I. Dokumentation der Sprache

Arabische Textprobe (nach Premper 1987:66)1
   وَمَنْ أَرَادَ مُحَاكَمَتَكَ
wa man ʔarād-a ʔan yu-xāsim-a-ka
und wer woll.PERF-SBJ.3.SG.M daß SUBJ-streit-SBJ.3.SG.M-OBL.2.SG.M
“Und wenn jemand mit dir streiten will”
   لِيَأْخُذَ ثَوْبَكَ، فَاتْرُكْ لَهُ رِدَاءَكَ أَيْضاً؛
wa ya-ʔxuð-a θawb-a-ka
und SUBJ-nehm-SBJ.3.SG.M Kleid-AKK-OBL.2.SG.M
“und dein Kleid nehmen,”
   فَاتْرُكْ لَهُ رِدَاءَكَ أَيْضاً؛
fa truk la-hū r-ridāʔ-a ʔajđan
dann lass(IMP.SG.M) für-OBL.3.SG.M DEF-Obergewand-AKK auch
“dann laß ihm auch das Obergewand!” (Mt. 5, 40)

II. Beschreibung der Sprache

1. Situation der Sprache

1.1. Sprachname

ʕarab "Araber" (Koll.). ʔaʕraba "klar und deutlich sprechen", von der Wurzel ʕrb. Alʕarabiyyah "die arabische Sprache".

1.2. Ethnographische Situation

1.2.1 Sprachgebiet

Ursprünglich (ca. -2.000 - 600) nur Arabien. Mit der Ausbreitung des Islams dann nicht nur alle Staaten Arabiens, Irak, Jordanien, Syrien, Libanon, sondern auch ganz Nordafrika (Ägypten, Sudan, Libyen, der Maghreb (Tunesien, Marokko, Algerien)), Tschad. Ist in allen Ländern muslimischer Religion mindestens Minoritäten- oder liturgische Sprache (Nigeria, Iran, GUS, Pakistan, Indien, Indonesien). Im Mittelalter waren die Araber (die Mauren) auch in Iberien und Sizilien, wodurch dort viele arabische Lehnwörter.

1.2.2. Sprachgemeinschaft

Über 210 Mio. Muttersprachler,2 d.i. die bei weitem größte Sprecherzahl einer afroasiatischen Sprache (s. §1.3.1.1).
Ursprünglich in Arabien ansässige Zentralsemiten. Mit der Ausbreitung des Islams dann diverse Völkerschaften muslimischer Religion in Afrika und Asien.

1.3. Genetische Situation

1.3.1. Extern

1.3.1.1. Die afroasiatischen Sprachen

Arabisch ist eine semitische Sprache. Die semitischen Sprachen heißen nach Noahs Sohn Shem. Als man später bemerkte, daß noch weitere Sprachen (z.B. Berber) zu der Familie gehörten, erweiterte man auch den Namen der Familie zu Semito-Hamitisch (wegen Noahs Sohn Cham), ohne daß es jedoch eine Subgruppe der hamitischen Sprachen gäbe. Heute (Anfang 21. Jh.) ist ‘Afroasiatisch’ der verbreitetste Terminus.

Das folgende Schaubild zeigt eine neuere Version (Ehret 1995) der Verwandtschaftsverhältnisse der afroasiatischen Sprachen:

Das nachfolgende Schaubild zeigt - auf der Basis einer älteren und (gegenüber der weiter unten folgenden) vereinfachten Gliederung - die Einordnung des Arabischen:

Afroasiatische Sprachen werden im nahen Osten, Nordafrika und der Nordostecke von Zentralafrika gesprochen (s. Überblick in der Wikipedia). Die Sprecher sind ethnisch und rassisch höchst heterogen. Die Sprachen haben eine sehr unterschiedlich lange Geschichte.

Ägyptisch hat bis auf weiteres (s. Vergleichstabelle) von allen Sprachen die längste dokumentierte Geschichte: 3000 v.Ch. - 16. Jh. n.Ch. Seit 300 n.Ch. hieß es Koptisch. Wurde als Umgangssprache durch Arabisch ersetzt, lebt als liturgische Sprache der ägyptisch-koptischen Kirche fort.

Etwa 40 kuschitische Sprachen in Nordostafrika (Äthiopien, Somalia, Kenia). Genetisch sehr heterogen. Erst in der Neuzeit belegt.

Etwa 40 omotische Sprachen, in Südäthiopien. Erst in der Neuzeit belegt.

Sieben eng miteinander verwandte Berbersprachen. Hauptsprache: Tuareg. Älteste Dokumente: altlibysche (= numidische) Inschriften 139 v.Ch. Das Guanche, die im 17. Jh. vom Spanischen ersetzte ursprüngliche Sprache der Kanarischen Inseln, war vielleicht eine Berbersprache.

Die 135 Tschadsprachen werden südlich des Tschadsees gesprochen. Genetisch sehr heterogen. Die wichtigste ist Hausa (Nigeria und Niger). Erst in der Neuzeit belegt.

Es folgt eine detailliertere Gliederung der semitischen Sprachen auf dem Stand um 2000.

Akkadisch war die Sprache des alten Mesopotamien (etwa heutiger Irak). Es ersetzte das (nicht afroasiatische) Sumerisch. Ist seit 3000 v.Ch. belegt, wurde im 1. Jh. n.Ch. durch Aramäisch ersetzt. Wurde in Keilschrift geschrieben (im 19. Jh. von G.F. Grotefend entziffert).

Die südarabischen Sprachen heißen nur aus geographischen Gründen so, sind aber nicht arabisch im linguistischen Sinne.

Die Sprecher der äthiosemitischen Sprachen wanderten im 1. Jt. v.Ch. aus Arabien nach Äthiopien aus, vermischten sich mit den dort bereits wohnenden Kuschiten, die großenteils die äthiosemitische Sprache annahmen. Ge'ez ist ausgestorben, aber noch die liturgische Sprache der äthiopischen koptischen Kirche. Amharisch ist die Nationalsprache Äthiopiens.

Aramäisch wurde ursprünglich im heutigen Syrien gesprochen. Seit ca. 1000 v.Ch. bezeugt. Es wurde Verkehrssprache im Nahen Osten und ersetzte Akkadisch, Hebräisch und andere Sprachen. Mehrere Bücher des Alten Testaments sind in Aramäisch. War Jesu Muttersprache. Aramäisch wurde seit dem 7. Jh. n.Ch. von Arabisch verdrängt, wird aber heute noch in verschiedenen Varietäten gesprochen. Eine davon ist das Syriakische, das bis zum 14. Jh. gesprochen wurde und seitdem als liturgische und Literatursprache fortlebt.

Die semitischen Sprachen sind homogener als die indogermanischen, aber etwas heterogener als die germanischen. Arabisch ist die konservativste der modernen semitischen Sprachen. Die nächstverwandte Sprache ist Maltesisch, eine jüngere Abzweigung des Arabischen.

1.3.2. Intern: Dialekte

Die Araber sprachen seit altarabischer Zeit mehrere Dialekte, hatten aber seit alten heidnischen Zeiten eine ehrwürdige Dichtersprache. In dieser wurde dann der Koran (Qurʔān) abgefaßt, mit Dialektfärbung von Muħammad (mekkanisch) (7. Jh.). Diese Varietät wurde das Klassische Arabisch, das als Norm gilt (s. Soziolekte).

Gleichzeitig wurde die Umgangssprache bei der Ausbreitung des Islam verbreitet und dialektal differenziert, ähnlich wie die romanischen Sprachen aus dem Vulgärlateinischen hervorgingen. Die Morphologie wurde vereinfacht: Dual, Kasus und Modus gingen verloren. Die Umgangssprache zerfällt in zahlreiche Dialekte, die vom Standardarabischen in jeder Hinsicht weit entfernt und teilweise wechselseitig nur schwer verständlich sind. Die Situation ist vergleichbar derjenigen der quechuanischen und der chinesischen Dialekte, die nach dem Kriterium der wechselseitigen Verständlichkeit eigentlich Sprachen sind. Die vorliegende Beschreibung konzentriert sich auf das Standardarabische.

Arabische Dialekte

Der Kairener Dialekt hat das höchste Prestige. Die westlichen Dialekte sind am weitesten vom Standardarabischen entfernt.

1.4. Kulturelle Situation

Ur-Afroasiatisch wurde vor 6.000 v.Ch. in der Sahara gesprochen. Ursemitisch wurde vor 3.000 v.Ch. in Palästina und Nordarabien gesprochen. Seit spätestens -2.000 nomadisieren semitische Stämme in ganz Arabien. Von da dringen sie zunächst nach Mesopotamien, dann in den Ostmittelmeerraum vor. Die Araber evolvieren in Arabien. Älteste Inschrift in arab. Sprache: Grabinschrift von 328 n.Ch., in nabatäischer Schrift. Älteste Inschrift in arab. Schrift: 512.

Die frühesten Araber sind z.T. Fellachen (fallāħ “Bauer”), z.T. Nomaden (Beduinen), z.T. Händler. In der letzteren Eigenschaft breiten sie die Sprache schon vor den militärischen Eroberungen im Nahen Osten aus. Mohammed missioniert und unterwirft bis zu seinem Tode 632 ganz Arabien. Bis etwa 1830 besteht das Osmanische Reich, das von Nordwestafrika bis Pakistan reicht und die Bevölkerung arabisiert.

Seit dem 8. Jh. wird die griechische Kultur in großem Umfang assimiliert und die Literatur ins Arabische übersetzt. Im Mittelalter ist die Kenntnis der griechischen Antike (Literatur, Philosophie usw.) nirgends besser als in Arabien. Zu der Zeit sind die Araber bedeutende Astronomen, Mathematiker und Mediziner, so daß zahlreiche astronomische (Zenith, Aldebaran ...), mathematische (Algebra, Zero ...) und medizinische (Elixier, ...) Termini aus dem Arabischen stammen (s.a. Kap. 1.5.1).

Erste (poetische) Literatur Ende des 5. Jh. auf der Basis der nordwestlichen Dialekte; jedoch erst Ende des 8. Jh. systematisch aufgezeichnet. Der Koran, ebenfalls in dieser Varietät abgefaßt, ist das erste Buch arabischer Prosa. Die Erzählungen aus 1001 Nacht wurden erstmals im 10. Jh. zusammengestellt. Bis zum Beginn der Neuzeit standardisierten einheimische Grammatiker auf der Basis des Korans das Klassische Arabisch.

Seit Napoleons Ägyptenfeldzug (1798) wird die arabische Sprache, Literatur und Kultur stark von okzidentalen Einflüssen geprägt.

Perioden der arabischen Sprachgeschichte
4 75 6 22 17 98
Urarabisch Altarabisch Mittelarabisch modernes Arabisch

1.5. Soziale Situation

1.5.1. Extern

Mit der arabischen Expansion seit Mohammed verdrängt Arabisch im Jemen das Südarabische, in Syrien und Palästina das Griechische und Aramäische, seit dem 10. Jh. in Ägypten das Koptische, seit dem 11. Jh. in Nordafrika das Berber, seit dem 14. Jh. die Sudansprachen. Arabisch war im Mittelalter internationale Verkehrssprache des Nahen und Mittleren Ostens. In Spanien wurden zahlreiche wissenschaftliche Werke aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt.

Arabisch ist in erster Linie die Sprache des Korans, des Heiligen Buchs, und somit die Sprache Allahs. Es genießt also eine ganz außerordentliche Achtung und wird für die vollkommenste Sprache gehalten. Es ist unmöglich, den Koran zu übersetzen. Daher beherrschen alle Muslime zu gewissem Grade Arabisch.

In Arabien wird, neben Südarabisch, ausschließlich Arabisch gesprochen. In den anderen Staaten koexistiert Arabisch mit anderen, oft anderen semitischen oder afroasiatischen Sprachen. Im Maghreb konkurriert es mit Französisch.

Die arabische Kultur war im gesamten Mittelalter in vielen Ländern dominant, so in Persien, der Türkei, Indien, Spanien. Die Sprachen wurden vom Arabischen beeinflußt, sie wurden z.T. in arabischer Schrift geschrieben. So Persisch und Urdu noch heute, Türkisch bis zur Einführung lateinischer Schrift durch Atatürk, Swahili bis ca. 1920. Sprachen wie Spanisch, Persisch, Urdu und Türkisch enthalten eine Unzahl arabischer Lehnwörter.

International verbreitete arabische Lehnwörter sind Algebra, Alkohol (enthalten arabischen definiten Artikel), Kadi (< (al-)qāḍī "Richter"), Ziffer, Emir (< amīr "Befehlshaber, Fürst"), Gazelle (< ɣazāl-un), Giraffe, Haschisch, Safran, Sirup und viele andere.

1.5.2. Intern: Soziolekte

Auf dem Klassischen Arabisch basiert das moderne Standardarabisch (= modernes Schriftarabisch, Hocharabisch), eine lexikalisch und stilistisch modernisierte Form davon. Dies ist die für schriftliche Kommunikation benutzte Sprache, die auch in öffentlichen Reden und in den Nachrichten benutzt wird.

Der Abstand der Dialekte zum Standard ist so groß, daß ein Fellache Klassisches Arabisch nicht verstehen kann. Es herrscht ausgeprägte Diglossie.

Standardarabisch wird in jedem Fall mit der Phonetik des Dialekts des jeweiligen Sprechers gesprochen. Ist insoweit heute eine Kunstsprache, ganz wie Latein. Allerdings beherrschen manche Sprecher es ganz gut, so daß es ein Kontinuum vom Klassischen Arabisch über Standardarabisch zur dialektalen Umgangssprache gibt.

2. System der Sprache

2.1. Ausdruckssysteme

2.1.1. Phonologie

2.1.1.1. Inventar
2.1.1.1.1. Vokalsystem

Vokaldreieck /i, u, a/, lang und kurz. /a/ ist meist [æ].

/i/ und /u/ haben nach und gelegentlich auch vor emphatischem Konsonanten die Allophone [e] und [o]. Daher wird z.B. Muħammad [moˈħamːæd] gesprochen.

Es gibt fallende und steigende Diphthonge: /aw, aj, wa, ja/.

2.1.1.1.2. Konsonantensystem

Liquiden, Nasale und Halbvokale bleiben im üblichen Rahmen. Das phonologische System der Okklusive und Frikative ist wie folgt:

Arabische Okklusive und Frikative
Artik.stelle
Artik.art
labial dental alveolar palatal velar pharyngal glottal
Okklusiv stl. t  t̴ k  q ʔ
sth. b d  d̴ ɟ
Frikativ stl. f θ s  s̴ ʃ x ħ h
sth. ð z  z̴ γ ʕ

[b] und [p] sind in freier Variation. Das Phonem scheint aber /b/ zu sein, und somit ist dieses System problematisch für die Markiertheitstheorie. /ɟ/ hat alle möglichen Realisierungen zwischen [g] und [ʒ].

Minimalpaare
xasun grob ħasun gut
karra wiederholen qarra festmachen

Im Standardarabischen gibt es regelmäßige emphatische Pendants zu /t, d, s, z/. Das emphatische Pendant zu /k/ ist /q/; und alle postvelaren Konsonanten sind emphatisch. Manche Dialekte haben zusätzlich emphatisches /ɫ/. Die Aussprache ist umstritten. Sie sind wohl jedenfalls fortis (gespannt) und können velarisiert oder pharyngalisiert sein. Die sekundäre Artikulation färbt auf den Folgevokal bzw. die ganze Silbe ab, so daß Vokale nach unten und hinten verschoben werden. Fremdwörter erhalten meistens emphatische Konsonanten. Emphatische Konsonanten werden im IPA mit Tilde durch, in der Transliteration mit Unterpunkt notiert.

Außerdem können Konsonanten noch geminiert sein.

2.1.1.2. Kombinatorik

Die morphophonemischen und phonetischen Regeln sind ausgesprochen komplex.

Akzent nicht distinktiv und phonolog. nicht sehr klar geregelt. Meist auf der letzten schweren (langen oder geschlossenen) Silbe.

Es gibt keine homosyllabischen Konsonantengruppen. Wo sie entstehen würden, passieren Anaptyxe und Prothese.

2.1.2. Schrift

2.1.2.1. Allgemeines

Die Schrift ist linksläufig. Das Alphabet besteht aus 28 Konsonantbuchstaben; Vokale werden durch 6 Diakritika bezeichnet, von denen 3 mit Konsonantbuchstaben identisch sind.

Name Buchstabe trans-
literiert
phonet.
Alif ا ʼ ʔ
Bā’ ب b b
Tā’ ت t t
Ṯā’ ث θ
Ǧīm ج ɟ, ʤ
Ḥā' ح ħ
Ḫā' خ x
Dāl د d d
Ḏāl ذ ð
Rā' ر r r
Zāy ز z z
Sīn س s s
Šīn ش š ʃ
Ṣād ص
Ḍād ض
Ṭā' ط
Ẓā' ظ
ʿAin ع ʿ ʕ
Ġain غ ɣ
ف f f
Qāf ق ḳ, q q
Kāf ك k k
Lām ل l l
Mīm م m m
Nūn ن n n
Hā' ه h h
Wāw و u̯, w w
Yā' ي y j

Es gibt keine Majuskeln, stattdessen aber Allographen je nachdem, ob der Buchstabe nach links, rechts oder beiderseits verbunden ist, und außerdem Ligaturen. Kalligraphie spielt eine große Rolle.

2.1.2.2. Geschichte der Schrift

Seit Ende 4. Jt. existiert die ägypt. Schrift mit Logogrammen, Silbenzeichen und Buchstaben. Ob die bildhafte Hieroglyphenschrift die ursprüngliche Variante ist, ist nicht gesichert. Im 18./17. Jh. v.Chr. erfanden die Phönizier (im heutigen Libanon) auf der Basis der ägyptischen Schrift ein Konsonantenalphabet. Daraus entstanden die hebräische, aramäische, griechische Schrift. Nur in der griechischen Schrift wurden Vokalbuchstaben den Konsonantenbuchstaben gleichgestellt. In den semitischen Schriften wurden die Vokale zunächst unbezeichnet gelassen, später bei Bedarf durch Diakritika bezeichnet.

Aus der aramäischen Schrift entwickelte sich seit dem 2. Jh. v.Ch. die nabatäische, und aus dieser vom 3. Jh. n.Ch. an die arabische. Ab 7. Jh. ist diese von anderen Schriften distinkt.

Die arabische Schrift ist nach der lateinischen die am meisten verbreitete. In ihr wurden geschrieben Türkisch, Swahili, Malaiisch, und werden noch geschrieben Persisch, Urdu, Pashto, Hausa.

Die Araber übernahmen das Dezimalsystem inkl. der Null von den Indern und benutzten Buchstaben des Alphabets als Ziffern. Von diesen stammen die im gesamten Okzident gebräuchlichen Ziffern ab.

2.2. Semantisches System

2.2.1. Grammatik

2.2.1.1. Morphologie
2.2.1.1.1. Morphologischer Typ

Synthetisch-wurzelflektierend.

2.2.1.1.2. Wurzelstruktur

Die meisten Wurzeln haben ein Gerüst aus drei (manchmal vier, zwei oder einem) Konsonanten, genannt Radikale: K1K2K3. Diese bilden das Significans eines Lexems und bleiben in der Morphologie i.w. unverändert. Morphologische Prozesse sind, außer peripherer Affigierung, Muster von zwei Vokalen, die über das Gitter von drei Konsonanten gelegt werden: Introflexion bzw. Transfigierung (Beispiele im nächsten Abschnitt). Die Wörter stehen im Lexikon unter den (rein konsonantischen) Wurzeln lemmatisiert.

Die Introflexion ist im Arabischen gegenüber dem semitischen Zustand noch in andere Bereiche der Grammatik ausgedehnt worden. Gleichzeitig wurden zweiradikalige Wurzeln (im Semitischen gab es zahlreiche Wurzeln der kanonischen Form KVK) in dreiradikalige überführt, da die Introflexion diese Gestalt voraussetzt. Die Transfigierung ist so produktiv, daß z.T. sogar Fremdwörter transfigiert werden: film, Plural aflām.

2.2.1.1.3. Flexion

2 Genera, auch in der 1. und 2. Person. Femininum ist markiert, an Substantiven allerdings nicht immer. Zwei Klassen nach Empathie: ± rational.

Drei Numeri: Singular, Dual, Plural. Pluralbildung durch Präfix, Suffix oder Ablaut. Letzteres ist der sog. gebrochene Plural, der seinerseits erhebliche Allomorphie aufweist. Die Tafel illustriert drei von einigen Dutzend verschiedenen Deklinationsklassen.

Arabischer gebrochener Plural
Bedeutung
MannHausTafel
Wurzel rɟlbjtlwħ
Singular raɟulbajtlawħ
Plural riɟāl bujūt ʔa-lwāħ
Muster K1iK2āK3 K1uK2ūK3 ʔa-K1K2āK3

Wie raɟul: θawb - θijāb "Kleid" [Textprobe].

Paradigmatische Polarität: Plurale irrationaler Entitäten werden in der Kongruenz als Feminin Singular behandelt.

Während der Numerus in der binären Opposition 'unmarkierter Singular vs. markierter Plural' organisiert ist, gibt es daneben eine Opposition 'unmarkierter Kollektiv vs. markierter Singulativ': tuffāħ "Äpfel" vs. tuffāħ-at "Apfel".

Arabisches Kasussystem
Kasus Nominativ kitāb-u
Obliquus Genitiv kitāb-i
Akkusativ kitāb-a

Definitheit
definit al- kitāb-u
indefinit kitāb-u-n

Der definite Artikel wird links prokopiert und rechts assimiliert. Bsp.: Textprobe Z. 3, r-ridāʔ-a. Der indefinite Artikel heißt in der Philologie 'Nūnation' ("Mit-N-Versehung").

Personalpronomina
Verbmorphologie

Arabisch hat reiche verbale Stammbildung und Derivation durch innere Modifikation (nämlich Transfigierung) in der Wurzel und durch Präfigierung. Die Derivationsmuster sind formal produktiv, semantisch jedoch unregelmäßig. Für jedes Verb gibt es 10 produktive alternative Stämme zuzüglich 5 unproduktive. Zitierform des Verbs ist die 3. Pers. Sg. Perfektiv (~ Präteritum), denn sie ist morphologisch unmarkiert (es wird nur -a suffigiert).

Arabische Verbstammbildung
Nr. SchemaKategorie Bsp. 1Bsp. 2
1 K1aK2aK3 Grundform katabschreiben qataltöten
2 K1aK2K2aK3 Kausativ,
Intensiv
kattabschreiben lassen qattalmassakrieren
3 K1āK2aK3 Applikativ,
Konativ
kātabanschreiben qātalzu töten versuchen
4 ʔa-K1K2aK3 Kausativ ʔa-ktabdiktieren -
5 ta-K1aK2K2aK3 Passiv,
Refl. zu 2
- ta-qattalmassakriert werden
6 ta-K1āK2aK3 Refl. zu 3,
Reziprok
ta-kātabkorrespondieren ta-qātalsich bekämpfen
7 ʔin-K1aK2aK3 Passiv,
Refl. zu 1
ʔin-katabunterschreiben -
8 ʔi-K1taK2aK3 Reflexiv,
Medium
ʔi-ktatabsich ein-/abschreiben ʔi-qtatalsich bekämpfen
9 ʔi-K1K2aK3K3 Farbe, Defekt - -
10 ʔi-sta-K1K2aK3 Refl. zu 4,
Rogativ
ʔi-sta-ktabzu schreiben bitten -

Die arabische Zitierform ist nicht der – in den Übersetzungen verwendete – Infinitiv, sondern die 3. Pers. Sg. Perfektiv.

(Wo ʔi- am Wortanfang steht, ist es prothetisch, also kein morpholog. Bestandteil des Stamms.)

Es gibt kein Tempus. Aspektflexion (Perfektiv/Imperfektiv) durch Ablaut. Konjugation für Person, Numerus und Modus durch Affigierung.

2.2.1.2. Syntax

Ursemitische Wortstellung war rechtsverzweigend, mit VSO. So noch im Klassischen Arabisch und teilweise im Hebräischen. Späteres Hebräisch und Modernes Arabisch (sowohl Umgangssprachen als auch Standard) sind SVO. Nominalsätze haben ‘Sbj Präd’.

Num N
N G
N A
N RS
Präp NS

In positiven präsentischen Sätzen mit nominalem Prädikat steht keine Kopula; es gibt auch kein Existenzverb. Kasusrelationen hauptsächlich durch Adpositionen.

Das Adjektivattribut kongruiert mit seinem Bezugsnomen in allen nominalen Kategorien. Ein Substantiv, das ein Genitivattribut hat, steht im sog. Status constructus. d.i. eine morphologische Form ohne Artikel:

kitāb-u l-malik-i
Buch-NOM DEF-König-GEN
"Buch des Königs"

Wenn das NS definit ist, wird der Relativsatz durch ein Relativpronomen eingeleitet, das mit dem Bezugsnomen in allen nominalen Kategorien kongruiert. Im Relativsatz selbst wird die Leerstelle durch ein resumptives Pronomen bezeichnet.

Das Verb kongruiert mit dem Subjekt in Person, Numerus und Genus, allerdings nur, wenn es ihm folgt.

Es gibt keinen Infinitiv; daher regieren Kontrollverben (s. Kontrolle2) finite Komplementsätze. Bsp.: Textprobe Z. 1.

Besitzzuschreibung: es gibt kein Verb ‘haben’.

ʔind-ī kitāb-u-n
bei-OBL.1.SG Buch-NOM-INDEF
"ich habe ein Buch"

2.2.2. Lexikon

2.2.2.1. Herkunft des Bestandes

Zahlreiche Lehnwörter aus dem Aramäischen und Griechischen.

2.2.2.2. Wortbildung

Es gibt keine Komposition, jedoch Derivation, die sich neben Affigierung ebenfalls der Stammbildung durch Introflexion bedient, z.B. in der nominalen Derivation:

Arabische nominale Derivation
Schema Kategorie Beispiel
K1iK2āK3 Produkt kitāb Buch
K1āK2iK3 Agentiv kātib Schreiber

III. Kommentare zur Sprachbeschreibung

1. Forschungsgeschichte

Seit dem Mittelalter gibt es eine einheimische arabische Grammatik mit ausgebildeter Terminologie, vor allem im Bereich der Morphologie. Jüdische Grammatiker des Mittelalters bemerkten zuerst die Ähnlichkeit von Arabisch, Hebräisch und Aramäisch. Im 12. Jh. wurde in Spanien erstmals der Koran ins Lateinische übersetzt. Seit Anfang des 19. Jh. bestehen Orientalistik, Semitistik und Arabistik als wissenschaftliche Disziplinen. Grundlegend im deutschen Sprachraum sind Carl Brockelmanns Arabische Grammatik (6. Aufl. 1909, 25. Aufl. 1997) und Grundriß der vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen (1908).

Während das Standardarabische gut erforscht ist, sind es die Dialekte, vor allem die Beduinendialekte, nicht. Erst seit Ende des 20. Jh. erscheinen Grammatiken von Dialekten.

2. Ort dieser Darstellung

Ziel dieser Darstellung ist es, einen gerafften, aber umfassenden Überblick über die arabische Sprache als ganze zu geben, in einem Umfang, der für eine Sitzung einer Lehrveranstaltung ausreicht, und in einem Allgemeinheitsgrad, der es gestattet, den Platz der arabischen Sprache in der Welt einzuschätzen und sie mit anderen Sprachen zu vergleichen. Die Systematik folgt dem separat dargestellten Schema. Der Gegenstand ist i.w. das sog. Klassische Arabisch.

Es wurden keine Primärdaten erhoben und keine eigene Forschung angestellt. Die Grundlage des Vorangehenden sind ausschließlich Werke der Sekundärliteratur wie insbesondere die in Abschnitt IV aufgeführten.

IV. Literaturhinweise

Brockelmann, Carl 1958, Arabische Grammatik. Paradigmen, Literatur, Übungsstücke und Glossar. Leipzig: VEB Verlag Enzyklopädie (Lehrbücher für das Studium der orientalischen und afrikanischen Sprachen, 2) (14. Aufl., besorgt von Manfred Fleischmann. 16., unveränd. Aufl.: 1965).

Cheijne, Anwar G. 1969, The Arabic language. Its role in history. Minneapolis: University of Minnesota Press.

Cowell, Mark W. 1964, A reference grammar of Syrian Arabic (based on the dialect of Damascus). Washington: Georgetown U.P. (Arabic Series, 7).

Fischer, Wolfdietrich 1972, Grammatik des klassischen Arabisch. Wiesbaden: O. Harrassowitz (Porta Linguarum Orientalium, N.S. 11).

Fleisch, H. 1956, L'arabe classique. Esquisse d'une structure linguistique. Beirut: Imprimerie Catholique.

Holes, Clive 1989, Gulf Arabic. London: Routledge (Croom Helm Descriptive Grammars).

Kaye, Alan S. 1989, "Arabic". Comrie (ed.) 1989[w]:664-685.

Monteil, Vincent 1960, Études et documents. III. L'arabe moderne. Paris: C. Klincksieck (Études arabes et islamiques).

http://www.arabicstudies.edu/arabiclangrev.html


1 Die originale Version weicht geringfügig von der transliterierten Version ab.

2 Die Zahl ist eine Schätzung aus Wikipedia (2009) s.v. Arabisch; genaue Zahlen existieren 2009 nicht.