Eine Flexionsklasse ist eine Klasse von Lexemen einer Wortart, die im Flexionsparadigma dieselben Allomorphe aufweisen.
Wo Flexion in Deklination und Konjugation zerfällt, bilden Substantive Deklinationsklassen und Verben Konjugationsklassen. Deutsche Substantive der schwachen Deklinationsklasse bilden den Genitiv Singular und den Plural auf -(e)n (Bsp.: Bauer), solche der starken Deklinationsklasse bilden beide Formen nicht mit -(e)n (Bsp.: Tag).
Die Flexion eines Lexems nach den Werten einer Flexionskategorie nimmt die Form eines Paradigmas an. Wenn die Werte der Kategorien an allen Lexemen einer Wortart durch die gleiche morphologische Modifikation kodiert werden, gibt es keine Flexionsklassen. (Das ist z.B. im Türkischen so.) Flexionsklassen gibt es, wenn in der Flexion Allomorphie herrscht, wenn es also für ein Flexionsmorphem eine Menge von Allomorphen gibt.
Rein phonologisch konditionierte Alternation konstituiert keine Flexionsklassen. Z.B. fallen Sau und Aue in dieselbe Deklinationsklasse; denn dass Sau das Suffix -en nimmt, wo Aue das Suffix -n nimmt, ist rein phonologisch konditioniert; und ansonsten handelt es sich in beiden Fällen um dasselbe Allomorph.
Wenn jedes Allomorph eines Flexionsmorphems in einem Paradigma mit jedem Allomorph eines anderen Flexionsmorphems vorkommen kann, gibt es ebenfalls keine Flexionsklassen. (Ein solcher Fall ist nicht bekannt.) Tatsächlich gruppieren sich die Flexionsallomorphe zu Sätzen, deren jeder eben eine Flexionsklasse charakterisiert. Ein solcher Satz inkludiert im Deutschen z.B. -es für den Genitiv Singular und -e für den Dativ Singular (wie bei Tag). Es gibt auch das Allomorph -(e)n für den Dativ Singular (z.B. bei Bauer); aber dieses kookkurriert nicht mit dem -s für Genitiv Singular in einem Paradigma.
Theoretisch könnten die Allomorphe, welche den Wert einer Flexionskategorie kodieren, von einer anderen Eigenschaft des betreffenden Lexems konditioniert sein. Z.B. könnten alle maskulinen Substantive nach einem Schema und alle femininen nach einem anderen Schema deklinieren. Auch dann würde man nicht von Flexionsklassen sprechen (stattdessen würden solche Morphe sowohl Genus als auch die anderen Deklinationskategorien kodieren). Insoweit keine solche Konditionierung herrscht, ist die Flexionsklasse, zu welcher ein Lexem gehört, eine morphologische Eigenschaft, die ähnlich wie sein Genus eigens mit ihm zu lernen ist.
Flexionsklassen haben folglich keine grammatischen oder lexikalischen Funktionen, wie sie von Kategorien der Wortbildung und Flexion getragen werden. Sie fallen daher nicht unter den Begriff ‘morphologische Kategorie’.
Nübling, Damaris 2008, “Was tun Flexionsklassen? Deklinationsklassen und ihr Wandel im Deutschen und seinen Dialekten”. Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 75/3: 282-330.