Ein Paradigma ist eine Komponente des Sprachsystems. Es besteht aus einer Menge von – normalerweise signifikativen – sprachlichen Einheiten, die zueinander in Opposition stehen. Unter allen Mengen von Einheiten, die diese Bedingung erfüllen, ist der Begriff des Paradigmas normalerweise wie folgt eingeschränkt:

  1. Es handelt sich um eine Menge grammatischer Formative.
  2. Die Menge ist folglich eine geschlossene Menge.
  3. Das Paradigma wird konstituiert durch eine oder mehrere grammatische Kategorien, die als Parameter fungieren, und die Menge ihrer Werte.

Das folgende Beispiel illustriert den Begriff:

  1. Die Menge der dieses Paradigma bildenden grammatischen Formative sind die Deklinationsendungen des Substantivs.
  2. Es gibt keine weiteren Mitglieder dieser Distributionsklasse.
  3. Die grammatischen Kategorien, die das Paradigma konstituieren, sind Numerus und Kasus. Deren Werte erscheinen in den Spalten- bzw. Zeileneingängen der Tabelle.

Wenn es eine eindeutige Zuordnung zwischen einem Wert einer Kategorie und einem grammatischen Formativ gibt, wie etwa im türkischen Kasussystem, kann eine eindimensionale Tabelle ausreichen. Immer wenn ein Formativ der Exponent von mehr als einer Kategorie ist, hat man ein mehrdimensionales Paradigma, wie in dem deutschen Beispiel.

Das Wort Paradigma bedeutet im Altgriechischen “Beispiel”. Und in der Tat wird die betreffende Menge von Formativen bis heute i.a. anhand eines Beispiels – oben eben der Stamm Bild – dargestellt. Dies dient aber lediglich der Veranschaulichung (bzw. dem Auswendiglernen). Theoretisch genommen, wird das Paradigma der deutschen Deklinationsformative konstituiert durch folgenden Kontext:

[ [ X ]Substantivstamm    ]Substantivform

Da nun die Mitglieder des Paradigmas in diesem abstrakteren Sinne nicht die deklinierten Formen der obigen Tabelle, sondern die daselbst unterstrichenen Suffixe sind, stehen sie in der Tat in dem angegebenen Kontext in Opposition zueinander. Die deklinierten Formen hingegen stehen nicht in Opposition zueinander, da sie nicht im selben Kontext vorkommen.

Auf der niedrigen Abstraktionsstufe, wo ein Paradigma durch ein Beispiel repräsentiert wird, sind seine Mitglieder (Allo-)Morphe, nicht Morpheme. Z.B. würde man zur Repräsentation der deutschen Deklination zahlreiche Paradigmen wie das obige benötigen, für jede Deklinationsklasse eines. Man kann sich ein Paradigma als aus Morphemen zusammengesetzt denken; aber das würde dann eo ipso den Zweck verfehlen, die in einem bestimmten Kontext auftretenden Formative darzustellen.

Seit die in Saussure 1916 so genannten assoziativen Relationen paradigmatische Relationen genannt werden, gibt es auch einen weiteren Begriff des Paradigmas, der auf die eingangs aufgeführten drei Zusatzbedingungen verzichtet. Dann wäre z.B. auch ein Wortfeld ein Paradigma s.l. In der Tat kann ein Paradigma s.s. durch Grammatikalisierung aus einem Paradigma s.l., also aus einer Distributionsklasse, entstehen.