von der Steuerpflicht befreit
werden.
sind nach den orthographischen Regeln über die Verwendung von Klammern ungrammatisch.
- Die Menge der im Text (inkl. Fußnoten) referenzierten
Publikationen und die Menge der in der Bibliographie enthaltenen
Publikationen sind koextensiv. Es ist also weder zulässig, im Text auf
Werke zu verweisen, zu denen sich in der Bibliographie keine Angaben
finden, noch in der Bibliographie Werke aufzulisten, von denen nicht
klar ist, welchen Belang sie für die Arbeit haben. Aus letzterem ergibt
sich folgendes:
- Hat man Ideen oder Daten wörtlich oder sinngemäß aus einem Werk
übernommen, so reicht es (im Sinne der eingangs erwähnten
Plagiatvermeidung) nicht hin, das Werk in der Bibliographie der eigenen
Arbeit aufzuführen. Vielmehr enthält außerdem jede solchermaßen
entlehnte Passage des eigenen Textes einen Literaturhinweis mit
Stellenangabe.
- Wenn ein Werk für das Thema fundamental ist und evtl.
tatsächlich benutzt wurde, sich aber keine Veranlassung fand, im Text
darauf zu verweisen, muß man einen solchen Anlaß schaffen. Der ergibt
sich am organischsten in dem Abschnitt
über den Forschungsstand. Andernfalls geht es auch in einem
einleitenden Satz (oder bloß einer Fußnote) des Inhalts: “Grundlegende
Arbeit zum Thema dieses Aufsatzes ist u.a. in Müller 1887, Schmidt 1913
... geleistet worden.”
- Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie den soeben genannten, verweist man nicht auf ganze Werke, sondern auf Passagen daraus. Das besagt, daß der Verweis durch Seitenangaben nach der Kurzzitierform spezifiziert wird, wie oben unter Nr. 7 gezeigt. Bei
wörtlichen Zitaten ist das obligatorisch. Aber auch wenn lediglich auf Gedanken verwiesen wird, ist die Passage zu lokalisieren, die diesen Gedanken wiedergibt. Die auch im 21. Jahrhundert weit verbreitete Sitte, in solchen Fällen lediglich das Werk anzugeben, ist eine Zumutung für den Leser, der die relevante Passage in dem referenzierten Werk nachlesen möchte.
- Und erst recht genügt für den Verweis auf vorliegende wissenschaftliche Leistungen kein ‘name dropping’. Man kann also nicht schreiben
nach einer bereits von Roman Jakobson vorgebrachten Theorie
sondern es muß heißen
nach der in Jakobson 1965 vorgebrachten Theorie.
- Längere Passagen werden durch Angabe der Anfangs- und Endseite
identifiziert, also etwa ‘S. 34-37’. Wenn die Behandlung eines Themas
auf Seite 34 beginnt und sich nicht angeben läßt, auf welcher Seite sie
endet – aber auch nur dann! –, kann man schreiben ‘S. 34ff’ (“S. 34 und
Folgeseiten”). Statt ‘S. 34-35’ ist ‘S. 34f’ (“S. 34 und Folgeseite”)
üblicher.1
- Bei kurz aufeinander folgenden Verweisen auf dasselbe Werk kann
man dieses mit ‘o.c.’ (opus citatum “zitiertes Werk”) abkürzen.
Hat man also etwa bereits auf Leutheusser-Schnarrenberger 1993
verwiesen, so bedeutet im darauf folgenden Text ‘o.c. 214’ dasselbe wie
‘Leutheusser-Schnarrenberger 1993:214’.2
- Bei kurz aufeinander folgenden Verweisen auf dieselbe Passage
kann man diese mit ‘l.c.’ (loco citato “am angegebenen Ort”) abkürzen. Im hier gegebenen Kontext würde dies
‘Leutheusser-Schnarrenberger 1993:214’ bedeuten. Also etwa: “Außerdem
findet sich l.c. die Behauptung, Marx und Engels hätten sich nie getroffen.”
Alternativen zu ‘l.c.’ sind ‘ibid.’ (lat. ibidem “ebenda”) sowie deren deutsche Übersetzungen ‘a.a.O.’ bzw. ‘ebd.’.3
- Verweise auf Einträge eines Lexikons/Wörterbuchs macht man in der Form ‘Duden 1995 s.v. Schnapsidee’ (‘s.v.’ ist sub voce “unter dem Stichwort”). Man gibt also nicht die Seitenzahl, sondern das Lemma des Wörterbucheintrags an.
- Zwischen ‘siehe’ und ‘vergleiche’ – also z.B. ‘s. Schmidt 1973:15’ und ‘vgl. Schmidt 1973:15’ (engl. ‘s.’ vs. ‘cf.’) – besteht folgender Unterschied:
- Mit ‘siehe’ verweist man auf Literatur, die die Quelle für
das soeben Gesagte darstellt. Dies ist also eine Art Anrufung von
Kronzeugen bzw. der nötige Hinweis darauf, daß der Gedanke nicht vom
Schreiber stammt.
- Mit ‘vgl.’ verweist man auf Literatur, die auch von diesem
Thema handelt, die aber durchaus inhaltlich vom eigenen Text abweichen
kann.
Seit einiger Zeit ist es üblich, die Abkürzung ‘s.’ überhaupt
einzusparen. Die bloße in Klammern in den Text eingestreute
Kurzzitierform gilt dann als Hinweis darauf, daß der vorangehende
Gedanke aus der referenzierten Quelle stammt. Das wird dann also
genauso gemacht wie bei wörtlichen Zitaten.
1
Das wird in englischen Texten genauso gemacht; in romanischsprachigen
Texten ist es statt dessen ‘p. 34ss’ bzw. ‘p. 34s’.
2 Bis Mitte des 20. Jh. etwa war statt ‘o.c.’ auch ‘ders.’ (“derselbe Autor”) gebräuchlich; aber das ist ungenau.
3
Ein offenbar unausrottbarer – u.a. auch im Duden-Wörterbuch
begangener – Fehler ist der Gebrauch von ebd. i.S.v. ‘o.c.’ Ein
Hinweis der Art “s. ebd. S. 23” ist widersprüchlich, denn wenn etwas
auf einer anderen Seite steht, steht es nicht ebenda.