Von dieser Datei gibt es zwei Fassungen:
Die erstere macht einen etwas bruchstückhaften Eindruck, was sich nicht vermeiden ließ.
Die folgende Klassifikation ist funktional orientiert. Sie ist weitgehend hierarchisch; aber ein gegebener phonologischer Prozeß kann gleichzeitig mehrere Funktionen erfüllen, und insofern gibt es Mehrfachzuordnungen.
Zahlreiche Beispiele sind lediglich angedeutet; sapienti sat.
Viel phonologischer Wandel ist einfach reduktiv und wird daher gelegentlich als “Erosion” bezeichnet. Die Geschichte des Französischen ist ein Paradebeispiel. Die Tabelle zeigt Tilgungen, die in dem mehrfach homonymen Einsilbler [vɛʁ] konvergiert sind.
Latein | Spanisch | Französisch | |
vermis | Wurm | verme | ver |
versus | gegen | verso | vers |
vitrum | Glas | vidrio | verre |
viridis | grün | verde | vert |
Schwächung und Tilgung von Segmenten kann der Vereinfachung der Silbenstruktur dienen und wird dann in dem betreffenden Abschnitt behandelt. Sie kommt aber auch sonst vor und findet gelegentlich auch ohne Kontextbedingungen, also als “spontaner Lautwandel” statt.
Hier wie sonst ist zwischen zwei Fällen zu unterscheiden, der bedingten und der unbedingten Tilgung von Segmenten. Im ersteren Falle wird ein Segment nur in bestimmten Kontexten getilgt, was aber seine Zugehörigkeit zum System nicht anficht. Im letzteren Fall verschwinden Segmente ganz aus allen Kontexten, mithin aus allen (künftigen) Texten (der parole) und mithin aus dem Inventar (der langue).
Ein Beispiel für Totalverlust ist der Schwund von /h/ im Lateinischen.1
/h/ schwindet auch vom Altgriechischen zum Neugriechischen. Z.B. altgr. Hómēros → neugr. Ómiros.
Die anderen hier zu besprechenden Beispiele betreffen bedingte Tilgung. Als erstes wäre die Synkope zu nennen. Die ist jedoch ein durch Silbenstruktur bedingter Prozeß. Daher s.u.
Gruppen, die <ng> geschrieben werden, enthalten in hochdeutscher Phonetik normalerweise kein [g]. Nachdem durch die Regel der homorganischen Nasalassimilation das {n} velarisiert wurde, ist das {g} zu tilgen:
R9. | g | → | ∅ | / | ŋ | ___ | K0 | ¬ | [ + vokal ] [ + gespannt ] |
Hang, hänge, hängst; Kongreß, Ungarn, Tango |
Zu der Tilgung gibt es eine Reihe von Ausnahmen, die den Charakter einer Subregularität haben. Sie werden in R9 durch die Bedingung “außer bei gespanntem Vokal in der Folgesilbe” erfaßt.
Der Zusammenhang mit der Silbengrenze bleibt zu klären. Vor dem /g/, das nicht getilgt wird, liegt eine Silbengrenze. Es ist aber nicht sicher, daß man diese als negative Kontextbedingung für die Tilgung nutzen kann, solange nicht klar ist, wieso im Input vor dem /g/ von betroffenen Wörtern wie hänge keine Silbengrenze ist (vgl. Kap. 14.1).
Viele Wandel führen zur Vereinfachung von Segmenten. Als komplex empfundene Merkmale bzw. Merkmalswerte können getilgt werden. Im Sinne der Markiertheitstheorie ist das so zu verstehen, daß ein ‘m’ als Merkmalswert gelöscht wird, wodurch es einen unmarkierten Wert erhält.
In der Germanischen Lautverschiebung werden /b d g/ zu /p t k/; und ebenso werden /bʰ dʰ gʰ/ zu /b d g/.
In deutschen Dialekten (z.B. Schlesisch) werden vordere Vokale entrundet: /y ʏ ø œ/ → /i ɩ e ɛ/. Vgl. nhd. Fuß – Füße, aber schles. Fuß – Fiß.
Dasselbe ist schon längst im Englischen passiert: Der - durch Umlaut gebildete - Plural von /fut/ ist nicht /fyt/, sondern /fit/.
= Lenition
Im Cockney werden stimmlose Okklusive gelegentlich zu [ʔ]: phonetics [fəˈnɛʔɩks].
= Spirantisierung.
Erster Teil der germanischen Lautverschiebung.
Span. todo, digo, lobo ist [ ˈtɔðɔ, ˈðiɣɔ, ˈlɔβɔ ]; findet auch im Auslaut statt (ciudad), ist also keine Assimilation (etwa an die Kontinuanz der Vokale).
= Fortition
Im Italienischen wird in einer Kollokation von Wörtern, deren erstes auf Vokal auslautet und deren zweites mit Okklusiv anlautet, dieser geminiert (raddoppiamento fonosintattico “phonosyntaktische Verdopplung”): vabbene, arrivederci, allora, oppure, a casa [akˈkaza].
Affrikation: Hochdeutsche Lautverschiebung
Verschärfung: lat. maior → ital. maggiore
Alternativ zur Tilgung von Merkmalen können die Merkmale eines komplexen Segments auf eine Sequenz von zwei Segmenten verteilt werden, deren jedes einfacher ist. Die Wörter España und Sevilla werden im Spanischen [ɛs'paɲa] und [sɛ'βiʎa] gesprochen. Die Laute [ɲ] und [ʎ] enthalten die Merkmalkombinationen [+ nasal, + palatal] und [+ lateral, + palatal]. Im Deutschen kommen jeweils die beiden Merkmale nicht in einem Segment zusammen vor. Werden die Wörter mit den Möglichkeiten des deutschen Lautsystems wiedergegeben, werden sie [ʔəs'panja:] und [zə'vɩlja:] ausgesprochen. Bei der Bisegmentalisierung der komplexen Segmente werden Sequenzen von zwei Segmenten mit den Eigenschaften [+ nasal ] | [ + palatal] bzw. [+ lateral ] | [ + palatal] geschaffen.
Es gibt zwei Hauptarten der Ähnlichkeitsanpassung, die Assimilation und die Dissimilation. Die erstere ist erheblich wichtiger und regelmäßiger.
Assimilation ist die Angleichung eines Lautes an einen im Syntagma benachbarten. Z.B. lautet das englische Präfix der negativen Derivation in inefficient [in], aber in imperfect [im]. Im letzteren Falle wird der Nasal bzgl. seiner Artikulationsstelle an den folgenden Obstruenten assimiliert. Der vorgang wird unten noch einmal ausführlich besprochen.
Mit Bezug auf den Regelformalismus kann man Assimilation als einen Prozeß definieren, in welchem einem Segment für ein oder mehrere Merkmale dieselben Werte zugewiesen werden, die im Kontext spezifiziert sind.
Es sind also zwei in einem Syntagma auftretende Segmente involviert: eines, das die Assimilation auslöst und dessen Merkmalwerte übernommen werden, und ein anderes, das die Merkmalwerte übernimmt und sich angleicht. Diese heißen im folgenden das Assimilans und das Assimilandum. In dem gegebenen englischen Beispiel ist das [p] das Assimilans, das [n] das Assimilandum.
Es gibt zahlreiche Assimilationsprozesse, die man nach verschiedenen Kriterien einteilen kann:
In den folgenden Zwischenüberschriften bedeutet X → Y "X ist Assimilans, Y ist Assimilandum".
Palatalisierung ist ein Prozeß, der die Artikulationsstelle von Konsonanten in zwei Schritten verändert:
War der Konsonant ein Plosiv, so wird er nach dem zweiten Schritt i.a. ein Affrikat.
Also z.B.:
Palatalisierung ist i.a. als Assimilation an einen folgenden palatalen Vokal konditioniert, kommt aber gelegentlich auch unter anderen Bedingungen vor.5
Die Palatalisierung der lateinischen Velare im Italienischen ist ein Fall der Kontaktassimilation eines Konsonanten an einen Vokal.
lat. | → | ital. | |||
---|---|---|---|---|---|
[ + hinten ] | → | [ - hinten ] | / | [ ____ ] [ + kons ] | [ - hinten ] [ - koronal ] |
Caesare | Cesare | (Resultat: Aufspaltung) | |||
['kæsare] | ['ʧezare] | ||||
gente | gente | (Resultat: Aufspaltung) | |||
['gente] | ['ʤente] |
Dies ist insoweit ein phonologisch konditionierter kombinatorischer Lautwandel. Er wandelte z.B. griech. gyros /giros/ in ital. giro ['ʤiro] und führte die Alternation in ital. amico ~ amici herbei. Weiteres zur Phonologisierung der romanischen Palatalisierung s. anderswo.
Die Beschreibung der Palatalisierung durch eine phonologische Regel setzt eine Analyse der Artikulationsstellen in binären Merkmalen voraus, z.B. wie in der folgenden Matrix (nach Heidolph et al. 1981:947):
Art.stelle
Merkmal ╲ |
labial | dental | alveolar | palatal | velar | uvular |
[anterior] | + | + | - | - | - | - |
---|---|---|---|---|---|---|
[koronal] | - | + | + | - | - | - |
[hoch] | - | - | + | + | + | - |
[hinten] | - | - | - | - | + | + |
Sonach ist Palatalisierung i.S.v. Überführung eines Velars in einen Palatal auf elementarem Niveau durch folgende Regel zu beschreiben:
R3. | [+ kons ] | → | [- hinten ] | / | __ | [- hinten ] |
Historische Fälle von Palatalisierung können sich durch spezifischere Bedingungen unterscheiden. Z.B. gilt meist (aber nicht z.B. in lat. nocte → port. noite), daß das Assimilans [- kons ] ist.
Die Einfachheit und Eleganz von R3 beruht z.T. auf Interpretationskonventionen. Eine betrifft solche Segmente, die bereits den durch die Regel eingeführten Merkmalswert haben. Man könnte sie vom Input ausschließen dadurch, daß man vor dem Pfeil noch [+ hinten] verlangte. Man kann aber die Regel auch auf solchen Input anwenden; sie läuft dann leer. D.h. sie ist dann nicht so sehr eine Veränderung eines bestimmten Inputs als eine Generalisierung über jeglichen zulässigen Output.2 Andere Interpretationskonventionen betreffen die nicht erwähnten Merkmale. Im einfachsten Falle bleiben sie unangetastet. Die Regel würde so, wie formuliert, einen Velar in einen Palatal wandeln, einen Uvular jedoch in ein unmögliches (jedenfalls in obiger Tabelle nicht vorgesehenes) Segment. Wenn die Regel in einer Sprache operieren soll, die keine Uvulare hat - z.B. Italienisch -, kann man sie so lassen. Andernfalls muß man sie anpassen je nachdem, ob in dieser Sprache Uvulare palatalisiert werden.
Die Labialisierung von Konsonanten vor [u] und [w] in Wörtern wie dt. Kuh und ital. quando funktioniert ähnlich wie Palatalisierung.
Die Alternation von dt. [ç] ~ [χ] ähnelt der italienischen [ʧ] ~ [k] insofern, als ein palataler mit einem weiter hinten artikulierten Konsonanten wechselt. In dem deutschen Fall liegt allerdings der zur Palatalisierung spiegelbildiche Prozeß vor, denn wie im Kapitel zu Variation und Lautstruktur zu sehen, ist [ç] das Basisallophon. Die Regel lautet daher wie folgt:
R4. | [ + obstr ] [ + kont ] [ + hoch ] [ - strident ] [ - sth ] |
→ | [ + hinten ] | / | [- kons ] [+ hinten ] |
___ | brauchte - bräuchte; brauchen - Frauchen | |
Bedingung: keine Morphemgrenze dazwischen |
Zu der Bedingung s. den Kommentar zum lateinischen Rhotazismus. In allen folgenden Regeln werden allerdings Morphemgrenzen ignoriert.
Die Verstimmhaftung intervokalischer Konsonanten wie in lat. casa → ital. [kaza] ist evtl. ebenfalls einschlägig. Im Spanischen nimmt sie folgende Form an:
B7. | lat. | span. | ||
[ - kont ] | → | [ + sth ] | / V __ V |
Latein | Aragonesisch | Spanisch | Portugiesisch | Bedeutung |
lupo | lobo | lobo | Wolf | |
toto | todo | todo | alles | |
uīta | vida | vida | Leben | |
rota | rueda | roda | Rad | |
spatha | espata | espada | espada | Schwert |
patre | padre | (pai) | Vater | |
civitate | ciudad | cidade | Stadt | |
dico | digo | digo | sage | |
lorica | lorika | loriga | loriga | Panzer |
Im Resultat spaltet sich jedes stimmlose Okklusiv-Phonem in zwei Allophone auf, wovon das eine mit einem anderen existenten Phonem (einem stimmhaften Okklusiv) zusammenfällt.
Ein anderes Beispiel ist der lateinische Rhotazismus:
archaisch | Altlatein | |||
---|---|---|---|---|
s | → | r | / | V__(#)V |
Papisius | Papirius | |||
*dis-imo | dirimo | |||
*tempos-is | tempor-is | |||
de-sino | de-sino |
Die Kontextbedingungen einer phonologischen Regel sind so zu lesen, daß für den angegebenen Kontext unmittelbare Adjazenz gefordert wird, außer diese Bedingung ist ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Obige Regel läßt also zu, daß dem betroffenen /s/ zunächst eine Morphemgrenze und dann erst der zweite Vokal folgt, während sie Entsprechendes für den vorangehenden Vokal nicht zuläßt.
Der Stern vor angeführten Formen bedeutet “nicht belegt, sondern rekonstruiert”.
Ausführliche Darstellung des Rhotazismus in:
Trask, R. Larry 1996, Historical linguistics. London: Arnold; New York: Oxford University Press; 79-82.
Hier wird zuerst das intervokalische /s/ stimmhaft, und in einem zweiten Schritt wird /z/ zu /r/. Der erste Schritt führt zu Aufspaltung des /s/ in [s] und [z]; der zweite Schritt führt zu Zusammenfall von [z] mit /r/ (= [r]).
In Wörtern wie wenig - wenige, reinigt - reinige alterniert [ç] mit [g]. Die Alternation passiert - im Standarddeutschen! - nicht in Zweig, liegt, fügt. Sie kann durch folgende Regel beschrieben werden:
R5. | g | → | [ - hinten ] | / | [ + vokal ] | ___ | { | ([+ kons ]) • X | } | König(s) - Könige - königlich |
[ + kont ] | [ + hoch ] | |||||||||
[ - hinten ] [ - betont ] |
||||||||||
Bedingung: X ≠ {-liç} |
Die Regel wandelt das /g/ in /ʝ/; auf dieses wirkt dann die Auslautverhärtung.
Die Ausnahme ist von Th. Siebs aus euphonischen Gründen festgesetzt worden; sie ist
offensichtlich unorganisch.
Da der den vorangehenden Kontext definierende Vokal [+ kont ] ist, ist es (implizit) eine Assimilationsregel.
Merkmale eines Konsonanten gehen auf einen Vokal über z.B. in der Verstimmlosung von Vokalen, aber auch in folgendem Fall:
Ein typisches Beispiel für Assimilation ist die allophonische Nasalierung eines Vokals vor homosyllabischem Nasalkonsonanten. Im Altfranzösischen werden Vokale in diesem Kontext nasaliert. Dies ist die erste Stufe eines zweistufigen Wandels, der insgesamt im Kapitel zur Systematik des Lautwandels dargestellt wird. Diese erste Stufe kann durch folgende Regel beschrieben werden:
R2. | [+ vokal ] | → | [ + nasal ] | / | __ | [ + nasal ] • |
In Beispielen wie frz. socialisme, span. socialismo wird ein Konsonant in der Nachbarschaft eines stimmhaften Konsonanten stimmhaft. Verstimmhaftung von Konsonanten ist oft ein Assimilationsprozeß. Entsprechendes gilt für Verstimmlosung.
Lateinische Plosive nehmen auf dem Weg ins Italienische die Artikulationsstelle des folgenden Plosivs an:
lat. acto → ital. atto; lat apto → ital. atto.
In Fremdwörtern wie Kontrast, komplett, Konkurs hat das /N/ am Ende des Präfixes die Artikulationsstelle des folgenden Konsonanten. Auch in deutschen Wörtern wie Bank, Stumpf hat der Nasal notwendigerweise dieselbe Artikulationsstelle wie der folgende Obstruent; Wörter wie [bank], [stunpf] sind keine möglichen deutschen Wörter. Man könnte den homorganischen Nasal bereits in der lexikalischen Repräsentation dieser Wörter ansetzen. Allerdings ist in der Umgangssprache die Assimilation zu homorganischen Nasalen ein phonologischer Prozeß: ankommen hat [ŋ], anbeißen hat [m]. Diese Regel kann man auch auf die lexikalischen Repräsentationen von Bank und Stumpf anwenden. Dann braucht man in diesen die Artikulationsstelle des Nasals nicht zu spezifizieren (s. zur Unterspezifikation); sie wird erst durch die Regel der homorganischen Nasalassimilation festgelegt.
Die Folge [ŋg] kommt innerhalb eines hochdeutschen Morphems nicht vor; stattdessen tritt lediglich [ŋ] auf. Auch hier könnte man das tatsächlich Gesprochene zur zugrundeliegenden Repräsentation machen. Allerdings ist das /ng/ in Dialekten erhalten. Z.B. heißt es auf Österreichisch [maŋgl] und – dort wie in anderen deutschen Dialekten –, mit Auslautverhärtung, ['aχtʊŋk ]. Dies spricht dafür, die Kombination {ng} in der lexikalischen Repräsentation solcher Wörter anzusetzen und den velaren Nasal durch dieselbe Regel der homorganischen Nasalassimilation zu erzeugen, die man sowieso braucht. Eine spätere Regel muß dann das /g/ tilgen.
Im Altgriechischen assimiliert sich ein Konsonant in Artikulationsstelle und Artikulationsart an den folgenden. Der Stamm phulak- “wachen” erscheint in folgenden Formen:
Die Assimilation eines Vokals an einen Vokal liegt vor in der sogleich zu besprechenden Vokalharmonie. Innerhalb derselben Silbe teilen oft alle Vokale einen bestimmten Merkmalswert. Z.B. ist es nicht gut möglich, daß in einer Silbe ein Vokal [+ nasal], der nächste [- nasal] ist. Das lat. canes “Hunde” (mit Oralvokalen) wurde im Portugiesischen zu dem einsilbigen cães, i.e. [kɐ͂ɪ͂ʃ].
Vokalharmonie ist eine Beschränkung, wonach alle Vokale eines phonologischen Wortes in bestimmten Merkmalen übereinstimmen müssen. Die Werte dieser Merkmale werden in der lexikalischen Wurzel festgesetzt; die Vokale von Affixen assimilieren sich.
Hier sind einige türkische Beispiele:
Umlaut (ausführlich dazu anderswo) liegt im heutigen Deutsch in Paaren wie blau – bläulich, Korn – Körner, Mutter – Mütter vor.
Der Umlaut hat als phonologischer Prozeß folgende Form:
[+ vokal ] [ - kons ] | → | [ - hinten ] | / | __ | X • Y | [ - kons ] [ - hinten ] |
[ + hoch ] | ||||||
germ. gast-i | ahd. gest-i |
Er tritt in den germanischen Sprachen bereits vor Beginn der Überlieferung als phonologischer, zu Allophonie führender Prozeß auf und verbreitet sich in ihnen von Nord nach Süd. In der Folgezeit wird der Umlaut in den einzelnen Sprachen zuerst phonologisiert, dann morphologisiert.
Umlaut ist im Altenglischen seit Beginn der Überlieferung (7. Jh.), im Ahd. seit dem 11. Jh. phonologisiert, d.h. die Produkte des Umlauts (die "Umlaute") werden Phoneme (s. den Abschnitt über Phonologisierung). In den folgenden Jahrhunderten wird der Prozeß in allen diesen Sprachen morphologisiert (ibd.), d.h. er wird nicht mehr phonologisch, sondern morphologisch konditioniert.
Bei der Assimilation nimmt ein Segment Merkmal(swert)e eines benachbarten Segments an. Es kann sich um ein folgendes oder ein vorangehendes Segment handeln; und außerdem können Merkmale in beide Richtungen wandern. Je nachdem ist die Assimilation
Regressive (antizipative) Assimilation ist viel häufiger als progressive. Also spielt Antizipation in der Rede eine größere Rolle als Perseveration. Das ist auch bei Versprechern so.
Dissimilation ist der Prozeß, in dem ein Laut einem im Syntagma benachbarten Laut unähnlich wird.
In den folgenden Beispielen wird die Artikulationsstelle eines Konsonanten dissimiliert:
idg. *pot-lom “Becher” → *poc-lom (→ lat. poculum)
ai. vas- "wohnen", Fut. *vas-syati → vatsyati
(lat. vetulo “alt” →) *vetlo → veclo (App. Probi) (→ ital. vecchio)
Kastil. bueno “gut”, abuela “Großmutter” → andalus./costarican. gueno, aguela
In den folgenden Beispielen geht es um Dissimilation der Artikulationsart:
agr. (khthes → ngr. [xθes], aber:) elévθeros → elefteros.
Ähnl. die Bedingung der germanischen Lautverschiebung: idg. ptk → germ. fθx, außer nach s.
Das lateinische Derivationssuffix X
-ali- “auf X
bezogen”, wie in regalis “königlich”, navalis “auf Schiffe bezogen”, erscheint als Allomorph -ari-, wenn der vorangehende Stamm ein /l/ enthält: militaris “auf Soldaten bezogen”, singularis “auf einzelne bezogen”.
Lat. arbore, Mercure, peregrino, veneno → ital. albero, Mercole, pelegrino, veleno
Lat. arbore → span. arbol, gr. álgos – argaléos "beschwerlich"
Lat. sanguine → span. sangre
Im Altgriechischen werden Plosive an aufeinanderfolgenden Silbenansätzen bzgl. Aspiration dissimiliert, und zwar normalerweise so, daß der erste der beiden Plosive unaspiriert wird (Graßmanns Gesetz): thríks (Haar:NOM) – trikhós (Haar:GEN). Dies geschieht regelmäßig in der Reduplikation: pe-phúteuka, tí-thēmi.
Im Yukatekischen lautet das Faktitivsuffix -kunt nach vorderen Vokalen und -kint nach hinteren Vokalen.
Haplologie ist die Tilgung einer phonologischen Einheit (eines Segments oder einer Silbe), wenn ein Token desselben Typs im Kontext ist.
Bsp.: Morphonologie.
Nicht selten ist sogar die Bedingung der totalen Gleichheit gelockert, so in dem oft zitierten Beispiel Konservatismus sowie in gr. *amphi-phora → amphora.
Vereinfachung von Reduplikation (gr. ké-kluka) ist ebenfalls eine Art Haplologie und gleichzeitig verwandt mit Dissimilation.
Die Struktur der optimalen Silbe ist KV. Sprachen sind verschieden restriktiv in ihrem Streben nach der optimalen Silbenstruktur; Näheres in Kap. 14. Wenn durch Kombination oder durch Entlehnung Sequenzen entstehen, die in einzelnen Punkten von der optimalen Silbenstruktur abweichen, finden Silbenstrukturveränderungen statt. Dafür gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten:
Viele Prozesse der Hinzufügung oder Tilgung von Segmenten tragen griechische Bezeichnungen:
Die optimale Silbe sollte mit einem einzigen Konsonanten anlauten. Silben, die mit mehr als einem Konsonanten anlauten, sind nicht optimal und der Reparatur ausgesetzt. Die einfachste und gleichzeitig grundsätzliche Lösung ist die Resyllabierung: KK•V → K•KV, wie in dt. Ast – Äste. Sie steht natürlich nur zur Verfügung, wenn beiderseits der Konsonantengruppe Vokale stehen.
Prozesse der segmentalen Anpassung lassen sich wie folgt klassifizieren:
Der erste Konsonant einer Gruppe kann getilgt werden. Der Prozeß heißt Konsonantenprokope. Z.B. ist die Gruppe /kn/ in engl. acknowledge unanstößig; aber in know und knight, wo sie im Wortanlaut steht, existiert sie nur noch in der Schrift. Griechische Fremdwörter wie engl. psychology, Ptolemy haben in der Aussprache den ersten Konsonanten eingebüßt. Im Vorlateinischen wurde zu dem Perfekt tuli “trug” das Partizip *tlatus “getragen” gebildet, das in der historischen Sprache per Prokope lātus lautet.
(oder auch Konsonantenfusion oder Koaleszenz:)
/kh/ → [kʰ], /kʔ/ → [k'], /kj/ → [kʲ], /kw/ → [Kʷ];
Okklusiv+Frikativ → Affrikat
gr. méthodos, oukhoũtos
Halbvokalisierung eines Konsonanten ist die Überführung eines [+ kons] Segments in ein [- kons] Segment, was häufig nicht ceteris paribus abgeht, sondern eben die Schaffung der Halbvokale [j] bzw. [w] anzielt. Das passiert typischerweise an den Rändern des Silbennukleus, also einerseits am Ende eines komplexen Ansatzes, so wie hier zu besprechen, und andererseits am Anfang der Koda (s.u.). In beiden Fällen wird die Grenze zwischen Silbenrand und Nukleus verschoben.
lat./ital. l → j /•K _ V
chiaro, chiostro, piano, più, fiamma, biondo
"Entfaltung" eines parasitären neuen Segments, insbes. eines Vokals ("Sproßvokal"):
apers. brādar → npers. berāder;
lat. *poclom → poculum, saeclum → saeculum;
griech. drakhmē > lat. dracuma;
evtl. engl. *centr → center.
Der in eine Konsonantengruppe eingeschobene Vokal wurde in der altindischen Grammatik Svarabhakti genannt. In vielen Grammatiken rechnet man in diesem Zusammenhang mit Euphonie (griechisch, “Wohllaut”).
Hinzufügung eines Vokals am Wortanfang. Ist in gewissem Sinne ein Fall von Anaptyxe.
span. escuela, frz. esprit
Wird der Vokal statt vor das zweite an das erste Wort angefügt, heißt der Prozeß Prosthese. So etwa ital. un sùddito, aber uno studente
Wenn eine gegebene Silbe vokalisch anlautet, sind zwei Situationen zu unterscheiden:
Der letztere Fall bildet ein Problem, das auch einen traditionellen Namen hat: Hiat(us) (“Gähnen”). Folgende Prozesse finden statt:
Prothese eines Konsonanten am Anfang der Silbe. In der Orthographie folgt er oft dem Vokal der vorangehenden Silbe; daher wird der Prozeß traditionell als Konsonantenepithese beschrieben.
Engl. the idea-r-is good;
lat. prodesse
griech. nũn ephelkustikón wie in eĩpe(n)
ital. e dice “und sagt”, aber ed esce “und geht hinaus”.
Lat. /sapiat/ > [ˈsapijat].
Synärese (oder Synizese) ist eine Art von Halbvokalisierung, die wie folgt zu symbolisieren ist (‘H’: Halbvokal):
V1 • V2 → H1 V2 (oder evtl. V1 H2)
Im Input folgt also auf einen Silbengipfel V1 unmittelbar ein weiterer V2. Die Silbengrenze wird getilgt, und nur einer der beiden Vokale – normalerweise der zweite – bleibt Silbengipfel, während der andere zum Halbvokal wird. Es entsteht also ein (steigender) Diphthong. Dadurch wird z.B. span. calla y escucha “halt den Mund und hör zu” (y [i] “und”) fünfsilbig: [ˈkajajɛsˈkuʧa].
Lat. /sapiat/ > [ˈsapjat]. Wie ein Vergleich mit Gleitlautinsertion zeigt, kann die Abweichung von der optimalen Silbenstruktur, die durch den vokalischen Anlaut mitten im Wort gegeben ist, bei gegebener morphophonemischer Basis auf zwei alternative Weisen bereinigt werden.
Die Kontraktion zweier Vokale ist zunächst der Verlust der Silbengrenze zwischen ihnen, wie in der Synärese. Bilden sie dann einen komplexen Silbennukleus, so kann dieser weiter vereinfacht werden durch Prozesse, die unten beschrieben werden.
gr. timá-ō → tim-õ, pló-ou → ploû, philé-ei → phileî.
Die folgenden beiden Prozesse, Apokope und Prokope, sind nur dadurch definiert, daß ein Vokal im Wortauslaut bzw. am Wortanlaut getilgt wird. Es gibt auch Fälle, die nicht kontextbedingt sind; diese werden im folgenden jeweils zuerst genannt. Am häufigsten finden die Prozesse freilich in der Konstellation V•V statt; deshalb werden sie in diesem Abschnitt behandelt.
Auslautender Vokal wird ausgestoßen:
dt. dem Mann(e), zu Haus(e), gern(e), mhd. herze > Herz, frz. rouge.
Apokope bei vokalischem Anlaut des nächsten Worts:
gr. ep'autõ, frz. l'ami, port. do, da.
Unterdrückung von Lauten am Wortanlaut
's ist
Im Baule passiert es (ohne daß ein vokalauslautendes Wort vorangeht) am Anfang von mehr als viersilbigen Wörtern (Ahoua 2000:144f).
Vom Altgriechischen zum Neugriechischen gehen alle unbetonten anlautenden Vokale außer /a/ verloren:
altgriech. | neugriech. | Bedeutung |
erōtõ | rōtõ | frage |
(h)upsēlós | psilós | hoch |
(h)ēméra | méra | Tag |
odóntion | dóntion | Zähnchen |
oudén | den | nichts |
Daher wohl auch ital. bottega, span. bodega < altgriech. apothēkē.
Auch Konsonanten werden prokopiert, aber in anderen Kontexten, nämlich im komplexen Silbenanlaut; s. oben.
Prokope von Vokal nach auslautendem Vokal:
engl. I'm.
Man kann annehmen, daß auch die vorgenannten Fälle von scheinbar spontaner Prokope in Kontexten motiviert waren, wo dem Wort ein vokalisch auslautendes Wort, z.B. der definite Artikel, voranging.
Ein komplexer Silbennukleus ist einer, der aus mehr als einem kurzen Vokal, also normalerweise aus einem Langvokal oder Diphthong besteht. Er kann durch die Kontraktion zweier benachbarter Vokale erst entstanden sein. Gleich wie er entstand, es gibt für beide Typen Reduktionsprozesse:
Monophthongierung: Der Diphthong wird zu einem einfachen Segment zusammengezogen. Dies geschah mehrfach in der lateinischen Sprachgeschichte:
Kürzung: Der Langvokal wird (im Deutschen vor silbenschließendem Konsonant) gekürzt: mhd. V̅ → nhd. V̆ / _ K2 (brâchte → brachte)
Da die optimale Silbe offen ist, stellt eine geschlossene Silbe ein Problem dar, das desto größer ist, je mehr Konsonanten in der Koda stehen und je komplexer und weniger sonorant sie sind. Das Problem kann auf mehreren Ebenen und auf verschieden radikale Weise gelöst werden:
frz. petit garçon; altgr. ónoma_, élipon_; kölsch Hauptpostamt.
Deletion in komplexer Koda: du seufzt.
lat./span. f → h, gr. w, s → h;
andalus. s → h / __ #
Yuk. l → h / __ #
Reduktion eines Okklusivs auf glottalen Okklusiv:
Yuk. k'áak'tik [k'á:ʔtik], k'ab [k'aʔ]
Der hier zu besprechende Prozeß ist gleichsam das syntagmatische Spiegelbild der am Silbenansatz stattfindenden Halbvokalisierung.
lat. caldo → frz. chaud, castello → frz. chateau, port. Brasil
/r/ wird im deutschen Silbenreim geschwächt. Die Spezifikation der uvularen Artikulationsstelle folgt der obigen Tabelle.
1. Phase:
R7. | [- vok] [+ kons] [+ kont] [+ sth] [+ hinten] [- hoch] |
→ | [- kons] | / | __ | K0 • | warte, zerrst, klirrt, Furt |
(ʁ → ʁͅ [das r wird zum Approximanten] im Silbenreim)
2. Phase
R8. | [- vok] [- kons] [+ hinten] [- hoch] |
→ | [+ vok] [+ zentral] |
/ | [+ vok ] [ + lang ] |
___ | wahrte, zehrst, kliert, fuhrt |
(ʁͅ → ɐ [das r wird vokalisiert] nach Langvokal)
R8 setzt voraus, daß [ʁͅ] nur da vorkommt, wo es durch R7 eingeführt wurde, so daß der folgende Kontext nicht noch einmal spezifiziert werden muß. Über [rund] wird in dem Regelpaar nichts gesagt; also kommt keine Rundung dazu. Laut IPA-Tabelle erzeugt R8 das [ɜ]; für die etwas größere Öffnung des [ɐ] gibt es kein Merkmal.
Die Kontextbedingung wird in mehreren deutschen Dialekten, z.B. Ostwestfälisch, fallengelassen ([kuɐt], ['fiɐma]).
Degemination einer Geminata ist deren Überführung in einen einfachen Konsonanten. Der Prozeß fällt tatsächlich unter Vereinfachung der Silbenkoda, da ja die erste Hälfte einer Geminata die vorangehende Silbe beschließt. Nach der Degemination liegt die Verschlußbildung in der Folgesilbe. Falls Geminaten bisegmental analysiert werden, ist Degemination ein Fall von Apokope.
Lateinische Geminaten werden im Französischen und Iberoromanischen vereinfacht: lat. cella → frz. celle.
Auch im Deutschen gibt es keine Doppelkonsonanten. Spätestens seit dem Westgermanischen werden sie vereinfacht, wo sie entstehen:
R12. | Ki | → | ∅ | / | Ki | ___ | reist, lädt, rät; reizt |
(i ist ein Referenzindex):
In der Alternation stimmloser mit stimmhaften Obstruenten in deutschen Wörtern vom Typ Tag – Tages ([taːk – ˈtaː•gəs]) ist die erstere aus der letzteren Variante abzuleiten. Die Regel ist etwa die folgende:
R6. | [ + obstr ] | → | [ - sth ] | / | ___ | [+ obstr ]0 • | Rades - Rad - Rads; redlich, löblich; Wildheit, folgsam hebe - hebst - hebt; Adler |
aber nicht in: | edle |
In Prosa: Obstruenten werden in der Silbenkoda stimmlos. Die Regel wird rekursiv (oder iterativ) angewandt: In Wörtern wie hebst “vergewissert” sie sich im ersten Durchlauf, daß das [t] stimmlos ist; im zweiten Durchlauf tut sie dasselbe für [s], und im dritten macht sie das {b} stimmlos.
Die Regel wird auch produktiv auf Fremdwörter angewandt: Dialog, Club, beige, Marseille.
Auslautverhärtung fällt auch in die Kategorie von Abschnitt 1.1.
Vokalepithese bei einem konsonantisch auslautenden Wort geht mit Resyllabierung, nämlich Einfügung einer zusätzlichen Silbengrenze vor dem ehemals auslautenden Konsonanten einher, so wie in folgenden Beispielen:
Epenthese ist die Einfügung eines Segments, normalerweise eines Konsonanten, in eine Gruppe. Dies geschieht i.a. zwischen einer konsonantisch auslautenden Silbe und dem Ansatz der Folgesilbe. Eine typische Konstellation ist K•L, wenn es nicht als •KL resyllabiert werden kann, wie in folgenden Beispielen:
altgr. anḗr – andrós, mélomai – mémbleton
Hendrick, tschech. Jindřich
russ. lubit' – lublju
Lat. emo – emptus, sumo – sumptus weisen ebenfalls Epenthese auf, aber unter offensichtlich anderen Bedingungen. Diese Art von Epenthese ist i.w. eine Folge der Koartikulation.
Transposition ist die Umstellung eines Segments. In der hier zu betrachtenden Variante wird in einer Sequenz K1•K2 2 vor K1 gestellt, woraus K2•K1 resultiert. In den folgenden Beispielen hat K2 höhere Sonorität als K1.
Vulgärlat. capitulo > *capitlo > span. cabildo “Kapitel”.
gr. *mélanja → mélaina, *mákharja → mákhaira, *morja → moira
(Letztere Transposition heißt in der Gräzistik fälschlich auch Epenthese.)
Da in diesen Fällen die Reihenfolge zweier Segmente umgekehrt wird, kann der Prozess auch als Kontaktmetathese konzipiert werden. Zur Metathese s. im übrigen unten.
Dehnung: dt. sagen, wegen
Diphthongierung: ital. buono, span. bueno, tengo vs. tiene
dt. mīn → mein, hūs → Haus
Das Vokalsystem entfaltet sich am besten unter dem Wortakzent, während in unbetonten Silben Reduktionen und Neutralisierungen auftreten.
Im Englischen werden vokalische Oppositionen in unbetonten Silben reduziert: [ 'fo:wtəgɹæf ] vs. [ fə'tɑ:gɹəfij ].
Lat. capio vs. accipio.
Zentralisierung in unbetonter Silbe
Vgl. die Aussprache von Mestre, Michelangelo im Italienischen und Deutschen.
Im Russischen besteht das vollständige Vokalfünfeck nur in betonten Silben.
betont | unbetont; vorangehender Konsonant | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
schlicht | palatalisiert | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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[ɨ] und [i] stehen nicht in Opposition, da [i] nur nach palatalisierten, [ɨ] nur nach schlichten (velarisierten) Konsonanten vorkommt.
In unbetonten Silben wird das Fünfeck reduziert: /o/ und /a/ fallen in [ə] bzw. in prätonischer Silbe in [ʌ] zusammen: golová, magazín -> [gəlʌ'va, məgʌ'zin]. Nach palatalisierten Konsonanten werden /a e o/ alle zu [ɩ] (íkan'e): mestá "Stellen" -> [mjɩs'ta], časý "Stunden" -> [čɩ'sɨ].
Synkope ist die Tilgung des Vokals einer Silbe, die typischerweise stattfindet, wenn der Akzent auf deren Nachbarsilbe liegt.
Klass. Latein | Gem.rom. | Ital. | Span. | Franz. | Deutsch |
auricula | oricla | orecchio | oreja | oreille | Ohr |
calido | caldo | caldo | (caliente) | chaud | warm |
cerebello | cerbello | cervello | (cérebro) | cerveau | Gehirn |
comite | conte | conte | conde | conte | Graf |
domina | donna | donna | doña | (dame) | Herrin |
frigido | frigdo | freddo | frío | froid | kalt |
mīrāculo | miraclo | miracolo | milagro | miracle | Wunder |
oculo | oclo | occhio | ojo | oeil | Auge |
populo | pop(o)lo | popolo | pueblo | peuple | Volk |
posito | posto | posto | puesto | poste | gestellt; Posten |
speculo | speclo | specchio | espejo | - | Spiegel |
vetulo | veclo | vecchio | viejo | vieux | alt |
viride | verde | verde | verde | verd | grün |
Lat. bonitate → ital. bontà. Zur Vertiefung: Synkope im Iberoromanischen.
Synkope ist wortartensensitiv; s. Heidolph et al. 1981:924. Die folgende Regel gilt nur für Verbstämme.
R10. | ə | → | ∅ | / | [ + vokal ] [ - betont ] |
[ + vokal ] [ + kons ] |
___ | n | wandeln, wandern |
Darüber hinaus ist R10 umgangssprachlich optional, wenn der vorangehende Vokal betont ist, wie in verloren, holen.
R11. | ə | → | ∅ | / | ___ | [+ sonorant ] [ + vokal ] | Wandler, Radler, Gärtner, ebne, atme; Wand(e)rer, schaud(e)re, Zaub(e)rer, rad(e)le |
Bedingung: optional vor {r/l}ə |
Wörter auf -er-el gibt's im Hochdeutschen nicht.
Synkope ist das reversive Gegenteil von Anaptyxe, denn sie tilgt einen Vokal im selben Kontext, in dem Anaptyxe ihn einfügt. Wenn man nur eine synchrone Alternation vom Typ weigre ~ weigere ohne historische Evidenz hat, kann man nicht wissen, ob die erste Form aus der zweiten durch Synkope oder die letztere aus ersterer durch Anaptyxe entstanden ist. Manchmal kommen auch Synkope und Anaptyxe im selben Wort vor. So ist aus dem agr. Herakles das lat. Hercules durch Synkope des a und Anaptyxe des u entstanden.
Sprache | L V | Richtung | Sprache | V L | Bedeutung |
span. | preguntar | ← | port. | perguntar | fragen |
port. | prejudicar | → | span. | perjudicar | schaden |
russ. | vrat | ← | slav. | vort- | drehen |
russ. | vlăk | ← | slav. | velk- | |
germ. | hros | → | engl. | horse | Roß |
Der slavische Fall ist regelmäßig ("Liquidenmetathese").
Original | Ziel | Bedeutung | ||
Sprache | Beispiel | Sprache | Beispiel | |
lat. | periculo | Gefahr | ||
ital. frz. port. | pericolo péril perigo | |||
altspan. | periglo | span. | peligro | |
lat. ital. frz. | miraculo miracolo miracle | port. | milagre | Wunder |
altspan. | miraglo | span. | milagro | |
lat. | parabola | Wort | ||
altspan. | parabla | span. | palabra | |
lat. | praesepe | span. | pesebre | Krippe |
? | Algeria | span. | Argelia | Algerien |
1 Lateinische Nomina werden i.a. im Ablativ angegeben.
2 Das wäre im Sinne von Theorien der Jahrtausendwende – insbesondere der Optimalitätstheorie –, wo die Veränderungen lexikalischer Repräsentationen eine notwendige Folge von Beschränkungen über zulässige phonetische Repräsentationen sind.
3 Die Termini ‘regressiv’ und ‘progressiv’ werden oft verwechselt. Die Benennung “zurückgehend” vs. “vorwärtsgehend” bezieht sich auf die Bewegung des wirkenden, übertragenen Merkmals vom Assimilans zum Assimilandum.
4 "correlaciones que funcionan como significativas y diferenciales en la tension silabica, cesan en la distension, donde o no existen materialmente, o si existen, dejan de ser intencionales y pierden por eso su validez." (Alonso 1945:94)
5 So werden im Englischen Konsonanten vor [u] palatalisiert, wie in Tuesday und refuse. Im Altfranzösischen wurde lat. /k/ zu /ʃ/ in Wörtern wie chaud (< vulgärlat. caldo) “kalt”.