I. Dokumentation der Sprache

Die folgende Textprobe trägt der Tatsache Rechnung, daß Englisch als solches nicht illustriert zu werden braucht, und weist gleich auf seinen Charakter als Mischsprache hin.

Englischer Text mit angelsächsischem und normannischem Vokabular
AngelsächsischNormannisch
Though, for some hundred of years, English folk - headed by the best songsters of the land - have been seeking to shake off the Norman yoke that lies so heavy on their speech, yet what many speakers and writers, even today, call English is no English at all but sheer French. Nevertheless there are many who feel not a little ashamed of the needless loanwords in which their speech is clothed, and of the borrowed feathers in which they strut - Despite the fact that during several centuries English people - captained by the chief poets of the country - have attempted to escape the Norman yoke which exerts so ponderous a constraint on their language, the idiom many orators and literary people, even at present, style English, is by no means English, but purely French. Despite this, numerous individuals are considerably abashed by the unnecessary adopted terms in which their language is dressed and the alien plumes in which they parade -

Aus Warburg, Jeremy 1964, "Some aspects of style." Quirk, Randolph & Smith, A.H. (eds.), The teaching of English. London: Oxford University Press (Language and Language Learning, 3); 36-59; S. 41.

II. Beschreibung der Sprache

1. Situation der Sprache

1.1. Sprachname

Das Autonym ist English, umgelautet aus Anglish, nach den Angeln, den Hauptträgern der Sprache. Der deutsche Name der Sprache (englisch) weist ebenfalls Umlaut auf. Dagegen haben z.B. russ. anglijskij, frz. anglais keinen Umlaut. Der italienische und spanische Name basieren auf der englischen Aussprache: ingles(e).

1.2. Ethnographische Situation

1.2.1. Sprachgebiet

Zur angelsächsischen Zeit nur in Britannien. Dann in Wales, Schottland, Irland (ursprünglich keltisches Sprachgebiet), U.S.A., Kanada, Australien, Neuseeland. Ist einzige oder weitere Staatssprache in zahlreichen anderen Ländern, wo es aber zumeist nicht die Muttersprache der Einwohner ist (z.B. Ghana, Fidschi; Indien). Seit dem 20. Jh. die am weitesten verbreitete Sprache überhaupt.

1.2.2. Sprecher

Über die völkische Zugehörigkeit der Sprecher des Englischen lassen sich im 21. Jh. keine Angaben mehr machen. Waren es ursprünglich Germanen bzw. Briten, so sind sie heute völlig heterogen.

Im Jahr 2011 (Wikipedia) gibt es wenigstens 340 Mio. Muttersprachler; dazu kommen mindestens ebenso viele Zweitsprecher.

1.3. Genetische Situation

1.3.1. Extern

Von den lebenden Sprachen ist dem Englischen das Friesische am nächsten verwandt. Die beiden sind allerdings nicht mehr wechselseitig verständlich.

1.3.2. Intern

Bereits im Altenglischen gab es starke dialektale Variation, die von der heterogenen Besiedlung herrührte. Die Variation besteht bis heute in Großbritannien fort. Das britische Standardenglische basiert auf dem Dialekt von East Midland, der seinerseits eine Variante des Mercischen ist.

Derzeit gibt es weltweit zwei Hauptdialekte:

Die Unterschiede sind hauptsächlich in gesprochener Sprache merklich. Für die geschriebene Sprache gibt es eine zwar nicht kodifizierte, aber dennoch mächtige Norm. Die Tabelle gibt einige Beispiele:

Britischer und amerikanischer Dialekt
  BritischAmerikanisch
Lexikon
boottrunk
bonnethood
mudguardfender
Phonologie
hɔthɑt
fɑ:mfɑɽm
ɹɑ:ðəɽæ:ðəɽ
Morphologie
--
Syntax
Cambridge   are/ is   ahead by two points.
She is     in/ in the   hospital.
Orthographie
centrecenter
minimiseminimize
chequecheck
behaviourbehavior

Alle englischen Dialekte sind, nach einiger Gewöhnung, wechselseitig verständlich.

1.4. Kulturelle Situation

1.4.1. Äußere Geschichte

Die Germanen sonderten sich aus der indogermanischen Urheimat ab und siedelten sich zunächst (bis ca. -1000) wohl um die Ostsee herum an. Dort trafen sie wahrscheinlich auf eine nicht-indogermanische Bevölkerung, von der sie ein Drittel ihres gesamten Vokabulars entlehnten. Sie dehnten sich in der ersten Hälfte des 1. Jt. v.Ch. nach Norden und Süden aus. Während dieser Zeit ist die erste (germanische) Lautverschiebung anzusetzen. Zudem wurde die indogermanische Morphologie stark reduziert.

Auf den britischen Inseln saßen zu Beginn der historischen Zeit Kelten. Sie wurden teilweise von den Römern unterworfen, die einige Ortsnamen hinterließen (Lancaster, Manchester, Rochester, < lat. castra) und um 400 n.Ch. wieder verschwanden.

449 n.Ch. rief ein Keltenfürst die Angeln (ursprünglich aus Norddeutschland, zwischen Flensburger Förde und Schlei), Sachsen (Nordwestdeutschland) und Juten (unklarer Herkunft; evtl. Jütland in Dänemark) zu Hilfe. Sie machten sich in England heimisch und drängten die Kelten nach Wales, Cornwall, Schottland und Irland zurück. Von dem keltischen Substrat (s.u.) blieben fast nur Toponyme (Dover, Kent, York) und Hydronyme (Avon, Thames).

Die Invasoren waren ohnehin ethnisch und sprachlich eng verwandt; die Bezeichnungen Engle und Englisc wurden bald allgemein auf sie und ihre Sprache angewandt.

Perioden der englischen Sprachgeschichte
DatenPeriode
449-1100Altenglisch
1100-1500Mittelenglisch
1500-1700Frühneuenglisch
1500-Neuenglisch

Zahlreiche lateinische Lehnwörter und Lehnübersetzungen (z.B. die Wochentage) durch die Christianisierung (Ende 6. Jh.).

Von 787 bis 878 wikingische (dänische) Invasionen, danach eine Zeitlang Integration. Daher zahlreiche Wörter (take, give, get; gift, egg, skin, sky) und Ortsnamen (Der-by “Reh-Dorf”, Rug-by; Acken-thwaite “-rode”, Lowes-toft “-Bauernhof”).

Invasion der Normannen 1066 (Wilhelm der Eroberer). Die Normannen besetzten alle Bereiche des öffentlichen Lebens und waren die herrschende Klasse. Dort wurde nur Französisch gesprochen. Englisch war Bauernsprache. Erst im 13. Jh. wendete sich das Blatt, und im 14. Jh. kam Französisch außer Gebrauch. Ab 1362 wurden die Verlautbarungen des Hofes auf Englisch publiziert.
Am Ende der normannischen Zeit extensive Entlehnung aus dem Französischen (ca. 10.000 Wörter). Seit der Zeit ist Englisch eine germanisch-romanische Mischsprache, wie die Textprobe schon zeigte.

In den Wissenschaften wurde, wie auch sonst in Europa, Latein verwendet. Erst um 1700, also zu I. Newtons Zeit, wurde Latein im englischen Sprachraum von Englisch abgelöst.

1.4.2. Literatur und Sprachwandel

Angelsächsisch ist dasselbe wie Altenglisch. Es war sicher mit Altfriesisch und wohl auch noch mit Altniederdeutsch, kaum jedoch mit Althochdeutsch wechselseitig verständlich. Anglofriesisch hat nämlich – ebenso wie Niederdeutsch – die zweite (hochdeutsche) Lautverschiebung (um 600 n.Ch.) nicht mitgemacht. Daher die Paare in folgender Tabelle:

Lautverschiebungen in Englisch und Deutsch
Lautverschiebung
keineerste+ zweite
LateinEnglischDeutsch
stl. Okkl. -> Frik.(Þ -> d)
pedefootF
tresthreedrei
cordeheartHerz
sth. Okkl > stl. Okkl.stl. Okkl. -> Affr.
ponduspound [Lehnwort]Pfund [Lehnwort]
dentetoothZahn
decemtenzehn
ageracreAcker
(d -> t)
dealTeil
dayTag

1.5. Soziale Situation

In Britannien wurden vor der Ankunft der Angelsachsen vor allem inselkeltische Sprachen gesprochen. Von diesen überleben bis heute – z.T. nur knapp – Kornisch (in Cornwall), Manx (Isle of Man), Walisisch (Wales), Irisch-Gälisch (Westirland) und Schottisch-Gälisch (Westschottland). Sie bilden also das erste Substrat für das Englische.

Sekundär ist Englisch auch außerhalb Europas Superstratsprache für zahlreiche einheimische Sprachen, die zu seinen Gunsten aussterben.

Selbst in den oben genannten Staaten, wo Englisch erste Sprache ist, wird es von vielen Zugewanderten bislang nur als Zweitsprache gesprochen; z.B. in den U.S.A. neben Spanisch.

Englisch ist die verbreitetste Zweitsprache der Welt. Wird in Afrika (Nigeria, Ghana, Kamerun, Uganda) und Asien (Indien, Pakistan, Philippinen) von Millionen als Zweitsprache gesprochen. Dient in zahlreichen Staaten als Staatssprache, die ethnisch so heterogen sind, daß eigene Sprachen nicht infrage kommen (z.B. Afrika).

Englisch dient als internationale Verkehrssprache bzw. als Welthilfssprache in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft.

Zahlreiche engl. Fremdwörter in anderen Sprachen: ok, club, baseball, computer, bit, byte, keyboard.

2. System der Sprache

2.1. Ausdruckssysteme

2.1.1. Phonologie

Zwischen Chaucer und Shakespeare fand The Great English Vowel Shift statt, der den Vokalismus völlig verändert und stark kompliziert und der übrigens eines der linguistischen Kriterien der Abgrenzung des Neuenglischen gegen das Mittelenglische ist.

Das Resultat ist ein sehr komplexes Vokalsystem, mit (je nach Dialekt) 16 - 18 Vokalphonemen, inklusive mindestens 5 Diphthonge.1

Englisches Vokalsystem (Britisch)
KurzvokaleLangvokaleDiphthonge
ɪ    ÊŠ
e/ɛəʌɔ/ɒ
  Ã¦   
i:   u:
 Éœ: É”: 
  É‘:  
     
 ej ojow
  aj aw  

Dazu kommt eine extrem komplexe Morphonologie, wo z.B. die Ableitung divinity von divine die folgende (von der Orthographie verschleierte) phonologische Veränderung bedingt: [dɩˈvn] : [dɩˈvɩnɩti:]

2.1.2. Schrift

Die englische Orthographie stammt aus mittelenglischer Zeit und wurde seit der Einführung des Buchdrucks (1476) trotz weitgehender Lautwandel vom Mittel- zum Neuenglischen nicht mehr verändert. Daher ist sie unregelmäßiger als alle anderen alphabetischen Schriften. G.B. Shaw meinte, <ghoti> sei die adäquate Schreibung für fish, denn

Aussprache von <ghoti>
GraphiePhonemwertVorbild
<gh>/f/<cough>
<o>/i/<women>
<ti>/ʃ/<nation>

Den stark ideographischen Charakter der englischen Orthographie zeigt auch folgende Gruppe von Homöographen:

Aussprache von engl. <ea>
GraphieLautwert
beach[i:]
clear[i:ə]
death[ɛ]
bear[ɛə]
learn[ə:]
great[ɛj]

Allerdings ist die Schreibung invariabel gegenüber morphophonemischer Variation (divine - divinity, electric - electricity).

2.2. Semantisches System

2.2.1. Grammatik

2.2.1.1. Morphologie

Im Altenglischen waren Deklination und Konjugation ähnlich komplex wie in anderen germanischen Sprachen, also wie im Althochdeutschen. Vom Spätaltenglischen an gingen im Mittelenglischen, im Zusammenhang mit dem Initialakzent, die Flexionsendungen verloren. Es blieb sehr wenig Flexion. Was geblieben ist, ist allerdings nicht immer sehr regelmäßig.

Deklination

Nur Numerus: Plural, bis auf wenige Ausnahmen (teeth, oxen, children) regelmäßig.

Nur die Pronomina flektieren noch für Genus und Kasus. Das Genitivsuffix -s gehört nicht zur Deklination, da es an Syntagmen antritt (the king of England's daughter, the man we saw yesterday's son).

Komparation der Adjektive ebenfalls bis auf wenige Ausnahmen regelmäßig germanisch oder romanisch.

Konjugation

Es gibt praktisch keine Person; nur die 3.Sg.Präs.Ind. hat eine Endung. Dies ist jedoch der in funktionaler Hinsicht am wenigsten markierte Wert der beteiligten Flexionskategorien. Er hat in der überwiegenden Mehrheit der Sprachen (darunter den romanischen) Nullausdruck oder sonst jedenfalls keinen komplexeren Ausdruck als die anderen Werte. Daß ausgerechnet dieser im ganzen Paradigma als einziger ein Suffix hat, ist völlig kontraikonisch.

Tempus: Synthetisch wird nur das Präteritum gebildet. Zwei Bildungsweisen:
1. starke Verben: Ablaut;
2. schwache Verben: /-d/- bzw. /-t/-Suffix.

Infinit: Es gibt die beiden Partizipien der Gleichzeitigkeit und der Vorzeitigkeit. Der Infinitiv ist keine morphologische Kategorie.

Insgesamt gibt es also nur sieben produktive Flexionskategorien; alle sind suffixal.

Dafür wurden seit altenglischer Zeit weitere periphrastische verbale Kategorien eingeführt: Progressiv, Modalverben.

Wandel vom synthetischen zum analytischen Typ; typologische Ähnlichkeit mit isolierenden Sprachen. Freie Wortstellung des Altenglischen verfestigt sich.

Daß Englisch weiter als jede andere germanische Sprache sich von der Ursprache typologisch entfernt hat, dürfte damit zusammenhängen, daß zu mittelenglischer Zeit, als die “verheerendsten” Wandel auftraten, die konservierende Kraft der Schrift und der gehobenen Kommunikation der Oberschicht fehlten.

2.2.1.2. Syntax

Der definite und indefinite Artikel wurden – vermutlich unter französischem Einfluß – im Mittelenglischen (aus Demonstrativum und Zahlwort) gebildet.

Die Hauptkonstituentenstellung war im Altenglischen noch wie im Deutschen, also freier und mit Verbendstellung im Nebensatz. Im Mittelenglischen wurde Verbzweitstellung durchgeführt. Nachgestelltes Genitivattribut mit of ist ebenfalls eine mittelenglische Neuerung.

Die Wortstellungsmuster des modernen Englisch sind gemischt: linksverzweigend sind DetN, AN, GN; rechtsverzweigend sind VO, N RS und PräpN. Die Hauptkonstituentenstellung ist SVO. Die relative Reihenfolge von Subjekt und finitem Verb(-komplex) am Klausenanfang ist unveränderlich. Davor satzeinleitende Adverbialien. (Also ganz anders als im Deutschen.)

Das System der Fundamentalrelationen ist akkusativisch. Die Konstruktion der syntaktischen Relationen ist überwiegend exzentrisch.

Die syntaktischen Relationen sind maximal “formalisiert”, d.h. grammatikalisiert. Vor allem die Subjektfunktion ist gegenüber allen semantischen Rollen indifferent und wird einfach dem am meisten thematischen Satzglied zugewiesen:2

Funktionen des englischen Subjekts
Funktion Beispiel Paraphrase
Patiens This book reads easily. ... to read this book.
Instrument This key does not open the door.  ... by this key.
Rezipient Mary was given the prize. ... was given to Mary.
Locus Chicago is cold in winter.
This tent sleeps five.
In Chicago,...
In this tent, ...
eingebettetes Subjekt  Tom needs to find a job. It is necessary for Tom ...
Tom seems to be sick. It seems that Tom is sick.

In der Informationsstruktur wird die fehlende Wortstellungsfreiheit durch syntaktische Prozesse ersetzt: Passiv, Satzspaltung, Pseudo-Spaltsatzbildung (what I am saying is ...).

2.2.2. Lexikon

2.2.2.1. Herkunft des Bestandes

Mit ca. ½ Mio. Wörtern (Webster) sicher das umfangreichste Lexikon der Welt.3 Vokabular seiner Herkunft nach sehr heterogen. Grundwortschatz germanisch, dann überlagert durch Latein, Normannisch/ Französisch. Lateinische Lehn- und Fremdwörter gab es seit alters, aber seit etwa 1600 ist praktisch jedes lateinische Wort ein potentielles englisches Wort. Neuerdings dient, vor allem in wissenschaftlicher Terminologie, neben Latein auch Griechisch als Quelle neuer Wortstämme. Die eingangs präsentierte Textdublette läßt sich daher durch eine Triplette ersetzen:

Schichtung des englischen Wortschatzes
Angelsächsisch NormannischGräkolateinisch
Stung by the foe's twitting, our forefathers (bold wights!) drew nigh their trusty friends and were heartily welcomed; taught by a former mishap, they began the fight on that spot and showed themselves unaffrighted by threatening forebodings of woe. Provoked by the enemy's abuse, our ancestors (brave creatures!) approached their faithful allies and were nobly received; instructed by a previous misfortune, they commenced the battle in that place and proved themselves undismayed by menacing predictions of misery. Exacerbated by the antagonist's vituperation, our progenitors (audacious individuals!) approximated to their reliable auxiliaries and were ovated with empressement; indoctrinated by a preliminary contretemps, they inaugurated hostilities in that locality and demonstrated themselves as unintimidated by minatory vaticinations of catastrophe.

Reiners, Ludwig 1959, Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. München: C.H. Beck. 2. Aufl.; S. 15.

Da also das Lexikon aus vier Hauptquellen besteht, gibt es für zahlreiche Begriffe vier teilsynonyme Wurzeln aus den vier verschiedenen Quellen.

2.2.2.2. Wortbildung

Englisch hat seit indogermanischen Zeiten sehr produktive Komposition und insbesondere Zusammenrückung (“phrasal compounds”) sowie Derivation, die noch durch romanische Derivation verstärkt wurde. Außerdem höchst produktive Konversion bzw. kategoriale Unbestimmtheit.

3. Typologische Eigenheiten des Englischen

Das Englische ist weltweit eine der sprecherstärksten Sprachen, die am meisten gelernte Fremdsprache und in der Linguistik die am meisten behandelte Sprache. Daher liegt die Gefahr nahe, daß man seine Eigenschaften als für eine Sprache “normal” ansieht. Im germanischen Teil Europas ist sogar die Ansicht verbreitet, es sei eine leicht zu lernende Sprache. Diese germanozentrische Sicht hat selbstverständlich nichts für sich. Das Englische ist im Gegenteil typologisch in vielen Punkten sehr ungewöhnlich und ausgesprochen schwierig:

  1. Das Vokalsystem mit (je nach Dialekt) mindestens 12 Vokalen plus 5 Diphthongen ist weit überdurchschnittlich komplex.
  2. Die Silbenstruktur ist ausgesprochen komplex, mit komplexen Ansätzen und Reimen.
  3. Die Regeln für die Akzentsetzung im Wort sind hochgradig komplex.
  4. Die Morphophonologie, vor allem in der Derivation, ist hochgradig unregelmäßig.
  5. In der Person/Numerus-Konjugation ist als einzige die dritte Person Singular im Präsens markiert, was ein Alleinstellungsmerkmal unter den Sprachen der Welt ist.
  6. Es gibt mehr als 160 unregelmäßige Verben.
  7. Definiter und indefiniter Artikel sind obligatorisch, was außerhalb Europas kaum vorkommt.
  8. Die Wortstellung ist teilweise linksverzweigend, teilweise rechtsverzweigend.
  9. Die Syntax der infiniten Konstruktionen ist hochgradig unregelmäßig.
  10. Es gibt eine Fülle von Fremdwörtern aus dem Lateinischen, Griechischen, Französischen und anderen Sprachen, mit einer Unzahl lexikalischer Doubletten und insgesamt dem größten Lexikon der Welt.
  11. Die Orthographie ist die unregelmäßigste alphabetische Orthographie der Welt.

Es sind also jenseits jeglichen Zweifels nicht die Eigenschaften der englischen Sprache, was ihr zu dem eingangs genannten Status in der Welt verhilft.

III. Kommentare zur Sprachbeschreibung

Die ersten Wörterbücher des Englischen sind zweisprachige französisch-englische und lateinisch-englische Wörterbücher. Das erste einsprachige englische Wörterbuch wurde 1604 publiziert. Es dient der Erklärung von "hard words" und enthält daher nur etwa 2.500 Lemmata. Ab 1702 erscheinen vollständige deskriptive Wörterbücher. Eine international beachtete Leistung ist Roget's Thesaurus, ein onomasiologisches Wörterbuch von 1852.

Wie im übrigen Europa war auch in England Grammatikunterricht zunächst Lateinunterricht. Erst in dem Maße, in dem Englisch sich auch in schriftlicher Kommunikation etablierte, entstand auch der Wunsch, es zu standardisieren. Da es noch keine Linguistik im heutigen Sinne gab, war jegliche Grammatik notwendigerweise normative Grammatik. Ende des 16. Jh. erscheinen die ersten Grammatiken des Englischen, z.B. William Bullokars A bref grammar for English (1586), vollständig nach dem lateinischen Muster. Seit dem Anfang des 20. Jh. gibt es deskriptive Grammatikographie, so auch des Englischen. Hervorzuheben sind Jespersen 1909-49 sowie Quirk et al. 1972 und 1985.

2. Ort dieser Darstellung

Ziel dieser Darstellung ist es, einen gerafften, aber umfassenden Überblick über die englische Sprache als ganze zu geben, in einem Umfang, der für eine Sitzung einer Lehrveranstaltung ausreicht, und in einem Allgemeinheitsgrad, der es gestattet, den Platz der englischen Sprache in der Welt einzuschätzen und sie mit anderen Sprachen zu vergleichen. Die Systematik folgt dem separat dargestellten Schema.

Es wurden keine Primärdaten erhoben und keine eigene Forschung angestellt. Die Grundlage des Vorangehenden sind ausschließlich Werke der Sekundärliteratur wie insbesondere die in Abschnitt IV aufgeführten.

IV. Literaturhinweise

Barber, Charles 1993, The English language: a historical introduction. Cambridge: Cambridge University Press (Cambridge Approaches to Linguistics).

Baugh, Albert C. 1957, A history of the English language. New York: Meredith.

Brook, G.L. 1958, A history of the English language. London: André Deutsch.

Faiß, Klaus 1989, Englische Sprachgeschichte. Tübingen: Francke (UTB, Große Reihe).

Finegan, Edward 1989, "English". Comrie (ed.) 1989[w]:77-109.

Huddleston, Rodney D. 1984, Introduction to the grammar of English. Cambridge etc.: Cambridge UP (Cambridge Textbooks in Linguistics).

Jespersen, Otto 1909-1949, A modern English grammar on historical principles 7 vols. Copenhagen: E. Munksgaard; London: G. Allen & Unwin.

Potter, Simeon 1950, Our language. A popular study of the English language, its sources, its history, its peculiar genius and how it should be used in speech and writing. Harmondsworth: Pelican.

Quirk, Randolph et al. 1972, A grammar of contemporary English. London: Longman.

Quirk, Randolph et al. 1985, A comprehensive grammar of the English language. London: Longman.

Todd, L. 1984, Modern Englishes. Pidgins and creoles. Oxford: B. Blackwell.


1 Zu dem angeführten Vokalsystem kommen ggf. noch 3 auf Schwa fallende Diphthonge hinzu.

2 Vgl. Hawkins, John A. 1986, A comparative typology of English and German. Unifying the contrasts. London: Croom Helm.

3 Lexikalische Statistik aufgrund des Brown Corpus (etwas mehr als 1 Mio. tokens amerikanisches Englisch): 61.805 Wortformen von 37.851 Lemmata. Wenn man daraus auf eine unendliche Stichprobe extrapoliert, wären es 170.000 Lemmata. Daraus folgt vermutlich, daß viele der im Webster verzeichneten Lemmata nicht mehr in Gebrauch sind.